Feng Shui als Luftnummer [Archiv] - Kampfkunst-Board

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Mike
28-01-2002, 15:19
Feng Shui als Luftnummer

Wir wollen die Weisheit des Ostens – aber bitte schnell. Und bekommen am Ende nichts außer einer schicken Verpackung.

Was Generationen von Esoterikern nicht gelungen ist, haben die dynamischen Wegbereiter von der Marketingfront geschafft: Der Fernost-Hype ist allgegenwärtig. Die Einheit von Körper und Geist ist zum Kinderspiel geworden, der einst mühsame Pfad zur Erleuchtung so leicht wie Yoghurette. Chichi statt Tai-Chi.
TaeBo heißt einer der brandneuen Wege zum inneren Frieden. Trendige Business-Kämpferinnen boxen in Fitness-Tempeln gegen den eigenen Schatten, untermalt von launigen Klängen. Nein , kein Gewaltakt ist dies, sondern die Essenz asiatischen Wohlgefühl-Know-hows- so will es die dazugehörige Philosophie. Damit das keiner vergisst, werden die mit Spurenelementen des traditionellen Taekwondo angereicherten Lektionen mit – Signal, Signal! – roten Handschuhen absolviert. Asien ist klasse, ganzheitlich eben. Ergo winken am Ende neben Schweißflecken und straffen Waden auch Stressabbau und die Entdeckung des eigenen Ichs. Ein Trainingsvertrag für alles.

Abheben in fünf Minuten: Gefragt ist der asiatische Schnellimbiss, auch beim relaxen!

Dank solcher All-inclusive-Arrangements ist die östliche Spiritualität endgültig aus ihrem Schattendasein in von Räucherstäbchen vernebelten Hinterhöfen befreit. Das Chi fließt frei und ungehemmt durch die Republik. Und damit es sich nicht blamiert, haben seine Manager es ordentlich schick gemacht. Die „universelle Lebensenergie“ wurde kräftig auf Diät gesetzt und verfügt jetzt über so wenig Körper, dass ihre Konturen kaum noch zu erkennen sind. Umso besser. Das Ergebnis: Fast-Philosophie für den Alltagsgebrauch, sozusagen der Hamburger für die Sinne. Wer vom Chi allein den Bauch nicht voll kriegt, dem bleibt als begleitende Kalorienzufuhr die indische Wissenschaft vom Leben – das Zeitgeistopfer Ayurveda. Die ursprünglich recht komplexe Lehre kann in der westlichen Free-and-Easy-Version selbst vom kochfeindlichen Workaholic angewandt werden. Fragen wie „ Und welches Dosha bist du?“ sind längst hipper Kantinengesprächsstoff. Je nach Dosha-Typ gibt’s – na klar! – auch entsprechende Ayurveda-Kosmetik. Die Ganzheitlichkeit schlägt auf ganzer Linie zu. So salbt und duftet der Post-Esoteriker einfach so lange, bis er irgendwann die gesammelte Weisheit des indischen Kontinents aufgesogen hat.

Instant-Erleuchtung per TaeBo, entspanne mit Feng Shui. Ein Air von Asien steht jedem Trendsetter gut.

Jetzt braucht der Instant- Erleuchtete nur noch das entsprechende Zuhause. Kein Problem dank Feng Shui. Und wieder forscht er nach dem typgerechten Element und fängt dann an, laut Bagua-Möbel und Topfpflanzen zu rücken und vor allem: immer wieder den Geldbeutel zu zücken. Am Ende sitzt der kickboxende Gleichgewichts-Spezialist wohlriechend und ayurvedisch naschend in seinem elektromagnetischen Chi-Sessel für knapp unter 2000 Mark und lauscht dem Tosen seines angesammelten Welt-Wissens light. Stellt sich dann statt innere Ausgeglichenheit einheftiges Schwirren im Kopf ein, sollte der Betreffende schleunigst den Klodeckel öffnen. Durch den Abfluss entweicht nämlich – so warnt die Feng-Shui-Lehre – das ganze schöne Chi. Wenn’s dann immer noch dröhnt, empfiehlt es sich, manuell nachzuhelfen und den ganzen anderen Krempel hinterher zu spülen – rote Handschuhe inklusive.


Respektvoll,

iNcHpUnCh