Vlfrith
22-12-2011, 13:18
Ein herzliches Hallo an alle Mitlesenden!
Seit ich vor ein Paar Jahren die historischen europäischen Kampfkünste für mich entdeckt habe, und mir sogar zeitweilig in einem Verein die Grundlagen beibringen ließ (Mitgleidschaft besteht nicht mehr weil weggezogen, also kein Training zur Zeit), interessiere ich mich nun immer mehr für das I.33-Fechtsystem. Und dazu hätte ich ein Paar eigene Gedanken, die ich hier mal loswerden möchte... wohlwissend dass hier auch Roland Warzecha schreibt, der quasi die I.33-Spezialist schlechthin ist, zumindest in Deutschland. :)
Wenn wir heute "Schwert" sagen oder denken, dann kommt sofort der Eindruck einer zweihändig(!) geführten Waffe, mit der sich schnell die "Samurai" assoziieren lassen. Die Fülle der Fechtbücher die sich mit dem langen Schwert beschäftigen, verstärkt den Eindruck dass im Mittelalter wohl nur zweihändige Schwerter gab. Das sieht man lustigerweise auch in Filmen, wie "Der 13te Krieger", wo tatsächlich zweihändige Fantasyschwerter (http://www.portwallpaper.com/imgwal/13th-warrior-poster.jpg) zu sehen sind. Historisch ist es aber umgekehrt - bis tief ins Spätmittelalter war das Standardschwert eines Ritters eine einhändige Waffe, wie auch zweitausend Jahre zuvor die keltische Spatha ein Einhänder war. Der Eindruck der "Zweihändigkeit" des Mittelalters ist also ein modernes Phänomen, wohl beeinflusst durch Samuraifilme, denn noch im Jahre 1958 kloppten sich Kirk Douglas und Tony Curtis in ihren "Viking" einhändig. Der Schild des Ritters existiert im heutigen Bewusstsein meist total undifferenziert als "bloße Deckung", immer groß und unbeweglich. Ich finde das sehr verzerrend, wenns um die Militärgeschichte des Mittelalters geht.
Das Manuskript I.33 ist in zweierlei Sichten einzigartig, wie ich persönlich finde.
1). Bucklerfechten erscheint in Quellen AFAIK bereits in der 2 Hälfte des 12 Jh. (Übungen mit Schwert & Buckler), I.33 wird ungefähr hundert Jahre später verfasst. Das bedeutet dass zumindest im 13 Jh. jenes System bereits existiert hat (Pfaff Liutger hat es wohl nicht an Ort und Stelle ausgedacht), und höhstwahrscheinlich in der 2 Hälfte des 12 Jh. bereits vergleichbare Systeme gegeben haben soll. Das heißt es ist nicht nur das älteste Fechtlehrbuch ever, es zeigt und die authentische ritterliche Kampfkunst! Wer kennt diese Namen nicht - Robin Hood, Richard Löwenherz, Saladin, King John, und natürlich die ganzen Historienfilme die zwischen 1150 und 1250 spielen. I.33 zeigt uns mit sehr hoher Authentizität wie all diese Leute gekämpft haben mögen, wenn sie tatsächlich existiert haben (bei Robin Hood ist das so ne Sache...).
2). Einhändiges zweischneidiges Schwert + Buckler ist so ziemlich einzigartig in der Welt. Es gibt natürlich vergleichbare Fechtsysteme in anderen Kulturkreisen (kleiner Schild & Schaschka im Kaukasus (http://www.youtube.com/watch?v=vNPuqVcdPPk#t=4m00s), Schild und Säbel in Indien (http://www.youtube.com/watch?v=E-DuP6gTtLc)), aber es sieht schon total anders aus als ein Fechtsystem mit "Klingenbindung" und Buckler der die Schwerthand schützt --> ich persönlich habe noch über kein gleichwertiges I.33-Äquivalent in anderen Kulturen gelesen, gehört oder gesehen! Langschwert-Fechten ist da nicht so "allein", wenn man Japan ins Gedächtnis ruft. Das macht I.33 zu etwas Einzigartigem, quasi einer art "Ur-Europäisches-Schwert Kungfu" worauf jeder Japaner oder Chinese stolz wäre. Aber die Europäer, naja...
Die Gegenwart....
Es wäre nämlich vermessen zu denken man trainiere heute Kampfkünste um ihrer selbst willen. Das macht denke ich fast keiner. Von Kampfkünsten verspricht man sich Fintess, Reaktionsfähigkeit und kampftechnisches Können die einem in brenzligen Situationen zugute kommen soll. Beim Schwertkampf sieht es eher düster aus; ob Katana, Langschwert, Rapier oder Degen, all diese Sachen haben im heutigen Leben gar keine Rolle. Es gibt immer wieder irgendwelche Geisteskranke die Menschen mit Deko-Samuraischwertern attackieren, diese sind aber rein historisch auch dafür gemacht worden irgendwelche Leute niederzustrecken. Rapiere/Degen sind zum Abstechen der Leute/Tiere gedacht worden, Handfeuerwaffen zum Erschießen, usw. das alles hat im heutigen normalen Leben KEINE Realität mehr und ist anachronistisch.
Was aber immr noch Realität besitzt, sind einzelne Gewalttäter (U-Bahn-Schläger, Drogenabhängige), Randalierer ("Fussballfans", Gangs), Plünderer (siehe England 2011) und andere Leute die einem Gewalt antun mögen. Waffenlose Kampfkünste sind gut, aber bis zun einem Zeitpunkt wo der Schläger ein Messer zieht oder einen Baseballschläger nimmt, da ist jeder Kampfkünstler gut beraten wenn er schlicht und einfach wegrennt. Das I.33 System bietet hier IMHO im Gegensatz zun anderen Schwertkünsten viel bessere Methoden und Möglichkeiten jemanden 1). ohne schwere Verletzungen abzuwehren und 2). sich gegen Messer & Co. zu schützen. Das wird natürlich NICHT mit Buckler und Schwert passieren, sondern mit den Gegenständen die halt griffbereit und legal sind, wie Regenschirm (http://www.kampfkunst-board.info/forum/f80/unzerbrechlicher-regenschirm-selbstverteidigung-89620/), Damentasche, kleiner Rucksack. Wenn ein Regenschirm & gut gefüllter Rucksack zur Hand sind, und die Angreifer übersichtlich sind, kann man theoretisch mit "Halbschild" gegen einen Baseballschläger vorgehen. "Schildschlag" mit vollem Körpereinsatz kann den Gegner das Gleichgewicht verlieren lassen. Gegen einen geisteskranken Messerstecher hat man gewöhnlich keine Chance da er aus dem Hinterhalt ohne Vorwarnung zusticht, aber gegen jugendliche Gangmitglieder oder Junkies die mit einem Messer einschüchtern wollen - ein Rucksack oder Tasche verringert die Gefahr einer Schnittverletzung und man gewinnt Zeit für einen geordneten Rückzug (= Mit "Halbschild" "versetzen", Gegner zu Boden werfen, "Beine in die Hand..."). Oder es gibt einem die Chance in Ringen zu übergehen und den Gegner unschädlich zu machen auf die gute alte Art ohne Tritte und Schläge, völlig komform mit der aktuellen Gesetzeslage.
Zweihändige Führung eines Gegenstandes a la Katana oder Langschwert ist auf der Straße bei Randalen oder Gang-Überfällen sinnlos, denn im wirklichen Leben (egal was uns Filme zeigen) rennen dir die Gegner nicht einzeln in die "Klinge" sondern greifen alle zusammen an, bevorzugt von hinten. Das endet immer sehr schlecht, auch wenn die Angreifer unbewaffnet sind.
Die Fanzination des Schwert & Buckler kommt für mich eben von daher dass dieses Fechtsystem nicht nur sehr alt und europäisch ist, sondern auch unter gewissen Einschränkungen auch im heutigen Leben nützlich sein kann! Jemand der sagen wir mal Kenjutsu studiert hat wird zwar an Fitness und Reaktionsfähigkeit enorm gewinnen, eine direkte Verwendung seiner Kunst wird nie eintreten... Wenn man aber das I.33-System beherrscht, sehe ich da mehr Möglichkeiten zur Abwehr vom Baseballschlägern, Eisenstangen und Messern. Vorausgesetzt man hat das nötige LEGALE Equipment... :-§
Und natürlich noch eine wichtige Anfrage - ist der Wikipedia-Artikel zu I.33 (http://de.wikipedia.org/wiki/I.33) brauchbar?? Wenn nicht, wäre es schön wenn da einige Hammaborgis & Co. die hand anlegen würden. Aufklärung ist immer gut.
Jeder darf dazu selbstverständlich seinen Senf dazu geben.
Beste Grüße
Vlf
Seit ich vor ein Paar Jahren die historischen europäischen Kampfkünste für mich entdeckt habe, und mir sogar zeitweilig in einem Verein die Grundlagen beibringen ließ (Mitgleidschaft besteht nicht mehr weil weggezogen, also kein Training zur Zeit), interessiere ich mich nun immer mehr für das I.33-Fechtsystem. Und dazu hätte ich ein Paar eigene Gedanken, die ich hier mal loswerden möchte... wohlwissend dass hier auch Roland Warzecha schreibt, der quasi die I.33-Spezialist schlechthin ist, zumindest in Deutschland. :)
Wenn wir heute "Schwert" sagen oder denken, dann kommt sofort der Eindruck einer zweihändig(!) geführten Waffe, mit der sich schnell die "Samurai" assoziieren lassen. Die Fülle der Fechtbücher die sich mit dem langen Schwert beschäftigen, verstärkt den Eindruck dass im Mittelalter wohl nur zweihändige Schwerter gab. Das sieht man lustigerweise auch in Filmen, wie "Der 13te Krieger", wo tatsächlich zweihändige Fantasyschwerter (http://www.portwallpaper.com/imgwal/13th-warrior-poster.jpg) zu sehen sind. Historisch ist es aber umgekehrt - bis tief ins Spätmittelalter war das Standardschwert eines Ritters eine einhändige Waffe, wie auch zweitausend Jahre zuvor die keltische Spatha ein Einhänder war. Der Eindruck der "Zweihändigkeit" des Mittelalters ist also ein modernes Phänomen, wohl beeinflusst durch Samuraifilme, denn noch im Jahre 1958 kloppten sich Kirk Douglas und Tony Curtis in ihren "Viking" einhändig. Der Schild des Ritters existiert im heutigen Bewusstsein meist total undifferenziert als "bloße Deckung", immer groß und unbeweglich. Ich finde das sehr verzerrend, wenns um die Militärgeschichte des Mittelalters geht.
Das Manuskript I.33 ist in zweierlei Sichten einzigartig, wie ich persönlich finde.
1). Bucklerfechten erscheint in Quellen AFAIK bereits in der 2 Hälfte des 12 Jh. (Übungen mit Schwert & Buckler), I.33 wird ungefähr hundert Jahre später verfasst. Das bedeutet dass zumindest im 13 Jh. jenes System bereits existiert hat (Pfaff Liutger hat es wohl nicht an Ort und Stelle ausgedacht), und höhstwahrscheinlich in der 2 Hälfte des 12 Jh. bereits vergleichbare Systeme gegeben haben soll. Das heißt es ist nicht nur das älteste Fechtlehrbuch ever, es zeigt und die authentische ritterliche Kampfkunst! Wer kennt diese Namen nicht - Robin Hood, Richard Löwenherz, Saladin, King John, und natürlich die ganzen Historienfilme die zwischen 1150 und 1250 spielen. I.33 zeigt uns mit sehr hoher Authentizität wie all diese Leute gekämpft haben mögen, wenn sie tatsächlich existiert haben (bei Robin Hood ist das so ne Sache...).
2). Einhändiges zweischneidiges Schwert + Buckler ist so ziemlich einzigartig in der Welt. Es gibt natürlich vergleichbare Fechtsysteme in anderen Kulturkreisen (kleiner Schild & Schaschka im Kaukasus (http://www.youtube.com/watch?v=vNPuqVcdPPk#t=4m00s), Schild und Säbel in Indien (http://www.youtube.com/watch?v=E-DuP6gTtLc)), aber es sieht schon total anders aus als ein Fechtsystem mit "Klingenbindung" und Buckler der die Schwerthand schützt --> ich persönlich habe noch über kein gleichwertiges I.33-Äquivalent in anderen Kulturen gelesen, gehört oder gesehen! Langschwert-Fechten ist da nicht so "allein", wenn man Japan ins Gedächtnis ruft. Das macht I.33 zu etwas Einzigartigem, quasi einer art "Ur-Europäisches-Schwert Kungfu" worauf jeder Japaner oder Chinese stolz wäre. Aber die Europäer, naja...
Die Gegenwart....
Es wäre nämlich vermessen zu denken man trainiere heute Kampfkünste um ihrer selbst willen. Das macht denke ich fast keiner. Von Kampfkünsten verspricht man sich Fintess, Reaktionsfähigkeit und kampftechnisches Können die einem in brenzligen Situationen zugute kommen soll. Beim Schwertkampf sieht es eher düster aus; ob Katana, Langschwert, Rapier oder Degen, all diese Sachen haben im heutigen Leben gar keine Rolle. Es gibt immer wieder irgendwelche Geisteskranke die Menschen mit Deko-Samuraischwertern attackieren, diese sind aber rein historisch auch dafür gemacht worden irgendwelche Leute niederzustrecken. Rapiere/Degen sind zum Abstechen der Leute/Tiere gedacht worden, Handfeuerwaffen zum Erschießen, usw. das alles hat im heutigen normalen Leben KEINE Realität mehr und ist anachronistisch.
Was aber immr noch Realität besitzt, sind einzelne Gewalttäter (U-Bahn-Schläger, Drogenabhängige), Randalierer ("Fussballfans", Gangs), Plünderer (siehe England 2011) und andere Leute die einem Gewalt antun mögen. Waffenlose Kampfkünste sind gut, aber bis zun einem Zeitpunkt wo der Schläger ein Messer zieht oder einen Baseballschläger nimmt, da ist jeder Kampfkünstler gut beraten wenn er schlicht und einfach wegrennt. Das I.33 System bietet hier IMHO im Gegensatz zun anderen Schwertkünsten viel bessere Methoden und Möglichkeiten jemanden 1). ohne schwere Verletzungen abzuwehren und 2). sich gegen Messer & Co. zu schützen. Das wird natürlich NICHT mit Buckler und Schwert passieren, sondern mit den Gegenständen die halt griffbereit und legal sind, wie Regenschirm (http://www.kampfkunst-board.info/forum/f80/unzerbrechlicher-regenschirm-selbstverteidigung-89620/), Damentasche, kleiner Rucksack. Wenn ein Regenschirm & gut gefüllter Rucksack zur Hand sind, und die Angreifer übersichtlich sind, kann man theoretisch mit "Halbschild" gegen einen Baseballschläger vorgehen. "Schildschlag" mit vollem Körpereinsatz kann den Gegner das Gleichgewicht verlieren lassen. Gegen einen geisteskranken Messerstecher hat man gewöhnlich keine Chance da er aus dem Hinterhalt ohne Vorwarnung zusticht, aber gegen jugendliche Gangmitglieder oder Junkies die mit einem Messer einschüchtern wollen - ein Rucksack oder Tasche verringert die Gefahr einer Schnittverletzung und man gewinnt Zeit für einen geordneten Rückzug (= Mit "Halbschild" "versetzen", Gegner zu Boden werfen, "Beine in die Hand..."). Oder es gibt einem die Chance in Ringen zu übergehen und den Gegner unschädlich zu machen auf die gute alte Art ohne Tritte und Schläge, völlig komform mit der aktuellen Gesetzeslage.
Zweihändige Führung eines Gegenstandes a la Katana oder Langschwert ist auf der Straße bei Randalen oder Gang-Überfällen sinnlos, denn im wirklichen Leben (egal was uns Filme zeigen) rennen dir die Gegner nicht einzeln in die "Klinge" sondern greifen alle zusammen an, bevorzugt von hinten. Das endet immer sehr schlecht, auch wenn die Angreifer unbewaffnet sind.
Die Fanzination des Schwert & Buckler kommt für mich eben von daher dass dieses Fechtsystem nicht nur sehr alt und europäisch ist, sondern auch unter gewissen Einschränkungen auch im heutigen Leben nützlich sein kann! Jemand der sagen wir mal Kenjutsu studiert hat wird zwar an Fitness und Reaktionsfähigkeit enorm gewinnen, eine direkte Verwendung seiner Kunst wird nie eintreten... Wenn man aber das I.33-System beherrscht, sehe ich da mehr Möglichkeiten zur Abwehr vom Baseballschlägern, Eisenstangen und Messern. Vorausgesetzt man hat das nötige LEGALE Equipment... :-§
Und natürlich noch eine wichtige Anfrage - ist der Wikipedia-Artikel zu I.33 (http://de.wikipedia.org/wiki/I.33) brauchbar?? Wenn nicht, wäre es schön wenn da einige Hammaborgis & Co. die hand anlegen würden. Aufklärung ist immer gut.
Jeder darf dazu selbstverständlich seinen Senf dazu geben.
Beste Grüße
Vlf