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Thema: Ist Aikido immer belastend für das Knie?

  1. #121
    carstenm Gast

    Standard

    Zitat Zitat von Aiki50+ Beitrag anzeigen
    Mir scheint eher, dass sich das Verständnis des Begriffs "Übens" unterscheidet.
    Das ist richtig: Ich benutze den Begriff "Üben" in einem anderen Sinne, als du ihn gebrauchst.
    Für mich ist das deutsche "Üben" die beste Entsprechung des japanischen 稽古 keiko. In meinem Umfeld, wird keiko in aller Regel mit "(to) practice" übersetzt. Ich meine, daß "üben" dem am nächsten kommt. Der Bedeutungsgehalt von keiko ist ja etwa: Das Alte/Tradierte bedenken/überlegen/vergleichen.
    Für 練習 renshû, also Einschleifen rein durch fortgesetzte Wiederholung, benutze ich eher das Wort "trainieren". Bzw. nenne das während meines Unterrichts auch einfach "renshû".

    Aber ich habe eben auch den Eindruck, daß sich in dem unterschiedlichen Verständniss der Begriffe widerspiegelt, daß sich unsere Auffassung, wie Entwicklung im aikidô geschieht, auch inhaltlich unterscheidet.

    Nach meinem derzeitigen Verständnis geht es beim Üben von aikidô nicht um das Automatisieren von äußeren Bewegungsabläufen.
    Ich habe früher ganz ähnlich gedacht und auch formuliert, wie du. Ich war der Meinung, daß durch das Wiederholen der äußeren Bewegungsabläufe dem Körper ein bestimmtes Repertroire an Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt wird, das dann spontan umgesetzt wird, sobald es benötigt wird.

    Heute meine ich, daß diese Formen nur als "Übungsmaterial" dienen. Alle diese Formen sind lediglich didaktische Hilfsmittel, anhand derer man eine bestimmte Bewegungsqualität üben kann. Und das Üben dieser Bewegungsqualität kann überhaupt nicht automatisiert geschehen, sondern ist immer achtsames Bewegen über Vorstellungen.
    Geändert von carstenm (12-12-2017 um 09:36 Uhr) Grund: Rechtschreibfehler

  2. #122
    Registrierungsdatum
    15.05.2008
    Beiträge
    318

    Standard

    Zitat Zitat von carstenm Beitrag anzeigen
    Nach meinem derzeitigen Verständnis geht es beim Üben von aikidô nicht um das Automatisieren von äußeren Bewegungsabläufen.
    Ich habe früher ganz ähnlich gedach und auch formuliert, wie du. Ich war der Meinung, daß durch das Wiederholen der äußeren Bewegungsabläufen dem Körper ein bestimmtes Repertroire an Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt wird, das dann spontan umgesetzt wird, sobald es benötigt wird.

    Heute meine ich, daß diese Formen nur als "Übungsmaterial" dienen. Alle diese Formen sind lediglich didaktische Hilfsmittel, anhand derer man eine bestimmte Bewegungsqualität üben kann. Und das Üben dieser Bewegungsqualität kann überhaupt nicht automatisiert geschehen, sondern ist immer achtsames Bewegen über Vorstellungen.
    Sehe ich genauso, und das hat einiges mit der Ausgangsfrage zu tun. Wenn man trainiert, um zu automatisieren, halte ich die Verschleiss- und Verletzungsgefahr für viel grösser als wenn man in Carstens Sinne übt.

  3. #123
    Gast Gast

    Standard

    Zitat Zitat von Aiki50+ Beitrag anzeigen
    Mir scheint eher, dass sich das Verständnis des Begriffs "Übens" unterscheidet. Daher mein Verweis auf die Wikipedia-Definition. Ich erkenne an, dass es auch die Bedeutung "lebenslanger Prozess" für Üben gibt. Solche Mehrdeutigkeiten führen ja leider oft dazu, dass man aneinander vorbei redet.


    Keiko, renshu, shuren, tanren, kufu, and shugyo – Six Japanese words for training – and their kanji

  4. #124
    Gast Gast

    Standard

    Zitat Zitat von carstenm Beitrag anzeigen
    Aber ich habe eben auch den Eindruck, daß sich in dem unterschiedlichen Verständniss der Begriffe widerspiegelt, daß sich unsere Auffassung, wie Entwicklung im aikidô geschieht, auch inhaltlich unterscheidet.
    Aus eigener Erfahrung kann ich ja nur die ersten 2 Jahre regelmäßigen Übens (2-3 mal die Woche) überblicken.

    Zitat Zitat von carstenm Beitrag anzeigen
    Nach meinem derzeitigen Verständnis geht es beim Üben von aikidô nicht um das Automatisieren von äußeren Bewegungsabläufen.
    Ich habe früher ganz ähnlich gedacht und auch formuliert, wie du. Ich war der Meinung, daß durch das Wiederholen der äußeren Bewegungsabläufe dem Körper ein bestimmtes Repertroire an Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt wird, das dann spontan umgesetzt wird, sobald es benötigt wird.

    Heute meine ich, daß diese Formen nur als "Übungsmaterial" dienen. Alle diese Formen sind lediglich didaktische Hilfsmittel, anhand derer man eine bestimmte Bewegungsqualität üben kann. Und das Üben dieser Bewegungsqualität kann überhaupt nicht automatisiert geschehen, sondern ist immer achtsames Bewegen über Vorstellungen.
    Wenn mit dem Begriff "Formen" Partner-Übungen oder Partner-Katas wie "Shomenuchi Irmini-Nage" gemeint sind, dann stimme ich insofern zu, dass diese Katas nicht das Ziel des Aikido-Übens oder Unterrichts sind sondern ein Übungsrahmen. So habe ich mich in einigen Beiträgen auch schon geäußert.
    Aber offenbar gehen die Ansichten, was eine gute "bestimmte Bewegungsqualität" ausmacht, auseinander.

    Das Automatisieren von sich wiederholenden Bewegungsabläufen (oder "Einprägen ins Muskelgedächtnis oder "Überführen ins implizite Gedächtnis" wenn das schöner klingt) passiert ohnehin wie in jedem anderen Sport, ob man will oder nicht. Also kommt es darauf an, dass man sich etwas sinnvolles einprägt. Das Lernen und Wiederholen/Einüben von Bewegungsabläufen erfordert natürlich erst mal Aufmerksamkeit und Bewusstheit, am Ende zählt meiner Meinung nur das, was sich im Muskelgedächtnis eingeprägt hat.

    Das Lernen und Üben von "äußeren" (und "inneren" - was ist der Unterschied??) Bewegungsabläufen ist sicher längst nicht alles, was Aikido umfasst. Als etwas fortgeschrittener Anfänger steht für mich aber erst mal das Lernen dieser "äußeren Bewegungsabläufe" oder Techniken im Vordergrund.

  5. #125
    Gast Gast

    Standard

    Zitat Zitat von Aiki50+ Beitrag anzeigen
    Aber offenbar gehen die Ansichten, was eine gute "bestimmte Bewegungsqualität" ausmacht, auseinander.
    Was macht denn deiner Ansicht nach Bewegungsqualität aus?

    Bewegungsqualität ist ja nicht damit erreicht, dass man einen Bewegungsablauf "kann", die Frage ist ja auch wann kann man ihn?
    Einen Hebel von links nach rechts, oder von hinten nach vorne zu bewegen, da gibt es ja nichts zu lernen oder zu verbessern, die komplexen Bewegungsabläufen die sich je nach Situation verändern können, ist das was völlig anderes.
    Und selbst wenn man die Bewegung auf einem bestimmten Level "machen" kann, ist die Qualität messbar, wie, und wie weit lässt sie sich verbessern?
    Was ist mit Qualität gemeint? Ästhetik, Bewegungsfähigkeit, die maximale Reichweite, Schnelligkeit, Kraft, oder alles zusammen?

    Zitat Zitat von Aiki50+ Beitrag anzeigen
    Das Lernen und Wiederholen/Einüben von Bewegungsabläufen erfordert natürlich erst mal Aufmerksamkeit und Bewusstheit, am Ende zählt meiner Meinung nur das, was sich im Muskelgedächtnis eingeprägt hat.
    Muskelgedächtnis meint eigentlich die Fähigkeit eines Muskels, seine ursprüngliche Leistungsfähigkeit nach einer Trainingspause wieder schnell zu erreichen.
    Du sprichst wahrscheinlich eher von einem motorischen Gedächtnis.
    Aber auch hier: Was ist es denn was da für dich zählt? Ein Ablauf, eine Qualität (s.o.)?
    WAS wird WIE eingeprägt?

    Es geht doch darum, körperliche Fähigkeiten zu erwerben, Reaktionsmuster, die den Körper befähigen auf bestimmte Art zu reagieren, z.B. Kraft zu absorbieren oder zu übertragen, sowie die dazugehörigen koordinierten Fuß- /Hüft- /Bein- Arm-Bewegungen die einen befähigen, ein bestimmtes Bewegungskonzept und eine bestimmte Körpermechanik umzusetzen, und nicht, Kata als Bewegungsabläufe zu automatisieren.
    Man übt nicht Kata um sie zu "können", das sind keine Bewegungen, die in einem Kampf sinnvoll sind, sondern die Attribute schulen und Bewegungsqualität entwickeln helfen.
    Ich spreche lieber von Konditionierung, der Körper lernt bestimmte Reaktionsmuster, aus denen Bewegungen abgeleitet werden, die aber keinesfalls automatisch erfolgen, denn es gibt nur genau eine Situation, in der ein automatisierter Ablauf genau passt oder genau der richtige ist, und das ist ja dazu auch noch eine Übungssituation, die sich eben ganz genau so nur mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit in der Realität realisiert.

    Zitat Zitat von Aiki50+ Beitrag anzeigen
    Das Lernen und Üben von "äußeren" (und "inneren" - was ist der Unterschied??) Bewegungsabläufen ist sicher längst nicht alles, was Aikido umfasst.
    Es gehört doch immer beides zusammen.
    Das äußere ist z.B., du machst einen Schritt vorwärts und streckst die Arme nach vorne (Ikkyo undo), das innere ist, WIE du das machst, entweder wie ein Automat, oder wie ein Mensch der dabei beobachtet was im Körper passiert, und hier z.B. bestimmte Ideen und Vorstellungen oder Bilder im Kopf hat, die wiederum dazu führen dass die Bewegung auf eine bestimmte körpermechanische Weise gesteuert wird, was wiederum zu einer bestimmten Qualität führt, was wiederum die Effektivität oder die Wirkung auf eine angreifende Kraft verändert oder steigert, was wiederum ein ganz anderes Gefühl in der Bewegung ergibt und sich somit auf Körper und Geist auf eine bestimmte Art und Weise auswirkt, und so weiter und so weiter.

    Der unterschied ist aber, dass der "innere" Teil sich unabhängig von der Technik üben lässt, genauso wie sich Attribute wie Schnelligkeit oder Kondition eben auch unabhängig von der Technik trainieren lassen, die Technik selber sich natürlich nicht nur auf eine Art und Weise üben lässt. Bewegungsqualität lässt sich auf ganz verschieden Art Üben, einen "automatisierter Bewegungsablauf" kann man auf Basis sehr guter, oder sehr schlechter Bewegungsqualitäten oder Fähigkeiten "machen".
    Geändert von Gast (14-12-2017 um 13:48 Uhr)

  6. #126
    carstenm Gast

    Standard

    Zitat Zitat von Aiki50+ Beitrag anzeigen
    Das Automatisieren von sich wiederholenden Bewegungsabläufen ... passiert ohnehin wie in jedem anderen Sport, ob man will oder nicht.
    Für mich geht es interessanterweise eher darum, das Entstehen von Automatismen so gut es geht zu verhindern.

    Was mich schon die ganze Zeit bewegt:
    Also kommt es darauf an, dass man sich etwas sinnvolles einprägt. Das Lernen und Wiederholen/Einüben von Bewegungsabläufen erfordert natürlich erst mal Aufmerksamkeit und Bewusstheit, am Ende zählt meiner Meinung nur das, was sich im Muskelgedächtnis eingeprägt hat.
    Was ist denn "etwas Sinnvolles"? Und wer definiert das?
    Die äußere Form, der äußere Bewegungsablauf des shomen uchi ikkyo von Christian Tissier ist anders als das von Endô sensei. Beide sind anders als die Form von Jean-Luc Subileau. Alle drei sind anders als die Form von Sugino sensei. Diese vier Formen sind anders als die von Ariga sensei. ... Und das sind längst noch nicht alle Varianten, die mir im alltäglichen Üben so unterkommen. Welche Version sollte ich denn jetzt automatisieren? Ich benutze ja alle gleichermaßen, je nachdem, wo ich gerade bin.

    Ich selber übe und unterrichte zum Teil andere äußere Bewegungen, als mein Lehrer sie zeigt. Und wenn ich bei ihm übe, korrigiert er nicht meine äußeren Bewegungsabläufe, die anders sind, als seine. Sondern er korrigiert, wie ich diese Bewegungen ausführe. Da gibt es also gar nicht für alle Techniken eine Form, die identisch automatisieren könnten. Wir wäre denn damit umzugehen?
    Und umgekehrt sind in meinem Unterricht Übende mit unterschiedlichem Hintergrund. Auch die müssen - in aller Regel - nicht (m)eine bestimmte Form üben. Sondern sie können das, was ich vermitteln möchte, jeweils in der Form üben, die sie mitbringen. (Wobei es natürlich einfacher ist, wenn alle dieselbe äußere Bewegung üben. Aber es ist nicht zwingend.)

    Und wenn ich zu dir ins dôjô käme, dann wäre die Form dort noch einmal ganz anders. Was wäre denn meine Aufgabe dann? Sollte ich erst „eure“ Form automatisieren? Oder gäbe es für mich auch etwas zu lernen, wenn ich nur ein einziges mal vorbei kommen würde?
    Und falls ja: Was könnte das deiner Ansicht nach sein?
    Geändert von carstenm (15-12-2017 um 11:35 Uhr)

  7. #127
    Gast Gast

    Standard

    Zitat Zitat von Inryoku Beitrag anzeigen
    Muskelgedächtnis meint eigentlich die Fähigkeit eines Muskels, seine ursprüngliche Leistungsfähigkeit nach einer Trainingspause wieder schnell zu erreichen.
    Du sprichst wahrscheinlich eher von einem motorischen Gedächtnis.
    Ja. Aber dann bin ich nicht der einzige, der den Begriff "Muskelgedächtnis" falsch verwendet: Wikipedia leitet "Muskelgedächtnis" auf Bewegungslernen um.

    Zitat Zitat von Inryoku Beitrag anzeigen
    Bewegungsqualität lässt sich auf ganz verschieden Art Üben, einen "automatisierter Bewegungsablauf" kann man auf Basis sehr guter, oder sehr schlechter Bewegungsqualitäten oder Fähigkeiten "machen"
    Richtig. Also geht es beim Lernen und Üben darum, qualitativ hochwertige Bewegungsabläufe ins motorische Gedächtnis einzuprägen.

    Zitat Zitat von Inryoku Beitrag anzeigen
    Was macht denn deiner Ansicht nach Bewegungsqualität aus?

    Bewegungsqualität ist ja nicht damit erreicht, dass man einen Bewegungsablauf "kann", die Frage ist ja auch wann kann man ihn?

    Und selbst wenn man die Bewegung auf einem bestimmten Level "machen" kann, ist die Qualität messbar, wie, und wie weit lässt sie sich verbessern?
    Was ist mit Qualität gemeint? Ästhetik, Bewegungsfähigkeit, die maximale Reichweite, Schnelligkeit, Kraft, oder alles zusammen?

    Aber auch hier: Was ist es denn was da für dich zählt? Ein Ablauf, eine Qualität (s.o.)?
    WAS wird WIE eingeprägt?
    Gute Fragen. Die Antworten sind untrennbar mit dem verbunden, was man unter Aikido versteht, wie man es interpretiert und welche Ziele man mit Aikido erreichen will. Ich versuche sie mal für mich persönlich zu beantworten:

    Wenn Aikido den Anspruch einer Kampfkunst (im Sinne von "Kämpfen können") hat oder hätte, dann ist die Antwort relativ einfach: qualitativ hochwertige Bewegungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich in einem Kampf bewähren.

    Wird dieser Anspruch aufgegeben oder für zweit- oder drittrangig erklärt, dann ist die Antwort schwierig oder vielleicht gar nicht möglich, weil sehr individuell. Yamada* hat dazu in einem Interview eine ziemlich resignierte Ansicht vertreten:
    Zitat Zitat von Yamada Yoshimitsu
    Aikido is very individual, very free, very personal. Everybody can practice aikido, and there are as many points of view as there are practitioners. That is good about aikido. But it’s also a problem. Because there is no specific way to describe aikido, some people create their own style (I hate that word). For example, some people don’t focus on the physical aspect of practice. Maybe they are lazy or don’t have any physical skills – they still can practice. And he or she can be a teacher, too! And some people might like this person as a teacher. What can I do? In aikido anyone could open a dojo. In judo if you are weak, you don’t get students. It is obvious who is good, who is bad, because it is a sport. In aikido you have so many ways to look at it that telling the difference between good and bad is a problem. So everything that is good about aikido, unique and different from other martial arts is at the same time a problem. It is a very touchy subject.
    ...
    I don’t call aikido ‘budo’ anymore because what makes Aikido so popular is its flexibility, lack of competition, no physical requirements. Anybody can practice. That is a good part of aikido. I’m always happy to see people who have a physical problem that would prevent them from practicing other martial arts enjoying themselves with aikido. That is the beauty of Aikido. If Aikido were pure budo, it wouldn’t be so popular.
    Quelle: Interview | Aikido Sansuikai

    Eine andere, simple Antwort ist: solange ich Schüler bin und meinen Lehrern vertraue, halte ich mich an das, was sie zeigen, erklären und korrigieren.

    Meine eigenen, zumindest mittelfristigen Gründe und Ziele, warum ich Aikido ausübe, habe ich schon des öfteren genannt: Konditionelle Fitness, Erhalt und Verbesserung der Beweglichkeit, Stress-Abbau, Freude am Training. Also beurteile ich die Qualität auch daran, dass sie mit diesen Zeilen im Einklang ist. Das ist der Fall, wenn die Partner-Kata sich weich, rund, fließend, dynamisch und ökonomisch anfühlen und aussehen.


    ___________
    *) Yoshimitsu Yamada, 8. Dan Aikikai USA

  8. #128
    Gast Gast

    Standard

    Zitat Zitat von Aiki50+ Beitrag anzeigen
    Richtig. Also geht es beim Lernen und Üben darum, qualitativ hochwertige Bewegungsabläufe ins motorische Gedächtnis einzuprägen.
    Nein. Das einüben von Bewegungen muss einen Sinn haben, das Ziel ist es durch das Üben der Bewegungen körperliche Qualitäten auszubilden.

    Jeder kennt diese Aussage, man muss eine Technik 10.000 mal (oder mehr) üben.
    Meiner Ansicht nach ist es notwendig, um eine Bewegung zu verstehen, sie in jeder Situation, auch unter Stress oder gegen Wiederstand abrufen zu können.
    Das bedeutet aber, dass man sie eben nicht immer auf die gleiche Weise üben darf, sondern so unterschiedlich wie nur möglich, um auf alle Möglichkeiten der Abweichung reagieren zu können, auch auf unkonventionelle Angriffe die nicht abgesprochen sind, wenn Aikido auch den Charakter einer Kampfkunst haben soll, und nicht das gleiche wie ein Tanz sein soll.
    Das heutige Training bietet zwar viele Wiederholungen und auch unterschiedliche Trainingspartner, aber sie alle verhalten sich gleich, und machen das gleiche ukemi (zumindest wenn man immer nur im eigenen Dojo übt).
    Ein qualitativ hochwertiger Bewegungsablauf kann sich durch Ästhetik auszeichnen, eine effektive Kampftechnik muss nicht ästhetisch, sondern im kämpferischen Sinn effektiv sein, kann aber ähnliche Anforderungen an die körperlichen Fähigkeiten stellen.

    Es geht aber eben nicht nur um den Bewegungsablauf, sondern um das WIE.
    Auf dieses WIE kann man sich vielleicht tatsächlich besser konzentrieren wenn man es anhand von Bewegungsläufen übt, über die man nicht mehr so viel nachdenken muss, weil man sie oft genug wiederholt hat.

    Anders als im Judo, wo man kurze schnelle Techniken für den Wettkampf übt die genau so im Kampf umgesetzt werden (Wettkampfjudoka üben zwei oder drei Techniken, die fast immer "sitzen"), übt man im Aikido Kata, das sind Übungssequenzen die körperliche Bewegungsfähigkeiten oder Qualitäten steigern, sie sind als Kampftechniken meistens aber viel zu lang und umständlich, weil sie zu unflexibel sind lassen sie sich so nicht umsetzen.
    Diese genau so abspulen zu wollen wie sie geübt werden, kann sich als sehr nachteilig herausstellen, weil es so eben nicht funktioniert.
    Du hast ja als Beispiel Shioda angeführt, seine Bewegung war nicht weich, rund und fließend, sie war kurz, schnell und hart.

    Wurde denn damals so anders trainiert? Auch bei Ueshiba im Dojo wurde Kata geübt, aber wahrscheinlich viel weniger automatisiert und standardisiert als heute, es gab Leute die gut kämpfen konnten und demnach anders angegriffen haben als es heut meist der Fall ist, es wurde getreten, geschlagen und Wiederstand geleistet, und von manchen wurde keine Gelegenheit ausgelassen sich draußen herumzuprügeln und zu kämpfen. Also was hat Shioda gemacht? Er hat seine durch das Üben erworbene Fähigkeit eingesetzt, aber keine automatisierte Kata abgespult.
    Wusstest du übrigens dass er jahrelang die Bewegung und Reaktion von Goldfischen beobachtet und studiert hat? Das sind Bewegungen die alles andere sind als automatisiert.

  9. #129
    Gast Gast

    Standard

    Zitat Zitat von carstenm Beitrag anzeigen
    Für mich geht es interessanterweise eher darum, das Entstehen von Automatismen so gut es geht zu verhindern.
    Wenn der Begriff "Automatisieren" oder "Automatismus" so negativ besetzt ist, dann könnte ich es auch "verinnerlichen" nennen. Ziel ist es Bewegungen derart zu verinnerlichen, dass am Ende "natürliche" Bewegung übrigbleibt, die man als Teil von sich selbst empfindet und auf die man - wie beim Gehen - keine bewusste Aufmerksamkeit aufwenden muss und soll.

    Das was ich meine, ist auch gut im Abschnitt https://de.wikipedia.org/wiki/Bewegu...roup_Selection beschrieben. Mit Automatisieren meine ich nicht das Auswendig-lernen und exakte Wiedergeben von Kata wie im Karate oder Judo.

    Zitat Zitat von carstenm Beitrag anzeigen
    Was mich schon die ganze Zeit bewegt:
    Was ist denn "etwas Sinnvolles"? Und wer definiert das?
    Siehe meinen vorherigen Beitrag.

    Nach der Theorie der Neuronalen Netze oder Neural Group Selection kann man erwarten, dass der Körper automatisierte Bewegungsabläufe von selbst optimiert. Allerdings muss man bewusst oder implizit auswählen, was das optimale Ergebnis ist. Beim Sport ist es einfach. Solange die Bewegungsabläufe beim Schlagen eines Golf-, Tennis- oder Tischtennis-Balls nicht automatisiert und optimiert sind, wird der Spieler den Ball nicht in die Nähe des gewünschten Ziels bringen. An dem Ziel selbst gibt es aber keine Unklarheit.

    (Den letzten Beitrag von Inryoku um 14:40 hatte ich beim Verfassen noch nicht gelesen)

    Zitat Zitat von carstenm Beitrag anzeigen
    Die äußere Form, der äußere Bewegungsablauf des shomen uchi ikkyo von Christian Tissier ist anders als das von Endô sensei. Beide sind anders als die Form von Jean-Luc Subileau. Alle drei sind anders als die Form von Sugino sensei. Diese vier Formen sind anders als die von Ariga sensei. ... Und das sind längst noch nicht alle Varianten, die mir im alltäglichen Üben so unterkommen. Welche Version sollte ich denn jetzt automatisieren? Ich benutze ja alle gleichermaßen, je nachdem, wo ich gerade bin.
    Die Formen unterscheiden sich sogar bei den verschiedenen Lehrern meines Dojos. Auf die Unterschiede der äußeren Formen kommt es also nicht an. Jede Form wie "Shomenuchi Iriminage" ist eine Verkettung einzelner Bewegungen oder Muster. So ist die Einleitung zu Iriminage gleich der zu Kotegaeshi: vordere Arm/Hand nach oben, dann Irimi-Tenkan Schritt. Bei Iriminage geht die anfangs hintere Hand zum Schulter/Nacken von Uke, bei Kotegaeshi zur Hand.. Darum üben wir auch manchmal Iriminage und Kotegaeshi hintereinander. Irimi-Tenkan wird bei uns in fast jeder Trainingseinheit geübt, also wäre zum Beispiel das Ziel Tai-Sabaki so zu verinnerlichen, dass es in dieser Form in gleicher Qualität auf die Ausführung von Iriminage und Kotegaeshi angewandt werden kann.

    Zitat Zitat von carstenm Beitrag anzeigen
    Und wenn ich zu dir ins dôjô käme, dann wäre die Form dort noch einmal ganz anders. Was wäre denn meine Aufgabe dann? Sollte ich erst „eure“ Form automatisieren? Oder gäbe es für mich auch etwas zu lernen, wenn ich nur ein einziges mal vorbei kommen würde?
    Und falls ja: Was könnte das deiner Ansicht nach sein?
    Das ist jetzt meine, nicht autorisierte Formulierung und Interpretation:
    Achtsamkeit im Sinne von "Konzentration auf das Hier und Jetzt - ohne darüber zu urteilen oder emotional darauf zu reagieren"* und das beim Ausüben der Formen. Aber wahrscheinlich ist das auch nichts Neues für dich.


    _______________
    *) Artikel "Augenblick mal!" in: Spektrum der Wissenschaft, Gehirn und Geist, Ängste und Depressionen 2/2015.

  10. #130
    Gast Gast

    Standard

    Zitat Zitat von Inryoku Beitrag anzeigen
    Jeder kennt diese Aussage, man muss eine Technik 10.000 mal (oder mehr) üben.
    Meiner Ansicht nach ist es notwendig, um eine Bewegung zu verstehen, sie in jeder Situation, auch unter Stress oder gegen Wiederstand abrufen zu können.
    Das bedeutet aber, dass man sie eben nicht immer auf die gleiche Weise üben darf, sondern so unterschiedlich wie nur möglich, um auf alle Möglichkeiten der Abweichung reagieren zu können, auch auf unkonventionelle Angriffe die nicht abgesprochen sind, wenn Aikido auch den Charakter einer Kampfkunst haben soll, und nicht das gleiche wie ein Tanz sein soll.
    Noch einmal: das Automatisieren oder Lernen von Bewegungen habe ich nie so verstanden, dass eine Form/Kata auswendig gelernt werden soll, um sie exakt zu reproduzieren, wie bei Karata-Katas. Nach der Theorie der neuronalen Netze ist es sogar wünschenswert und notwendig, eine Bewegung mit Variationen oder auf verschiedene Reize (z.B. Angriffsformen) hin zu trainieren.

    Zitat Zitat von Inryoku Beitrag anzeigen
    Das heutige Training bietet zwar viele Wiederholungen und auch unterschiedliche Trainingspartner, aber sie alle verhalten sich gleich, und machen das gleiche ukemi (zumindest wenn man immer nur im eigenen Dojo übt).
    Wie bitte??? Wenn eine Form verabredet und gezeigt wurde (z.B. Shomenuchi), dann greifen natürlich alle mit dieser Form an. Aber das Wie unterscheidet sich natürlich sehr deutlich, je nach Statur, Erfahrung, Vertrauen oder Zutrauen in den Trainingspartner.

    Zitat Zitat von Inryoku Beitrag anzeigen
    Wurde denn damals so anders trainiert? Auch bei Ueshiba im Dojo wurde Kata geübt, aber wahrscheinlich viel weniger automatisiert und standardisiert als heute,
    Wirklich? Im Kapitel "Shiho Nage is Fundamental" aus "Aikido Shugyo" berichtet Shioda von einem Schüler, der bis dahin ausschließlich Shiho-Nage geübt hatte und auch keine Erfahrungen in anderen Kampfkünsten hatte. Der besiegte einen 4. Dan Judo vom Kodokan, nachdem ein anderer Schüler (3. Dan Judo) gescheitert war:
    Zitat Zitat von Gozo Shioda. Aikido Shugyo, pg. 63
    The next to go forward was Mr. Zensaburo Akazawa. Mr. Akazawa was my sempai at the dojo and he followed the teachings of Ueshiba Sensei faithfully. He devoted himself solely to the practice of shiho nage. And since he did Aikido exclusively, he didn’t know anything about the ways of Judo practitioners. On the contrary, since his daily training only consisted of squeezing as much as he could out of shiho nage, outside of this one technique he had almost no other moves. Practically speaking, you would expect it to be difficult for him to put up a good fight against a 4th dan in Judo.

    And yet, as K came in to grab him, Mr. Akazawa took hold of K’s wrist, spun around and shifted his body, and executed a beautiful shiho nage. A dull snap came form K’s elbow, which had been locked against itself. His elbow was completely destroyed and he couldn’t even execute a breakfall.

    From a practical point of view you might think, “What’s the use of practising only one technique over and over again?” But as Mr. Akazawa has shown us, by devoting himself to mastering shiho nage - the most fundamental technique - before anyone knew it, he had, in the process, acquired the very body movements that are essential to Aikido.
    Zitat Zitat von Inryoku Beitrag anzeigen
    Wusstest du übrigens dass er jahrelang die Bewegung und Reaktion von Goldfischen beobachtet und studiert hat?
    Ja, aus diesem Clip: Gozo Shioda takes out Japanese Game Show host (ab 3:45)
    Geändert von Gast (15-12-2017 um 19:07 Uhr) Grund: Unvollständigen Satz im Zitat aus Shugyo vervollständigt

  11. #131
    Gast Gast

    Standard

    Zitat Zitat von Aiki50+ Beitrag anzeigen
    .

    Wirklich? Im Kapitel "Shiho Nage is Fundamental" aus "Aikido Shugyo" berichtet Shioda von einem Schüler, der bis dahin ausschließlich Shiho-Nage geübt hatte
    Die Frage ist immer das WIE.
    Squeezing out as much as he could, das bedeutet nicht
    dass er es automatisiert hat, sondern dass er alle erdenklichen Situationen und Möglichkeiten intensiv studiert hat. Nicht wie heute meist üblich eine einzige standardisierte Form.
    Aber das mit dem "ausschließlich darf man wohl nicht missverstehen.
    Akazawa war uchideshi, und als solcher konnte er sich wohl kaum dagegen wehren, das komplette Programm zu üben dass ihm von seinem Lehrer gezeigt wurde.
    Geändert von Gast (16-12-2017 um 10:26 Uhr)

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