Wahrhaftigkeit Teil 3 - Von Seattle und Ettenheim
Gestern am 12. November 2004 fand in Ettenheim ein Seminar mit dem ersten Schüler von Bruce Lees, Jesse Glover, statt.
Auf Einladung meines Freundes Andreas Häckel beschloß ich, obwohl eigentlich nicht mein Bereich, mir Jesses Non Classical Gung Fu anzuschauen.
Das Seminar begann pünktlich um 18:00Uhr und es waren viele Teilnehmer anwesend . Nach wenigen einleitenden Worten erklärte Jesse die Grundzüge des Chi Sao und schon war man mitten im Training. Systematisch führte er die Teilnehmer von einfachen Eigenschaftsübungen zu komplexeren und auf diesen aufbauend, demonstrierte er stets die direkte Anwendung aus der langen Distanz (closing; die Distanz zum Gegner überbrücken und diesen wenn möglich dabei verdrehen) mit entsprechenden follow ups (Folgebewegungen/ -techniken).
An dieser Stelle werde ich mich nicht lange mit dem Seminar aufhalten. Soviel sei gesagt ... es war toll! Mir geht es mehr darum, über Jesse Glover und sein Non Classical Gung Fu zu schreiben.
Die Einflüsse des Ving Tsun nach Wong Shun Leung sind, insbesondere beim Chi Sao, unübersehbar. Jesse hat aber auch hier seine ganz persönliche Note mit eingebracht. Er hat das Verdrehen des Gegners verstärkt in den Vordergrund gestellt und arbeitet mit größerem Druck. Zudem wird in seinem System vermehrt der vordere Arm eingesetzt und die backfist als auch Fak Sao und Biu Jee Sao erhalten somit eine wichtigere Rolle als im traditionelle Ving Tsun.
Aus der langen Distanz das gleiche Bild: der Arm der vorne ist schlägt! Es wird nicht reaktiv auf den Angriff des Gegners eingegangen, vielmehr kontert man bzw. greift den Gegner selbst mit einem direkten Schlag, einem Fingerstich et cetera an. Auch Takedowns, oft durch Manipulation des Kopfes (und somit auch der Wirbelsäule), spielen in Jesses` System eine Rolle und sind in diesem als Folge der direkten Einstiege wirkungsvoll eingebunden.
E ist ein System des Gundlagentrainings. Nach dem Motto: `ohne Konditionierung keine Effektivität´, erhalten Druckaufbau, Explosivität und Schlagkraft von Beginn an eine Schlüsselrolle. Jeder, dem Einfachheit in der Bewegung und Dynamik am Herzen liegen, ist bei Jesse Glovers Non Classical Gung Fu bestens aufgehoben.
Da ich anderthalb Stunden vor Seminarbeginn vor Ort war, nutzte ich auch die Möglichkeit Jesse Glover etwas kennenzulernen. Ich lernte einen sehr ruhigen und bescheidenen Mann kennen. Einen Mann, der in keiner Weise seinen Namen raushängen läßt. Jesse Glover ist einer der wenigen wahren Meister und er ist auf dem Boden geblieben. Eine Eigenschaft, die sich der ein oder andere abschauen sollte!
Roberto Laura
Neckarsulm, 13.11.2004