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Vollständige Version anzeigen : Wer nicht ausbildet, soll zahlen ...



Michael Kann
12-11-2003, 10:44
Trotz scharfer Warnungen der Wirtschaft und gegen den Widerstand von Arbeitsminister Clement hat die SPD-Bundestagsfraktion die Einführung einer Ausbildungsabgabe beschlossen.

Was haltet Ihr davon?

Gruß
Mike

Sebastian
12-11-2003, 10:46
noch ein Gesetz mehr...;)

Michael Kann
12-11-2003, 10:47
Nach dreistündiger intensiver Diskussion entschied sich die SPD-Bundestagsfraktion für die Ausbildungsplatzabgabe
Auch Clement konnte die Mehrheit nicht mehr verhindern
„So kann man sein Gewissen doch nicht beruhigen“ — Die Chancen auf eine Umsetzung des Plans stehen eher schlecht

BERLIN — Wirtschaftsminister Wolfgang Clement ist vielleicht nicht gerade persönlich beleidigt, aber große „Freude“ bereiten ihm seine Genossen mit ihrer Absicht wahrlich nicht, nun doch eine Ausbildungsplatzabgabe für jene Unternehmen einzuführen, die keine Lehrlinge einstellen.

Diskutiert wird dieses Thema in der SPD seit Jahren in regelmäßigen Abständen und immer dann, wenn am Ende eines Jahres festgestellt werden musste, dass keineswegs alle Schulabgänger einen Ausbildungsplatz gefunden haben. Meist war es bisher Politik und Wirtschaft doch noch gelungen, alle Bewerber unterzubringen. Heuer sieht es allerdings nicht danach aus.

Ungemein schwer

Obwohl es ungemein schwer ist, eine verbindliche Aussage über die Zahl der fehlenden Lehrstellen zu treffen, gehen die Experten davon aus, dass zur Zeit etwa 25 000 fehlen. Kein Wunder, dass da die Ausbildungsplatzabgabe wieder ein Thema ist. Der SPD-Vorstand hat sie angeregt, obwohl der Parteivorsitzende, Kanzler Gerhard Schröder, sie mehrfach als Unsinn und unnötige Belastung der Wirtschaft abgelehnt hatte.

Gestern nun beschäftigte sich auch die sozialdemokratische Bundestagsfraktion damit. Nahezu drei Stunden dauerte die Debatte, die von Teilnehmern als „spannend, sachlich und fernab jeglicher Ideologie oder persönlicher Angriffe“ geschildert worden ist. Am Schluss gab es dann eine deutliche Mehrheit für die Abgabe.

Wolfgang Clement, ihr entschiedenster Gegner, hatte vor der Sitzung und in der Aussprache noch einmal versucht, den Beschluss abzuwenden. „So kann man sein Gewissen nicht beruhigen“, schrieb der Wirtschaftsminister den Befürwortern ins Stammbuch, „da muss man vielmehr durch die Republik touren und bei den Unternehmen für mehr Ausbildungsplätze werben.“ Alles, was aus freien Stücken geschehe, sei immer besser als Auflagen und Gesetze. Clement machte erneut den Vorschlag, den Wirtschaftskammern einen „Sicherstellungsauftrag“ zu erteilen, sich um die Bereitstellung der notwendigen Ausbildungsplätze zu kümmern.

Dieser Vorschlag hat allerdings wenig Chancen auf Verwirklichung, weil er der Zustimmung im Bundesrat bedürfte. Überhaupt lehnt die Union bekanntlich das ganze Vorhaben, so Dagmar Wöhrl, die wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, als „Sozialismus pur“ ab. Die Abgabe bedeute nicht mehr, sondern weniger Ausbildungsplätze.

In diesem Sinne argumentieren seit langem auch nahezu alle Wirtschaftsverbände. Die Unternehmen müssten angesichts der schwierigen konjunkturellen Lage entlastet und dürften nicht mit neuen Abgaben belastet werden. Außerdem fürchten Experten, dass sich viele Unternehmen ihrer Ausbildungsverpflichtung durch die Zahlung der Abgabe entziehen würden und dann noch weniger Lehrstellen zur Verfügung stünden.

Zu vielschichtig

Immerhin gab es in der SPD-Fraktion gestern eine respektable Minderheit, die die Ausbildungsplatzabgabe abgelehnt hat. Zu den Gegnern gehört auch der Nürnberger Günter Gloser. Er hält die Probleme für zu vielschichtig, als dass man sie so lösen könnte. Der Mangel hänge mit Schwierigkeiten mancher Branchen und Regionen zusammen. Viele kleine Betriebe würden aus Geldgründen keine Lehrlinge einstellen.

Einige Genossen geben zu, dass der Beschluss auch mit Blick auf den Parteitag nächste Woche in Bochum gefällt worden sei, um dort wenigstens auf diesem Feld nicht zu viel Unruhe zu haben. Andere sprechen von einem so genannten Vorratsbeschluss, der für die aktuelle Misere nicht mehr von Bedeutung ist. Nächstes Jahr ist er vielleicht schon überflüssig.

JÜRGEN TUCHEL

Michael Kann
12-11-2003, 10:49
Kommentar:
Ausbildung kein Gnadenakt
Wirtschaft muss für Lehrstellen sorgen

Es ist ein beschämendes Ritual, das spätestens jeden Sommer erneut zur Aufführung kommt: Politiker und Wirtschaftsfunktionäre gehen bei den Unternehmen Klinken putzen und betteln um weitere Ausbildungsplätze — in diesem Jahr nur mit mäßigem Erfolg. 25 000 Jugendliche sind noch immer ohne Lehrstelle, die Quote der Betriebe, die ausbilden, ist auf einen neuen Tiefstwert von 23 Prozent gesunken. Zeit, endlich die Daumenschrauben anzuziehen und die seit Jahren diskutierte Ausbildungsplatzabgabe einzuführen?

Den SPD-Abgeordneten ging es mit ihrer Entscheidung für das Zwangsinstrument um ein deutliches Signal, dass Ausbildung kein Gnadenakt der Wirtschaft ist, sondern gesellschaftliche Pflicht und Investition in die Zukunft. Gründe, warum immer mehr Unternehmen dieser Verantwortung in den vergangenen Jahren nicht mehr nachgekommen sind, gibt es viele. Die miserable wirtschaftliche Lage, die Ausbildung oder gar die spätere Übernahme für viele Betriebe unmöglich macht, ist nur einer davon. Auch mangelhafte schulische Vorbildung, längst überholte Ausbildungsinhalte, die nichts mehr mit der beruflichen Realität zu tun haben, und verkrustete Strukturen in den zuständigen Kammern lassen viele Lehrherren verzweifeln. Die Lücke, die zwischen angebotenen und nachgefragten Ausbildungsplätzen klafft, wird zudem teilweise auch dadurch verursacht, dass viele Jugendliche mehr auf die schicken IT-Berufe „abfahren“ als auf den Textilpfleger oder den Bäcker.

An all diesen Faktoren wird die Ausbildungsplatzabgabe nichts ändern. Parallel dazu sind Reformen des dualen Berufsbildungssystems nötig, die Ausbildung für die Unternehmen wieder einfacher und attraktiver machen, die überflüssigen Ballast, etwa in den Berufsschulen, über Bord werfen. Da die Umsetzung derartiger Neuerungen lange dauert, haben es im kommenden Jahr die Unternehmen in der Hand, für ausreichend Ausbildungsplätze zu sorgen und die ungeliebte Umlage abzuwenden. Oder, wie SPD-Fraktionschef Franz Müntefering meinte: „Am liebsten wäre es uns, wenn wir dieses Gesetz niemals anwenden müssten.“

ARMIN JELENIK

Franz
12-11-2003, 10:50
das ist dann wie bei den Behinderten, da ist freikaufen auch günstiger als auf die Auflagen zu achten wenn man sie beschäftigen würde, sodass viele Unternehmen dann lieber die Abgabe zahlen