Vollständige Version anzeigen : spirituelle Marotten
Damit hat fast jeder schon mal die ein- oder andere Erfahrung gemacht, oder ist jemandem begegnet....
Nicht nur in Ashrams anzutreffen, 10 Gefahren/Versuchungen, die scheinbar mit jedem Kultivierungsweg einhergehen:
Ten Spiritually Transmitted Diseases : The Center for World Spirituality (http://www.centerforworldspirituality.com/2010/08/ten-spiritually-transmitted-diseases-by-mariana-caplan/)
Prima, wir bestärken uns selbst darin dass bestimmte Eigenschaften des Mensch-Seins "falsch" sind, und dann ist jeder "krank" der anders darüber denkt.
Was würden denn diese reinen spirituellen Personen darüber sagen, warum SIE etwas bestimmtes denken, meinen, oder wollen ? Das ist kein Ego ? Fällt es vom Himmel ?
Ich empfehle grundsätzlich jedem, schreiend aus dem Raum zu laufen, wenn ältere Personen mit grauen Haaren und Norwegerpullover was vom Verzicht auf das Ego predigen (bei anders gekleideten auch). Das bezeichnet alles und nichts, ist immer das was bei anderen irgendwie "falsch" ist.
Ohne Ego ist man gar nichts, man ist nicht mehr man selbst. Es geht darum es zu kultivieren, und die persönlichen Wünsche mit denen anderer, und denen des Übergeordneten in Einklang zu bringen. Wenn Gott nicht wollte dass wir ein Ego haben, dann hätten wir keins. Es kommt nur darauf an, was wir mit ihm machen. Wir haben alle ein Ich, weil wir alle mit unserem Lebensweg zu etwas grösserem beitragen. Ohne das wird unser Leben sinnlos. Selbst schlechte Entscheidungen sind ein Beitrag, zu einem grösseren Gedächtnis der Menschheit bzw. des Lebens. Egoismus bzw, Egozentrik entsteht dadurch dass etwas fehlt, nicht dadurch dass etwas zu viel da ist.
Auch Stolz ist eine Lebensnotwendigkeit, auch wenn wir das nicht immer merken. Um in der daoistischen Nomenklatur zu bleiben, der Fötus ist stolz darauf was er gut macht, und er muss es bleiben. Nimmt man ihm bzw. sich das weg, wird man eine leere Hülle ohne Lebensgefühle. Das ist eine spirituell transmitted Degeneration der man häufigst über den Weg läuft. Im Gegenteil, Stolz ist etwas, mit dem unser moralisches Ich sich von schlechten Dingen versucht abzuhalten. Alle Lebensgefühle im Einklang mit dem Ganzen, und im Gleichgewicht, sind gut. Es ist immer eine Frage der Gewichtung, ob wir unfähig zu positver Interaktion sind, oder eingeschränkt durch starke Gewichtungen schlechter Erinnerungsgefühle. Stolz lässt uns Dinge finden, die ein Teil sind einer Lösung, für Aktionen.
ich glaube, es geht weniger ums Ego an sich, als um die weit verbreitete Gefahr, Spiritualität zu nutzen, um sich besser oder überlegen fühlen zu können- und ich persönlich kenne einige, die sich für weiß Gott was halten, nur, weil sie bei einer Meditation schon mal irgendwelche Phänomene erlebt haben.
Es geht doch eher ums "auf-dem-Teppich-bleiben", der Autor hat halt nur statt "er" oder "sie" das Wort Ego benutzt, um auf den Teil der Prsönlichkeit hinzuweisen, der für solche Irrungen meist verantwortlich ist...
Man kann sich auch ohne Ego kultivieren. Es ist sogar fraglich, ob wir überhaupt ein Ego haben. Die moderne Forschung tendiert eher dazu anzunehmen, dass so etwas wie ein Ego immer dann konstruiert wird, wenn wir es brauchen. Und dass einfach schon verschiedene Ego deshalb konstruiert werden müssen, weil die Bedingungen, mit denen wir konfrontiert werden, auch sehr dynamisch sind und ein statisches System mit einem statischen Ego schnell zum Sterben verurteilt wäre. Und das beißt sich eben mit einem "sich besser als der andere fühlen", weil die anderen Systeme Mensch genauso dynamisch sind und unsere zwischenmenschlichen Verhältnisse entsprechend flexibel sind.
Als kleiner Nachtrag: ich bezweifle nicht, dass wir in dem Moment, in dem wir der Überzeugung sind, Bewusstheit über ein Ego zu erlangen, ein solches konstruieren, oder vielmehr unser Gehirn ein solches konstruiert, und es damit in diesem Moment als Gedankeninhalt existiert, die Frage ist nur, wieviel von diesem "ominösen" Ego noch als Struktur in uns vorhanden ist, wenn wir nicht mehr darüber nachdenken und uns dieser Struktur bewusst werden.
Die eigentliche Frage ist, ob, was auch immer jeweils jemand mit "Ego" bezeichnet, dieses nicht für etwas nützlich oder gar notwendig (Gott bewahre) ist. Und das Beharren darauf dass ein wahrhaft spiritueller Mensch gefälligst kein "Ego" zu haben hat einfach genau eine solche Marotte ist, die dem tatsächlich nach Spiritualität strebenden Menschen schadet. Normalerweise ist das ja einfach nur ein Totschlagargument, mit dem der Verwender eine Verdammung der Person oder der Meinung (oder am besten gleich beides) vornimmt die ihm nicht gefällt. Was den nicht zu unterschätzenden Vorteil besitzt, dass eine inhaltliche Auseinandersetzung überflüssig wird. Der andere ist "böse", weil er ein Ego hat und nicht "darauf" verzichtet. Mit geschickter Umdeutung des Begriffs kann man damit jederzeit die Verdammung weiterführen, egal was die Zielperson gerade tut um nicht mehr verdammt zu werden. Genial.
Grundsätzlich sind einige Dinge natürlich zu beobachten, die suboptimal bei der spirituellen Reise an ein Ziel sind. Allerdings erscheint mir fragwürdig, wie die Diskussion konstruiert wird. Solche kategorisierenden Vorwürfe sind meiner Erfahrung nach kein Kennzeichen einer um tatsächliches spirituelles Wachstum anderer Menschen bemühten Persönlichkeit zu sein.
bluemonkey
18-02-2011, 18:53
Der andere ist "böse", weil er ein Ego hat und nicht "darauf" verzichtet.
Es geht darum, die Vorstellungen über sich selbst und über das Getrenntsein von allem anderen zu relativieren und zu hinterfragen.
Sich einfach mal intensiv der Frage zu widmen: "Wer bin ich" und schauen was übrig bleibt.
Wer mitkriegt, was bestimmte Vorstellungen über sich selbst für Konsequenzen haben, verzichtet vielleicht freiwillig darauf.
Man verzichtet aber nicht auf ein abstraktes "Ego", sondern auf konkrete Dinge. Ich habe immer weniger Lust, Leute für bestimmte Dinge zu konfrontieren, es macht mir kein gutes Gefühl bzw. ich bekomme die Initiative nicht. Das ist ein völlig anderer Vorgang als jemandem zu sagen, ok, Du, ne, also Dein Ego, ne wirklich, ne. Ich greife damit an dass jemand "etwas" hat was ich als Ego bezeichne. Und nicht dass er vielleicht nicht genug über Konsequenzen nachdenkt.
Mal abgesehen davon ob Angreifen so richtig im Sinne eines spirituellen Lehrers ist, der tatsächlich mit etwas namens Dao verbunden ist. Je mehr ich mit diesem ständig verbunden bin, um so seltener habe ich Konfrontationsgelüste, und um so häufiger bekomme ich eher konstruktive Ideen. Ich habe mit dem Sport aufgehört, weil ich in einen Zwiespalt geraten bin, Dinge die ich sonst automatisch mache nicht mehr ok zu finden. Ich verzichte nicht darauf Empfindungen zu haben, sie ändern sich. Immer noch, nach 14 Jahren. Man kann nicht auf Initiativen verzichten, sie ändern sich, es kommen neue, die alte ablösen. Vieles ist so tief verwurzelt, dass das ein ganz langer Prozess ist, den man selbst nicht mal verstehen kann, so komplex und vielfach sind die Gründe warum man einzelne Dinge macht.
Das Einzige worauf ich wirklich verzichte ist, eine Entscheidung über irgendwas selbst zu treffen. Ich lasse die Gefühle zu die kommen, und daraus ergibt sich die Wandlung. Am Ende mache ich etwas wieder, weil es ok ist, oder nicht mehr weil es nicht ok war, aber ich mache mir keine "Gedanken" ob etwas ok ist oder nicht. Es gibt keine Möglichkeit, moralische Dinge logisch herzuleiten, sie sind nicht logisch. Und ich kann auch nicht wissen was für ein Kraut jemand geraucht hat der vor 500 Jahren etwas geschrieben hat, wenn er Recht hatte, bekomme ich aus der gleichen Quelle aus der er sie hatte die gleichen Empfindungen, und es kommt zur gleichen Entwicklung. Das ist der Gag daran dass es etwas wie "das Dao" bzw. die Kräfte dahinter tatsächlich gibt. Wenn man sie sich "überlegen" würde, würde man eine Lüge leben.
na ja, was auch immer es ist, mich stört es nicht, das Wort "Ego" zu benutzen. Ist halt das, was sich protestierend/geltungheischend/sonstwie in mir manchmal rührt oder "aufsteigt", wenn ich mehr Aufmerksamkeit/Achtung/Geltung oder sonstwas will, auch wenn man von Verstand und Kultivierung sich andererseits vielleicht selbst zur Beherrschung/Bescheidenheit mahnt.
Der Mensch ist eben ein vielschichtiges Wesen und die menschliche Psyche auch,
um es besser definieren zu können (was der Mensch ja von Verstand und Ordnungsliebe her gerne anstrebt), wurde eine Art "Modell" geschaffen, dessen einer Bestandteil das Ego ist.
Ist mir persönlich aber egal, wie sich das nun genau zusammensetzt, mir ist soweit klar, was damit gemeint ist und meiner Meinung nach braucht man auch hier eine goldene Mitte, um auf gute und gesunde Art und Weise (über)leben zu können. Zu wenig nicht gut, Übertreibung auch nicht gut...
Die eigentliche Frage ist, ob, was auch immer jeweils jemand mit "Ego" bezeichnet, dieses nicht für etwas nützlich oder gar notwendig (Gott bewahre) ist. Und das Beharren darauf dass ein wahrhaft spiritueller Mensch gefälligst kein "Ego" zu haben hat einfach genau eine solche Marotte ist, die dem tatsächlich nach Spiritualität strebenden Menschen schadet.
Ja, es muss eben geklärt werden, was man unter Ego bzw "Ich" versteht. Genaugenommen stammen diese Begriffe aus einer Zeit, in der der Mensch sich als Beobachter seiner Umwelt wahrgenommen hat, auf der einen Seite des beobachtende Subjekt, auf der anderen Seite des beobachtete Objekt.
Weiterhin deutete man mit "Ich" ein diffuses Identitätsgefühl an, man wäre eben jemand, eine "Einheit", in sich stabil, vollständig, mit bestimmten Charaktereigenschaften. Dem Charakter gegenübergestellt existieren nur Rollen, die man aber nur im sozialen Kontext spiele, die aber mit dem "Ich" nichts zu tun hätten.
Ich halte das alles für so nicht richtig - für mich sind Menschen hochkomplexe Systeme, die befähigt sind, verschiedene Muster zum Überleben zu konstruieren; Ich, Du, Subjekt, Objekt, Ego etc. sind alles nur sehr unvollkommenen Ansätze, sie sind nicht mehr als Muster, die eben in unseren Köpfen konstruiert werden, die aber keine wirkliche Relevanz haben.
Denn: was ist denn ein "Ich" und worin unterscheidet es sich vom "Du" ? Und ist das "Du" nicht auch ein "Ich"? Und warum nehmen wir Menschen uns alle so unterschiedliche wahr, warum hat jeder Mensch von einem anderen Menschen ein anderes Bild, mit einem anderen Ich, das von ihm wahrgenommen wird? Ist das "Du" nicht nur der fremde Blickwinkel auf ein anderes "Ich" ? Und ist das Du, das ich im anderen Ich sehe, nicht mehr als ein Spiegel meines eigenen Ich? Und damit eine Projektion, die nichts über den anderen aussagt? Und wer bin "ich" überhaupt? Wenn ich mich selbst vor 20 Jahren ansehe, erkenne ich in diesem 13jährigen wirklich mich?
Fragen über Fragen.
Worauf viele Menschen hinaus wollen, ist meiner Meinung nach, dass eben diese Konstrukte vergänglich und "vorbeiziehend" sind (ich verwende den Begriff mal an dieser Stelle, weil man das in der Meditation IMHO gut erfahren kann), und nichts, was über die tatsächliche Realität aussagt. Die tatsächliche Realität ist zwar da, aber im Grunde für uns auch nichts, weil wir nicht unabhängiger Beobachter, sondern durch unsere Sinne gebundener Teilnehmer sind. Daher existieren Realität und auch jedes Objekt nur im Bezug auf den Menschen. Deshalb ist Überheblichkeit auch unangebracht, denn eine Überlegenheit über andere Menschen ist nur ein Gedanke, der im Teilnehmer existiert und außerhalb von ihm keine Relevanz hat. Das kann man auch gut in der KK Szene beobachten. Erheben sich manche Dan Träger nur zu gern über Anfänger und bilden sich was auf ihren Gürtel ein (bitte nicht missverstehen: der damit berechtigt einhergehende Stolz ist absolut legitim!), sieht das schon wieder ganz anders aus, wenn man die Leute mal in einen Ring mit einem MMAler stellen würde.
Das Ego ist meiner Meinung nach ein Konzept, das wir nicht brauchen. Es ist viel zu relativ - siehe oben. Festzustellen, dass etwas beobachten kann, kann sich auch genauso auf die Sinnesorgane beziehen, sowohl auf die Informationsverarbeitung, die in unserem Gehirn stattfindet. Dafür muss ich kein Ich konstruieren. Worin ich Dir natürlich Recht gebe: das Ego an sich ist nicht schlecht, es ist so neutral wie jeder andere Gedanke, wenn wir es im Kontext von Bewusstseinsinhalten betrachten. "Schlecht" ( im Sinne von destruktiv) wird es nur dann, wenn es so dominante Formen annimmt, dass es andere Gedanken oder die Fähigkeit, sich dynamisch an neue Situationen anzupassen, blockiert. Allerdings trifft das auf jeden Gedanken zu, also auch den von dir kritisierten (der Glaube z.b., dass das "Ich" schlecht wäre, kann genauso dazu führen, sich selbst nicht mehr zu beachten, seine eigenen Bedürfnisse zu ignorieren und im schlimmsten Fall nicht mehr offen für eigene Erfahrungen zu sein und zum "Befehlsempfänger" zu werden (schau Dir die Schriften des Opus Dei Gründers oder die anderer katholischer Hardliner an, an denen kann man das Problem gut erkennen) - langfristig macht es nur krank.
Shirotae
19-02-2011, 10:58
@TE Glaubst du ernsthaft, dass man sich mit einer "spirituellen Krankheit" anstecken kann?
keine Ahnung, aber sie treten jedenfalls bei vielen Leuten auf, die sich auf diesen Weg machen.
Ich habe mich eine Zeit lang intensiv mit Buddhismus und geistigem Heilen befaßt und bin Scharen von krampfhaft-verklärt lächelnden Menschen begegnet, die sich für fast-erleuchtet und deshalb anderen überlegen hielten, der Meinung waren, nur ihre jeweilige Gruppe wäre der absoluten Weisheit nahe und die - meistens- auch noch extremst versuchten, andere zu missionieren und mit in ihr Boot zu ziehen.
Ob nun ansteckend oder als Begleiterscheinung- es schadet sicher nichts, die eigenen Ideen und das eigene Verhalten von Zeit zu Zeit auf solche Marotten und Abgehobenheiten zu überprüfen.
Das ist es auch, worum es geht, auch wenn sich hier einige an dem begriff "Ego" aufhängen.
Trinculo
19-02-2011, 13:51
keine Ahnung, aber sie treten jedenfalls bei vielen Leuten auf, die sich auf diesen Weg machen.
Ich habe mich eine Zeit lang intensiv mit Buddhismus und geistigem Heilen befaßt und bin Scharen von krampfhaft-verklärt lächelnden Menschen begegnet, die sich für fast-erleuchtet und deshalb anderen überlegen hielten, der Meinung waren, nur ihre jeweilige Gruppe wäre der absoluten Weisheit nahe und die - meistens- auch noch extremst versuchten, andere zu missionieren und mit in ihr Boot zu ziehen.
Derartiges ist mir natürlich an den "Spiritualisten" hier im Forum nie aufgefallen :p
...und bin Scharen von krampfhaft-verklärt lächelnden Menschen begegnet, die sich für fast-erleuchtet und deshalb anderen überlegen hielten, der Meinung waren, nur ihre jeweilige Gruppe wäre der absoluten Weisheit nahe und die - meistens- auch noch extremst versuchten, andere zu missionieren und mit in ihr Boot zu ziehen.
machst Du nicht gerade den Fehler, die Angewohnheiten irgendwelcher Sektenmitglieder auf Spiritualität allgemein zu übertragen?
Mir sind auch schon etliche Buddhisten über den Weg gelaufen, ich konnte da jedenfalls keinen Drang zur Mission erkennen. Ne Freundin von mir ist z.b. Shinnyo-En, da merke ich auch nichts.
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