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Vollständige Version anzeigen : Gedanken zu "Iai lernen aus Büchern, Videos, usw..."



ryoma
09-09-2010, 22:19
In einem Beitrag von gestern kam wieder mal die Frage auf bezüglich der Möglichkeit, Iaido aus Büchern, DVD's, Youtube, usw. zu lernen. Ja, diese Frage stellt sich natürlich bei anderen KK auch aber ich möchte das gerne mal als Anlass nehmen, und dies eben aus der Iai-Sicht erläutern.

Gerne erwarte ich Feedback, wie eure Sicht dazu ist.

Natürlich ist es verlockend zu versuchen, Iai aus verschiedenen Medien (Bücher, DVD, Internet...) zu erlernen. Insbesondere heute, wo der Zugang dazu ja nur "one click away" ist. Denn (gutes) Iai sieht ja zugegebenermassen kinderleicht aus (oder totlangweillig... :D)!

Warum sollte es dann also nicht möglich sein? Klar, man will die Anfänger nur in ein Dojo zu einem Sensei locken. Oder gibts doch plausible Gründe, warum es tatsächlich nicht möglich ist?

Zum einen ist es die spez. Bewegungsmotorik, welche ein grosses Mass an Koordination verlangt um den Ablauf einer Kata auch nur halbwegs hinzukriegen. Denn beim Iai sind es häufig mehrere, manchmal gegensätzliche Bewegungen die gleichzeitig zum Zug kommen:

D.h. um z.B. die Klinge zu ziehen, ist 1. eine Vorwärtsbewegung mit dem rechten Arm nötig, aber 2. auch eine Rückwärtsbewegung mit dem linken Arm um die Saya (Schwertscheide) nach hinten zu stossen, damit die Klingenspitze ungehindert ihren Weg gehen kann. Und dann kommt noch dazu, dass viele Kata sitzend auf den Knien beginnen. Somit kommt dann GLEICHZEITIG noch eine 3. Bewegung ins Spiel indem man z.B. aufsitzen muss um den rechten Fuss nach vorne zu bringen. Aber all diese Bewegungen müssen koordiniert und in der richtigen Geschwindigkeit vonstatten gehen um die Kata "lebendig" zu machen. Hier verweise ich auf das Prinzip des Jo-Ha-Kyu, welches vielen japanischen Künsten zu Grunde liegt. Frei übersetzt: etwas beginnt langsam, wird schneller und endet dann sehr schnell. Ich gehe hier nicht näher darauf ein, da dies ein Thema für sich ist.

Somit sollte klar sein, dass es unerlässlich ist, jemanden zu haben der einen immer sofort korrigieren kann. Wem es also auf die Nerven geht, dass einer immer sagt was falsch ist, der hat im Iai nichts verloren.

Anmerkung: Mein kurzer techn. Ablauf oben bezieht sich lediglich auf einen einfachen , horizontalen Schnitt nach vorne aus der Seiza-Position (knieend). Natürlich zieht und schneidet man im Iai aus versch. Positionen und in viele Richtungen und hierbei multiplizieren sich die zu koordinierenden Bewegungen.

Im Iai gibt es in den Kata immer mal wieder kleine Änderungen wie z.B. andere Schnittwinkel usw. Wie soll es einem "Video-Learner" nun möglich sein mit diesen Änderungen Schritt zu halten? Er würde dann wohl mehr Zeit aufwenden müssen um die neuesten Videos oder DVD's (häufig eh nicht vorhanden) zu finden als mit Training.

Und ich bin jetzt noch gar nicht darauf eingegangen, wie man als Anfänger überhaupt einen geraden Schnitt hinkriegt und das nötige Te-no-uchi lernen soll.

Daher sind diese Medien als Gedankenstütze und Referenzmaterial eigentlich ausschliesslich für fortgeschrittene Praktizierende gedacht. Dass viele der Medien aber anders vermarktet werden ist dann eine ganz andere Geschichte....

Kumbaja
09-09-2010, 22:42
hi,

hmm gibt es denn überhaupt irgendwas was man lernen und praktisch umsetzen kann aus Büchern/Videos ? Kochen? Tanzen?...
Iaido ansich ist sehr kompliziert, Winkel, Höhe, Fussstellung, Tiefe ...usw.
Hatte mal einen französischen Iai-Lehrer, der ging immer mit Bambusstöckchen rum zum messen der Abstände. Die meisten Bücher/Videos sind als Trainingsunterstützung gedacht. Die anderen sind unseriös.
Denke die meisten denke, das bei Iaido es nicht schlimm ist wenn es nicht 100% passt. Werde ja nie in die Gefahr kommen mich ernsthaft mit einem Schwert verteidigen zu müssen. Dann kann man es auch einfach sein lassen.
Ich verstehe auch sehr gut den Gedanken, es gibt nicht überall Iai/Kenjutsu/Koryu Dojos an jeder Ecke. Wenn man iai ernsthaft machen will, muss mein meistens auch längere Strecken zum Training auf sich nehmen,

gruß
Oli

akeru
09-09-2010, 23:23
Aus Sicht des Iaido kann ich nichts beitragen, aber vielleicht sind einige allgemeine Äußerungen willkommen.

Beim Lernen haben wir es mit zwei wesentlichen Problemen zu tun:
- dem Verstehen dessen, was wir tun sollen
- dem Abgleich zwischen dem, was wir tatsächlich tun und dem was wir eigentlich tun wollen.

Die Qualität des Bewegungssehens ist von der Vorerfahrung abhängig. Hierzu gibt es wissenschaftliche Untersuchungen, die dies nachweisen. Praktisch bedeutet dies, dass ein Anfänger in einer KK Details nicht in der Weise erkennt wie ein Fortgeschrittener oder gar ein Experte. Das hat natürlich zur Folge, dass ein Anfänger deutlich weniger aus einem Video oder von Bildern lernen kann, wie ein im Idealfall sehr weit Fortgeschrittener.

Das zweite Problem ist die Eigenwahrnehmung. Diese hängt auch wesentlich von der Vorerfahrung ab. Die Verbesserung der Bewegungswahrnehmung ist daher ein wesentlicher Aspekt der Bewegungsschulung.

Natürlich kann man sich zur Kontrolle auf Video aufnehmen, aber was nützt das, wenn das Bewegungssehen noch nicht ausgebildet ist....

Videos können uns hervorragend unterstützen. Aber niemals einen Lehrer auch nur ansatzweise ersetzen.

rambat
15-09-2010, 00:15
Ich glaube, ihr irrt euch.
:D

Man KANN den Umgang mit dem Schwert aus Videos lernen.
Wenn diese Videos richtig, richtig gut sind und wenn sehr erfahrene Meister ihr Können preisgeben.
Bitte sehr, hier ist eins:

YouTube - Ninja Hidden Dagger Form ???? Kuroi Ryu Ninjutsu by sensei Arie van den Akker (http://www.youtube.com/watch?v=Qn9syae4tsw)

:rofl:

FG
Rambat

ryoma
15-09-2010, 07:54
Vielen Dank, rambat! Auch ich lerne jeden Tag dazu und damit wäre mein Thread ja hinfällig... ;)

DerUnkurze
15-09-2010, 09:33
also ich würde sagen dieser herr hat es auch aus videos gelernt.

und das ergebnis ist ja bekannter weise einfach überwältigend Ninjutsu mit Ninja-Schwert Video - vaddakickt - MyVideo Österreich (http://www.myvideo.at/watch/7117434)

so nun mal ernst.. ryoma ich denke mit deinem ausgangsposting triffst du es ziehmlich genau. hinzu kommt wirklich noch der unterschied zwischen dem was man glaubt zu tun, und dem was man wirklich tut.

Kumbaja
15-09-2010, 09:49
... und eines Tages verletzt er sich selbst oder andere und dann werden Katanas verboten.....:mad: .

gruß
Oli

SkiTe
15-09-2010, 10:11
Ich habe auch keine Erfahrung mit Iaido, aber ich glaube, die folgenden Zitate fassen die Problematik zusammen:



...
Daher sind diese Medien als Gedankenstütze und Referenzmaterial eigentlich ausschliesslich für fortgeschrittene Praktizierende gedacht. Dass viele der Medien aber anders vermarktet werden ist dann eine ganz andere Geschichte....



...
Die Qualität des Bewegungssehens ist von der Vorerfahrung abhängig.
....
Das zweite Problem ist die Eigenwahrnehmung. Diese hängt auch wesentlich von der Vorerfahrung ab.
....
Videos können uns hervorragend unterstützen. Aber niemals einen Lehrer auch nur ansatzweise ersetzen.

Nach meinem Dafürhalten läuft alles auf die Vorerfahrung des Praktizierenden aus: Wenn man diese hat, dann können Videos sehr hilfreich sein. Andernfalls sieht man die wichtigen Details nicht und kann seine eigene Übung auch nicht unvoreingenommen überprüfen.

Das Ganze mal am Beispiel des Kochens gezeigt: Wenn ich keine Ahnung habe, was ein Souffle ist und wie es schmecken kann/soll und dazu im Kochen auch noch sehr unerfahren bin, ich aber beschließe, mit Hilfe eines Kochbuchs eins zuzubereiten, das Ergebnis mich aber enttäuscht, wird es sehr schwer sein zu entscheiden:
* ob das konkrete Rezept nichts taugt
* ich in der konkreten Technik einen Fehler begangen habe
* meine Ausrüstung unzureichend ist (Herd)
* oder mir schlicht und ergreifend Souffle nicht schmeckt.

Und beim Kochen habe ich immerhin bei der Überprüfung des Ergebnisses meine Zunge. Bei komplexen Bewegungsabläufen nur meine Eigenwahrnehmung, die aber sehr unzureichend ist.

Gruß