haufestzu
14-07-2010, 14:34
In dem folgenden Text möchte ich meine Erfahrungen mit der Kampfkunst Wing Tsun (EWTO) mitteilen. Ich verfolge damit eine aufklärerische Absicht: Ich möchte ausdrücklich vor diesem edit aufgebauten Verband und dem falschen Wing Tsun, das hier unterrichtet wird, warnen.
Um zu zeigen, dass ich weiß, wovon ich spreche, nenne ich zunächst die Orte und Trainer, bei denen ich trainiert habe (ich versuche Namen zu vermeiden, das geht aber nicht immer):
1 Jahr Avci Wing Tsun in Köln
5 Jahre WT (EWTO) bei einem (damals) 5.PG (viele Kernspecht-Lehrgänge besucht, einen bei Leung Ting; Ausstieg aus der EWTO kurz vor dem 1.TG)
1 Jahr im neuen Verband von Heinrich Pfaff, in dieser Zeit mehrere Pfaff-Lehrgänge besucht
während dieser 7 Jahre habe ich zudem WT Schulen in Hamburg, Flensburg und Heidelberg besucht
2 Jahre Ving Tsun bei einem Schüler von Philipp Bayer (in der Zeit mehrere Lehrgänge bei Philipp Bayer)
1 Jahr Thaiboxen
(Vorweg: Mit dem Ausdruck „Wing Chun“ meine ich die Wing Chun Stile, die nicht auf Kernspecht/Leung Ting zurückgehen)
Als ich mit WT anfing, war ich auch völlig begeistert und trainierte jahrelang sehr fleißig. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es bessere oder effektivere Techniken geben kann. Kurz vor dem 1. TG kamen mir aber immer mehr Zweifel an dieser Kampfkunst. Die hohen Prüfungsgebühren waren ein zusätzlicher Grund, mir zu überlegen, ob ich weitermachen will oder nicht. Ich fing dann an, mich über andere Wing Chun Stile, die nicht WT-Ableger waren, zu informieren. Z.B: schaute ich mir viele Videos an, u.a. die Aufnahmen von Yip Man, wie er die 1. und 2. Form vorführt (findet man im Internet). Auffällig war z.B., dass diese Stile sich durchaus ähnlich sind, aber keiner Ähnlichkeit mit WT hat. Daraus kann man natürlich verschiedenes schließen; mir kam aber der Verdacht, dass WT deshalb so stark von den anderen abweicht, weil es vielleicht eine eigene Entwicklung von Leung Ting und Kernspecht ist – und vielleicht mit dem, was Yip Man unterrichtet hat, nur wenig zu tun hat.
Mir waren dann aber vor allem an den WT-Techniken, Formen und den Erklärungen, die mein Sifu (5.PG) mir präsentierte, einige Sachen aufgefallen, die mich stutzig machten.
1.Den ersten Satz der SNT führen die anderen Stile ohne Rotation der Arme aus, zudem kreuzen sich die Arme nicht am Handgelenk, sondern etwa beim oberen Drittel des Unterarms. Ich fragte meinen Sifu nach dem Grund dafür. Er antwortete mir, dass die anderen Schüler von Yip Man nicht richtig hingeguckt hätten und Yip Man zudem seine Schüler nicht korrigiert habe („konfuzianisches Unterrichten“). Diese Erklärung hat mich noch stutziger gemacht: Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Leute wie Wong Shun Leung u.a., die jahrelang bei Yip Man gelernt hatten, das die ganze Zeit falsch gemacht hatten, ohne dass Yip Man sie korrigiert hätte!!
2.In der 2. Form gibt es drei Seitwärtsschritte mit Bong Sau, die innerhalb des WT-Systems unsinnig sind (das bestätigte mir mein 5.PG!): Wenn ich Bong-Sau-Wendung mache, dann kann ich nicht gleichzeitig einen Schritt in meinen Gegner hinein machen. Also fragte ich, warum man das in der Form so macht. Mein 5. PG antwortete, da sei ein Fehler in der Form. Yip Man habe lange Zeit nicht unterrichtet und sich dann später nicht mehr richtig erinnern können.
3.Bei dem 3. Satz der SNT bewegt man den Ellenbogen (Tan Sau/Fok Sau)genau auf der Zentrallinie. Beim Chi Sau hat man die Ellenbogen dann aber plötzlich auf Höhe der Brustwarzen und nicht mehr auf der Mitte. Dafür habe ich keine vernünftige Erklärung erhalten.
Diese fehlenden Erklärungen bzw. Widersprüche in den Techniken ließen mich stark am WT-System zweifeln. In dieser Zeit hatte mir schon ein ehemaliger WT-Kumpel von Philipp Bayer und dem Ving Tsun, das er unterrichtet, erzählt. Vermutlich war ich aber noch so stark in der WT-Welt befangen, dass ich nicht ernsthaft erwogen hatte, mal in eine Ving Tsun Schule zu gehen. Deswegen wechselte ich in den neu gegründeten Verband von Sifu Heinrich Pfaff. Dort gefiel es mir zunächst gut. Es wurde dynamischer und realistischer trainiert, alles wirkte freier und lockerer. Aber es war zu beobachten, dass das, was unterrichtet wurde, sich doch an WT anlehnte, z.B. das Lat Sau Programm. Zudem überzeugten mich einige Erklärungen von Sifu Heinrich Pfaff auch nicht.
Ich merkte, dass ich, um die Wahrheit über Wing Chun herauszufinden, auch von diesem Verband weggehen musste.
Also rief ich endlich bei Philipp Bayer an, schilderte ihm meine Gedanken und fragte ihn, ob ich ihn mal in seiner Schule besuchen könnte. Er war sehr nett und sagte sofort ja. Am nächsten Tag setzt ich mich ins Auto und fuhr nach Menden. Was ich dann erlebte, war wirklich so etwas wie eine Erleuchtung.
Philipp war äußerst freundlich und er hat mir, einem wildfremden Menschen, sage und schreibe vier Stunden lang Ving Tsun erklärt!! Findet mal irgendwo einen Kampfkunstmeister, der euch 4 Stunden lang sein System erklärt und vorführt!
Philipp hat mir die grundlegenden Ideen des Ving Tsun erklärt, hat mit mir Chi Sau gemacht, hat mir Holzpuppe, Langstock und Doppelmesser erklärt und demonstriert. Hier fand ich wirklich alle Antworten, die ich gesucht hatte, und durch diese Antworten wurde mir klar, dass WT ein falsches, völlig verkorkstes „Wing Chun“ ist. Mir gingen nun wirklich die Augen auf! Ving Tsun wirkte auf mich wie ein Original, durch das man nun die Falschheit des WT-Systems erkennen konnte. Ich war auch sofort von der Effektivität des Systems überzeugt. Ving Tsun ist wirklich sehr direkt, minimalistisch und von den grundlegenden Ideen einfach, logisch und sehr überzeugend (Das wird vom WT-System natürlich auch immer behauptet, es stimmt aber nicht).
Im Folgenden will ich noch auf ein paar wichtige Aspekte und Techniken eingehen. Da es äußerst schwierig ist, die Techniken/Bewegungen in Worten zu beschreiben und es auch viel zu viele wären, belasse ich es im Folgenden bei ein paar besonders wichtigen Aspekten. Auf meine oben aufgeworfenen Frage/Zweifel kann es im WT übrigens keine vernünftigen Erklärungen geben, weil WT eben ein falsch verstandenes Wing Chun ist!!
Der 1. Satz der SNT
Im WT wird der 1. Satz schlicht falsch gemacht und als konkrete Technik missverstanden (Abwehr eines tiefen Angriffs/Schlags, Befreiung aus gekreuzten Armen,Tan Sao, etc.). Der 1. Satz enthält aber nicht direkt Techniken, sondern beinhaltet zwei Prinzipien: Das Prinzip der Mitte und das Prinzip der gekreuzten Arme. Die Bewegung wird nach unten ausgeführt, damit man selbst besser überprüfen kann, ob die Bewegung richtig ausgeführt wurde. Alle drei Formen fangen ja übrigens deswegen mit diesem Satz an, da er diese grundlegenden Prinzipien des Systems enthält. Man kreuzt auch wirklich am oberen Drittel der Unterarme; im WT-System wird dieses Kreuzen grundsätzlich falsch gemacht. Wenn bei den Kettenfausstößen im WT die Fäuste übereinandergleiten, wird das zwar Kreuzen genannt, es ist aber keins, es entsteht ja gar kein Kreuz. Damit geht dem WT-System schon an dieser Stelle etwas Fundamentales verloren.
Der Seitwärtsschritt mit Bong Sau in der 2.Form
Wie oben schon gesagt, macht diese Bewegung im WT-System keinen Sinn. Die Lösung liegt eigentlich darin, dass der Bong Sau kein (weiches) Nachgeben/Verformen o.ä. ist, sondern wie ein Schlag ausgeführt wird. Ich kann mir damit den Weg freiräumen, und dabei ist es sehr sinnvoll einen Schritt (diagonal) in den Gegner zu machen, um ihn zu bedrängen und Raum zum agieren zu nehmen. (Die ganze Idee des Weichseins, Nachgebens, Klebens, Verformen etc. scheint mir eine Entwicklung von Leung Ting und Kernspecht zu sein).
Ellbogenkraft
Der Ellenbogen/die Ellenbogenkraft ist eines der fundamentalen Prinzipien im Ving Tsun. Auch dieser Aspekt wird im WT völlig falsch gemacht, da ja meistens der Ellenbogen gar nicht auf der Mitte ist.
Schritttechnik
Es gibt wohl keinen einzigen WT-Schüler, der sich mit der WT-Schritttechnik wohlfühlt. Ob 60:40 oder 70:30, eigentlich wird man hier zur Unbeweglichkeit erzogen. Schnell in alle Richtungen bewegen kann man sich nur mit einer Gewichtsverteilung von 50:50. Das so simple aber geniale Prinzip des Wegabkürzens ist zudem im WT völlig unbekannt (oder es wird den Schülern verheimlicht).
Zudem gibt es im WT noch die unsinnige Trittabwehr (Jap gerk/Bong Gerk). Dass diese nicht funktioniert, werdet ihr sofort merken, wenn ihr mal mit einem Thaiboxer Sparring macht.
Die Trainer
Ich bin vielen Trainern begegnet, die im WT nicht besonders gut waren und zudem keinerlei Sparrings- bzw. Kampferfahrung hatten. (Alle Bescheinigungen und Zertifikate haben sie natürlich von der EWTO bekommen...).Wie soll man von solchen Leuten lernen, sich zu verteidigen? Zudem wird in den meisten Schulen unrealistisch trainiert. Dass nicht besonders hart bzw. realistisch trainiert wird, hat natürlich auch den Zweck, viele Schüler/innen anzulocken. Alle sollen sich wohlfühlen, und ob die Techniken wirklich funktionieren, will man gar nicht wirklich überprüfen, man verlässt sich auf die Beteuerungen der Trainer.Was hierbei am meisten erstaunt ist, dass die WT-Schüler/innen sofort alles glauben, was ihnen von ihren Trainern erzählt wird (ich habe damals auch alles geglaubt). Sobald jemand mit WT beginnt, wird ihm vieles eingeredet, was aber gründlich hinterfragt werden müsste.
Der Verband
Der Verband ist edit aufgebaut. Das kann man schon in vielen anderen Artikeln im Internet nachlesen. Es gibt z.B. einen Anführerkult, was der Meister sagt, ist heilig. WT ist die einzig richtige Kampfkunst, alle anderen haben die Erleuchtung noch nicht gefunden; Kritik und zu viele Fragen sind nicht erwünscht; es gibt eine quasi endlose Stufenleiter zur Vollkommenheit... und alles kostet viel Geld. Es ist wirklich dreist, wie viel man bezahlen muss, wie viele Lehrgänge man besuchen muss. Bei den Prüfungen wird man gar nicht richtig geprüft, sodass man schnell merkt, dass es auch hier nur ums Geld geht. Man muss die Kleidung kaufen usw.
Sicher, man kann den Verband jederzeit verlassen, ohne Repressalien fürchten zu müssen.
Kernspecht hat den Europäern eigentlich das Klischee einer fernöstlichen Kampfkunst geliefert: Das endlose lernen und Prüfungen ablegen, immer „höhere“ Techniken, man muss geduldig sein, bis man am Ende seines Lebens zu tiefer Weisheit gelangt... und wer zweifelt ist eben nicht würdig bzw. hat etwas nicht richtig verstanden! Glaubt ihr, Yip Man hat seinen Schülern erst nach 20 Jahren die Doppelmesser gezeigt? Und erst nach 10 Jahren die Holzpuppe? Allein die ganze Aufteilung und zeitliche Staffelung der Techniken ist unsinnig bzw. eine Erfindung von Kernspecht.
Außerdem: Alles was im WT die „Traditon“ (Verbeugen, Begrüßen, Kleidung, etc.) genannt wird, ist eine Erfindung von Kernspecht.
Zusammenfassung
Aufgrund meiner Erfahrungen kann ich jedem wirklich nur abraten, WT zu lernen. Jeder Kampfkünstler sollte sich verschiedene Stile und Schulen anschauen, bevor er sich für einen Stil entscheidet.
Ich würde mir wünschen, dass alle WT-Schüler/innen kritischer werden und mehr hinterfragen! Fragt eure Trainer, wenn ihr Zweifel habt! Glaubt nicht alles, was sie sagen! Fragt, woher sie etwas wissen! Fragt nach den oben erläuterten Widersprüchen und Techniken! Guckt euch andere Wing Chun Stile an! Springt über euren Schatten und geht z.B. mal in eine Thaibox-Schule! Allein das würde eurer Bild von WT schon stark relativieren! (Davor haben natürlich viele Angst, ich damals auch; man möchte ja nicht herausfinden, dass man jahrelang die falsche Kampfkunst gelernt hat). Ihr müsst diesen Schritt aber gehen, um euch ein richtiges Bild von WT zu verschaffen.
Also, habt den Mut, euch eures eigenen Verstandes zu bedienen!
Um zu zeigen, dass ich weiß, wovon ich spreche, nenne ich zunächst die Orte und Trainer, bei denen ich trainiert habe (ich versuche Namen zu vermeiden, das geht aber nicht immer):
1 Jahr Avci Wing Tsun in Köln
5 Jahre WT (EWTO) bei einem (damals) 5.PG (viele Kernspecht-Lehrgänge besucht, einen bei Leung Ting; Ausstieg aus der EWTO kurz vor dem 1.TG)
1 Jahr im neuen Verband von Heinrich Pfaff, in dieser Zeit mehrere Pfaff-Lehrgänge besucht
während dieser 7 Jahre habe ich zudem WT Schulen in Hamburg, Flensburg und Heidelberg besucht
2 Jahre Ving Tsun bei einem Schüler von Philipp Bayer (in der Zeit mehrere Lehrgänge bei Philipp Bayer)
1 Jahr Thaiboxen
(Vorweg: Mit dem Ausdruck „Wing Chun“ meine ich die Wing Chun Stile, die nicht auf Kernspecht/Leung Ting zurückgehen)
Als ich mit WT anfing, war ich auch völlig begeistert und trainierte jahrelang sehr fleißig. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es bessere oder effektivere Techniken geben kann. Kurz vor dem 1. TG kamen mir aber immer mehr Zweifel an dieser Kampfkunst. Die hohen Prüfungsgebühren waren ein zusätzlicher Grund, mir zu überlegen, ob ich weitermachen will oder nicht. Ich fing dann an, mich über andere Wing Chun Stile, die nicht WT-Ableger waren, zu informieren. Z.B: schaute ich mir viele Videos an, u.a. die Aufnahmen von Yip Man, wie er die 1. und 2. Form vorführt (findet man im Internet). Auffällig war z.B., dass diese Stile sich durchaus ähnlich sind, aber keiner Ähnlichkeit mit WT hat. Daraus kann man natürlich verschiedenes schließen; mir kam aber der Verdacht, dass WT deshalb so stark von den anderen abweicht, weil es vielleicht eine eigene Entwicklung von Leung Ting und Kernspecht ist – und vielleicht mit dem, was Yip Man unterrichtet hat, nur wenig zu tun hat.
Mir waren dann aber vor allem an den WT-Techniken, Formen und den Erklärungen, die mein Sifu (5.PG) mir präsentierte, einige Sachen aufgefallen, die mich stutzig machten.
1.Den ersten Satz der SNT führen die anderen Stile ohne Rotation der Arme aus, zudem kreuzen sich die Arme nicht am Handgelenk, sondern etwa beim oberen Drittel des Unterarms. Ich fragte meinen Sifu nach dem Grund dafür. Er antwortete mir, dass die anderen Schüler von Yip Man nicht richtig hingeguckt hätten und Yip Man zudem seine Schüler nicht korrigiert habe („konfuzianisches Unterrichten“). Diese Erklärung hat mich noch stutziger gemacht: Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Leute wie Wong Shun Leung u.a., die jahrelang bei Yip Man gelernt hatten, das die ganze Zeit falsch gemacht hatten, ohne dass Yip Man sie korrigiert hätte!!
2.In der 2. Form gibt es drei Seitwärtsschritte mit Bong Sau, die innerhalb des WT-Systems unsinnig sind (das bestätigte mir mein 5.PG!): Wenn ich Bong-Sau-Wendung mache, dann kann ich nicht gleichzeitig einen Schritt in meinen Gegner hinein machen. Also fragte ich, warum man das in der Form so macht. Mein 5. PG antwortete, da sei ein Fehler in der Form. Yip Man habe lange Zeit nicht unterrichtet und sich dann später nicht mehr richtig erinnern können.
3.Bei dem 3. Satz der SNT bewegt man den Ellenbogen (Tan Sau/Fok Sau)genau auf der Zentrallinie. Beim Chi Sau hat man die Ellenbogen dann aber plötzlich auf Höhe der Brustwarzen und nicht mehr auf der Mitte. Dafür habe ich keine vernünftige Erklärung erhalten.
Diese fehlenden Erklärungen bzw. Widersprüche in den Techniken ließen mich stark am WT-System zweifeln. In dieser Zeit hatte mir schon ein ehemaliger WT-Kumpel von Philipp Bayer und dem Ving Tsun, das er unterrichtet, erzählt. Vermutlich war ich aber noch so stark in der WT-Welt befangen, dass ich nicht ernsthaft erwogen hatte, mal in eine Ving Tsun Schule zu gehen. Deswegen wechselte ich in den neu gegründeten Verband von Sifu Heinrich Pfaff. Dort gefiel es mir zunächst gut. Es wurde dynamischer und realistischer trainiert, alles wirkte freier und lockerer. Aber es war zu beobachten, dass das, was unterrichtet wurde, sich doch an WT anlehnte, z.B. das Lat Sau Programm. Zudem überzeugten mich einige Erklärungen von Sifu Heinrich Pfaff auch nicht.
Ich merkte, dass ich, um die Wahrheit über Wing Chun herauszufinden, auch von diesem Verband weggehen musste.
Also rief ich endlich bei Philipp Bayer an, schilderte ihm meine Gedanken und fragte ihn, ob ich ihn mal in seiner Schule besuchen könnte. Er war sehr nett und sagte sofort ja. Am nächsten Tag setzt ich mich ins Auto und fuhr nach Menden. Was ich dann erlebte, war wirklich so etwas wie eine Erleuchtung.
Philipp war äußerst freundlich und er hat mir, einem wildfremden Menschen, sage und schreibe vier Stunden lang Ving Tsun erklärt!! Findet mal irgendwo einen Kampfkunstmeister, der euch 4 Stunden lang sein System erklärt und vorführt!
Philipp hat mir die grundlegenden Ideen des Ving Tsun erklärt, hat mit mir Chi Sau gemacht, hat mir Holzpuppe, Langstock und Doppelmesser erklärt und demonstriert. Hier fand ich wirklich alle Antworten, die ich gesucht hatte, und durch diese Antworten wurde mir klar, dass WT ein falsches, völlig verkorkstes „Wing Chun“ ist. Mir gingen nun wirklich die Augen auf! Ving Tsun wirkte auf mich wie ein Original, durch das man nun die Falschheit des WT-Systems erkennen konnte. Ich war auch sofort von der Effektivität des Systems überzeugt. Ving Tsun ist wirklich sehr direkt, minimalistisch und von den grundlegenden Ideen einfach, logisch und sehr überzeugend (Das wird vom WT-System natürlich auch immer behauptet, es stimmt aber nicht).
Im Folgenden will ich noch auf ein paar wichtige Aspekte und Techniken eingehen. Da es äußerst schwierig ist, die Techniken/Bewegungen in Worten zu beschreiben und es auch viel zu viele wären, belasse ich es im Folgenden bei ein paar besonders wichtigen Aspekten. Auf meine oben aufgeworfenen Frage/Zweifel kann es im WT übrigens keine vernünftigen Erklärungen geben, weil WT eben ein falsch verstandenes Wing Chun ist!!
Der 1. Satz der SNT
Im WT wird der 1. Satz schlicht falsch gemacht und als konkrete Technik missverstanden (Abwehr eines tiefen Angriffs/Schlags, Befreiung aus gekreuzten Armen,Tan Sao, etc.). Der 1. Satz enthält aber nicht direkt Techniken, sondern beinhaltet zwei Prinzipien: Das Prinzip der Mitte und das Prinzip der gekreuzten Arme. Die Bewegung wird nach unten ausgeführt, damit man selbst besser überprüfen kann, ob die Bewegung richtig ausgeführt wurde. Alle drei Formen fangen ja übrigens deswegen mit diesem Satz an, da er diese grundlegenden Prinzipien des Systems enthält. Man kreuzt auch wirklich am oberen Drittel der Unterarme; im WT-System wird dieses Kreuzen grundsätzlich falsch gemacht. Wenn bei den Kettenfausstößen im WT die Fäuste übereinandergleiten, wird das zwar Kreuzen genannt, es ist aber keins, es entsteht ja gar kein Kreuz. Damit geht dem WT-System schon an dieser Stelle etwas Fundamentales verloren.
Der Seitwärtsschritt mit Bong Sau in der 2.Form
Wie oben schon gesagt, macht diese Bewegung im WT-System keinen Sinn. Die Lösung liegt eigentlich darin, dass der Bong Sau kein (weiches) Nachgeben/Verformen o.ä. ist, sondern wie ein Schlag ausgeführt wird. Ich kann mir damit den Weg freiräumen, und dabei ist es sehr sinnvoll einen Schritt (diagonal) in den Gegner zu machen, um ihn zu bedrängen und Raum zum agieren zu nehmen. (Die ganze Idee des Weichseins, Nachgebens, Klebens, Verformen etc. scheint mir eine Entwicklung von Leung Ting und Kernspecht zu sein).
Ellbogenkraft
Der Ellenbogen/die Ellenbogenkraft ist eines der fundamentalen Prinzipien im Ving Tsun. Auch dieser Aspekt wird im WT völlig falsch gemacht, da ja meistens der Ellenbogen gar nicht auf der Mitte ist.
Schritttechnik
Es gibt wohl keinen einzigen WT-Schüler, der sich mit der WT-Schritttechnik wohlfühlt. Ob 60:40 oder 70:30, eigentlich wird man hier zur Unbeweglichkeit erzogen. Schnell in alle Richtungen bewegen kann man sich nur mit einer Gewichtsverteilung von 50:50. Das so simple aber geniale Prinzip des Wegabkürzens ist zudem im WT völlig unbekannt (oder es wird den Schülern verheimlicht).
Zudem gibt es im WT noch die unsinnige Trittabwehr (Jap gerk/Bong Gerk). Dass diese nicht funktioniert, werdet ihr sofort merken, wenn ihr mal mit einem Thaiboxer Sparring macht.
Die Trainer
Ich bin vielen Trainern begegnet, die im WT nicht besonders gut waren und zudem keinerlei Sparrings- bzw. Kampferfahrung hatten. (Alle Bescheinigungen und Zertifikate haben sie natürlich von der EWTO bekommen...).Wie soll man von solchen Leuten lernen, sich zu verteidigen? Zudem wird in den meisten Schulen unrealistisch trainiert. Dass nicht besonders hart bzw. realistisch trainiert wird, hat natürlich auch den Zweck, viele Schüler/innen anzulocken. Alle sollen sich wohlfühlen, und ob die Techniken wirklich funktionieren, will man gar nicht wirklich überprüfen, man verlässt sich auf die Beteuerungen der Trainer.Was hierbei am meisten erstaunt ist, dass die WT-Schüler/innen sofort alles glauben, was ihnen von ihren Trainern erzählt wird (ich habe damals auch alles geglaubt). Sobald jemand mit WT beginnt, wird ihm vieles eingeredet, was aber gründlich hinterfragt werden müsste.
Der Verband
Der Verband ist edit aufgebaut. Das kann man schon in vielen anderen Artikeln im Internet nachlesen. Es gibt z.B. einen Anführerkult, was der Meister sagt, ist heilig. WT ist die einzig richtige Kampfkunst, alle anderen haben die Erleuchtung noch nicht gefunden; Kritik und zu viele Fragen sind nicht erwünscht; es gibt eine quasi endlose Stufenleiter zur Vollkommenheit... und alles kostet viel Geld. Es ist wirklich dreist, wie viel man bezahlen muss, wie viele Lehrgänge man besuchen muss. Bei den Prüfungen wird man gar nicht richtig geprüft, sodass man schnell merkt, dass es auch hier nur ums Geld geht. Man muss die Kleidung kaufen usw.
Sicher, man kann den Verband jederzeit verlassen, ohne Repressalien fürchten zu müssen.
Kernspecht hat den Europäern eigentlich das Klischee einer fernöstlichen Kampfkunst geliefert: Das endlose lernen und Prüfungen ablegen, immer „höhere“ Techniken, man muss geduldig sein, bis man am Ende seines Lebens zu tiefer Weisheit gelangt... und wer zweifelt ist eben nicht würdig bzw. hat etwas nicht richtig verstanden! Glaubt ihr, Yip Man hat seinen Schülern erst nach 20 Jahren die Doppelmesser gezeigt? Und erst nach 10 Jahren die Holzpuppe? Allein die ganze Aufteilung und zeitliche Staffelung der Techniken ist unsinnig bzw. eine Erfindung von Kernspecht.
Außerdem: Alles was im WT die „Traditon“ (Verbeugen, Begrüßen, Kleidung, etc.) genannt wird, ist eine Erfindung von Kernspecht.
Zusammenfassung
Aufgrund meiner Erfahrungen kann ich jedem wirklich nur abraten, WT zu lernen. Jeder Kampfkünstler sollte sich verschiedene Stile und Schulen anschauen, bevor er sich für einen Stil entscheidet.
Ich würde mir wünschen, dass alle WT-Schüler/innen kritischer werden und mehr hinterfragen! Fragt eure Trainer, wenn ihr Zweifel habt! Glaubt nicht alles, was sie sagen! Fragt, woher sie etwas wissen! Fragt nach den oben erläuterten Widersprüchen und Techniken! Guckt euch andere Wing Chun Stile an! Springt über euren Schatten und geht z.B. mal in eine Thaibox-Schule! Allein das würde eurer Bild von WT schon stark relativieren! (Davor haben natürlich viele Angst, ich damals auch; man möchte ja nicht herausfinden, dass man jahrelang die falsche Kampfkunst gelernt hat). Ihr müsst diesen Schritt aber gehen, um euch ein richtiges Bild von WT zu verschaffen.
Also, habt den Mut, euch eures eigenen Verstandes zu bedienen!