Der JKD-Versager [Archiv] - Kampfkunst-Board

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jkdberlin
27-12-2003, 09:59
Um JKD zu praktizieren, muss der JKD'ler ein selbstgefestigter, selbstbewusster Mensch sein.
Warum?
JKD sucht das Versagen, ein JKD'ler begibt sich in Situationen, in denen er verliert, um zu wachsen.

Menschen, die einen bestimmten Stil trainieren, tendieren dazu, ihren Stil als etwas "komplettes", "vollständiges", "überlegendes" und letztendlich "unbezwingbares" zu sehen. Kommt nun jemand aus einem anderen Stil daher und besiegt einen Vertreter des ersten Stils, so wird diese Sicht erschüttert. Es werden Argumente zur Rechtfertigung gesucht, Ausreden, die erklären sollen, Ausflüchte, die letztendlich auch die eigene Stimme beruhigen sollen. Es ist ergo einfacher, sich nur Situationen zu stellen, in denen man letztendlich gewinnt, obsiegt und sich selbst gut darstellt. Deswegen hat man ja trainiert, viel Schweiss und Arbeit investiert.
Dies ist im JKD nicht anders,wenn man JKD als Dogma, als Stil, sieht.

Der Weg im JKD sollte jedoch ein anderer sein.

"Learning Jeet Kune Do is not a matter of seeking knowledge or accumulating stylized pattern, but is discovering the cause of ignorance" - Bruce Lee

Der Weg der Entwicklung im JKD ist also das Suchen nach der eigenen Ignoranz, nach dem eigenen Versagen in Situationen.
Wenn ein Mensch nur nach Situationen sucht, in denen er gewinnt und gut aussieht, wird er sich nicht verbessern. Man lernt bedeutend mehr aus der Niederlage. Man erkennt seine eigenen Schwächen und ist auf der Suche nach Möglichkeiten, diese Schwächen zu beheben. Dies ist die Entwicklung, um die es im JKD geht. Dafür muss man sehr selbstbewusst und gefestigt sein. Niemand sieht gerne freiwillig wie ein Verlierer aus. Insbesondere kein Kampfkünstler. Jeder steht lieber als der Sieger da. Vieles, was einen Instructor in der Öffentlichkeit ausmacht, versuchen einige in den Urkunden an der Wand oder den Pokalen im Regal zu sehen. Schüler suchen den Lehrer, der unfehlbar eine Antwort auf alle Fragen hat. Jemand, der schon gesucht und vermeintlich gefunden hat, von dem man sich bequem "füttern" lassen kann.
Das Problem ist jedoch, dass wir als Menschen viel besser und tiefer aus unseren eigenen Erfahrungen (impliziertes Wissen) als aus dem Formelwissen eines anderen (expliziertes Wissen) lernen.
Natürlich kann man aus den Erfahrungen eines Lehrers Schlüsse ziehen, sie sind jedoch nicht vergleichbar mit den Erfahrungen, die ein guter Lehrer seine Schüler durchleben lässt.
Auf der Suche nach der nächsten Herausforderung, der nächsten Niederlage, die den Lernprozess wieder in Gang bringt. Techniken, Abläufe und Abfolgen geben einem Sicherheit. Diese Sicherheit wird zur falschen Sicherheit, wenn man sich von dort nicht weiter entwickelt, wenn man glaubt, man sei bereits am Ziel und man sei unfehlbar. Man sollte sich jederzeit seiner eigenen Fähigkeiten, aber auch seines eigenen Versagens bewusst sein. Nur so ist man bereit für den "reality check". So kann man letztendlich auch im JKD als neunem Stil, als Muster und Ideal, stecken bleiben, wenn man nicht konsequent den Willen behält, nicht in einem Käfig zu stecken.

JKD ist kein "How to...", JKD repräsentiert letztendlich das persönliche Denken und Handeln eines Individuums, es dient als Begleiter und nicht als starrer Satz von Lehranweisungen.

Grüsse

crazysource
27-12-2003, 14:18
wundervoll der text echt du begeisterst mich.
ein vt-ler. ehrlich gemeint

Alephthau
27-12-2003, 15:45
Hi,

Sehr guter Text! :) Erklärt auch mit wieso es im klassischen Sinne kein Lob im Unterricht gab bzw geben sollte! ;)

Gruß

Alef

collision_course
27-12-2003, 16:06
Hi,

Sehr guter Text! :) Erklärt auch mit wieso es im klassischen Sinne kein Lob im Unterricht gab bzw geben sollte! ;)

Gruß

Alef



´

...und ich dachte immer, mein Sifu kann mich nicht leiden. :cry: :(

freestyle
27-12-2003, 18:10
hi,
ich denke diese worte sollten und sind nicht nur dem jkd vorbehalten. jeder kämpfer solte früher oder später so denken. auch ein sieg ist oft nur ein vermeintlicher sieg, da der gegner vielleicht nur einen schlechten tag hatte.
ein lehrer sollte aber mit seinem schüler die niederlage analysieren, das bringt den meisten gewinn, für beide (lehrer und schüler).

gruß frank

El Loco
27-12-2003, 21:49
sehr guter Text. Ich dagegen dachte immer KK ist ein weg um Selbstbewusst-
sein zu erlangen. Ist da grundsätzlich was falsches dran? Sämtliche Stile/Trainer, die dir versuchen einzureden, dass sie im Besitz der allumfassenden sind betrügen ihre Schüler im Endeffekt um die Wahrheit und das Wachsen in den Künsten. Kann man das so sehen...?

Wenn ich mich also als nicht sonderlich gefestigte Person sehe, kann ich im JKD im Endeffekt nicht richtig betreiben, oder?

Gruss nach Berlin

Thorsten

jkdberlin
28-12-2003, 09:10
Die Basis, die Grundstruktur im JKD, ist sicherlich auch so zu erlernen und ich hoffe, das dir dieses Training genug Selbstvertrauen gibt, um dich dann auf deinen Weg, auf "dein" JKD zu machen. Anders wirst du meiner Meinung nach dein JKD nicht finden.

Grüsse

El Loco
28-12-2003, 12:22
Hi,

genau so hatte ich mir das auch gedacht. Der Weg dorthin kann sicher auch Selbstvertrauen geben, vor allem durch die verschiedenen Attribute die man durch das Training erlangt. Leider mache ich ja kein JKD bzw. kann es wie du ja weisst, werde diese Philosophie aber sicher im Hinterkopf behalten und sie in meinem KK-Training versuchen anzuwenden. Aber nichts desto trotz gibt´s ja immer noch deine Lehrgänge :)

Gruss

Thorsten

collision_course
28-12-2003, 17:19
Hi,

genau so hatte ich mir das auch gedacht. Der Weg dorthin kann sicher auch Selbstvertrauen geben, vor allem durch die verschiedenen Attribute die man durch das Training erlangt. Leider mache ich ja kein JKD bzw. kann es wie du ja weisst, werde diese Philosophie aber sicher im Hinterkopf behalten und sie in meinem KK-Training versuchen anzuwenden. Aber nichts desto trotz gibt´s ja immer noch deine Lehrgänge :)

Gruss

Thorsten




Ich denke, diese grundlegende "JKD"-Philosophie kann/sollte man in jeder KK anwenden (mental), egal was man praktiziert oder was einem die praktizierende KK "vorschreibt".
Was im Endeffekt zählt ist die Person, NICHT der "Stil"...und das ist die schöne Erkenntnis, die B.L., mit JKD, der Kampfkunstwelt hinterlassen hat.
Für mich ist es keineswegs paradox, kein JKD zu "praktizieren" und trotzdem diese Philosophie innezuhaben, solange man sich nicht selbst limitiert...macht einen das nicht auch irgendwie zum "JKD-Kämpfer" ? ;)
Die JKD-Konzepte sind für mich eine tolle, aber auch normale, natürliche Sache und ich ernte oft komische Blicke dafür, wenn ich anmerke, dass ich zwar einen "trad." Stil lerne, mich aber in einer Auseinandersetzung garantiert nicht nur auf diesen beschränken werde.
Ergibt es sich...werde ich Muay Thai nutzen (z.B. lowkicks)
Ergibt es sich...werde ich Grappling-Stile nutzen (z.B. arm,-leglocks)
Ergibt es sich...ect.
...wer sich nicht selbst limitiert und bei einem Kampf, oder auch im Leben, nicht wider seiner Natur handelt, der ist auf dem richtigen Weg...(denke ich ;) )

Großmeister K
29-12-2003, 22:06
Sowas in der Richtung versucht mein Trainer auch immer zu sagen und ich bin auch der Meinung. Lieber eigene Schwächen ausmerzen, anstatt sich auf seinen Stärken "auszuruhen" :)

El Loco
30-12-2003, 19:32
Ja,

so in etwa denke ich mir das auch. Das ist wohl "the cause of your ignorance", so hat es Lee wahrscheinlich gemeint. Nicht diese stilistischen Scheuklappen aufhaben, sondern immer über den Tellerrand schauen. Ich finde so ne Einstellung jedenfalls progressiver als zu denken: "Mann, bin ja viel besser als Stil soundso...".

Gruss