Taekwondo für Menschen mit geistiger Behinderung - Suche Tipps und Anregungen [Archiv] - Kampfkunst-Board

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Vollständige Version anzeigen : Taekwondo für Menschen mit geistiger Behinderung - Suche Tipps und Anregungen



T!mo
25-02-2011, 23:12
Also, es geht um folgendes:
Ich arbeite in einem Wohnhaus für Menschen mit geistiger und/oder körperlicher Behinderung. Ich habe großes Interesse daran, für die Bewohner einen Kurs anzubieten, der in die Richtung Taekwondo geht. Neben dem körperlichen Ausgleich glaube ich, dass sich mithilfe von Kampfsport auch kognitive Prozesse fördern und festigen können, beispielsweise durch Hyongs oder andere Formenläufe. Ich wollte jetzt mal fragen, ob jemand in diesem Bereich schon Erfahrungen machen konnte und mir eventuell den ein oder anderen nützlichen Tipp geben kann.
Meine Überlegungen bisher waren:
1. Ich muss eine gute Balance hinbekommen, zwischen einem eher unanspruchsvollen Auspowern (z.Bsp. auf Pratzen schlagen/treten), dem anpruchsvolleren Techniktraining oder gar den Hyongs und evtl. auch ein bischen Dehnung. Ich werde wohl keinen dafür begeistern können, einfach stur Hyongs zu üben. Ich habe also überlegt, dass das ganze erstmal ganz locker damit beginnt, dass Bewohner einfach mal auf Pratzen schlagen können. Erst wenn dadurch ein gewisses Interesse geweckt ist könnte man dann anfangen, auf technisch korrekte Ausführungen zu achten.
2. Ich denke, dass es am Besten ist, wenn ich erst mal nur mit maximal 3 Bewohnern ans Werk gehe. Eine größere Gruppe würde für mich allein schwer zu beaufsichtigen und auf Trab zu halten sein. Es wäre dann wahrscheinlich immer nur ein Bewohner wirklich aktiv, nämlich der, mit dem ich mich gerade beschäftige. Wie meint ihr, kann man den Rest dann sinnvoll in Bewegung/im Training halten, ohne sie irgendwelchen Gefahren auszusetzen.
3. knüpft gleich an 2. an: Was haltet ihr von Sparring zwischen den Bewohnern? Das setzt natürlich voraus, dass die Bewohner verstehen, was sie da tun und eventuell auch anrichten können. Außerdem habe ich da das Problem, dass nicht jeder entsprechend ausgerüstet ist (Boxhandschuhe, Mundschutz etc.).
4. Kennt sich jemand mit der rechtlichen Seite aus, wenn ich als Auszubildender ein sportliches Angebot durchführe? Also brauche ich eventuell irgendwelche besonderen Fortbildungen oder Scheine, um sowas über längeren Zeitraum regelmäßig anzubieten?
5. Bei einigen Bewohnern sehe ich mich leider nicht in der Lage einzuschätzen, inwieweit sie mit dem was sie tun umgehen können. Ich würde aber gern vermeiden, dass jemand ein paar Sachen, die ich ihm gezeigt habe, dann vielleicht in der Wohngruppe mal "ausprobiert", sprich: Mitbewohner angreift. Hat da jemand Erfahrungen oder sollte ich diese Leute (vorerst mal) nicht einplanen?

Das wars erstmal, mir kommen da aber bestimmt noch einige Sachen in den Kopf. Über Tipps und Anregungen würde ich mich sehr freuen. Ich werde das ganze natürlich auch mit dem Arbeitgeber abklären müssen. Wahrscheinlich kann der Chef mir auch einige Fragen beantworten. Ich bedanke mich im Voraus.

kanou65
26-02-2011, 08:35
Hallo Timo,

willkommen im Unterform "barrierefreies Budo".

Schön,dass Du Dich im Rahmen Deiner beruflichen Tätigkeit im Bereich Kampfkunst mit handicap engagieren willst.

Magst Du uns vielleicht verraten,wo Du herkommst? Dann könnte man z.B. schauen,ob ein User des KKB in Deiner Nähe ist,um Dir praktische Hilfe zu leisten.

Ansonsten kann ich Dir im Vorfeld schon mal ein paar Buchtipps ans Herz legen,die sich mit dieser Thematik befassen:

Netzwerk barrierefreies Budo (http://budonetzwerker.npage.de/buchempfehlungen_51885282.html)

Vielleicht hast Du ja sogar Lust,unseren Haufen persönlich kennen zu lernen?
Unser nächster Lehrgang ist vom 27.-29.05.11 in Bremerhaven:)
Es lohnt sich;)

Helmut Gensler
03-03-2011, 12:24
zuerst mal die Eigenreklame: bitte www.kae-in-sog-in.de ansehen.
Jetzt zu den Fragen.
Wenn du Sport machst mit denm Leuten, dann ist die Anbindung an einen Verein angeraten, vor allem wegen der Versicherungssache. Wir haben auch TKD-lastig angefangen, sind aber jetzt sehr stiloffen orientiert. Und das ist besser, denn die Pädagogik kommt so mehr an und nicht mehr die Technik.
Sparring geht nur dann, wenn die moptorische und psychische Anamnese des Trainers passend ist. Du musst - mit Unterstützung anderer Betreuer - entscheiden, wer für welche Angebote "reif" ist. Sonst kann es ganz schön schief gehen.
Wir bieten in unseren Kursen gerade die "Körpererfahrung" als Grundlage zu weiteren Inhalten an. Damit haben wir sehr gute Erfahrungen, denn Übergriffe unserer KISI-Schüler sind mir nicht berichtet worden, viel mehr ein Abnehmen von "Spontanemotionalität und Verhaltenskreativität"... hübsch umschrieben, nicht wahr???

HolgerSVB
04-03-2011, 14:12
Hallo!
Zum Thema kann ich auch nicht wirklich etwas sagen. Wir machen ja kein Tae Kwon Do sondern sind auch völlig Stiloffen: SVB --- Selbstverteidigung für Behinderte Menschen (http://www.behinderung-selbstverteidigung.de)
Ich habe Dir aber eine PN geschickt, weil ich jemanden kenne der Tae Kwon Do mit behinderten Menschen macht.
Gruß

Holger

T!mo
14-03-2011, 21:52
Erstmal vielen Dank für die Antworten und Informationen, sehr interessant und nützlich.
Ich werde wohl erst Anfang April beginnen können, und dann erstmal schauen, inwieweit bei den Bewohnern Interesse besteht und wer zu was und wie viel bereit ist. Vorher muss ich mich auch noch mit der Leitung einiges abklären, unter anderem den Versicherungsschutz. Ich werde euch auf jeden Fall auf dem Laufenden halten, was meine Planungen und die Durchführung angeht.

HolgerSVB
15-03-2011, 11:16
Ich werde euch auf jeden Fall auf dem Laufenden halten, was meine Planungen und die Durchführung angeht.


...............wir sind gespannt!

Holger

Helmut Gensler
15-03-2011, 21:35
falls du zu den Rahmenbedingungen noch Infos brauchst, melde dich einfach.
CD kommt dann..

StrykeOnline
15-03-2011, 22:24
Prinzipiell keine schlechte Idee. Wir haben in unserem Verein auch einige geistig behinderte Leute. Du kannst von denen natürlich nicht immer gute Techniken erwarten (gilt aber nicht generell). Aber die können es auch zu was bringen. Letztens hat es zum ersten mal ein behindertes Mädchen bei uns geschafft, ihren ersten Poom zu erhalten, WTF-anerkannt!
Auf jeden Fall musst du erstmal eine spielerische Begeisterung dafür wecken. Fang am besten, wie du schon gesagt hast, mit Pratzentraining an, dazu vielleicht noch Formen und ein bisschen grundschulmäßige Übungen. Später kannst du sicher auch mal zu kontaktfreiem Sparring übergehen, dabei aber vorsichtig sein.
Wenn du das auf längere Zeit machen willst, solltest du wohl mindestens einen Übungsleiterschein machen.
Und was die Sache mit dem "ausprobieren" angeht: Um sowas zu verhindern, musst du es (wie bei allen Schülern) schaffen, dass sie dich als ihren Meister/Lehrer respektieren und genau das tun, was du sagst. Dann kannst du ihnen auch klar machen, dass es nicht lustig ist, wenn man die Techniken an anderen Leuten anwendet. Ob du diesen Respekt als Azubi einfordern kannst... ich wage es zu bezweifeln.

Noch ein Tipp: Es hilft sicher, wenn du ein paar erfahrene Taekwondoin (Schwarzgurte) ins Training einbindest. Dann kann jeder individuell auf einen Schüler eingehen und ihr könnt auch mal jeden einzeln mit einem eigenen Lehrer üben lassen.

Helmut Gensler
18-03-2011, 15:52
Informiere dich auch grundsätzlich, ob zusätzliche organische oder sonstige körperliche Gegebenheiten vorliegen, die du in deinem Training berücksichtigen musst. Z.B bei Trisomie 21/Down kommen oft Kreislaufprobleme vor...
Die psychologisch/pädagogische Komponente ist auch ein wenig besonders......und eigentlich viel wichtiger als die Techniken.