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Vollständige Version anzeigen : Spielerisches, lockeres und 'handfestes' Tui Shou



GilesTCC
02-04-2010, 21:28
Über Rum-Soaked Fist bin ich auf dieses Vid gekommen. Gefällt mir ziemlich gut, was der Mann macht. Für mein Geschmack lehnt er sich im Oberkörper manchmal zu sehr nach vorne - was ich aber genauso in dem Bitak-Vid mache, also ein bekanntes Phänomen...:D - aber ansonsten gute Sachen. Er zeigt klar, wie man aus den (absolut notwendigen!) Basics im Tui Shou auf die nächste Spielebene schaltet. Und mit Spaß dabei !

YouTube - LightHearted pushing hands no.1 (http://www.youtube.com/watch?v=rv8d4Y-otGQ&feature=related)

Es ist eigentlich eine Serie von 4 Vids, die man leicht findet, wenn man das erste guckt.

Ich kenne den Mann nicht, aber von seiner Art zu bewegen und den Techniken, würde ich recht sicher auf malaysischen Cheng Man Ching-Stil tippen.

Schöne Grüsse,

Giles

Hongmen
02-04-2010, 22:13
ich habe meinen leider voreiligen kommentar wieder gelöscht. habe mir die vids mal in gänze angesehen. da ist doch schon was dran an den sachen. hebt sich auch von den "mainstream" pushereien positiv ab.

liebe grüße
hongmen

scarabe
03-04-2010, 00:08
ich möcht gern noch etwas mehr an der Haltung bemeckern, gleich am Anfang:
Das Hin- und Hergehampel von einem Bein aufs andere, teilweise mit Abheben der Fußsohle ist nicht gut im Taiji Pushhands.
Sie sind nicht gelöst genug im unteren Rücken und Hüfte und schwanken zu sehr, kippen im Oberkörper nicht nur manchmal zu weit vor, sondern vor allem auch oft mit den Schultern hinter die Senkrechte....
was auch immer im restlichen Video noch kommt, der Anfang zeigt schonmal, daß das keine hochkarätigen Tuishou-Leute sein können.
Das Kleben kommt zu kurz, stattdessen werden massenhaft Chancen verpaßt, dem Gegner, der die Arme entfernt hat, einen ordentlichen Push zu geben oder mit einer "Spiralbewegung" zur Seite runterzubringen.
Sowas sollte man sich nicht angewöhnen...
Bißchen mehr Verwurzelung, Zentrierung und Bewegung aus der Mitte, kombiniert Kleben und Hören und mit dem Gefühl, wie weit vor- oder zurück man gefahrlos kann, wär wünschenswert...

Kamenraida
03-04-2010, 06:05
Ich kann Giles' Punkt schon nachvollziehen - das ist locker und durchaus spielerisch, was die beiden Jungs da machen. Würde allerdings auch Detailkritik üben, wobei ich die strukturellen Fragen mal außen vorlasse (Füße am Boden, Vorneigung - da sind die Stile zu unterschiedlich). Vorallem: Die beiden verlieren immer wieder den Kontakt, was wohl vorallem daran liegt, dass sie eine An-Routine als Basic nehmen - das geht besser.

Mir fällt hier aber ein anderer Punkt vorallem ins Auge: Das Spiel der beiden ist deutlich von einem Schüler-Lehrer-Verhältnis geprägt. Das heißt, der eine Typ (zumeist links) bewegt sich immer mal wieder schneller, energischer, freier und erringt so einen "Vorteil" - würde bei einem gleichberechtigten Spiel alles nicht funktionieren. Aber gut, dass ist ein (interessantes) Phänomen, dem man beim Pushen immer wieder begegnet - jedenfalls wenn es kein "Alles-oder-nichts-Pushen" ist (im Sinne von: Hauptsache, der andere bewegt den Fuß. In dem Fall ist nämlich klar, dass nur funktioniert, was funktioniert...). In allen anderen "Stufen" des Pushens aber wird es eben sehr schnell fraglich, wie weich, hart, kooperativ, energisch man denn nun miteinander umgehen möchte - und zumeist macht dann derjenige den Punkt, der die Vereinbarung mal eben verlässt.
Im besten Falle kennt man sich und findet eine gemeinsame "Push-Sprache". Oder es passt halt nicht, und dann führt Pushen wie jeder andere menschliche Interaktion zu Missverständnissen.

Weiterer Punkt: Man muss sich schon entscheiden, ob man nun Fixed-Step oder Moving-Step macht. Es hat jedenfalls keinen Sinn, wenn nur einer Schritte macht und so einen Raumvorteil erringt, während der andere passiv stehen bleibt - wie es bei den Jungs auf dem Vid oft der Fall ist. Wenn mein Partner einen Schritt in mich rein macht, bleibt mir eigentlich nur die Wahl: Entweder ich nutze den Augenblick des Schrittes zu einer Aktion (push), oder ich weiche aus und stelle die alte Raumaufteilung wieder her. Ein Push aber, der zustande kommt, weil NUR einer Schritte macht, sagt in der Regel wenig über die Inneren Fähigkeiten aus.

So, hoffe, das führt nicht zu weit off topic.

taiwandeutscher
03-04-2010, 07:39
Diese spielerischen Vids sind voll in Ordnung, weil ich weiß, dass sich der Typ auch völlig frei mit seinen Fertigkeiten extrem effektiv gegen alle Stile gemessen hat und immer noch misst. Er kommt aus einer ZMQ-Linie über Penang und mit seinem Alter ist er echt fit. Der würde sich vor CZQ sicher nicht verstecken müssen.

Wo sind eigentlich die guten spielerischen Chen-Phs-Videos?

T. Stoeppler
03-04-2010, 07:52
Mir gefällt das auch gut, sieht sehr ordentlich aus.

Gruss, Thomas

scarabe
03-04-2010, 08:49
Mir fällt hier aber ein anderer Punkt vorallem ins Auge: Das Spiel der beiden ist deutlich von einem Schüler-Lehrer-Verhältnis geprägt. Das heißt, der eine Typ (zumeist links) bewegt sich immer mal wieder schneller, energischer, freier und erringt so einen "Vorteil" - würde bei einem gleichberechtigten Spiel alles nicht funktionieren. Aber gut, dass ist ein (interessantes) Phänomen, dem man beim Pushen immer wieder begegnet - jedenfalls wenn es kein "Alles-oder-nichts-Pushen" ist (im Sinne von: Hauptsache, der andere bewegt den Fuß. In dem Fall ist nämlich klar, dass nur funktioniert, was funktioniert...). In allen anderen "Stufen" des Pushens aber wird es eben sehr schnell fraglich, wie weich, hart, kooperativ, energisch man denn nun miteinander umgehen möchte - und zumeist macht dann derjenige den Punkt, der die Vereinbarung mal eben verlässt.
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man könnte auch sagen, er profiliert sich... Vielleicht überzeugt es mich auch gerade durch diese Einseitigkeit so wenig.

Ich habe natürlich durch CXWs Korrekturen eine gewisse Voreingenommenheit und weiß mit Schmunzeln, daß er die Leute erst mal ziemlich anders hinstellen und arbeiten lassen würde,
aber ich kann mir auch vorstellen, daß ein Typ wie der in dem Vid, der doch einiges an Gewicht und Kampfsport-Skills mitbringt, sich gegen allerlei Gegner durchsetzen kann- ob das deshalb aber ein gutes Beispiel für Tuishou ist, wage ich hier lautstark zu bezweifeln.
Auch wenn es abgesehen von der Einseitigkeit durchaus ein positives Beispiel ist für spielerisches Üben.
Ich hoffe jedenfalls, die Chen-Leute machens nicht zusehr nach, würde dem Stil nicht gut tun.

Jochen Wolfgramm
03-04-2010, 08:51
Sehr schön. Das was drauf steht ist auch drin. Nicht wie bei vielen Clips die hier in letzter Zeit so gepostet wurden.

Danke Giles.

Freier Geist
03-04-2010, 11:47
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scarabe
03-04-2010, 17:27
ja, darauf könnte der Lehrer schon ein bißchen mehr achten...

Klaus
03-04-2010, 20:06
Mit Seilspringen lernt man auch nicht kämpfen, machen Boxer aber trotzdem.

scarabe
03-04-2010, 21:31
na ja, wenn man Fehler nicht korrigiert, werden sie zur Gewohnheit und sind irgendwann nur noch schwer rauszukriegen...
ansonsten gibts nichts gegen ein paar Trainingserweiterungen.

Klaus
03-04-2010, 22:17
Fehler sind richtige Reaktionsfehler im Aufbau, nicht "ey der hat den Rücken schräg". Mir hat einer auch erzählen wollen was ich alles "falsch" mache, blöderweise konnte er mich nicht daran hindern ihn in der Mitte durchzubrechen.

scarabe
03-04-2010, 22:37
ach komm schon, der Typ sieht nicht so aus, als würde er jemanden in der Mitte durchbrechen können...
Du weißt doch selbst, was passieren kann, wenn man in dieser Position vom Gegner "erwischt" wird- die Meister und Großmeister haben schon ihre Gründe, wenn sie darauf achten, daß manche Fehler eben NICHT gemacht werden- sonst könnte ja gleich jeder Freestyle draufloslegen und alle, die sich um richtige Haltung etc bemühen, wären doof...

taiwandeutscher
04-04-2010, 05:06
Da würde ich mich mal nicht so weit aus dem Fenster beugen. Wie berichtet, habe ich den Typen schon mehrmals gegen diverse Stile gesehen, der würde so manchen Dampfplauderer in DL sicher brechen, mittig oder seitlich, und hat wesentlich mehr drauf als sich aus den Vids erkennen lässt.

Gerade sehe ich noch ein anderes nettes, lockeres Vid aus der Hunyuan-Linie:

YouTube - Chen Zhonghua's Maple Ridge Push Hands March 29, 2010 Trailer (http://www.youtube.com/watch?v=vz4HjMTAGBE&feature=player_embedded#)

Klaus
04-04-2010, 13:59
Gerade sehe ich noch ein anderes nettes, lockeres Vid aus der Hunyuan-Linie:

YouTube - Chen Zhonghua's Maple Ridge Push Hands March 29, 2010 Trailer (http://www.youtube.com/watch?v=vz4HjMTAGBE&feature=player_embedded#)

Ist doch ein schönes Video, in dem er mal mehr auf gute technische Aktionen eingeht.

Klar, "kämpfen" ist sowas noch nicht. Es zeigt welche Elemente man lernt, die man später improvisierend einsetzt im Clinch und Aufbau. Da läuft es dann ein wenig schneller ab, und es kommen die Dinge dazu die man im Training eben nicht machen kann und sollte. Klitschko schlägt den Haken mit dem er Chambers ins Koma gehauen hat im Training sicher auch nur auf Pratzen und Sandsäcke, und nicht seinen Partnern im Sparring in die Fresse.

scarabe
04-04-2010, 16:21
Da würde ich mich mal nicht so weit aus dem Fenster beugen. Wie berichtet, habe ich den Typen schon mehrmals gegen diverse Stile gesehen, der würde so manchen Dampfplauderer in DL sicher brechen, mittig oder seitlich, und hat wesentlich mehr drauf als sich aus den Vids erkennen lässt.

[/url]

Du sprichst von dem anderen, ich hab von dem Schüler gesprochen, der alles mit sich machen läßt....


sehr schönes Video übrigens...

taiwandeutscher
05-04-2010, 02:20
Oh, sorry, zu schnell gelesen und falsch bezogen!

GilesTCC
06-04-2010, 10:40
Hi Leute,

War ein paar Tage verreist. Ich möchte auch auf ein paar Bemerkungen zum Vid eingehen. Am direktesten auf die Bemerkungen von Kamenraida, die ich unter zitiere, aber auch auf andere.

Wie es aus dem Gesprochenen und dem You-Tube-Text klar wird, ist der "Besserer" nicht direkt der Lehrer vom anderen, sondern zeigt dem anderen verschiedene Sachen. Und er ist auf jeden Fall besser. Der Kleinere ist eben nicht so gut, macht mehr strukturelle, technische und taktische Fehler. Trotzdem habe ich nicht den Eindruck, daß das Spiel auf eine 'unfaire' oder 'unehrliche' Weise abläuft. Ich finde schon, die beiden haben eine gemeinsame "Push-Sprache" gefunden - nur ist der einer eben gewandter und fliessender in der Sprache als der andere, für man ihm kaum zum Vorwurf machen soll.

Was die Schritte betrifft: das ist ein Ansatz, den man manchmal "essential stepping" nennt. Das heisst, es werden nur Schritte genommen, die unmittelbar mit einer angreifenden oder verteidigenden Technik zusammenhängen. Die Beiden haben auch hier eine gemeinsame Sprache: Der Kleinere nimmt auch manchmal einen Schritt beim Angriff oder Verteidigung. Nur - wie auch sonst - nicht so gut/adäquat wie der Grössere. Also m.E. kein "Falschspielen" vom Grösseren.
"Essential stepping" ist gerade sehr gut, um ein Gefühl für stimmige Abstände und für Timing zu entwicklen. Jeder Schritt bekommt dann eine klare Funktion, und muß zugleich mit einer Handtechnik (oder manchmal auch mit einem Fußtritt) integriert werden. Wenn man die ganze Zeit schreitet, kann es auch vorkommen, daß Lernende anfangen, automatisch bzw. fast immer zu schreiten und dadurch 'Probleme' oft durch Abhauen zu lösen, wodurch viele Kontermöglichkeiten verloren gehen. Wenn der einer einen Schritt nach vorne macht, um mich anzugreifen, kann ich mit meinem Schritt nicht nur 'mich retten', sondern habe ich auch die Möglichkeit, seinen Angriff dabei zu kontern. Dabei kann ich den Angreifer nach vorne aus seiner Mitte heraus locken, mit einem Schritt den Winkel ändern und ihn von der Seite kontern (etwas, was Fernando "surrounding" nennt), oder mit einem Wechselschritt zurückschreiten und sofort wieder in seine Mitte hineindrängen. Für mich ist "essential stepping" daher eine gute Brückemethode auf dem Weg zum stimmigen "full stepping".

Der Grössere hat einen typischen "bärigen CMC-Körper". Ein ganz anderer Körper, als Leute mit ähnlichen körperlichen Veranlagungen z.B. bei Chen-Stil entwickeln. Sieht nicht so spektakulär oder sportlich aus, aber solche Leute haben oft sehr viel drauf - wie Taiwandeutscher darauf hinweist. Weisst du wie der Mann heisst, Hermann?

Und bezüglich "Kontakt verlieren" - in welchen Moment, meint Ihr, verliert der Grössere Kontakt auf eine für ihn nachteilige Weise?



Ich kann Giles' Punkt schon nachvollziehen - das ist locker und durchaus spielerisch, was die beiden Jungs da machen. Würde allerdings auch Detailkritik üben, wobei ich die strukturellen Fragen mal außen vorlasse (Füße am Boden, Vorneigung - da sind die Stile zu unterschiedlich). Vorallem: Die beiden verlieren immer wieder den Kontakt, was wohl vorallem daran liegt, dass sie eine An-Routine als Basic nehmen - das geht besser.

Mir fällt hier aber ein anderer Punkt vorallem ins Auge: Das Spiel der beiden ist deutlich von einem Schüler-Lehrer-Verhältnis geprägt. Das heißt, der eine Typ (zumeist links) bewegt sich immer mal wieder schneller, energischer, freier und erringt so einen "Vorteil" - würde bei einem gleichberechtigten Spiel alles nicht funktionieren. Aber gut, dass ist ein (interessantes) Phänomen, dem man beim Pushen immer wieder begegnet - jedenfalls wenn es kein "Alles-oder-nichts-Pushen" ist (im Sinne von: Hauptsache, der andere bewegt den Fuß. In dem Fall ist nämlich klar, dass nur funktioniert, was funktioniert...). In allen anderen "Stufen" des Pushens aber wird es eben sehr schnell fraglich, wie weich, hart, kooperativ, energisch man denn nun miteinander umgehen möchte - und zumeist macht dann derjenige den Punkt, der die Vereinbarung mal eben verlässt.
Im besten Falle kennt man sich und findet eine gemeinsame "Push-Sprache". Oder es passt halt nicht, und dann führt Pushen wie jeder andere menschliche Interaktion zu Missverständnissen.

Weiterer Punkt: Man muss sich schon entscheiden, ob man nun Fixed-Step oder Moving-Step macht. Es hat jedenfalls keinen Sinn, wenn nur einer Schritte macht und so einen Raumvorteil erringt, während der andere passiv stehen bleibt - wie es bei den Jungs auf dem Vid oft der Fall ist. Wenn mein Partner einen Schritt in mich rein macht, bleibt mir eigentlich nur die Wahl: Entweder ich nutze den Augenblick des Schrittes zu einer Aktion (push), oder ich weiche aus und stelle die alte Raumaufteilung wieder her. Ein Push aber, der zustande kommt, weil NUR einer Schritte macht, sagt in der Regel wenig über die Inneren Fähigkeiten aus.

So, hoffe, das führt nicht zu weit off topic.

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And last but not least:


Allein mit dieser geistigen Haltung wird Letzterer niemals kämpfen lernen, zumal sich bei ihm der Geist auch noch körperlich manifestiert in Form eines tendenziell nach hinten geneigten Rückens. Defensive und Opfer bis zum Sanktnimmerleinstag. Gratulation..

Ich kann deinen Kommentar nicht so richtig nachvollziehen. Der Kleinere ist eben (noch) nicht so gut, macht mehr Fehler, muß daher auch mehr - spielerisch - einstecken. Das Nach-Hinten-Lehnen ist auf jeden Fall ein Fehler, würde ich auch so sehen. (Sein 'richtiger' Lehrer sollte ihn darauf aufmerksam machen). Aber deswegen eine grundsätzliche Opferhaltung...?

Mir scheint es, daß er trotzdem Angriffe versucht und ab und zu den anderen auch ein bisschen kriegt. Meistens ist es so, daß seine Angriffe entschieden gekontert wird, was hier 'natürlich' ist. Dabei will er aber auch lernen, und probiert Dinge aus. Wenn er aus dieser Situation einen "auf Teufel komm raus"-Kampf machen würde, dann würde er kaum noch lernen können. Oder zumindest nicht das lernen, was der andere (der wirklich was drauf hat) ihm gerade zeigt. Und darum geht es hier, oder?
Aber vielleicht übersehe ich etwas oder verstehe dich falsch, also gerne Aufklärung wenn's passt... :)

Schöne Grüsse,

Giles

scarabe
06-04-2010, 12:06
mein Eindruck war eher der, daß hier ganz bewußt ein Video gedreht werden sollte, in dem der Größere überlegen zu sein hat und gewisse Dinge zeigt. Daher vermutlich auch der Begriff "Opferhaltung" (probier`s erst gar nicht...)
Dazu hat er sich einen unterlegenen Gegner ausgesucht, der aufgrund seiner vielen Schwächen es dem Größeren leicht macht, mit seinen Anwendungen durchzukommen und gut auszusehen. Dadurch fallen eventuelle Schwächen des Größeren, die ein stärkerer Partner ausnutzen würde, auch gar nicht ins Gewicht.
Wie ja bei den meisten solchen Videos.
So gesehen ist es zwar spielerisch, aber auch wieder nicht wirklich, denn ich würde mir mal ein spielerisches Video von zwei etwa gleichstarken Partnern wünschen. Außerdem nutzt es dem Kleinen ja nichts, wenn er zwar durch die Gegend geschubst wird, aber nicht erfährt, was er falsch macht, denn dadurch verbessert sich nichts und er ist irgendwann vielleicht so frustriert, daß er nicht mehr will...

WAs mir noch auffällt, als Vermutung, ist, daß der CMC-Körper vom Schwerpunkt, Training/Elastizität und Masse so wirkt, als wäre der Schwerpunkt weiter oben, als z.B. die geschulten, gesunkenen Chen-Körper mit deutlicher Ausprägung (auch energetisch) ums Dan Tien.
Wenn ich nun an normale Statik und Physik, aber auch an KK-Erfahrung aus dem Chen denke, drängt sich mir die Vermutung auf, daß der Größere erheblich mehr Probleme bekäme, seine "Zentrierung" und Verwurzelung zu (er)halten, hätte er es mit einem solchen erfahrenen Chen-Taiji-Mann zu tun, der diese Oberkröperlastigkeit ausnutzen würde/könnte.
Dessen ungeachtet kann er natürlich trotzdem ein erfahrener und gefährlicher Kampfsortler sein, nur halt mit anderem Schwerpunkt (in doppeltem Sinn)...

Wir versuchen hier aber doch sehr, uns und unsere Schüler runterzubringen auf einen tiefen Schwerpunkt und Zentrierung in der Mitte, was auch ein bißchen mit der Kopflastigkeit unserer heutigen Bürogesellschaft zu tun hat, wo bei den wenigsten noch eine natürliche Mitte/Bauchatmung, Verwurzelung, starke Lendenmuskulatur etc vorhanden ist, bei den meisten ist der Schwerpunkt sozusagen hochgerutscht.
Wenn man nun bedenkt, daß wir im Taiji aber (im Gegensatz zum Yoga, wo eine (energetische) Betonung des Brustbereichs üblich ist) eben diesen tiefen Schwerpunkt mit Dan-Tien-Betonung anstreben,
wäre es mir natürlich lieb, wenn es mehr Pushhands-Videos zu sehen gäbe, die auch körperlich dementsprechend entwickelte, Dan-Tien-zentrierte Leute zeigen würden.

Sozusagen als Anreiz für den Nachwuchs, etwas weniger auf Äußerlichkeiten, wie breite Schultern, Armmuckis und Brustkorb zu achten, sondern ihrer Mitte, der Beweglichkeit/Stärkung ihres Hüft- und unteren Rückenbereichs, sowie Beinen und Standfestigkeit/Verwurzelung mehr Aufmerksamkeit zu schenken- ungeachtet des (-sorry, überspitzt ausgedrückt-) Egos, das natürlich in erster Linie mal attraktiv aussehen will... ;) und angesichts jahrelang verbreiteter Klischees denkt, muskulöse Schultern und Arme seien auch automatisch ein Zeichen guter Kampftauglichkeit.

Kamenraida
06-04-2010, 23:30
Ich möchte erst einmal ein Ausrufezeichen hinter das Statement von Scarabe setzen. Ich denke auch, dass sich eine gesunkene Struktur im Sinne von Chen in der Regel gegen ein eher bewegungsorientiertes, auf (äußere) Weichheit und Nachgiebigkeit setzendes Verständnis von Tui Shou durchsetzt. Jedenfalls im Fixed Step.

Letztere Einschränkung halte ich für wichtig. Meiner Erfahrung nach werden die Karten neu gemischt, sobald man sich mehr im Raum bewegt – allein die Tatsache, dass sich beim Moving Step nicht selten Leute durchsetzen, die aus dem Kung Fu kommen, spricht Bände.

In dem Zusammenhang zu Giles: Natürlich ist es sinnvoll, Arm-Aktionen mit Schritten zu verbinden, und je realistischer die Situation, desto mehr. Kein Kämpfer bleibt ernsthaft wie angewurzelt stehen, es sei denn er ist 100 % bulletproofed.

In Bezug auf das Vid bleibe ich dabei: viele Aktionen funktionieren nur deshalb, weil nur einer der beiden Schritte macht, und der andere nicht angemessen reagiert. Beispiel bei 0:52. Links macht einen deutlichen Schritt nach vorne, und Rechts – anstatt auszuweichen – ist so nett, ihm sogar entgegenzukommen, um dann bewegungslos zu warten, bis Links ihn einfach (mit äußerer Kraft) raushebt.

An anderen Stellen täuscht Links Schläge oder sogar Tritte/Kniestöße an – und bildet sich offensichtlich auch noch etwas auf die Wirkung ein, die er damit erzielt. So etwas halte ich für Kinderkram, weil es ein beliebiges Verlassen des vorherigen Übungs-Modusses ist. Entweder machen beide solche Aktionen – dann muss man bei jedem Angriff mit einem ensprechenden Konter rechnen – oder es ist albern.

Unsere Leitfrage war ja so ungefähr die, ob das, was wir da sehen, „wirklich“ funktioniert: Ich melde Zweifel an. Aber nichts destotrotz: Ich finde es durchaus gut, wie die beiden sich miteinander bewegen – das kann ein guter und spaßiger Übungsmodus sein. Aber es beruht absolut auf Kooperation und sollte darum nicht überschätzt werden.

scarabe
07-04-2010, 00:30
Ich möchte erst einmal ein Ausrufezeichen hinter das Statement von Scarabe setzen. Ich denke auch, dass sich eine gesunkene Struktur im Sinne von Chen in der Regel gegen ein eher bewegungsorientiertes, auf (äußere) Weichheit und Nachgiebigkeit setzendes Verständnis von Tui Shou durchsetzt.
.

....ließe sich ja auch kombinieren...

Kamenraida
07-04-2010, 00:50
Klar, es IST ja auch immer eine Kombination. Will auch auf keinen Fall eine Stil-Diskussion aufmachen. Es geht eher um Trainings-Akzente, darum, was einem Spaß macht und wie gut man es halt kann, was man so macht.

bluemonkey
07-04-2010, 07:29
Sozusagen als Anreiz für den Nachwuchs, etwas weniger auf Äußerlichkeiten, wie breite Schultern, Armmuckis und Brustkorb zu achten...

Breite Schultern und Brustkorb gibt es auch bei jüngeren Chenmeistern (rechts im Bild):

WCTAG Artikel (http://www.wctag.de/artikel.html#edi_10) :cool:

GilesTCC
07-04-2010, 10:33
Hi Scarabe, Kaimenrada,

ich kann die meinsten Euere Bemerkungen schon gut nachvollziehen - jedenfalls würde auch ich gerne den Großen beim Üben mit einem 'Gleichwertigen' sehen, ob aus dem gleichen oder einem anderen Stil, der weniger nachsichtig mit den strukturellen/technischen Defiziten des Großen umgeht und der sowohl mit oder ohne Schritt mehr zentriert bleibt.
Für mich selber ist das Tui Shou hier sicherlich nicht das Non Plus Ultra, aber gefällt mir in manchen Hinsichten trotzdem besser als vieles, was unter dieser Rubrik gezeigt wird.

Auf zwei Bemerkungen möchte ich noch kurz eingehen...


Scarabe: So gesehen ist es zwar spielerisch, aber auch wieder nicht wirklich, denn ich würde mir mal ein spielerisches Video von zwei etwa gleichstarken Partnern wünschen. Außerdem nutzt es dem Kleinen ja nichts, wenn er zwar durch die Gegend geschubst wird, aber nicht erfährt, was er falsch macht, denn dadurch verbessert sich nichts und er ist irgendwann vielleicht so frustriert, daß er nicht mehr will...

Als Lehrer würde ich dem Lernenden auf jeden Fall ein paar Hinweise geben (Nicht nach hinten lehnen, Hüften mehr sinken und drehen, genauer auf den kritischen Abstand aufpassen...). Allerdings scheint er hier nicht besonders gefrustet zu sein, auch nicht am Ende vom vierten Vid in der Reihen - staubt sich immer wieder mit einem Lächeln ab :D. Und schliesslich ist 'learning by doing' bzw. 'learning by failing' eine wichtige traditionelle Lernmethode. Jedes Scheitern (oder Fliegen) ist auch ein Lernen, wenn oft unbewusst. So lange daß man nicht Angst um die eigenen Knochen haben muß, oder sich erniedrigt fühlt, kann man die 'Lektionen' dann noch gut verarbeiten.
Bei vielen Vids aus Chenjiagou müssen die Unterlegeneren wesentlich mehr einstecken, bei - zumindest wie es mir scheint - weniger emotionalen Lockerheit. Nix gegen Chenjiagou - nur zum Vergleich :).



Kamenraida: An anderen Stellen täuscht Links Schläge oder sogar Tritte/Kniestöße an – und bildet sich offensichtlich auch noch etwas auf die Wirkung ein, die er damit erzielt. So etwas halte ich für Kinderkram, weil es ein beliebiges Verlassen des vorherigen Übungs-Modusses ist. Entweder machen beide solche Aktionen – dann muss man bei jedem Angriff mit einem ensprechenden Konter rechnen – oder es ist albern.

Wenn der andere solche Techniken nicht machen kann oder darf, dann finde das Übungsmodus auch falsch. Eigentlich ermutigt hier der Größere den anderen, auch solche Techniken zu machen - aber er ist dafür zu unerfahren, um es gut umzusetzen. Prinzipiell finde ich die Vermischung von Tui Shou Basistechniken und kämpferischen Techniken sehr gut - vorausgesetzt, natürlich, daß man die Tui Shou-Basics schon einigermaßen beherrscht und daß diese Basics dann nicht bei Schlägen und Co. wieder flöten gehen! Tatsächlich wird oft moniert, daß Tui Shou zu selbstreferentiell geübt wird - im "luftleeren Raum", sozusagen, zwar (hoffentlich) mit guter Struktur und Sensibilität aber auf eine Art, die keinen Mehrwert für SV bringt. Persönlich sehe ich diese Sache nicht so schwarz/weiß und ich halte viel auf Basics - die auch schon für sich vieles für die Kampfkunst bringen können. Und Schläge in Tui Shou einzubauen ist nicht die einzige Methode, sich der Realität zu nähern. Wenn man es jedoch einvernehmlich macht, und zwar so, daß die Schläge aus den Basistechniken heraus entstehen und nicht als Quantensprung auf eine ganz neue Ebene, dann bin ich prinzipiell dafür. Es entsteht ein Kontinuum von fixed-step Basics über freiere Schritte und mit Anwendungen bis hin zu 'kreativem Chaos'.
Dies mehr als allgemeine Bemerkung, nicht als 100-prozentiger Beifall für den Mann im Video.

Schöne Grüsse, und danke für die konstruktive Beiträge :),

Giles

scarabe
07-04-2010, 10:34
@ blue:
ich hab ja auch nichts dagegen- solange die Verhältnismäßigkeit stimmt
CZq ist ein einziger Muskel, d.h., überall super austrainiert, selbst im Kampfsoprt selten zu finden außer in Kampfvorbereitung, hat mich verblüfft und fasziniert.
Neben den Schultern sind da auch Rumpf und Beine und vor allem der Hintern ausgeprägt, sogar die Hände und Finger, hätte er keine trainierten Schultern, würde das vermutlich etwas komisch aussehen. Seine Muskulatur stammt außerdem nicht (nur) aus einseitigem Kraft- und Gewichtetraining, sondern zu einem Großteil aus täglichem Waffen- Formen- und Sparringtraining, d.h., seine Muskulatur hat sich auf sehr natürliche, ausgewogene Weise entwickelt. Daudrch ist er auch sehr schnell und beweglich, was bei rein durch Gewichte antrainierten Muskeln oft nicht so ganz der Fall ist.
Was CZq nicht hat, ist der typisch überproportionierte Bodybulider/Boxer-Oberkörper, neben verhältnismäßig zu schmalem Unterkörper, der mir leider bei vielen Kampfsportlern negativ auffällt, die zu Gunsten breiter Schultern andere Bereiche vernachlässigen.

@ Giles:
learning by doing ist was Feines, ich hab selbst grad ein WE hinter mir, bei dem ich feststellen durfte, daß es mit dem Fallen noch klappt und wo ich mich nicht nur mit diversen Beinhaklern und Würfen, sondern auch mit der Beschaffenheit des Bodens eingehend befassen konnte (ächz ;) ).
Das war sicher etwas härter als auf dem Video, wenn auch noch nicht ganz so arg, wie oft in Chenjiagou.... Trotzdem war es spielerisch und hat super Spaß gemacht, aber es war auch ein anderes Lernen als oben, wo der kleinere zwar dürfte, wenn er denn nur wüßte, wie (was ihm anscheinend keiner zeigt...)
Generell find ich das Video auch gar nicht so übel, nur- jetzt mal den Finger draufgelegt- , daß es der Egopflege des Überlegenen und all derer dient, die auch gerne ihre Überlegenheit zeigen... und solche Videos gibts ja leider genug, eben nicht nur mit echten Großmeistern drauf... (Dein eigenes ist da ne löbliche Ausnahme, Ihr habt sehr schön einfach Eure Inhalte rübergebracht)

Hengli
17-04-2010, 00:20
find es ist sehr gutes pushhands, anwendungsbezogen und very skilled...man sieht klar das der typ noch wesentlich mehr drauf hat als gezeigt...auch das fast schon unsichtbare rooting...sehr cool :-)
finde das 4te auch sehr gut in den erklärungen YouTube - LightHearted 4 (http://www.youtube.com/watch?v=zbdcwOxt_0Q)

taiwandeutscher
17-04-2010, 08:16
Oh, jemand mit Blick!