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Vollständige Version anzeigen : KK made in Germany nach dem Mittelalter?



JuJon
03-01-2012, 22:27
Hi leute!
Gibt es eigentlich Fechtbücher made in Germany aus der Zeit als Langschwert und co unwichtiger wurden? Oder orientierte man sich zu der Zeit voll an den Italienischen Fechtmeistern? wie sieht es waffenlos aus?

itto_ryu
04-01-2012, 07:00
Klar, nach dem "Mittelalter" gab es zahlreiche Fechtbücher aus dem deutschsprachigen Raum, z.B.

Paulus Hector Mair, 1542 (diverse Waffen, u.a. Sichel, Dreschflegel, Langes Schwert etc.)
Joachim Meyer, 1570 (Rappier, Dolch, Ringen, Dussack, Langes Schwert)
Jakob Sutor, 1612 (Rapier, Langes Schwert, Dussack usw.)
Georg Paschen, 1659 (Ringen)
Johann Andreas Schmidt, 1713 (Stoßfechten, Ringen)
F.C. Christmann, 1838 (Säbel, Spazierstock u.a.)

um nur ein paar zu nennen.

JuJon
04-01-2012, 09:07
ok, dankeschön!
ich fand besonders das fechtbuch von johann andreas schmidt interessant, weil da wirklich mal stoßfechten und ringen in einem buch sind.
mir ist aufgefallen, dass sich das ringen gegenüber dem mittelalterlichen stark verändert hat. es sieht ein bisschen aus, als würden schläge wichtiger werden (evtl wegen fehlen der rüstung?).
außerdem hat mich das ringen von schmidt recht stark an paschen erinnert, also scheint der wandel ja keine ausnahme zu sein. oder paschen war in diesem fall das "vorbild", die abwehr gegen fliegende krüge sieht sich schon sehr ähnlich ^^.

Sojobo
04-01-2012, 09:54
Hey!
Du findest betsimmt auch in meinem Thread was: http://www.kampfkunst-board.info/forum/f65/quellen-literaturverzeichnis-geschichte-europ-ischer-kampfk-nste-127765/

itto_ryu
04-01-2012, 10:34
ok, dankeschön!
ich fand besonders das fechtbuch von johann andreas schmidt interessant, weil da wirklich mal stoßfechten und ringen in einem buch sind.
mir ist aufgefallen, dass sich das ringen gegenüber dem mittelalterlichen stark verändert hat. es sieht ein bisschen aus, als würden schläge wichtiger werden (evtl wegen fehlen der rüstung?).
außerdem hat mich das ringen von schmidt recht stark an paschen erinnert, also scheint der wandel ja keine ausnahme zu sein. oder paschen war in diesem fall das "vorbild", die abwehr gegen fliegende krüge sieht sich schon sehr ähnlich ^^.

Findest du? Ich muss sagen ich sehe da nicht so riesige Unterschiede von z.B. Talhoffer über Meyer und Paschen hin zu Schmidt. Paschen erinnert mich noch stärker an die älteren Quellen, Schmidt hat viele Parallelen zur Worstelkunst von Petter finde ich. Kann schon sein, dass die Verteidigung gegen einen Faustschlag in jüngeren Werken häufiger drin ist, da müssten mal die Ringer sich zu äußern.

JuJon
04-01-2012, 11:13
mit dem wandel meinte ich unter anderem, dass das ringen sehr viel gerader wurde, währende früher rundere techniken, würfe usw gemacht wurden. also ich mein es sind kürzere bewegungen geworden, was ja auch zum stoßfechten passen würde.

itto_ryu
04-01-2012, 19:11
mit dem wandel meinte ich unter anderem, dass das ringen sehr viel gerader wurde, währende früher rundere techniken, würfe usw gemacht wurden. also ich mein es sind kürzere bewegungen geworden, was ja auch zum stoßfechten passen würde.

Okay, ich glaube, ich verstehe, was du meinst.

Bombylus maior
05-01-2012, 23:52
Ich glaube, das der Fauststoß früher eher zu selbstverständlich war, als das er zu erwähnen wäre. Wenn z.B. Auerswald schreibt "Darnach strecke Deine rechte Hand unter seinem Kinn hin", dann ist damit etwas recht rabiates gemeint. Der Faustschlag wurde aber oft explizit ausgeschlossen, z.B. in Fechtschulen.
b.m.

itto_ryu
06-01-2012, 09:10
Letztendlich wäre zu klären, wie wichtig der Fausstoß früher im allgemeinen Gekämpfe war. Das eigentlich Boxen, Pugilism hat sich im Laufe des 18. Jhds. in England entwickelt, die Popularität in anderen Ländern Europas kam erst später auf. Evt. hat man damals sich darauf verlassen, dass Mortstöße (Palmstrikes etc.) eben sinnvoller und gesünder sind für die menschliche Hand in der SV oder Schlacht, so wie dies eben heutzutage auch in den Augen vieler SVler ausschaut.

einarr
25-01-2012, 13:43
Ich glaube, das der Fauststoß früher eher zu selbstverständlich war, als das er zu erwähnen wäre.

Ich denke auch eher das sie als selbstverständlich angesehen wurden und deshalb darüber nicht viel gesagt wurde. Das sieht man doch auch an den Fechtbüchern welche das Schwert oder den Dolch behandeln. Über die Grundlagen wird nicht wirklich viel erzählt.

Aber im Codex Wallerstein findet man im Ringteil ziemlich viele Aktionen gegen Faustschläge. So selten können sie also nicht gewesen sein.

Der Medienserver der Universittsbibliothek Augsburg (http://media.bibliothek.uni-augsburg.de/node?id=82373&unfold=82373)

Althalus
26-01-2012, 10:47
Das eigentlich Boxen, Pugilism hat sich im Laufe des 18. Jhds. in England entwickelt, die Popularität in anderen Ländern Europas kam erst später auf.
Einspruch, Euer Ehren! ;)
Bereits Ende des 16. Jhdts wurden die Gioce del ponte, die venezianischen Brückenspiele, mit bloßer Faust ausgetragen. Anfänglich waren Stöcke und Buckler üblich, dies wurde dann aber sukzessive verboten und schließlich wurden Faustkämpfe ausgetragen. Zu Beginn des Kampfes traten hierbei jeweils ein Champion beider Viertel auf der Brücke im formellen Zweikampf gegeneinander an. Gekämpft wurde auf blutende Cuts, KO oder Aufgabe.
Hierbei wurde eine Hand offensiv, die andere defensiv verwendet (ein wenig ähnlich dem Messerkampf).
Die Spitznamen der Champions erinnern teilweise stark an die Boxer heutiger Tage.

England ist aufgrund des Empires halt deutlich präsenter in der Wahrnehmung, das Boxen "erfunden" haben die Gentlemen aber nicht.;)

einarr
26-01-2012, 12:33
Was ich noch vergessen habe. Auch im Codex Wallerstein ist ein Stück enthalten bei dem der Kampf nur mit Schlägen ausgetragen wird. Also der Angriff besteht aus einem Faustschlag und der Kampf wird vom Verteidiger durch Faustschläge beendet. Wobei es aber den Anschein macht das zum Kopf vor allem mit der Hammerfaust geschlagen wurde.

roberto
26-01-2012, 14:10
Einspruch, Euer Ehren! ;)
Bereits Ende des 16. Jhdts wurden die Gioce del ponte, die venezianischen Brückenspiele, mit bloßer Faust ausgetragen. Anfänglich waren Stöcke und Buckler üblich, dies wurde dann aber sukzessive verboten und schließlich wurden Faustkämpfe ausgetragen. Zu Beginn des Kampfes traten hierbei jeweils ein Champion beider Viertel auf der Brücke im formellen Zweikampf gegeneinander an. Gekämpft wurde auf blutende Cuts, KO oder Aufgabe.
Hierbei wurde eine Hand offensiv, die andere defensiv verwendet (ein wenig ähnlich dem Messerkampf).
Die Spitznamen der Champions erinnern teilweise stark an die Boxer heutiger Tage.

England ist aufgrund des Empires halt deutlich präsenter in der Wahrnehmung, das Boxen "erfunden" haben die Gentlemen aber nicht.;)

Richtig, in einem der Viertel waren die Nicolotti, und das andere fällt mir grad nicht mehr ein. :( Muss kurz mal schauen, ob ich das noch finde?

R.

roberto
26-01-2012, 14:12
Castellani, es waren die Castellani. :) Die Schlacht zwischen den Nicolotti und en Castellani fand meist auf der Ponte Chiodo (im Volksmund auch Ponte dei Pugni, Brücke der Fäuste, genannt) statt und hieß Guerra dei Pugni, der Krieg der Fäuste. Die Castellani stammten aus dem Viertel San Pietro di Castello und die Nicolotti aus San Nicolò dei Mendicoli. Ziel des "Spiels" war, die Gegner von der Brücke ins Wasser zu werfen. 1705 wurde der " Krieg der Fäuste" verboten, nachdem während einer besonders grausamen Schlacht beide Seiten von den Fäusten zu den Messern wechselten. Viele Tote waren die Folge.

itto_ryu
26-01-2012, 17:56
Einspruch, Euer Ehren! ;)
Bereits Ende des 16. Jhdts wurden die Gioce del ponte, die venezianischen Brückenspiele, mit bloßer Faust ausgetragen. Anfänglich waren Stöcke und Buckler üblich, dies wurde dann aber sukzessive verboten und schließlich wurden Faustkämpfe ausgetragen. Zu Beginn des Kampfes traten hierbei jeweils ein Champion beider Viertel auf der Brücke im formellen Zweikampf gegeneinander an. Gekämpft wurde auf blutende Cuts, KO oder Aufgabe.
Hierbei wurde eine Hand offensiv, die andere defensiv verwendet (ein wenig ähnlich dem Messerkampf).
Die Spitznamen der Champions erinnern teilweise stark an die Boxer heutiger Tage.

England ist aufgrund des Empires halt deutlich präsenter in der Wahrnehmung, das Boxen "erfunden" haben die Gentlemen aber nicht.;)

Wieder was gelernt. Kannte ich nicht. "Erfunden" haben die Engländer das Boxen ohnehin nicht, das ist ohnehin viel älter ---> Griechenland, Rom und noch früher :)

Althalus
27-01-2012, 05:54
@Roberto: Tote und Schwerverletzte hatten davor schon für das Verbot der Stöcke gesorgt. Die Bezeichnung Ponte dei Pugni wurde auch im Laufe der Zeit für verschiedene Brücken gebraucht (zumindest sind die Bezeichnungen in den Quellen nicht immer eindeutig), allerdings scheinen die Kämpfe gegen Ende immer auf der Ponte Chiodo stattgefunden zu haben.
Auf jeden Fall muss es dabei ziemlich heftig zur Sache gegangen sein - dagegen scheinen die Gioce del ponte in Pisa ein Kindergeburtstag zu sein. :D

itto_ryu
27-01-2012, 10:16
Na kein Wunder bei solchen "Stöcken":
http://www.thearma.org/images/stick1.jpg

und dann noch Buckler dazu, dagegen sind die UFC und Dog Brothers Softievereine ;)

Bombylus maior
27-01-2012, 10:25
Itto_ryu: Was für ein krasses Ding! Ich meine den "Stock". Entspricht diese Bewaffnung der jener Spiele zu dieser Zeit?
b.m.

Althalus
27-01-2012, 11:18
Ist der typische Bastone venexiana - im Gebrauch verbürgt vom 15ten bis Mitte 16tes Jahrhundert. Besteht aus einem Strauchholz, das in der Lagune häufig war.
Die Rüstung durfte übrigens nicht aus Metall bestehen und wurde aus Papiermaché hergestellt, wenn ich mich recht erinnere.

Wir haben mal vor Jahren Repliken davon aus Hasel angefertigt und mit Leinöl eingelassen. Führt sich sehr schwertähnlich und macht heftiges AUA.:D

Lederfuß
29-01-2012, 01:57
Wenn ich lese, wie Stadtviertel gegen Stadtviertel angetreten ist, muß ich immer an diesen Bericht über historischen Fußball aus Florenz denken: Florence Fight Club (historischer Fussball) - YouTube (http://www.youtube.com/watch?v=RytPuara6UE&feature=related)

itto_ryu
29-01-2012, 17:28
Tolle Doku, tolle Tradition!