Franz
05-02-2004, 11:13
Noten auf das Gewicht
Skurriler Kampf gegen Fettleibigkeit in den USA
Die Statistik entlarvt die US-Bürger als das vermutlich dickste Volk der Welt: Zwei Drittel sind übergewichtig, vier Millionen Menschen sogar extrem fettleibig.
WASHINGTON — Das Gesundheitsministerium sorgt sich über das steigende Durchschnittsgewicht, die Industrie bietet XXL-Särge an, zugleich jedoch treibt der Schlankheitswahn immer neue Blüten. Aber darauf will sich die Regierung nicht allein verlassen: Gesetze sollen der Fett-Plage begegnen. Zudem reagiert die Lebensmittelbranche irritiert auf Versuche, sie juristisch zur Verantwortung zu ziehen.
Diätbücher dominieren die Bestsellerlisten: Zehn der derzeit 20 meistverkauften Sachbücher propagieren Super-Diäten. Zu Jahresbeginn — die Zeit der guten Vorsätze — prasselt ein wahres Werbegewitter der Schlankheitsindustrie auf die US-Bürger nieder. Derzeit ist die „Atkins-Diät“ besonders populär: In Restaurants sitzen Gäste vor Riesen-Steaks oder mächtigen Portionen von Rühreiern und Speck — ohne eine kohlenhydratreiche Beilage wie Brot oder Kartoffeln.
Kostenlose Broschüren
Künftig sollen, so will es die US-Regierung, die Kalorien-, Zucker- und Fett-Anteile auf Lebensmitteln aufgeführt werden, auch sollen Restaurants neben jedes Gericht die Kalorienzahl schreiben. Doch die Chancen, die US-Bürger mit Aufklärung zu beeinflussen, stehen schlecht. Seit langem preisen in Supermärkten kostenlose Broschüren gesunde Ernährung an. In Schulen gibt es Ernährungsaufklärung, in Arkansas wird das Gewicht der Schüler mit Noten bewertet.
In New York sollen zwar bald Limonaden- und Snack-Automaten aus den Schulen verbannt werden. Doch der Alltag der Jugend sieht derzeit anders aus. Da die Limo-Konzerne oft Sponsoren von Schulen sind, stehen dort gern Automaten mit zuckrigen Getränken. In den Kantinen dominieren fette Pommes, Hamburger oder Pizza — und in fast jeder Schule stehen Automaten mit süßen Riegeln oder Chips.
In der Defensive
Nachdem Anwälte dicker Klienten — zunächst erfolglos — gegen Hamburger-Ketten und Chips-Hersteller klagten, sieht sich die Branche zunehmend in der Defensive. Die wohl größten Dickmacher, die großen Schnellimbiss-Konzerne, bieten verstärkt kalorienarme Snacks an. Gleichzeitig locken sie mit Niedrigpreisen und immer neuen, riesigen „Supersize“-Portionen zum kalorienreichen Schlemmen.
Die seit Jahrzehnten sinkenden Preise für Agrarprodukte sind nach Ansicht von Ökonomen eine wesentliche Ursache für die immer größeren Portionen. Imbissketten bieten Frühstücke mit Rühreiern, Würstchen, Speck, Bratkartoffeln, Pfannkuchen und süßem Sirup an, die leicht 1500 Kalorien erreichen.
Hoffnung auf eine Trendwende machen aber vor allem Juristen, vor denen die Konzerne angesichts der gigantischen Entschädigungssummen der Tabakindustrie zweifellos mächtigen Respekt haben. Das zeigen neue Initiativen. McDonalds oder Burgerking bieten kalorienarmes Essen wie Salate oder Hühnchengerichte an und starten Fitnessprogramme. Ein Restaurant in Seattle lässt — wenn auch als Werbegag — jeden Gast, der das Schokoladendessert „The Bulge“ bestellt, schriftlich versichern, dass er sich bewusst sei, was er an Kalorien einnähme.
LASZLO TRANKOVITS (DPA)
5.2.2004 0:00 MEZ
Skurriler Kampf gegen Fettleibigkeit in den USA
Die Statistik entlarvt die US-Bürger als das vermutlich dickste Volk der Welt: Zwei Drittel sind übergewichtig, vier Millionen Menschen sogar extrem fettleibig.
WASHINGTON — Das Gesundheitsministerium sorgt sich über das steigende Durchschnittsgewicht, die Industrie bietet XXL-Särge an, zugleich jedoch treibt der Schlankheitswahn immer neue Blüten. Aber darauf will sich die Regierung nicht allein verlassen: Gesetze sollen der Fett-Plage begegnen. Zudem reagiert die Lebensmittelbranche irritiert auf Versuche, sie juristisch zur Verantwortung zu ziehen.
Diätbücher dominieren die Bestsellerlisten: Zehn der derzeit 20 meistverkauften Sachbücher propagieren Super-Diäten. Zu Jahresbeginn — die Zeit der guten Vorsätze — prasselt ein wahres Werbegewitter der Schlankheitsindustrie auf die US-Bürger nieder. Derzeit ist die „Atkins-Diät“ besonders populär: In Restaurants sitzen Gäste vor Riesen-Steaks oder mächtigen Portionen von Rühreiern und Speck — ohne eine kohlenhydratreiche Beilage wie Brot oder Kartoffeln.
Kostenlose Broschüren
Künftig sollen, so will es die US-Regierung, die Kalorien-, Zucker- und Fett-Anteile auf Lebensmitteln aufgeführt werden, auch sollen Restaurants neben jedes Gericht die Kalorienzahl schreiben. Doch die Chancen, die US-Bürger mit Aufklärung zu beeinflussen, stehen schlecht. Seit langem preisen in Supermärkten kostenlose Broschüren gesunde Ernährung an. In Schulen gibt es Ernährungsaufklärung, in Arkansas wird das Gewicht der Schüler mit Noten bewertet.
In New York sollen zwar bald Limonaden- und Snack-Automaten aus den Schulen verbannt werden. Doch der Alltag der Jugend sieht derzeit anders aus. Da die Limo-Konzerne oft Sponsoren von Schulen sind, stehen dort gern Automaten mit zuckrigen Getränken. In den Kantinen dominieren fette Pommes, Hamburger oder Pizza — und in fast jeder Schule stehen Automaten mit süßen Riegeln oder Chips.
In der Defensive
Nachdem Anwälte dicker Klienten — zunächst erfolglos — gegen Hamburger-Ketten und Chips-Hersteller klagten, sieht sich die Branche zunehmend in der Defensive. Die wohl größten Dickmacher, die großen Schnellimbiss-Konzerne, bieten verstärkt kalorienarme Snacks an. Gleichzeitig locken sie mit Niedrigpreisen und immer neuen, riesigen „Supersize“-Portionen zum kalorienreichen Schlemmen.
Die seit Jahrzehnten sinkenden Preise für Agrarprodukte sind nach Ansicht von Ökonomen eine wesentliche Ursache für die immer größeren Portionen. Imbissketten bieten Frühstücke mit Rühreiern, Würstchen, Speck, Bratkartoffeln, Pfannkuchen und süßem Sirup an, die leicht 1500 Kalorien erreichen.
Hoffnung auf eine Trendwende machen aber vor allem Juristen, vor denen die Konzerne angesichts der gigantischen Entschädigungssummen der Tabakindustrie zweifellos mächtigen Respekt haben. Das zeigen neue Initiativen. McDonalds oder Burgerking bieten kalorienarmes Essen wie Salate oder Hühnchengerichte an und starten Fitnessprogramme. Ein Restaurant in Seattle lässt — wenn auch als Werbegag — jeden Gast, der das Schokoladendessert „The Bulge“ bestellt, schriftlich versichern, dass er sich bewusst sei, was er an Kalorien einnähme.
LASZLO TRANKOVITS (DPA)
5.2.2004 0:00 MEZ