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Guten Abend zusammen
Entschuldigt, wenn sich einige Fragen dieses Threads mit anderen Threads überschneiden, ich habe durchaus die Forensuche verwendet.
Konkret würde ich mich gerne etwas mit der europäischen Fechtkunst beschäftigen, bevorzugt Rapierfechten nach deutscher Schule. Leider bin ich absoluter Anfänger, sowohl Kamkpfkünste allgemein, als auch Fechten an sich (ich bin mir der Unterschiede zum Sportfechten bewußt).
An anderer Stelle wurden schon Bücher genannt, allerdings nicht speziell nach deutscher Schule. Das ist an sich ein Anfang, auch finden sich im Netz Transkriptionen alter Schriften von z.B. Joachim Meyer, aber ein gutes Buch reicht nunmal nicht, denke ich. Vielleicht kann mir hier jemand einen guten Lehrer oder eine Schule im Bodenseeraum empfehlen, das wäre meine bevorzugte Form den Einstieg zu finden. Und mit Schule meine ich auch Schule, und nicht Mittelaltergruppe oder Theaterworkshop.
Zumindest aber ein zweiter Interessent als Trainingspartner wäre nicht schlecht. Nun geht es mir nicht darum, sofort auf einen Gegner "einzuschlagen", sondern darum, daß anfangs jemand auch von außerhalb die Bewegungsabläufe kontrolliert. Ich nehme mal an, das ist wie mit vielen Dingen im Leben auch: Die Fehler die man einmal gelernt hat, bekommt man später nur sehr schnell wieder raus.
Gegen später, wenn die Grundlagen sitzen dann natürlich auch für Sparring.
An dieser Stelle kommt dann die Ausrüstung ins Spiel, was ist geeignete Schutzausrüstung, was ist geeignete Trainingswaffe (Stahl, Holz, etc)?
Unabhängig ob nun Buch oder Partner, eine Rapierklinge mit einem Meter Länge in den Händen eines ausgewachsenen Mannes vertragen sich nicht mit üblichen Deckenhöhen heutiger Architekturstile. Wie habt Ihr den Einstieg (das ist nun relativ Waffenunabhängig) gefunden?
Ich vermute, ich werde noch ein paar Anfängerfragen stellen, aber erstmal danke fürs lesen - und hoffentlich auch Antworten geben.
Bernd
itto_ryu
25-10-2009, 07:33
Unabhängig ob nun Buch oder Partner, eine Rapierklinge mit einem Meter Länge in den Händen eines ausgewachsenen Mannes vertragen sich nicht mit üblichen Deckenhöhen heutiger Architekturstile. Wie habt Ihr den Einstieg (das ist nun relativ Waffenunabhängig) gefunden?
Einfach raus in die Natur, wenn das Wetter mitspielt und man ein schönes Plätzchen findet im Park o.ä. Mit Joachim Meyer hast du eine gute Quelle für dt. Rappier. soweit ich weiß rekonstruieren Zornhau die Kampfweise Meyer´s mit dem Rappier, aber leider sitzen die in Offenbach weit weg vom Bodensee. Den Einstieg findest du am ehesten, wenn du keine Gruppe findest, indem du dir die Quellen und evt. vorhandene Interpretationen suchst und sichtest und dann versuchst das Ganze für dich erstmal in die Praxis umzusetzen. Natürlich sind eine feste Gruppe oder regelmäßige Seminare immens wichtig. Ich weiß aber nicht, inwieweit deutsches Rappier schon fest im Programm der verschiedenen Gruppen ist. Sicherlich viel lernen kann man auch, wenn man große Workshop-Tage besucht, wie das Dreynevent.
Wenn Du Dich für Rapierfechten interessierst, folgende Punkte:
Das Rapier ist eine nach Deutschland 'eingewanderte' Waffe. Joachim Meyer's 'Rappier' ist nichts anderes als ein einhändiges Schwert mit komplexem Gehilz und sein Stil eine Mischung aus Liechtenauerscher Fechtlehre und der sog. 'Bologneser Schule' (http://salvatorfabris.com/SectionBolognese.shtml).
Reinrassiges Rapierfechten nach italienischer Schule kam in Deutschland zu Beginn des 17. Jhd. auf. Fechtmeister, deren Methode in Deutschland sehr verbreitet waren, waren Salvator Fabris und Ridolfo Capo Ferro.
Beide Werke wurden schon damals ins Deutsche übertragen und sind im Internet zu finden, z.B. hier (http://gdz.sub.uni-goettingen.de/no_cache/dms/load/img/?IDDOC=302389) und hier (http://gdz.sub.uni-goettingen.de/no_cache/dms/load/img/?IDDOC=304710).
An moderner Literatur empfehle ich Tom Leoni's Art of Duelling (http://www.chivalrybookshelf.com/titles/fabris/artofdueling.htm), eine kommentierte Übersetzung von Salvator Fabris ins Englische sowie Guy Windsor's The Duellists Companion (http://www.amazon.de/Duellists-Companion-Training-Century-Italian/dp/1891448323/ref=sr_1_1?ie=UTF8&s=books-intl-de&qid=1256462054&sr=8-1), ein Trainingshandbuch für den modernen Rapierfechter, basierend auf Capo Ferro's Werk.
Zum Thema Ausrüstung:
Zwingend: Fechtmaske (am besten eine mit 1600 N), Fechtjacke, Handschuhe für beide Hände, Tiefschutz.
Waffe: Preisgünstig sind die Practical Rapiere von CAS/Hanwei, wobei ich entweder das Practical Rapier mit der 43" (109 cm) Klinge oder das Practical Cuphilt Rapier nehmen würde. Beide sind im Netz für ~150 - 160 € zu haben. Leider haben die Waffen aus der Practical Serie zuweilen Probleme mit der Verarbeitungsqualität und der Haltbarkeit (irgendwo muss der niedrige Preis ja herkommen), dafür sind sie aber gut verfügbar und für den Anfänger absolut OK.
Gute Rapiere nach Deinen Wünschen bekommst Du bei Darkwood Armory (http://darkwoodarmory.com/) in den USA, Kostenpunkt ca. 400 $ plus Versand. Qualitativ deutlich besser als CAS/ Hanwei, aber eben auch teurer.
Und wenn Du noch mehr Geld in die Hand nehmen möchtest, kann ich Dir Arms&Armor (http://www.armor.com/rapiers.html) empfehlen.
Und ansonsten: Lerne erst einmal modernes Fechten! Es basiert nämlich auf den gleichen Grundlagen und Techniken, wie das Rapier und Du könntest weitaus dämlichere Dinge tun, als bei einem guten Fechtmeister, der nicht nur auf Wettkampf schaut, den Umgang mit Florett, Degen und Säbel zu lernen.
OK, danke erstmal für die Antworten. Natürlich hoffe ich noch auf weitere Meinungen, Anregungen, Tipps.
Wie ich sehe, geht mit in nächster Zeit der Lesestoff nicht aus.
Würde es Sinn machen, in dem Fall zuerst die Lichtenauer Art mit Schwert zu erlernen, und dann den Rapier nach hinten zu verschieben, da das darauf aufbaut?
Zum Thema Hanwai habe ich im Internet leider schon sehr viele negative Meinungen gelesen. Davon sind viele jedoch älter. Haben die zwischenzeitlich ihre Qualität gesteigert?
Die Klingen sind aus Kohlenstoffstahl mit mittlerer Härte gefertigt, das klingt logisch, da die Klingen doch noch sehr gut nachgeben, und nicht sofort splittern - leider kann man aber beim Härten und Anlassen von Kohlenstoffstahl viel falsch machen. Im Netz bin ich aber auch auf Waffen gestoßen, deren Klingen aus Federstahl ähnlicher Härte gefertigt wurden, und die preislich in gleicher Klasse liegen wie die Hanwei (Angeblich Schaukampftauglich - wie auch immer man sowas definiert). Kann hierzu vielleicht nochmal jemand etwas schreiben.
Was das Training in der Natur angeht: Gibt es denn keine Probleme, wenn Oma mit Waldi auf Ihrem Frühmorgensspaziergang im Wald auf einen vermummten (1,6kN Fechtmaske) "Schwertschwinger" trifft?- Ich meine, es ist zwar legal, aber der ein oder andere überforsichtige Bürger wird doch sicherlich mal die 110 wählen wollen, oder?
Bernd
Man braucht Liechtenauer nicht, um Rapier zu lernen.
Die Qualität der Practical Serie hat sich in der letzten Zeit verbessert, ein 'Restrisiko' gibt es aber trotzdem. Wie gesagt, es gibt einen Grund, warum die Dinger verhältnismäßig günstig sind. Um was zu den anderen Waffen sagen zu können, müsste ich wissen, welche Waffen/ Hersteller Du meinst.
Rapierfechten ist zum grossen Teil Stoßfechten, das kann man auch bei normal hohen Decken drin trainieren, genügend Bewegungsspielraum vorausgesetzt. Und was das Training draussen angeht, habe ich jahrelang gemacht, ohne Probleme.
Um was zu den anderen Waffen sagen zu können, müsste ich wissen, welche Waffen/ Hersteller Du meinst.
Es ging mir eigentlich darum, ob Federstahl prinzipiell Sinn macht. Aber zwei Beispiele von günstig (billig) bis Mittelklasse:
SchaukampfRapier (http://www.schaukampf-online.de/Schaukampf-Schwerter/Schaukampf-Schwert-M2981016.html)
Mittelalter Schaukampf Rapier - Silvio Overlach GmbH (http://www.schwertershop.de/schwerter/mittelalter/schaukampf-3-mm-kampf-1-mm/rapiere/rapier-4.html)
Selbstverständlich ist 'Federstahl' für gebrauchstaugliche Schwerter geeignet, aber an Deiner Stelle würde ich mir darüber nicht den Kopf zerbrechen; *alle* vertauenswürdigen Hersteller verwenden geeignete Stähle.
itto_ryu
26-10-2009, 08:05
Und ansonsten: Lerne erst einmal modernes Fechten! Es basiert nämlich auf den gleichen Grundlagen und Techniken, wie das Rapier und Du könntest weitaus dämlichere Dinge tun, als bei einem guten Fechtmeister, der nicht nur auf Wettkampf schaut, den Umgang mit Florett, Degen und Säbel zu lernen.
Stimmt, dieser Ratschlag ist wirklich gut, das habe ich von vielen historischen Fechtern auch bzgl. Säbel, Smallsword, Broadsword & Co. gehört. Am besten noch, wenn man einen Fechtmeister findet, der etwas traditioneller, ergo klassisches Fechten unterrichtet.
Hm... wer suchet der findet... oder so... nun brauchen wir einen Fechtmeister in der Umgebung.
Zumindest ist Guy Windsors Buch erstmal bestellt.
Kennt Ihr eigentlich die Schule Krfon (http://www.krifon.de/) und könnt ggf. etwas dazu sagen? Die bieten zwar erstmal nur Seminare "Langes Schwert" an, dies aber auch am Bodensee (auch wenn ich leider das nächste Seminarwochenende terminlich blockiert bin).
Zumindest scheint der Inhaber (Christian M. Bott) aber auch Rapier zu fechten, und ich bin versucht, da mal die Hintergründe der Bodesee-Verbindung zu erfragen. Vielleicht hat er ja noch Anlaufstellen hier in der Region zu bieten.
Frag die hier mal: Die Federfalken (http://federblog.virtuasense.de/)
Oder schick eine Email an: rglasa ÄDD t-online.de (an Hans Glasa)
Vielleicht kennt der Leute in der Gegend die sowas kompetent betreiben.
itto_ryu
26-10-2009, 18:21
Kennt Ihr eigentlich die Schule Krfon (http://www.krifon.de/) und könnt ggf. etwas dazu sagen? Die bieten zwar erstmal nur Seminare "Langes Schwert" an, dies aber auch am Bodensee (auch wenn ich leider das nächste Seminarwochenende terminlich blockiert bin).
Zumindest scheint der Inhaber (Christian M. Bott) aber auch Rapier zu fechten, und ich bin versucht, da mal die Hintergründe der Bodesee-Verbindung zu erfragen. Vielleicht hat er ja noch Anlaufstellen hier in der Region zu bieten.
Sagt mir was, kenne die Truppe aber nicht persönlich, scheint aber okay zu sein der Webseite nach zu urteilen.
Alte Kampfkunst
27-10-2009, 12:28
Frag die hier mal: Die Federfalken (http://federblog.virtuasense.de/)
Oder schick eine Email an: rglasa ÄDD t-online.de (an Hans Glasa)
Vielleicht kennt der Leute in der Gegend die sowas kompetent betreiben.
Genau, und zum Karate fragst du am besten einen Stuntman und zu den Inneren Kampfkünsten fragst du die Kursleitering für Gymnastik bei der lokalen Volkshochschule.
:)))))))))))))))))))))))
Warum den nicht?
Ich sage nur:
RTL2 „Welt der Wunder“ ist die beste Informationsendung aller Zeiten! ;)
Ich habe mich nur längere Zeit mit Herrn Glasa unterhalten, und da hörte es sich so an dass er durchaus eine vom Deutschen Sportbund anerkannte Qualifikation als Fechtausbilder hat (sprich, Sportfechten), und sich eben nebenbei mit alten Fechtschulen beschäftigt hat und diese seit Jahrzehnten trainiert. Inwiefern er besser oder schlechter als jemand anders ist, kann ich nicht beurteilen. Ich habe natürlich schon Exponenten "alter Fechtkünste" gesehen, denen ich noch mit amputierten Beinen und Gicht die Hose ausziehen würde, so miserabel haben die sich bewegt. Wer in diese Kategorie gehört, behalte ich einfach für mich. Ist beim Ansehen eigentlich offensichtlich. Auch ein mittelalterlicher Fechter sollte sich bewegen wie ein Athlet, und nicht wie ein Thekenfussballer.
Zweck war eigentlich, dass jemand der über den DSB organisiert ist, möglicherweise tatsächlich Leute kennen könnte die im Bodenseeraum etwas mit Fechten zu tun haben. Das erfährt man zum Beispiel indem man ihn fragt.
An moderner Literatur empfehle ich [...] Guy Windsor's The Duellists Companion (http://www.amazon.de/Duellists-Companion-Training-Century-Italian/dp/1891448323/ref=sr_1_1?ie=UTF8&s=books-intl-de&qid=1256462054&sr=8-1), ein Trainingshandbuch für den modernen Rapierfechter, basierend auf Capo Ferro's Werk.
Das Buch ist mittlerweile angekommen. Ich konnte gestern abend etwas reinlesen und muß sagen, daß das was ich bisher gelesen habe mich begeistert hat. Das Buch ist soweit ich das schon sagen kann super geschrieben, und auch mit ordentlich Hintergrund. Danke für den Tip.
Eskrima-Düsseldorf
13-11-2009, 14:25
Englische sowie Guy Windsor's The Duellists Companion (http://www.amazon.de/Duellists-Companion-Training-Century-Italian/dp/1891448323/ref=sr_1_1?ie=UTF8&s=books-intl-de&qid=1256462054&sr=8-1)
Vorgestern bestellt, gestern bekommen und angelesen ... scheint ein sehr gutes Buch zu sein. Danke für den Tipp.
Grüße
Christian
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