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Kampfkunst Kurzgeschichten

Party Hammer

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Die Musik war gut, nur etwas zu laut, befand Claudia. In der zweigeschossigen direkt am Rhein gelegenen Wohnung in der Kölner Altstadt fühlte sie sich aber wohl. Es war die richtige Entscheidung gewesen sich von ihrer Kommilitonin Anke auf diese halbprivate Examensparty mitschleppen zu lassen. Claudia hatte schon einige nette Leute kennengelernt und nun fiel ihr Blick auf einen jungen Mann ganz nach ihrem Geschmack. Gut 1,90 groß mit dunkelbraunen Haaren und einem ebensolchen Vollbart stach er aus der Gruppe der für sie potenziell interessanten Kerle eindeutig heraus. Zudem war er breitschultrig aber gleichzeitig nicht zu muskulös. Das sagte Claudia schon mal zu. Mit einem vorteilhaften Rollkragenpullover war er auch ganz passend gekleidet.
Claudia überlegte. Nach der letzten Beziehungskatastrophe wollte sie eigentlich noch eine Weile Single bleiben. Aber irgendwie vermisste sie es schon einen Mann an ihrer Seite zu wissen. Es galt also mal zu schauen, ob dieses Prachtexemplar auch von nahem noch interessant war.
Die dreiundzwanzigjährige Blondine mit der drahtigen Figur einer Leichtathletin aktivierte ihr bewährtes Balzprogramm. Erst kurz den Blickkontakt suchen, dann lächeln und die blauen Augen nach einem Moment wieder abwenden, um mit jemand anderem zu sprechen. Gegebenenfalls war diese nonverbale Kommunikation einfach nochmal zu wiederholen.

Nein, diesmal brauchte Claudia keine großen Lockanstrengungen zu machen. Der Kandidat zeigte sehr schnell Interesse. Sie entschuldigte sich bei ihren Gesprächspartnerinnen, um nochmal zum Buffet zu gehen. Es galt dem Herrn die Gelegenheit zu geben sie ungestört anzusprechen. Jackpot! Er wusste eine sich bietende Gelegenheit zu nutzen.
„Von denen kann ich auch nicht genug bekommen“, sagte er und deutete dabei auf die selbstgemachten Käsestangen, von denen Claudia sich gerade eine genommen hatte.
„Oh ja, die finde ich auch total lecker“, sagte Claudia und lächelte den jungen Mann an.
„Die hat Nicole, die Freundin meines Bruders mitgebracht“, sagte er. „Sie will aber niemandem verraten, wie sie die so hinbekommt.“
„Ist sicherlich ein Geheimnis“, scherzte Claudia.
„Ich bin übrigens Marc, der kleine Bruder vom Organisator hier.“
„Ich heiße Claudia und gehöre zu den Architektinnen.“
„Freut mich Dich kennenzulernen“, sagte Marc.
„Die Freude ist ganz auf meiner Seite“, dachte sich eine zufriedene Claudia.

In der folgenden Stunde wurde ihr Marc immer sympathischer. Er war 27, angehender Sportmediziner und ebenso wie sie begeisterter Leichtathlet. Es gab also viel zu erzählen und nicht nur dass der Kerl gut aussah, er hatte auch noch Humor. Was Claudia allerdings nicht so gefiel war, dass sein Blick häufig auf ihrem Busen und ihrem Schritt lag. Mal gucken fand sie schon o.k. Immerhin hätte sie Marc auch gerne mal in Badehose gesehen. Aber ständig? Das nervte schon etwas. Auch war sein Alkoholkonsum nicht so ganz nach ihrem Geschmack. Während es Claudia nach einem kleinen Cocktail bei Cola beließ, hatte Marc immer ein Bier zur Hand. Das wiederum hatte zum Effekt, dass er stetig lockerer wurde, was Claudia grundsätzlich gut fand.
„Wenn Du Lust hast, dann zeige ich Dir mal meine Wettkampffotos. Ich habe die oben auf meinem Laptop“, sagte Marc.
„Der will Dich nur mit hochnehmen um rumzumachen“, dachte sich Claudia.
Da sie dem aber nicht abgeneigt war, lautete ihre Antwort:
„Okay.“

Marc hatte in der WG, die er mit seinem Bruder, dessen Freundin und noch einem Kumpel bewohnte, ein kleines Zimmer abbekommen. Claudia fiel sofort das breite Bett auf, das links neben dem Schreibtisch mit dem Laptop und dem zusätzlichen Monitor stand. Als sie Anstalten machte zu dem Rechner zu gehen, hatte Marc schon die Türe geschlossen und zog sie bestimmt an sich heran.
„Hui, ganz schön stürmisch“, sagte Claudia, die sich dagegen jedoch nicht sträubte.
Marc begann sie zu küssen und auch Claudia erwiderte den Kuss. Seine Alkoholfahne war zwar nicht gerade förderlich für ihren Genuss, aber ansonsten fühlte es sich gut und richtig an. Während sie sich so leidenschaftlich küssten, wanderten Marcs Hände tiefer und landeten auf Claudias Hintern. Das ging ihr zwar etwas schnell, war aber nicht unangenehm. Dann begann Marc ihr unter die Bluse zu fassen und spätestens jetzt war ihr klar, was er wollte.
„So schnell mit einem Typen ins Bett gehen? Das ist doch sonst nicht Deine Art“, dachte sich Claudia. „Auf der anderen Seite: Du hattest jetzt seit einem halben Jahr keinen Sex mehr. Eine kurze Affäre wäre nicht unbedingt schlecht. Machen wir also mal weiter ...“

Komplett ausgezogen und im Licht einer schwachen Nachttischlampe hatten sich Claudia und Marc in Stimmung gebracht. Schließlich drückte Marc Claudia sanft aufs Bett und kam über sie. Claudia hielt aber die Beine noch geschlossen.
„Moment, Großer“, sagte sie. „Hast Du nicht was vergessen?“
„Was?“, fragte Marc leicht genervt.
„In einem Kondom würde mir Dein bestes Stück noch mehr gefallen“, säuselte Claudia, um den Moment nicht zu gefährden.
„Nimmst Du etwa nicht die Pille?“, fragte Marc geradezu vorwurfsvoll.
„Doch, aber wir kennen uns kaum und da mache ich es nur mit Kondom“, gab Claudia nun auch etwas genervt zurück.“
„Hey, also echt jetzt. Süße! Denkst Du etwa ich hätte irgend eine komische Krankheit?“, sagte Marc. „Ich mag keine Kondome. Das ist, als ob man es in eine Plastiktüte machen würde.“
„Sicher ist sicher“, sagte Claudia. „Ich kann mich nicht entspannen, wenn ich mir dabei Gedanken machen muss.“
„Ganz ehrlich, ich habe nix“, sagte Marc. „Ohne macht es doch einfach viel mehr Spaß.“
„Ziehst Du Dir jetzt was über oder müssen wir das hier doch noch sein lassen?“, gab Claudia zurück und machte Anstalten sich unter Marc wegzurollen.
„Du lässt mich jetzt nicht mit so einem Ständer hier sitzen!“, fauchte Marc zornig. „Eine, die mich scharf macht, macht gefälligst auch die Beine breit!“
Dann versuchte er Claudia recht rabiat wieder auf den Rücken zu drücken.

Da legte sich ein Schalter in Claudias Kopf um. Sie wollte schon mit dem Kerl schlafen, aber eben nicht ohne Kondom. War sie etwa im Begriff ein Vergewaltigungsopfer zu werden? Etwas tief in ihr sagte, was ihre Stimme zornig hervorschrie:
„Nein!“
Ihre Rechte schnellte vor und landete mit der Handfläche in Marcs Gesicht. Während sie seinen Kopf zur Seite drückte, zog sie ihre Knie an und brachte das rechte Schienbein vor seinem Brustkorb in Stellung. Das linke Bein hakte sie mit der Hacke am Rücken ihres Gegners ein.
„Du Schlampe!“, brüllte Marc und versuchte Claudias Beine mit seinen Händen auseinander zu reißen.
Damit verspielte Marc seine Chance die Sache einfach zu beenden. Claudias Rechte ging zurück und wurde zur Deckung vor ihrem Kopf. Dann schlug ihre linke Faust mit der Handkante krachend auf seiner Nase ein. Dieser Hammerfaust folgte eine zweite mit der Rechten, die genau auf dem linken Auge des Angreifers einschlug. Claudia stemmte nach diesem Treffer ihr Becken ruckartig hoch. Eine direkt folgende schnelle Hüftdrehung beförderte den angeschlagenen Marc aus dem Bett, so dass er scheppernd gegen seinen Kleiderschrank knallte.

Claudia hechtete auf der anderen Seite aus dem Bett. Blöder konnte die Situation nicht sein. Splitternackt und einen neunzig Kilo Gegner mit ihr im gleichen Zimmer. Wenn sie jetzt überstürzt rausrannte, wäre sie sicherlich im Evakostüm auf einigen Handyvideos zu sehen.
„Verdammte Scheiße!“, schrie sie.
Beim Ausziehen hatten weder Marc noch sie darauf geachtet, wo die Klamotten hinflogen. Mit vor dem Körper gehaltenen offenen Händen sicherte sie in Richtung des stöhnenden Zimmerbewohners und blickte sich rasch um. Ihre Jeans lag auf halb links gedreht zu ihren Füßen und ihr Esprit-Unterhemd hing zerknüllt über den Schreibtischstuhl geworfen.
Claudia bückte sich und schüttelte die Jeans auf die richtige Seite. Sie war gerade mit einem Bein darin, als Marc auf die Füße kam. Zorn war in seinem Gesicht zu sehen und er würde sie sicherlich nicht so einfach gehen lassen.
„Dich klatsche ich weg!“, brüllte er und machte zwei schnelle Schritte auf Claudia zu.
Die Studentin hatte die Jeans noch nicht zugeknöpft, als Marcs kräftige Hände sie am Hals packten und sie spürte, wie er ihr die Blutzufuhr zum Gehirn abdrückte. Sofort ging ihr Kinn runter, um den Hals zu schützen. Ein natürlicher Reflex, den sie nicht trainiert haben musste, um ihn anzuwenden. Mit zu Haken gekrümmten Fingern hängte sie sich an Marcs Arme. Durch einen schnellen Impuls riss sie seine Handgelenke nach außen, um den Druck auf ihren Hals zu lösen und feuerte ihren besten Fußballtritt nach vorne in Richtung seiner Manneskraft.

Was in ihrem Selbstverteidigungstraining bisher immer geklappt hatte, scheiterte in der Realität. Zwar konnte sie die starken Arme für einen Moment lösen, aber da Marc sie nach rechts in Richtung des Betts riss, ging ihr Tritt fehl und traf sein Schienbein. Schmerzhaft knickte ihr großer Fußzeh ab.
„Feuer! Feuer!“, brüllte Claudia in der Hoffnung, dass ihr Alarmruf auch über die laute Musik im unteren Stockwerk der Wohnung gehört werden würde.
„Der Kerl bringt mich um!“, schoss es ihr durch den Kopf.
Da gab sie sich in den adrenalingestreckten Sekunden dieses Kampfes selbst ein Versprechen:
„Ich gehe heute nach Hause und ich tue alles dafür, damit es auch passiert!“
Beide Hände der Studentin schnellten vor. Ihre Finger und Handflächen zielten an Marcs Kopf vorbei, aber die Daumen sollten seine Augen treffen. Marc riss jedoch seinen Kopf herunter, so dass Claudias Fingernägel durch seine Haare gegen den Schädel schlugen. Der Studentin drohte schwarz vor Augen zu werden, aber da warf Marc sie zurück aufs Bett und ließ dabei ihren Hals los. Blitzschnell drehte sie sich auf den Rücken und brachte die Beine zwischen sich und ihren Angreifer. Während sie mit der Linken kurz unwillkürlich nach ihrem Hals fasste, war die rechte Hand wieder zum Schutz bei ihrem Kopf. Auf den Knien war der nackte Möchtegernvergewaltiger nun auf dem Bett angekommen.

Claudia verschwendete keinen Gedanken daran, dass sie eigentlich mal gelernt hatte, schon schwache Gegenwehr würde für gewöhnlich ausreichen so einen Typen zu verjagen. Sie hatte wohl das große Los gezogen einen zu finden, der sich sein vermeintliches Recht erkämpfen wollte. Aber nicht mit ihr.
„Feuer! Feuer!“, brüllte sie wieder mit noch immer leicht erstickter Stimme.
Auch wenn Marc recht entschlossen ihre Beine zu greifen versuchte, konnte Claudia ihn mit den Tritten gut auf Distanz halten. Dann schaffte er es jedoch ihren rechten Fuß zu greifen und hielt diesen mit beiden Händen fest. Claudia zog ihr rechtes Bein zu sich heran und zielte gleichzeitig mit einem gestoßenen Tritt gegen Marcs Kinn. Treffer! Der hatte gesessen!
Marc taumelte zurück und fiel am Fußende aus dem Bett. Claudia rollte sich an der Bettseite heraus und brachte sich wieder in Kampfposition.
„Feuer! Feuer!“, schrie sie ihre Verzweiflung hinaus.
Tränen füllten die Augen der jungen Frau. Der Kerl hatte immer noch nicht genug und war erschreckend schnell wieder auf den Füßen. Dadurch versperrte er Claudia auch den Fluchtweg aus dem kleinen Zimmer. Zumindest konnte sie noch ihre Jeans richten, um mehr Bewegungsfreiheit zu haben, bevor sein nächster Angriff kam.

Erneut stürmte er mit erhobenen Händen auf sie zu, um sie am Hals zu packen. Claudias Hände schnellten vor und klatschten gegen seine Arme. Ihren Tritt sah er nicht kommen. Diesmal traf dieser auch sein Ziel zwischen den Beinen ihres Gegners. Aber er fiel nicht um wie Claudia gehofft hatte. Offenbar hatte ihn sein Alkoholspiegel schmerzunempfindlich gemacht. Seine Rechte rauschte als Maulschelle heran, um Claudia den Kopf von den Schultern zu donnern.
Die Studentin, welche nicht in diesem Zimmer sterben wollte, riss ihren linken Ellbogen zur Abwehr hoch und Marcs Unterarm knallte gegen dessen Spitze. Claudias folgende rechte Hammerfaust traf ihm am rechten Auge und drehte dadurch seinen Kopf leicht nach links. Mit vollem Körpereinsatz und einer explosionsartigen Hüftdrehung krachte ihre linke Hammerfaust gegen die rechte Kieferaufhängung ihres Gegners. Claudia hörte ein deutlichen Knacken und sah wie Marcs Kopf von der Wucht des Schlages herum gerissen wurde und sein Körper dieser Bewegung folgte. Hart stieß der Mann gegen ein Bücherregal, dessen Einlegeböden ob der Wucht nachgaben und mit lautem Krachen ging Marc zu Boden.
Der Fluchtweg der Studentin war nun frei. Sie stieß die Türe auf und lief aus dem Zimmer.
„Feuer! Feuer!“, rief sie.
Schnell hafteten alle Blicke auf ihr, während sie die Treppen in den unteren Teil der Wohnung hinab stürmte. Jetzt besann sich Claudia auch, dass sie nur eine Jeans trug und legte die Hände auf den Oberkörper.
„Was? Wo?“, sagte ihre Freundin Anke, die als erste reagierte.
„Marc! Er … er wollte mich vergewaltigen“, stieß Claudia hervor und merkte nun wie sie am ganzen Leib zitterte. „Ruft sofort die Polizei!“
Anke reichte Claudia ihre Weste, während eine andere Kommilitonin auf ihrem Smartphone 110 wählte.

Die Party war vorbei. Es hatte einen richtigen Tumult gegeben. Bis die Polizei da war, hatten sich zwei Lager gebildet. Eines bestand aus Freunden von Marc, die ihm zur Seite sprangen und eine Version der Ereignisse erzählten, die ihn als Opfer einer vollkommen hysterischen Feministin darstellten. Der überwiegende Anteil der Partygäste glaubte aber Claudias Version, die sie auch gerade einer freundlichen schwarzhaarigen Polizistin Ende dreißig in der Polizeistation zu Protokoll gegeben hatte.
„Alle Achtung“, sagte diese anerkennend. „Sie haben sich wirklich entschlossen zur Wehr gesetzt. So etwas erleben wir hier in ähnlichen Fällen leider viel zu selten.“
„Was passiert jetzt?“, fragte Claudia.
„Das geht jetzt zur Staatsanwaltschaft“, sagte die Polizistin. „Ich würde mal sagen, da Aussage gegen Aussage steht, wird man Ihnen die Notwehr zugestehen, auch wenn der Kerl jetzt einen gebrochenen Kiefer und eine gebrochene Nase hat. Aber darauf hoffen, dass ihm allzu viel passiert, würde ich nicht. Er bekommt höchstens einen Strafbefehl.“
Claudia nickte.
„Darf ich Sie noch eine Sache fragen? Aus reiner Neugierde und nicht dienstlich?“, fragte die Polizistin nach einem kurzen Moment.
„Äh, ja.“
„Wo haben Sie gelernt sich so zu verteidigen?“
„Oh, ich lerne seit zwei Jahren israelische Selbstverteidigung. Mein Trainer unterrichtet Krav Maga und KAPAP. Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal anwenden muss.“
„Verstehe. Das trainieren ein paar meiner Kollegen auch. Hat sich definitiv gelohnt. Bei Ihnen meine ich.“
„Ja“, sagte Claudia.
„Wie kommen Sie jetzt nach Hause?“
„Ich rufe mir ein Taxi. Das war genug Ärger für heute.“
„Das ist sehr vernünftig“, sagte die Polizistin. „Man sollte besser kein Risiko eingehen.“
„Wie recht Sie damit haben“, sagte Claudia.

Ende.

PS: Der Name dieser Kurzgeschichte ist von der Schlagtechnik „Hammerfaust“ inspiriert.

Aktualisiert: 28-01-2018 um 19:06 von Magister Scriptor

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