Alephthau
31-01-2011, 12:18
Hi,
Hab mal wieder ein wenig nach alten interessanten Postings gesucht und einen schönen Text von Philipp im wt4um gefunden:
[Editing]
Da es bei dem Satz "Im Ring lernt man nichts mehr", habe ich Philipps Erklärung dazu reineditiert, damit man sie sofort sieht! :)
Hallo Sascha,
es ist in diesem Rahmen nicht möglich, Deine Fragen perfekt zu beantworten. Eine Visualisierung würde mir in jedem Fall besser gelingen. Ich bitte daher um Nachsicht, dass ich alles nur kurz anreiße.
Unglücklicherweise hatte ich öfter die Gelegenheit mich ernsthaft wehren zu müssen, Glücklicherweise bin ich (bis auf 2 mal) ganz gut dabei weggekommen.
Ich glaube nicht, dass es unbedingt notwendig ist in den Ring zu steigen um der bessere Kämpfer zu werden. Wenn du in den Ring steigst oder in eine echte Auseinandersetzung kommst, musst du schon fit sein. In der Situation selbst lernst du nichts mehr. Der Kampf ist die Prüfung sozusagen – und ob du bestehst hängt von Deinem Erlernten ab. Nimmst du an vielen Prüfungen teil, bekommst du sicherlich Routine und kannst verschiedene Faktoren, wie Lampenfieber, Angst etc. unterdrücken,- aber üben solltest du schon lange vorher.
Ich hatte den Vorteil, dass ich schon in meiner TaeKwonDo-Zeit aktiv an Wettkämpfen teilnahm. Damals kam Vollkontakt in Mode und man traf des öfteren auch auf Gegner aus dem Boxsport. Die waren natürlich im Vorteil, da sie schon immer sehr realitätsnah - bezogen auf den Ring-Kampf - trainierten. Sie hatten eine sehr hohe Schlagkraft und waren stets auf beiden Beinen.. wer das Bein hob, war schon fast verloren! Für mich wurden folgende Punkte klar:
1. Es nutzt der ganze Hokus Pokus nichts, wenn die Schlagkraft nicht ausreicht um den Gegner zur Aufgabe zu zwingen.
2. Es ist wichtig, dass man seine Chancen nutzen kann, das heißt, sie zu erkennen und dann das nötige Potential aufzubringen, um den Kampf so schnell wie möglich zu beenden.
3. Der Stärkere gewinnt immer, wenn man nicht eine Methode besitzt, die den Einsatz seiner Waffen einschränkt. (Durch die Mitte gehen, wie oft propagiert, bringt nichts als Ärger, da man immer gegen beide Arme kämpft.)
4. Der Gegner sollte niemals bestimmen können, was du zu tun hast. (Beispiel: der Gegner hebt ein Bein zum Tritt und schränkt damit seine Mobilität und Schlagkraft ein. Man reagiert darauf mit dem selben Fehler == ChiGerk)
Ving Tsun bietet da ausgezeichnete Methoden um das zu erreichen.
Das Training sollte sehr realitätsnah gestaltet werden, wobei natürliche Faktoren wie Angst, Unsicherheit, Fehlerhäufigkeit, Nervosität, etc. weniger stark auftreten als unter echtem Stress. Das darf man nicht unterschätzen.
Nicht selten haben tolle ChiSao-Spezis im Trainings-Sparring versagt und Leute, die im Training gut sparrten, gingen in realen Situationen kläglich unter.
Ein guter Kollege von mir – Kickboxer- , der stets im Ring gewann, wurde erst kürzlich vor einer Dortmunder Disko fertiggemacht, weil er dummerweise zu treten versuchte, wie er sagt. Überraschend für ihn war, dass der andere nicht auf seinen Tritt reagierte und sogar unbeeindruckt mehrere Schläge wegsteckte. Das hat ihn regelrecht geschockt und ihn kampfunfähig gemacht.
Dann muss man sich von althergebrachten Mustern lösen, wie z.B. Trittdistanz, Distanz für Handtechniken, Ellenbogendistanz, Kniedistanz usw. Man sollte nur wissen: wenn ich meinen Gegner erreichen kann - und damit meine ich nicht berühren - dann kann er mich auch erreichen.
Wenn man Angst hat einen Treffer zu kassieren, sollte man sich einer anderen Betätigung zuwenden, sonst wird’s gefährlich.
Man sollte sich auch von Gedanken befreien können, ob derjenige der da vor mir steht, ein Boxer ist oder mir gleich den Kranich zeigt... das ist völlig egal. Wenn man beginnt auf ihn zu reagieren, ist es eh zu spät. Agieren ist oberstes Gebot.
Man verfolge nur die Endlosdiskussionen über Schwinger, Haken, Fußtrittabwehr etc. –
Der „beste“ Kampfstil der Welt, bekommt plötzlich ein Problem, wenn jemand einen Schlag ausführt, den 99% der Menschen so ausführen würden. Ein wc-Angriff dagegen macht aber kein Problem. Das ist ja irre!?!
Ving Tsun ist im Grunde eine klasse Fehlerkorrektur – die unbrauchbaren Reflexe, werden umtrainiert in brauchbare, der Körper wird dazugebracht, ungünstige Situationen reflexartig zu korrigieren und stets günstigere Angriffspositionen einzunehmen. Im Chi Sao, speziell die Übung „Seung Ma / Toi Ma„) dient dazu immer frontale Positionen und Winkel einzunehmen um stets beide Waffen (Arme) an den Mann zu bringen, während der Gegenüber eingeschränkt wird. Gleichzeitig wird dabei deine Schlagkraft und alle unterstützenden Muskeln trainiert. Bei diesem Training wird u.a. die Fähigkeit enorm verbessert, so schnell wie möglich von A nach B zu gelangen. Unentbehrlich in diesem Zusammenhang ist auch das Langstocktraining. Der Einfluss des Langstocks ist enorm und wird kläglich unterschätzt, Leider versteht man immer noch nicht, dass man Ving Tsun nicht zerlegen darf, in Programme und Sektionen oder „Kommt Später“ etc. – denn viele Teile des Systems sind so miteinander verwoben, dass sie gleichzeitig gelernt werden müssen. Ein Verschieben des Holzpuppentrainings oder auch Langstock auf spätere Jahre, hat fatale Folgen in der Entwicklung. Es ist etwa so, als wenn ein Kind erst 2 Jahre sprechen darf und es erst dann anfangen soll zu hören, und einige Jahre später erst die Augenbinde ablegen darf. Die totale Entwicklungstörung ist die Folge!
Also, die wesentlichen Prozesse im Ving Tsun laufen gleichzeitig ab und dürfen nicht getrennt werden. Ich habe z.B. direkt nach dem Erlernen der ChumKiu mit dem Holzpuppentraining begonnen (Ohne Sonderzahlung smile ). Gleichzeitig lernte ich den Basisschritt für den Langstock.
Bei uns wird täglich trainiert, 5 x die Woche. Wenn es geht auch an den Wochenenden. Meist 2 Std. Chi Sau, dann Sparring (8x4 Minuten-Runden) in einem Kreis der etwa einen Durchmesser von 4-5 Meter hat. Wir benutzen keine Ausrüstung oder Handschuhe. Das hat aber nichts mit dem oft zitierten „Das schränkt uns ein“ oder „Dann funktioniert die Technik nicht“ zu tun. Das wäre mal ein anderes Thema.
Hoffe, dass ich einigermaßen rübergekommen bin – hätte gern noch mehr geschrieben, aber langt erst mal. Wie ich gerade gelesen habe, ist das Niveau hier sowieso im Keller (Schade um das Forum) und wollte eigentlich gar nichts mehr schreiben.
Grüße von Philipp
(Entschuldigt bitte die Schreibfehler, hatte einen langen Tag)
Diese Passage hat hier im Thread für Missverständnisse gesorgt:
Wenn du in den Ring steigst oder in eine echte Auseinandersetzung kommst, musst du schon fit sein. In der Situation selbst lernst du nichts mehr. Der Kampf ist die Prüfung sozusagen – und ob du bestehst hängt von Deinem Erlernten ab.
Philipp erklärt nochmal genauer was gemeint war/ist:
ich erkläre den Satz nochmal... hatte nicht gedacht, dass er zu Mißverständnissen führen könnte.
Beispiel: Da möchte jemand kämpfen, seine Schlagkraft und Kondition sind nicht ausreichend, um eine gute Chance zu haben... er geht nach knapp 1:30 min k.o. - zwei gute Chancen ungenutzt - den Gegner nicht ernsthaft getroffen - die Luft war schon innerhalb dieser Zeit gegen Null.
Dass er sich nach diesen 1:30 in seiner Schlagkraft, oder Kondition verbessern konnte, darf man bezweifeln.. die negative Erfahrung mal ausser Acht gelassen.
Gruß
Gruß
Alef
Hab mal wieder ein wenig nach alten interessanten Postings gesucht und einen schönen Text von Philipp im wt4um gefunden:
[Editing]
Da es bei dem Satz "Im Ring lernt man nichts mehr", habe ich Philipps Erklärung dazu reineditiert, damit man sie sofort sieht! :)
Hallo Sascha,
es ist in diesem Rahmen nicht möglich, Deine Fragen perfekt zu beantworten. Eine Visualisierung würde mir in jedem Fall besser gelingen. Ich bitte daher um Nachsicht, dass ich alles nur kurz anreiße.
Unglücklicherweise hatte ich öfter die Gelegenheit mich ernsthaft wehren zu müssen, Glücklicherweise bin ich (bis auf 2 mal) ganz gut dabei weggekommen.
Ich glaube nicht, dass es unbedingt notwendig ist in den Ring zu steigen um der bessere Kämpfer zu werden. Wenn du in den Ring steigst oder in eine echte Auseinandersetzung kommst, musst du schon fit sein. In der Situation selbst lernst du nichts mehr. Der Kampf ist die Prüfung sozusagen – und ob du bestehst hängt von Deinem Erlernten ab. Nimmst du an vielen Prüfungen teil, bekommst du sicherlich Routine und kannst verschiedene Faktoren, wie Lampenfieber, Angst etc. unterdrücken,- aber üben solltest du schon lange vorher.
Ich hatte den Vorteil, dass ich schon in meiner TaeKwonDo-Zeit aktiv an Wettkämpfen teilnahm. Damals kam Vollkontakt in Mode und man traf des öfteren auch auf Gegner aus dem Boxsport. Die waren natürlich im Vorteil, da sie schon immer sehr realitätsnah - bezogen auf den Ring-Kampf - trainierten. Sie hatten eine sehr hohe Schlagkraft und waren stets auf beiden Beinen.. wer das Bein hob, war schon fast verloren! Für mich wurden folgende Punkte klar:
1. Es nutzt der ganze Hokus Pokus nichts, wenn die Schlagkraft nicht ausreicht um den Gegner zur Aufgabe zu zwingen.
2. Es ist wichtig, dass man seine Chancen nutzen kann, das heißt, sie zu erkennen und dann das nötige Potential aufzubringen, um den Kampf so schnell wie möglich zu beenden.
3. Der Stärkere gewinnt immer, wenn man nicht eine Methode besitzt, die den Einsatz seiner Waffen einschränkt. (Durch die Mitte gehen, wie oft propagiert, bringt nichts als Ärger, da man immer gegen beide Arme kämpft.)
4. Der Gegner sollte niemals bestimmen können, was du zu tun hast. (Beispiel: der Gegner hebt ein Bein zum Tritt und schränkt damit seine Mobilität und Schlagkraft ein. Man reagiert darauf mit dem selben Fehler == ChiGerk)
Ving Tsun bietet da ausgezeichnete Methoden um das zu erreichen.
Das Training sollte sehr realitätsnah gestaltet werden, wobei natürliche Faktoren wie Angst, Unsicherheit, Fehlerhäufigkeit, Nervosität, etc. weniger stark auftreten als unter echtem Stress. Das darf man nicht unterschätzen.
Nicht selten haben tolle ChiSao-Spezis im Trainings-Sparring versagt und Leute, die im Training gut sparrten, gingen in realen Situationen kläglich unter.
Ein guter Kollege von mir – Kickboxer- , der stets im Ring gewann, wurde erst kürzlich vor einer Dortmunder Disko fertiggemacht, weil er dummerweise zu treten versuchte, wie er sagt. Überraschend für ihn war, dass der andere nicht auf seinen Tritt reagierte und sogar unbeeindruckt mehrere Schläge wegsteckte. Das hat ihn regelrecht geschockt und ihn kampfunfähig gemacht.
Dann muss man sich von althergebrachten Mustern lösen, wie z.B. Trittdistanz, Distanz für Handtechniken, Ellenbogendistanz, Kniedistanz usw. Man sollte nur wissen: wenn ich meinen Gegner erreichen kann - und damit meine ich nicht berühren - dann kann er mich auch erreichen.
Wenn man Angst hat einen Treffer zu kassieren, sollte man sich einer anderen Betätigung zuwenden, sonst wird’s gefährlich.
Man sollte sich auch von Gedanken befreien können, ob derjenige der da vor mir steht, ein Boxer ist oder mir gleich den Kranich zeigt... das ist völlig egal. Wenn man beginnt auf ihn zu reagieren, ist es eh zu spät. Agieren ist oberstes Gebot.
Man verfolge nur die Endlosdiskussionen über Schwinger, Haken, Fußtrittabwehr etc. –
Der „beste“ Kampfstil der Welt, bekommt plötzlich ein Problem, wenn jemand einen Schlag ausführt, den 99% der Menschen so ausführen würden. Ein wc-Angriff dagegen macht aber kein Problem. Das ist ja irre!?!
Ving Tsun ist im Grunde eine klasse Fehlerkorrektur – die unbrauchbaren Reflexe, werden umtrainiert in brauchbare, der Körper wird dazugebracht, ungünstige Situationen reflexartig zu korrigieren und stets günstigere Angriffspositionen einzunehmen. Im Chi Sao, speziell die Übung „Seung Ma / Toi Ma„) dient dazu immer frontale Positionen und Winkel einzunehmen um stets beide Waffen (Arme) an den Mann zu bringen, während der Gegenüber eingeschränkt wird. Gleichzeitig wird dabei deine Schlagkraft und alle unterstützenden Muskeln trainiert. Bei diesem Training wird u.a. die Fähigkeit enorm verbessert, so schnell wie möglich von A nach B zu gelangen. Unentbehrlich in diesem Zusammenhang ist auch das Langstocktraining. Der Einfluss des Langstocks ist enorm und wird kläglich unterschätzt, Leider versteht man immer noch nicht, dass man Ving Tsun nicht zerlegen darf, in Programme und Sektionen oder „Kommt Später“ etc. – denn viele Teile des Systems sind so miteinander verwoben, dass sie gleichzeitig gelernt werden müssen. Ein Verschieben des Holzpuppentrainings oder auch Langstock auf spätere Jahre, hat fatale Folgen in der Entwicklung. Es ist etwa so, als wenn ein Kind erst 2 Jahre sprechen darf und es erst dann anfangen soll zu hören, und einige Jahre später erst die Augenbinde ablegen darf. Die totale Entwicklungstörung ist die Folge!
Also, die wesentlichen Prozesse im Ving Tsun laufen gleichzeitig ab und dürfen nicht getrennt werden. Ich habe z.B. direkt nach dem Erlernen der ChumKiu mit dem Holzpuppentraining begonnen (Ohne Sonderzahlung smile ). Gleichzeitig lernte ich den Basisschritt für den Langstock.
Bei uns wird täglich trainiert, 5 x die Woche. Wenn es geht auch an den Wochenenden. Meist 2 Std. Chi Sau, dann Sparring (8x4 Minuten-Runden) in einem Kreis der etwa einen Durchmesser von 4-5 Meter hat. Wir benutzen keine Ausrüstung oder Handschuhe. Das hat aber nichts mit dem oft zitierten „Das schränkt uns ein“ oder „Dann funktioniert die Technik nicht“ zu tun. Das wäre mal ein anderes Thema.
Hoffe, dass ich einigermaßen rübergekommen bin – hätte gern noch mehr geschrieben, aber langt erst mal. Wie ich gerade gelesen habe, ist das Niveau hier sowieso im Keller (Schade um das Forum) und wollte eigentlich gar nichts mehr schreiben.
Grüße von Philipp
(Entschuldigt bitte die Schreibfehler, hatte einen langen Tag)
Diese Passage hat hier im Thread für Missverständnisse gesorgt:
Wenn du in den Ring steigst oder in eine echte Auseinandersetzung kommst, musst du schon fit sein. In der Situation selbst lernst du nichts mehr. Der Kampf ist die Prüfung sozusagen – und ob du bestehst hängt von Deinem Erlernten ab.
Philipp erklärt nochmal genauer was gemeint war/ist:
ich erkläre den Satz nochmal... hatte nicht gedacht, dass er zu Mißverständnissen führen könnte.
Beispiel: Da möchte jemand kämpfen, seine Schlagkraft und Kondition sind nicht ausreichend, um eine gute Chance zu haben... er geht nach knapp 1:30 min k.o. - zwei gute Chancen ungenutzt - den Gegner nicht ernsthaft getroffen - die Luft war schon innerhalb dieser Zeit gegen Null.
Dass er sich nach diesen 1:30 in seiner Schlagkraft, oder Kondition verbessern konnte, darf man bezweifeln.. die negative Erfahrung mal ausser Acht gelassen.
Gruß
Gruß
Alef