Krav Maga [Archiv] - Kampfkunst-Board

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Vollständige Version anzeigen : Krav Maga



Bagzi
30-09-2003, 20:18
Hallo Leute,
ich hab mal eine frage an die Krav Maga kenner.
Kann man sich mit Krav Maga auch gegen gute Boxer, Ringer,
Kick Boxer etc. verteidigen oder ist das nur etwas gegen 08/15 angriffe von möchtegern schlägern?

Gruß.

doc faust
01-10-2003, 09:09
nee, auch 08/15 möchtegern schläger machen jeden km(m) trainierenden platt. die einzigen, die man mit km(m) besiegen kann, sind wt'ler. biste jetzt zufrieden?

für diejenigen die's wirklich interessiert meine einschätzung: im "klassischen duellkampf" hat man mit km(m) mühe (wenn der gegner eine vollkontakt-/sparring-orientierte kk wie boxen, tb oder kb beherrscht). die grundstellung bietet vergleichsweise wenig schutz für den kopf, da auf distanz ausgelegt (abwehr bewaffneter angriffe). dazu werden combos recht stiefmüttelrich abgehandelt (kein wunder beim breiten trainingsspektrum, hat man halt nicht für alles zeit). wenn der gegner die distanz diktiert, hat man so seine probleme. lässt er aber einen "an sich ran", siehts anders aus: augenangriffe, eiertritte, reiss- und zugtechniken, das ganze spektrum des dirty fighting. allerdings kann man die defizite mit sparring gegen box-&trittorientierte stile relativ schnell ausgleichen, da das kmm-training sehr vorwärtsdruckorientiert ist. aber wie überall gilt auch hier: reinschnuppern in andere systeme ist ein must.

nur hat sv mit dem "klassischen duellkampf" wenig zu tun. auch der superharte kerl geht zu boden nach nem frontkick ins knie oder wenn du ihm den fuss in die klöten donnerst. also einmal mehr die alte leier: mann gegen mann, nicht system gegen system. wobei die tools aus'm kmm sicher realitätstauglicher als andere sind.

Dr. Ralf
01-10-2003, 10:16
Hallo Bagzi,
kann man sich mit Boxen gegen einen Boxer verteidigen??? Das kommt darauf an, wie gut du boxen kannst.

Ähnlich sieht es aus mit KMM. Der duellartige Kampf (d.h. Distanzkampf zweier vorbereiteter Kämpfer) ist durchaus auch Bestandteil von KMM, allerdings sind hier auch Attribute wie Timing und Distanzgefühl sehr wichtig. Diese Eigenschaften erarbeitet man sich allerdings erst mit der Zeit (wie in jedem anderen System auch).

Es trifft übrigens nicht zu, dass man im KMM nicht auf Kombis eingeht, bzw. dass die Kampfstellung keinen genügenden Schutz für den Kopf bietet. Erstens gibt es nicht die festgelegte Kampfstellung und Deckungsposition im KMM, sondern sie wird auf die persönlichen Bedürfnisse des Einzelnen in Abhängigkeit der Situation angepasst. Die Aktionen werden möglichst so ausgerichtet, dass die Zweit- oder Drittschläge einer Kombi behindert werden oder gar nicht mehr möglich sind. Ferner würde ich behaupten wollen, dass die Art der Deckungsarbeit wie wir sie im KMM durchführen, die maximal mögliche Kopfdeckung darstellt, bei der auch berücksichtigt wird, dass man eben keine dicken Handschuhe trägt. Eine Doppeldeckung a la Boxen dürfte ohne Handschuhe gegen einen schwereren Boxer auf der Straße einen äußerst unzureichenden Schutz bieten.

Die Wahrscheinlichkeit bei einem Streit zwischen zwei Männern auf eine Person zu stoßen, die zumindest Kenntnisse im Boxen hat, ist in Deutschland nicht gering. Von daher muss natürlich auf diese Art der Bedrohung eingegangen werden und deshalb geht natürlich KMM auch auf diesen Punkt ein.

Das Problem bei der Sache ist allerdings (und das gebe ich gerne zu), dass man mit den KMM Techniken einen Duellkampf im Vollkontaktmodus sehr schwer (eigentlich nicht, es sei denn es trainieren zwei Masochisten) trainieren kann. Wesentliche Techniken sind auf Distanz unter anderem sämtliche Arten von Stampf-, Stopp- und Schnappkicks auf Fuß, Knie, Scheinbein, Oberschenkel sowie Genitalbereich. Im näherer Distanz wird sehr schnell in der Kombination mit Schlägen an der Kleidung bzw. an Armen, Fingern, dem Körper usw. gezerrt und gleichzeitig versucht in den Knie Ellbogen Bereich überzugehen und brachiale Ellbogen- bzw. Knietechniken in Kombination mit dirty Tricks zu verwenden. Der Einsatz solcher Techniken in freien Vollkontaktsparrings dürfte für die meisten Trainierenden mit massiven Verletzungen enden. D.h. man versucht mit reglementierten Sparringsdrills (mit und ohne Schutzausrüstung) sowie mit Mugging (wobei auch hier Kicks zum Knie nicht wirklich massiv geübt werden können) dem Problem gerecht zu werden.

Es ist also so, dass KMM durchaus die Möglichkeit bietet, auch gegen Boxer oder Thaiboxer im Duellkampf zu bestehen, es hängt allerdings wie in jedem System davon ab, wie man trainiert.

Allerdings bedeutet KMM auch die Möglichkeit, wenn ein Gegner auf Distanz steht, das nächste Hilfsmittel zu greifen (z.B. der Stuhl der in der Nähe steht) und dieses gegen den Anderen einzusetzen. D.h. die Intention des KMM ist es nicht, einen schönen und fairen Duellkampf mit einem anderen Kämpfer zu führen, um festzustellen, wer nun seine Techniken am besten geübt hat. Die Intention des Systems ist es, so schnell und so gut wie möglich seine körperliche Unversehrtheit zu wahren, wenn diese durch die Handlung eines anderen bedroht ist. D.h. wenn tatsächlich ein Turnierboxer einen rechtswidrigen gegenwärtigen Angriff durchführt, dann verwendet man das beste Mittel um diese (doch massive) Bedrohung abzuwenden und hierbei ist der Einsatz umstehender Hilfsmittel (sofern möglich) sicherlich erfolgversprechender, als das direkte Hineingehen in einen Duellkampf. Im Duellkampf zwischen zwei Kampfsportlern auf der Straße bleibt selten einer wirklich unverletzt. Deshalb ist die Vorgehensweise des SV Systems KMM hier anders, als die einer Kampfsportart, in der es um den fairen Vergleich zwischen zwei Sportlern geht.
Bei meinen Beschreibungen gehe ich vom Training bei uns in Freiburg aus. Ich denke aber, dass dies in anderen KMM Schulen genau so durchgeführt wird.
Auf der Homepage des KM Weltverbandes wird übrigens ein KM Kämpfer genannt der bei einem Freefightwettbewerb in seiner Gewichtsklasse gewonnen hat. D.h. auch dies ist möglich, wenn man mit diesem Schwerpunkt trainiert und (das will ich auch nicht verschweigen) die nötige anatomische Grundausstattung hat.

Gruß Ralf

Spotter
01-10-2003, 11:16
Frage an Dr. Ralf.

Unterschiede between dem Krav-Maga der IKMF (http://www.ikmf.de/index.html) und dem KMM (http://www.kravmagamaor.de) ?

Beim KMM steht folgendes:

Krav Maga Maor® wurde von Polizeioffizier Amnon Maor, dem Chefausbilder der israelischen Grenzpolizei-Spezialeinheiten, entwickelt. Seine praktischen Erfahrungen als Einsatzleiter und Ausbilder veranlassten ihn, das ursprüngliche Selbstverteidigungssystem der israelischen Polizei- und Militäreinheiten in wesentlichen Teilen zu modifizieren.
Heisst das jetzt, das vorherige, ursprüngliche Krav-Mage war so extrem verbesserungswürdig? ;)

Findet hier jetzt eine Entwicklung wie in anderen Kampfarten statt, dass jeder sein eigenes Ding macht bzw. entwickelt?

Gruß

Spotter ;)

Dr. Ralf
01-10-2003, 11:39
Hallo Spotter,
natürlich wird auch KM von Menschen gemacht und auch dort menschelt es sehr. Es gibt Leute wie z.B. Yaron Lichtenstein (9.Dan KM), die der Meinung sind, KM muss genau so gemacht werden, wie von Imi Lichtenfeld entwickelt. Jede kleinste Abweichung führt ihrer Meinung nach dazu, dass es sich nicht mehr um KM handelt. Andere Leute sind der Meinung, dass sie aufgrund eines Founders Diploma (Yanilov, Lewine) das alleinige Recht auf den Begriff KM haben und ihre Modifikationen damit KM entsprechen. Ferner gibt es den israelischen Staat, der im Wingate Institute sowie in der Armee Ausbilder ausbildet, ohne sich um diese entsprechenden Verbände oder Personen zu kümmern.

In der Armee bzw. in der Polizei steht es jedem Ausbilder zu, entsprechend seiner Erfahrungen Modifikationen vorzunehmen, da die ursprüngliche Intention des KM ja war, ein flexibles SV System zu erschaffen, welches nicht den Grenzen der klassischen Kampfkünste unterworfen ist, sondern sich flexibel jeder Bedrohungslage anpassen kann.

Maor hat aus seiner zigjährigen Tätigkeit nach seinen Aussagen Modifikationsbedarf gesehen und unterrichtet seine Spezialeinheiten entsprechend seiner Erfahrungen. Diese modifizierte Form des KM bezeichnet er als KMM um sich von KM abzugrenzen.

Ob nun seine Modifikation besser ist, als das ursprüngliche KM bleibt demjenigen überlassen, welcher sich die Mühe macht beide Systeme kennen zu lernen.
Wer lediglich an SV interessiert ist, dürfte sowohl beim KM als auch beim KMM gut aufgehoben sein.
Gruß Ralf

Spotter
01-10-2003, 11:48
Also ist es im Großen und Ganzen gleich.

Was sind denn so gravierende Unterschiede zwischen beiden? Gerade bei SV-Systemen ist doch eine klare Abgrenzung nicht möglich. Man lässt hier eine Kleinigkeit weg und/oder fügt hier und da etwas hinzu. Aber deswegen muss das Rad doch nicht neu erfunden, bzw. umbenannt werden oder?


ein flexibles SV System zu erschaffen, welches nicht den Grenzen der klassischen Kampfkünste unterworfen ist, sondern sich flexibel jeder Bedrohungslage anpassen kann.
Das ist ja auch gut, ein flexibles System zu erschaffen! Dachte das wäre mit Krav-Mage bereits geschehen, oder war es doch in gewissem Sinne starr? ;)


Jede kleinste Abweichung führt ihrer Meinung nach dazu, dass es sich nicht mehr um KM handelt.
Was ja nicht gerade von Flexibilität zeugt. *g*


Naja, also für mich liegt der Fall so, dass im Grunde alles gleich ist, jeder aber sein eigenes Ding durchziehen will, sein eigener Chef sein will und jeder eigenes Geld verdienen will.

Hoffe nur, dass bei so viel Eigenständigkeit nichts auf der Strecke bleibt....

Wäre es nicht klüger und für das System besser, die "Größen" dieses oder dieser Systeme an einen Tisch zu setzen, um der Sache an sich dienlich zu sein?
Aber sowas kennt man ja. Ist jeder zu stolz und zu egoistisch zu....

Gruß

Spotter ;)

Mr.Fister
01-10-2003, 13:08
... wenn du spass hast, schau mal hier rein, da gabs noch einiges zu km<--->kmm http://www.kampfkunst-board.info/forum/showthread.php?s=&threadid=2398&highlight=krav+maga

fister

marq
01-10-2003, 13:16
Gibts eigentlich auch sparring??

Ich habs mal in der Muskel und Fitness gelesen, weiss aber nicht wie gut der Artikel recheriert war.

Dr. Ralf
01-10-2003, 15:32
Hallo zusammen,
es gibt signifikante Unterschiede zwischen KM und KMM. Dies fängt beim Ausführen einiger Techniken an und geht bis zu Unterschieden beim Vorgehen gegen Schuss- bzw. Stichwaffenbedrohung.
Es ist teilweise auch einfach der Streit um den richtigen Weg, bei welchem es dem Einzelnen, der beide Ansätze kennt manchmal schwer fällt, zu entscheiden, was besser bzw. effizienter ist.

Ich gebe ein Beispiel.
Pistolenabwehr bei einer direkten Bedrohung von vorne, wobei die Waffe natürlich in Reichweite der Arme sein muss, um überhaupt eine Chance zu haben.

Die Initialbewegung beider Systeme ist gleich und geht nachdem Prinzip: Bedrohter Bereich aus der Schusslinie herausdrehen und gleichzeitig die Waffe in die entgegengesetzte Richtung wegschlagen, wobei die Waffe mit der wegschlagenden Hand gegriffen wird. Wie dies nun genau passiert und was dabei zu beachten ist, tut jetzt nichts zur Sache.

Der KM Ansatz ist nun hier, dass man möglichst gleichzeitig mit dieser Aktion anfängt den Gegner mit der anderen freien Hand massiv zu attackieren, weil man sagt, die Abwehr allein kann den Gegner nicht daran hindern, seine Waffe weiter zu verwenden und bricht auch nicht seinen Angriffswillen. Die Folgeaktionen bestehen dann zunächst in einem oder mehreren Schlägen um den Gegner quasi weich zu klopfen und anschließend folgt die entgültige Entwaffnung.

Der Ansatz im KMM ist anders. Zunächst wird die ganze Aufmerksamkeit darauf gelegt die Waffe weg vom Ziel zu lenken und den Körper aus der Schusslinie zu bringen. Diese Aktion bringt die freie Hand sehr nah an die Waffe ran. Deshalb wird mit der zweiten Hand daraufhin direkt zur Waffe gegriffen und diese dem Gegner durch eine massive kurze Drehzugbewegung so entrissen, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit der Finger am Abzug abgerissen oder zumindest gebrochen wird. Erst dann wird nach Bedarf attackiert oder die Flucht ergriffen.

Die Argumentation von Maor für seine Vorgehensweise ist folgende. Unter dem massiven Stress einer Schusswaffenbedrohung sind sowohl der Angreifer, als auch der Abwehrende ganz instinktiv extrem waffenfixiert. Der instinktive Wille des Verteidigers ist es, die Waffe unter Kontrolle zu halten und dafür zu sorgen, dass die Waffe nicht mehr auf sich gerichtet werden kann. Der instinktive Wille des Waffenträgers ist es aber die Kontrolle der Waffe aufrechtzuerhalten. Er wird deshalb, sobald er merkt, dass ein anderer die Waffe greift, diese zurückziehen wollen.
Was passiert nun, wenn man mit der Abwehrbewegung gleichzeitig eine Angriffsserie startet. Zum einen sind die Initialbewegungen für einen massiven Angriff und die Abwehr entgegengesetzt, denn wenn ich mit der Faust angreife, dann habe ich die Tendenz dazu, die Schulter dieser Faust in Richtung des Gegners zu drehen. Wenn ich mich aber aus der Schusslinie bewegen möchte, dann muss ich genau das Gegenteil machen, nämlich die Schulter des schlagenden Armes nach hinten wegdrehen. Bring ich unter Stress die beiden Bewegungen durcheinander, dann schaffe ich es evtl. nicht, meinen Körper aus der Schusslinie zu bringen.

Weiterhin ist die Kontrolle des Waffenarms natürlich nicht so gut möglich, wenn ich während ich diesen Arm halte gleichzeitig angreife. D.h. wenn der Gegner, wie zu erwarten, die Waffe massiv zurückzieht und diese Bewegung durch den Impuls meines Schlages ja quasi noch verstärkt wird, dann kann es passieren, dass er es dabei schafft, die Waffe freizubekommen und selbst wenn er schon massiver durch die Angriffe getroffen wurde, ist dann die Gefahr groß, dass man wieder in die Schusslinie gerät.

D.h. der Ansatz von Maor gibt dem eher nach was der Mensch unter diesem Stress sowieso will. Er will die Hauptaufmerksamkeit der Waffe widmen und wird sich instinktiv schwerer tun, wenn er eine Handlung vollziehen muss, die diesem Instinkt widerspricht.

Wie zu sehen ist, handelt es sich um zwei unterschiedliche Ansätze und jeder hat gute Argumente für den seinen. Wie der Einzelne in einer tatsächlichen Bedrohung dann unter dem Stress der Lebensgefahr reagiert, weiß er eigentlich erst, wenn es tatsächlich soweit war. Mein Rat in diesem Fall wäre, sich beides anzuschauen und das zu trainieren, von dem man mehr überzeugt ist, bzw. was einem besser zu liegen scheint.

Allerdings muss man sich für eines entscheiden, denn nichts ist kontraproduktiver, als für ein und die selbe Aktion zwei ca. gleichwertige Lösungen parat zu haben. Die Entscheidungszeit wird dadurch signifikant länger.

Ich denke, dass anhand des Beispiels klar geworden ist, dass es durchaus Unterschiede gibt, aber beide Systeme versuchen, sich realistisch mit Grenzsituationen auseinander zusetzen.
(Um einer Diskussion darüber vorzubeugen, wie sinnvoll es ist, bei einer Waffenbedrohung etwas zu unternehmen, setze ich für obige Reaktionen einfach mal eine Situation voraus, in der jemand einem die Waffe mit den Worten unter die Nase hält: Ich knall dich jetzt ab.)

@marq
Ja es gibt auch Sparring.

Gruß Ralf

Spotter
02-10-2003, 08:06
Nun gut, kann deinen Beispielen folgen. Habe auch meine eigenen Ansichten zu einer Aktion in solch einem Bedrohungsfall, aber es soll hier ja nicht in eine Technikdiskussion ausarten.
;)


Mein Rat in diesem Fall wäre, sich beides anzuschauen und das zu trainieren, von dem man mehr überzeugt ist, bzw. was einem besser zu liegen scheint.
Unterstütze diese Aussage.


Allerdings muss man sich für eines entscheiden, denn nichts ist kontraproduktiver, als für ein und die selbe Aktion zwei ca. gleichwertige Lösungen parat zu haben. Die Entscheidungszeit wird dadurch signifikant länger.
Naja, hier bin ich nicht deiner Meinung. Was ist so schlimm daran, eine Alternative zu haben!? Es ist nämlich Fakt, dass man ein und die selbe Situation nicht immer mit nur genau einer Gegenmaßnahme begegnen kann.
Körperliche Vorraussetzungen des Gegners und sonstige äusserliche Umstände lassen manchmal eine bestimmte Technik nicht zu und man muss zu einer Alternative greifen.
Ich bin kein Freund von standardisierten Situationen da sich die Realität an keine Standards hält und ich mir halt gerne immer noch eine andere Möglichkeit offen lasse wenn ich merke die eine funktioniert nicht. ;)
Zudem ist eine Technik nicht immer für jeden gleich gut anwendbar. Deckt sicH ja in etwa wieder mit deiner Aussage man solle das für sich passende raussuchen.

Wie ist das im Unterricht? Bringst du deinen Jungs und Mädels nur das bei, was dir persönlich am besten liegt?

Gruß

Spotter ;)

Dr. Ralf
02-10-2003, 10:51
Hallo Spotter


Habe auch meine eigenen Ansichten zu einer Aktion in solch einem Bedrohungsfall, aber es soll hier ja nicht in eine Technikdiskussion ausarten.

Na ja, ich kenne einen KM Trainer, dessen Frau mit dieser Pistolenabwehr einen Tötungsversuch überlebt hat. Ich glaube ihr war es in dem Moment egal wie andere zu solchen Aktionen stehen. :)



Naja, hier bin ich nicht deiner Meinung. Was ist so schlimm daran, eine Alternative zu haben!? Es ist nämlich Fakt, dass man ein und die selbe Situation nicht immer mit nur genau einer Gegenmaßnahme begegnen kann.

Nun es kommt darauf an wie zeitkritisch die Sache ist. Die beiden Waffenabwehrmethoden sind ja in sich so variabel, dass auf unterschiedliche Randbedingungen reagiert werden kann. Bei der Entscheidung zwischen den 2 Varianten handelt es sich um ein grundsätzlich anderes Vorgehen bei dem die Weichen schon in der Initialphase gestellt werden müssen.

Das Problem dabei ist, dass sich unter Stress die Reaktionsphase deutlich verlängern kann, wenn ich aus mehreren gleichwertigen Aktionen eine auswählen muss.
Wenn man also mehrere Lösungen für ein und das selbe Problem eintrainiert, dann sollte man ganz klar definieren was die Primärmethode ist auf welche man im Stressfall zurückgreift und die weiteren Methoden als Ausweichmethoden lernen, wenn man genügend Zeit hat zum Reagieren und zum Aussuchen der günstigsten Methode. D.h. man sollte einen A Plan und einen B Plan haben, wobei der B Plan dann eingesetzt wird wenn A nicht funktioniert und man die Zeit dazu hat, dies auch zu entscheiden.



Wie ist das im Unterricht? Bringst du deinen Jungs und Mädels nur das bei, was dir persönlich am besten liegt?

Ich zeige den Leuten natürlich primär das, wovon ich überzeugt bin, dass es funktioniert. (Ich kann ja nicht etwas unterrichten, wovon ich der Meinung bin, dass es Schwachsinn ist) Allerdings zeige ich bei Dingen, die man durchaus unterschiedlich werten kann auch die anderen Varianten. D.h. bei mir sehen die Leute beide Varianten und wenn sie wollen, können sie dies auch trainieren. Ich erzähl den Leuten aber auch, welche Variante ich favorisiere und warum ich dies tue. Letztendlich aber muss im Training jeder für sich entscheiden, was ihm am besten zusagt. D.h. jeder muss das System auf sich und seine persönlichen Fähigkeiten anpassen. Ich bemühe mich dies bei allen zu unterstützen und nicht durch irgendwelche starren Regeln zu unterbinden. Entscheidend ist für den einzelnen dann letztlich inwieweit die Sachen bei ihm unter Testbedingungen funktionieren.
Gruß Ralf

the_ANSWER
02-10-2003, 11:38
@Dr. Ralf: Ich finde das mit Plan A und Plan B etwas suspekt. Wie soll das funktionieren, dass man das eine primär benutzt und das andere als Variante genutzt wird. Dazu muss man doch eigentlich immer abwägen resp. sich selber sagen, Technik XY mache ich jetzt nicht Technik AB.

Kläre mich bitte auf, wenn ich Dich missverstanden habe.

Spotter
02-10-2003, 12:09
Nun es kommt darauf an wie zeitkritisch die Sache ist
Klar. Primär ist immer die erste erfolgreiche Abwehr wichtig. Was danach kommt, da hat man meist aber halt Zeit zu überlegen wen man ein geschulter Kämpfer ist. Und hieraus hat man halt auch die Möglichkeit, blitzschnell seine Vorgehensweise zu ändern.

grundsätzlich anderes Vorgehen bei dem die Weichen schon in der Initialphase gestellt werden müssen.
Engt einen das nicht ein? Wenn man eine Technik anwendet, die einem nur eine Option offen lässt an der man nichts mehr ändern kann?

Das Problem dabei ist, dass sich unter Stress die Reaktionsphase deutlich verlängern kann, wenn ich aus mehreren gleichwertigen Aktionen eine auswählen muss.
Du meinst also das Problem der Qual der Wahl? Nun ja, das sehe ich eigentlich nicht. Aus der Situation heraus sehe ich verschiedene Möglichkeiten und entscheide mich aumotatisch für die wirkungsvollste bzw. für diejenige die der Situation am angebrachtesten ist.


Ich zeige den Leuten natürlich primär das, wovon ich überzeugt bin, dass es funktioniert. (Ich kann ja nicht etwas unterrichten, wovon ich der Meinung bin, dass es Schwachsinn ist
Das ist ganz klar, das meinte ich auch nicht.

Allerdings zeige ich bei Dingen, die man durchaus unterschiedlich werten kann auch die anderen Varianten. D.h. bei mir sehen die Leute beide Varianten und wenn sie wollen, können sie dies auch trainieren. Ich erzähl den Leuten aber auch, welche Variante ich favorisiere und warum ich dies tue. Letztendlich aber muss im Training jeder für sich entscheiden, was ihm am besten zusagt
Genau DAS habe ich gemeint! ;)

Gruß

Spotter ;)

Dr. Ralf
02-10-2003, 14:48
Hallo zusammen,
@the_Answer
gemeint ist folgendes. Die Leute sollen idealer Weise lernen, das intuitiv einzusetzen, was für die Situation am besten ist. Die generelle Vorgehensweise hierfür nenne ich Plan A. Nun kann es aber doch sein, dass man feststellt, dass Plan A nicht funktioniert (aus welchen Gründen auch immer). In diesem Fall sollte quasi ein Plan B vorhanden sein, also eine weitere Variante, welche ich in diesem Falle nehmen kann.
Da sich dies etwas seltsam anhört, gebe ich dir ein Beispiel.
Wir nehmen an eine Person findet sich egal aus welchem Grund in einer klassischen Würgeaktion, wie sie häufig in Fernsehkrimis zu sehen ist, wieder. D.h. die Hände des Angreifers drücken am Hals des Opfers und das Opfer wird durch den Griff an die Wand gepresst.

Nehmen wir nun an, diese Person hat, so wie es häufig in SV Kursen aller Art unterrichtet wird, so etwas gelernt, wie z.B. stoße dem Gegner die Finger in die Augen oder attackiere ihn mit deinen freien Händen zum Hals/Kinn usw.
Dieses wäre also Plan A des Angegriffenen.

Nun passiert es aber dieser Person, so wie es nicht wenigen Menschen ergeht, dass sie sich unter der Einwirkung des Würgers in einer Lage wiederfinden, in der die Arme krampfhaft an den Würgearmen des Angreifers zerren. D.h. er hat nicht berücksichtigt, dass Menschen, wenn z.B. die Luft knapp wird, ein extremer Druck auf dem Kehlkopf herrscht und mit der gesamten Aktion verbunden ein massiver Schmerz am Hals vorhanden ist, krampfhaft versuchen die Ursache dafür durch wegreißen beseitigen zu wollen und das Hirn dabei so blockiert, dass sie die eigenen Arme von den Armen des Gegners gar nicht mehr lösen können, da jegliches Lösen sofort noch mehr Schmerz und noch weniger Luft bedeutet.

Hat diese Person also keinen Plan B, der diese Situation berücksichtigt, dann wird sie in dieser Situation sehr alt aus sehen.

D.h. ein Plan B ist dazu da, eine Alternative darzustellen, wenn die bevorzugte Vorgehensweise nicht funktioniert.
Und damit komme ich zu

@Spotter


Engt einen das nicht ein? Wenn man eine Technik anwendet, die einem nur eine Option offen lässt an der man nichts mehr ändern kann?

nun ich denke da haben wir uns falsch verstanden. Natürlich sollte man nicht kamikazeartig eine Aktion durchführen, bei der es keinerlei Variationsmöglichkeit gibt.
Was ich meinte ist, dass wenn man sich für eine Option entschieden hat, es eben oftmals nicht mehr möglich ist, die andere zu machen. D.h. wenn ich mich in einer Aktion dazu entschlossen habe nach links auszuweichen, dann dürfte es ungünstig sein eine Folgereaktion auszuführen, die erfordert hätte, dass man nach rechts ausweicht.


Aus der Situation heraus sehe ich verschiedene Möglichkeiten und entscheide mich aumotatisch für die wirkungsvollste bzw. für diejenige die der Situation am angebrachtesten ist.

Nun und hier liegt das Missverständnis. Es geht nicht darum eine deutlich bessere Möglichkeit auszuwählen, sondern zwischen zwei gleichwertigen Vorgehensweisen auswählen zu müssen. Genau hier liegt dann das Problem, dass die Auswahl deutlich mehr Zeit benötigt, als wenn ich mich nicht entscheiden müsste.

Gäbe es nun für jede Variante eine Angriffsart, in der die eine der anderen eindeutig überlegen wäre, dann wäre es doch ganz klar dass man dem Schüler zeigt, wo welche Vorgehensweise geeigneter wäre.

Nur um dies klarzustellen KMM wird nicht nach dem Motto trainiert: Der Arm muss in einem 55,25 Grad Winkel in Position XYZ gehen bla bla...
sondern es wird versucht ein intuitives und der Situation angepasstes Verhalten einzutrainieren. Nur gibt es Situationen in denen die Möglichkeit zur Variation äußerst begrenzt ist, vor allem wenn man mit einer Aktion schon gestartet hat. Dies gilt umsomehr deshalb, weil in einer Grenzsituation unter Lebensgefahr, die mentale Kreativität und Flexibilität nur sehr eingeschränkt abrufbar ist. D.h. hier wird man eher auf Dinge vertrauen, die eintrainiert sind, als auf das kreative Variieren aller Möglichkeiten.
(Natürlich weiß ich das du dies nicht so gemeint hast :) )
Gruß Ralf

Spotter
02-10-2003, 15:05
(sehr schöne Diskussion ;) )


Nun kann es aber doch sein, dass man feststellt, dass Plan A nicht funktioniert (aus welchen Gründen auch immer). In diesem Fall sollte quasi ein Plan B vorhanden sein, also eine weitere Variante, welche ich in diesem Falle nehmen kann.
Deckt sich mit meinen Aussagen, oder? ;)

Zur Situation Würgen gebe ich dir Recht. Einzelheiten hierüber auszuführen würde wieder in eine Technikdiskussion ausarten. ;)


D.h. wenn ich mich in einer Aktion dazu entschlossen habe nach links auszuweichen, dann dürfte es ungünstig sein eine Folgereaktion auszuführen, die erfordert hätte, dass man nach rechts ausweicht.
Na DAS ist natürlich logisch! Ich spreche auch von verschiedenen Techniken, sagen wir jetzt mal Kontertechniken, nach einer bereits erfolgten Abwehr. Durch unterschiedliche Armhaltungen kann ich einen Angriff ja schon grob in die Richtung lenken wo ich ihn hinhaben möchte. Beispielsweise Fauststoß. Ich wehre ab. Jetzt hätte ich beispielsweise die Möglichkeit selbst mit dem Ellenbogen zu schlagen, mit der Faust oder mit dem Knie oder weiss der Geier was. Natürlich nur einfache, direkt und wirkungsvolle Angriffe. Ich meine, wenn man als primäre Vorgehensweise nach einer Faustabwehr hat, den Gegner "blenden" zu wollen und alt prinzipiell zum Gesicht geht. Kann ja sein, dass mir hier der Weg versperrt ist und ich mir dann halt eine Alternative suchen muss.
(Oh man, ich glaub das war grad grauenhaftes Deutsch :D )




Nur gibt es Situationen in denen die Möglichkeit zur Variation äußerst begrenzt ist, vor allem wenn man mit einer Aktion schon gestartet hat
Deshalb versuche ich bereits bei der Abwehr den Angriff so zu lenken, dass ich mir eine Vielzahl von Optionen offen halte. ;)


das kreative Variieren aller Möglichkeiten
Klingt nach einem sozialpädagogischem Workshop für kreative Kampfsportler. :D

Gruß

Spotter ;)

bechtie
06-10-2003, 16:18
Hallo,

um mal kurz das Wichtigste aus meiner Sicht klarzustellen:

a) Wir üben im KM nach IKMF-Muster Sparring, und das nicht zu knapp. KM teilt sich nur in "Self Defense"-Situationen (man wird überrascht und versucht durch eine blitzschnelle. offensive Aktion einen Kampf gar nicht erst entstehen zu lassen) und in "Fighting" (das, was entsteht, wenn die "Self Defense" nicht ausreichend geklappt hat). Allerdings ist das Sparring eben "Straßen-orientiert", d.h. nicht auf die Maximierung von Punkten angelegt. Technik und Taktik sind bei dem Versuch, die gewalttätige Konfrontation eben so schnell wie möglich zu beenden natürlich anders als bei einem Kampf im Ring oder auf der Matte.

Ein SV- und Kampf-System, das als eines der wenigen Tag für Tag im harten Einsatz von israelischen Sondereinheiten genutzt wird und deswegen wohl mehr über die Bedingungen in Auf-Leben-und-Tod-Konfrontationen weiß als Dojo-Systeme (sorry, wenn ich das raushängen lassen muss - aber das wird anscheinend oft vergessen oder übersehen), praktiziert natürlich auch Übungen für flexible Kampfsituationen.

Und wie man auf der US-KM-Website www.kravmaga.com nachlesen kann, wird KM von Freefight-Champions wie Bas Rutten praktiziert und gepriesen...Vielleicht das ein Hinweis für diejenigen, die sich um die Effektivität von KM in einem Duellkampf sorgen...;-)

b) Was KMM tatsächlich oder anscheinend anders/besser macht als Imi-KM/IKMF vermag ich nicht zu sagen, weil ich keine praktische Erfahrung in KMM habe.

Aber: Natürlich ist der Begriff Krav Maga nicht geschützt - jeder, der die israelischen Sicherheitsstreitkräfte verlassen hat, kann eine Krav Maga-Schule aufmachen und sich selbst als Ausbilder präsentieren. Es gibt ja auch eine Menge KM, das in Bodyguard- und Personenschutz-Schulen gelehrt. Über dessen Inhalt und Qualität weiß man auch nichts.

Ich selbst war im Januar zum Training in Israel und dabei wurde der fünfte Todestag Imi Lichtenfelds mit einer Gedenkzeremonie in Wingate (dem Sport- und Militärausbildungszentrum Israels bzw. Ort der Armee-School of Combat Fitness) begangen - anwesend jede Menge Armee-Angehöriger und vor allem der Nachfolger Imis als Leiter der Armee-Nahkampfausbildung, der eine Rede zu Imi und zum Armee-KM hielt. Und Rekruten wie Sondereinheiten-Angehörige haben Einsatzdemonstrationen gegeben. Von daher gesehen habe ich wenig Zweifel, dass das IKMF-KM das ist, was in der israelischen Armee betrieben wird - egal, was Amnon Maor behauptet. Dabei kann er durchaus bei Einheiten, die er ausbildet, persönliche Vorlieben und Änderungen einfließen lassen und das Ganze KMM nennen.

c) Betreffs Waffenabwehr-Beispiel: Die Gleichzeitigkeit bzw. Beinahe-Gleichzeitigkeit von Abwehr/Schutzbewegung und Gegenattacke ist eines der zentralen Elemente von KM im Imi-System. Sich von von vorneherein von diesem Ansatz bzw. diesen Drills zu verabschieden, halte ich für ganz falsch - ein wichtiger Vorteil des KM ginge ja verloren.