Vollständige Version anzeigen : Die 5 Level des Taijiquan - Verständnisfrage
Zum ersten mal lese ich mir dieses Werk mit Jan Silberstorff Kommentaren durch und habe es gleich auf englisch und deutsch gekauft - Keine Ahnung wieso, dachte es gäbe da evtl. einen Unterschied... und tatsächlich...
Da wundert mich doch direkt bei Level 1 folgende Aussage in zweierlei Hinsicht:
"Diejenigen, die eifrig genug sind und täglich ernsthaft üben, können die Form normalerweise in einem halben Jahr erlernen."
Kommentar Silberstorff:
"Bei dieser Zeitangabe gehen wir von einem Lehrer/Schülerverhältnis aus, in dem beide zusammen wohnen und täglich intensiv miteinander trainieren."
1. In der englischen Übersetzung wird diese Zeitangabe mit "a year" also gleich mal verdoppelt...
2. Was am groben Bewegungsgerüst der Lao Jia Yilu soll denn so schwer sein, daß Silberstorff es für angebracht hält die Zeitangabe deutlichst zu relativieren? Hier geht es ja um Level 1. Also nur das Erlernen der Form, ohne Kentnis über innere Energie. Selbst kleinere Fehler werden noch akzeptiert... Mag sein, daß in meiner Schülergruppe alle genial sind oder aber mein Lehrer ein Held, aber wir haben die Form ALLE in weit unter einem Jahr ganz gut hinbekommen und das bei 3 Stunden pro Woche (plus Heimarbeit... sagen wir 7-8 Stunden die Woche). Ich spreche nicht davon, daß sie weit davon entfernt ist perfekt zu sein, aber jeder in der Gruppe konnte sie mühelos laufen ohne nachzudenken oder sich zu verrenken.
Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, daß hier versucht wird etwas ganz natürliches (nämlich das Erlernen eines Bewegungsablaufs - nichtmal des Konzepts dahinter!), so zu mystifizieren, daß auch bloß niemand nur auf die Idee kommt, daß er es zu einem auch nur annähernd hohen Level bringen könnte wie irgendein Lehrer.
Nochmal ganz deutlich: Hier geht es um Level 1, das bloße Erlernen der äußeren Form! Ohne Energie-Hokuspokus, ohne tiefes Hinabsinken der Bewegungen ins Unterbewustsein... Ich kann mir nicht helfen, ich fühle mich durch solche Aussagen angegriffen - Bin ja auch erst Anfang Level 2... Die Gelassenheit kommt später :D.
Denn was sagt es über unsere Gruppe aus, die Lao Jia Yi Lu in 8 Monaten ohne weiteres und ohne besagtes Intensivtraining laufen konnte? Doch nur, daß wir oder mein Lehrer es eben "nicht richtig" gemacht haben... Einen anderen Schluss lassen solche Pauschalaussagen nicht zu.
Was meint ihr?
WingChun77
07-03-2012, 20:31
Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, daß hier versucht wird etwas ganz natürliches (nämlich das Erlernen eines Bewegungsablaufs - nichtmal des Konzepts dahinter!), so zu mystifizieren, daß auch bloß niemand nur auf die Idee kommt, daß er es zu einem auch nur annähernd hohen Level bringen könnte wie irgendein Lehrer.
Sic est ! ! ! Und wenn du mal guckst, dann gibt es genug (mehr als genug) Menschenkinder, die sich mystifizieren (verar+++en) lassen und noch einen Haufen Kohle abdrücken.
LG
Günther
das ist genau das, was ich meine, wenn ich schreibe, die Beschreibungen wären bei uns zu kompliziert, das Taiji lege zuviel Gewicht auf komplizierte Theorien. :D
Allerdings muß man nun sagen, wenn sich ein Profi die Form eines Anfängers ansieht, der gerade mal ein Jahr oder so dran ist, dann findet der noch sehr viele Fehler/chen, die weniger Erfahrenen einfach nicht auffallen.
Auch Level 1 ist nicht ganz so einfach bzw. wenig, wie oben beschrieben. Es ist nur auch mit den Leveln so, je länger man dabei ist, desto mehr kann man aus dem Buch herauslesen, wenn man es mal wieder zur Hand nimmt. (wie mit Laotse, jedesmal, wenn ich nach einem Jahr das Daodejing wieder lese, begreife ich ein bißchen mehr)
Denn für einen Anfänger sind einfach nur die groben Merkmale erkenntlich, ob das Gewicht auf der richtigen Stelle ist, der Arm in die richtige Richtung zeigt etc.
Ob aber die Hüfte richtig steht, die Schulter entspannt genug und der ellbogen richtig an Knie ausgerichtet ist, die Füße richtig stehen, die Wirbelsäule gerade ist uswusw, das merken viele erst nach etlichen Jahren. Alleine bis einer die Tiefenmuskulatur entwickelt hat, um sich wirklich nach hinten zu setzen und nicht die Knie über die Zehen schieben zu müssen, um sich in den Endpositionen auszurichten, dauert an die 2-3 Jahre mindestens.... bis das Steißbein wirklich gelöst nach unten hängt und einer es nicht mehr bewußt "einziehen" muß oder es eben hinten raussteht.... usw...
Und wie wir ja alle wissen, legen speziell Anfänger sowieso oft mehr Wert auf fluffig-interessante Optik denn auf langweilige, aber korrekte Bewegungen.
Was dagegen hilft? Was einer nicht weiß, macht ihn nicht heiß. Also entweder sich nicht informieren, wie`s richtig zu sein hätte, oder eben einen guten Lehrer suchen und weiterüben.
So gesehen hat er mit der Zeitangabe durchaus Recht- ich kenne sogar Leute, die es nach mehreren Jahren immer noch nicht so richtig korrekt hinkriegen, was dann aber meistens an fehlender Anleitung bezüglich der feinen Bewegungsdetails liegt.
Ist halt nur schwer zu erkennen, wann es tatsächlich notwendig ist, weitere Verbesserungen zu erarbeiten und wann ein Lehrer oder Verband nur versucht, Zeit zu schinden und Mitglieder zu binden. Nach einem Jahr ist die Frage aber verhältnismäßig einfach zu beantworten: Da hat einer noch nicht mal den halben Level eins hinter sich, auch wenn die meisten schon denken, sie wären mindestens schon bei 2 oder 3.....
Übrigens gibts solche Leveleinteilungen auch von anderen Großmeistern, ich habe vor einer Weile eine gelesen mi 6 Leveln, ich glaube, das war von Großmeister und Buddhawächter Wang Xian (?)
(Kann euch also nur empfehlen, lest auch mal, was die anderen anerkannten Meister dazu zu sagen haben- allerdings verkürzen sich auch bei denen die Zeiten nicht maßgeblich, wenn auch die Reihenfolge der Phänomene sich etwas unterscheiden kann)
T. Stoeppler
07-03-2012, 21:19
Das kommt auf die Sichtweise an. Ich halte es für sinnvoller, die Formenbilder als Übungen, als Bodywork zu betrachten und zu lernen, bis man merkt, was dabei trainiert wird und wie die Übungen auszuführen sind. Dann trainiert man eine Übung so lange, bis die anfängt, besser zu werden. DANN geht man erst zur nächsten über.
Ich halte es für vollkommen falsch, möglichst schnell eine "Form" erlernen zu wollen. Durch das gezielte Training (auch mit Waffen, Gewichten etc) der Formenbilder entwickelt man Gongfu. Ok, wer lieber eine Form haben will... für den ist das der falsche Weg.
Wenn man so *trainiert* kann man auch gut und gerne zwei Jahre damit beschäftigt sein, eine Form zu lernen. Das heisst, man macht Übungen und die Form kommt dabei eher beiläufig raus.
Ich finde das überhaupt nicht mystifizierend. Das ist nur arbeitsintensiv.
Gruss, Thomas
Bringt man in eine Taijiform gleich am Anfang zu viel Bodywork rein, geht das meist auf Kosten von Gelöstheit und Entspannung; die meisten, die es so anfangen, haben anschließend große Schwierigkeiten, loszulassen, Gelenke zu öffnen und nach innen zu gehen.
Wer aber nur ein bißchen im Außen seine Formen laufen und eben ein Workout für die Fitness haben will, kann das so machen.
Daß natürlich auf korrekte Bewegungen geachtet wird und man den Leuten auch mal zeigen sollte, was eine Bewegung in der Anwendung bedeuten kann, ist selbstverständlich.
Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, daß hier versucht wird etwas ganz natürliches (nämlich das Erlernen eines Bewegungsablaufs - nichtmal des Konzepts dahinter!), so zu mystifizieren, daß auch bloß niemand nur auf die Idee kommt, daß er es zu einem auch nur annähernd hohen Level bringen könnte wie irgendein Lehrer.
Sic est ! ! ! Und wenn du mal guckst, dann gibt es genug (mehr als genug) Menschenkinder, die sich mystifizieren (verar+++en) lassen und noch einen Haufen Kohle abdrücken.
LG
Günther
Leute, ihr habt sowas von Recht!
Gruß
Hongmen
T. Stoeppler
07-03-2012, 21:32
Bringt man in eine Taijiform gleich am Anfang zu viel Bodywork rein, geht das meist auf Kosten von Gelöstheit und Entspannung; ..
Das wäre ein Fall für "agree to disagree".
Ich sehe das ganz genau andersrum.
Gruss, Thomas
vielleicht sollten wir mal den Begriff Bodywork genauer betrachten.
Und auch die Praktizierenden, die z.T. ja schon in einem gesegneten Alter sind...
T. Stoeppler
07-03-2012, 22:01
Ich meine damit das, was man im landläufigen Cansigong, Pole-Shaking und yijinjing übt. Das als Methode effektiv zu nutzen ist gar nicht so einfach, aber wenns mal im "Body" ist, entwickelt man sehr schnell relevante Fähigkeiten.
Und wenn die "stehen" kann man auch alles Überflüssige lösen und anfangen zu spielen.
Gruss, Thomas
Simplicius
07-03-2012, 22:51
"Diejenigen, die eifrig genug sind und täglich ernsthaft üben, können die Form normalerweise in einem halben Jahr erlernen."
eventuell Übersetzungsfehler:
If one is persistent enough and practices seriously everyday, one can normally master the forms within half a year.Chen Xiao-Wang, 5 levels of skill, learning Tai Chi Chuan, martial skill, Yin and Yang, Chin-sijin, silk reeling, Tui-shou, Push-hands, Fa-jin. (http://www.shou-yi.org/taijiquan/5-levels-of-skill-in-chen-taijiquan)
auch JS spricht von den "gesamten Übungen" (S.16), nicht nur von der Yilu.
Hier geht es ja um Level 1. Also nur das Erlernen der Form, ohne Kentnis über innere Energie. [..] Hier geht es um Level 1, das bloße Erlernen der äußeren Form! Ohne Energie-Hokuspokus, ohne tiefes Hinabsinken der Bewegungen ins Unterbewustsein...
Keine Ahnung, was Du mit "Hokuspokus" meinst.
Energiearbeit sollte allerdings auch im ersten Level schon beginnen:
The First Level of Kung Fu
[...]
The inner energy, qi, can gradually be induced to move within the trunk and limbs with refinements in one's movements. One may then achieve the stage of being able to use external movements to channel internal energy'. The first level kung fu thus begins with mastering the postures to gradually being able to detect and understand jin or force.
Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, daß hier versucht wird etwas ganz natürliches (nämlich das Erlernen eines Bewegungsablaufs - nichtmal des Konzepts dahinter!), so zu mystifizieren, daß auch bloß niemand nur auf die Idee kommt, daß er es zu einem auch nur annähernd hohen Level bringen könnte wie irgendein Lehrer.
Ich hab noch nie aus der Richtung gehört, dass am äußeren Ablauf etwas schwer zu lernen sei.
Im Gegenteil, da kannst Du ganze Formen in wenigen Tagen "lernen".
Taijiquan kannst Du deswegen allerdings noch nicht. :p
eventuell Übersetzungsfehler:
Chen Xiao-Wang, 5 levels of skill, learning Tai Chi Chuan, martial skill, Yin and Yang, Chin-sijin, silk reeling, Tui-shou, Push-hands, Fa-jin. (http://www.shou-yi.org/taijiquan/5-levels-of-skill-in-chen-taijiquan)
auch JS spricht von den "gesamten Übungen" (S.16), nicht nur von der Yilu.
Super, daß sich Silberstorff so viel Zeit nimmt in seinen eigenen Werken gleich 3 so grobe Fehler zu übersehen... Im deutschen "halbes Jahr", im englischen "a year" und dann auch noch "form" anstelle von "forms"...
Er spricht auf Seite 16 tatsächlich von gesamten Übungen aber nicht im Kommentar und nicht in der Übersetzung von Level 1.
Aber so ergibt das natürlich Sinn. Danke für die zweite Übersetzung!
Meine Äußerungen bezüglich Energie-Hokuspokus kam etwas unflätig daher... ich war etwas in rage :p Aber lass es mich erklären:
Ich hab Taijii vor 2 Jahren eher als Entspannungsübung begonnen. Mit der Zeit hat mich das Ganze aber irgendwie doch mehr interessiert und vor kurzem öffneten sich dann ein paar Zeitfenster, die es mir erlaubten etwas mehr über die Hintergründe zu erfahren.
Da landet man dann schnell bei Beiträgen, die sich einfach nicht mehr wie etwas lesen, was "echt" ist...
Ich stehe voll und ganz hinter dem System Taijiquan wie es etwa hier erläutert wird (@Scarabe: Da wird auch von 6 Leveln gesprochen!):
Chen Family Taijiquan Training Methods (http://www.squidoo.com/chentaijiquan)
Klar, konkret, zum anfassen.
Im Kontrast dazu wird mir von Grund auf sehr unwohl, wenn ich dann einen Meister Silberstorff davon philosophieren höre, wie "echte" Meister Menschen meterweit durch die Luft schleudern können ohne sich groß zu bewegen... Und das man das so selten sähe, läge einfach daran, daß auf Turnieren keine echten Meister zu finden sind - und wenn dann mal welche da sind, dann ist deren Kraft ebenbürtig und deswegen sieht man wieder nichts - und wenn der eine Kontrahent unterlegen ist, dann nimmt sich der Überlegene mit Absicht zurück... und andere Ausflüchte.
Sowas diskreditiert doch nur den seriösen Anteil der Kunst hinter alledem. Bei solcherlei Unsinn wundert es mich nicht, wenn innere Kampfkünste von vielen immer noch belächelt werden.
In dem Zusammenhang mal ein Video:
Chen Xiao Wang vs Liao Bai - YouTube (http://www.youtube.com/watch?v=_aYtgIkJ5UE)
Die Interpretation dieser Vorstellung überlasse ich jetzt mal jedem Selber...
Genauso unsinnig ist dann eine Studie von Frank Marquardt in der er um die 40 Langzeit-Praktizierende über die subjektiv empfundenen Wirkung von Taijiquan auf etwa Rücken, Knie, Beweglichkeit befragt und dies wissenschaftlich auswertet. Er geht dann allen Ernstes ausgerechnet auf das Sehvermögen als Maß ein. Laut der Befragten ist dieses über die Zeit gleich geblieben... Und wie jeder weiß, läßt unser Sehvermögen im Laufe der zeit nach. Tut es das nicht, ist das ein Beweis für die Wirksamkeit von Taijiquan - so Marquardt.
Den Versuch die eigene Kunst zu erheben in allen Ehren, durch sowas passiert genau das Gegenteil.
Für mich ist Taijiquan viel rationaler: Die ewige Suche nach der perfekten Bewegung - oder anders: Der Versuch auch noch so kleine Lücken im Balanceakt fließender Bewegung zu schließen.
Das ist quasi "zum Anfassen" das, was ich unter Verwurzelung verstehe... Yin und Yang und das theoretische Konzept dahinter lenkt den Unwissenden (wie mich) doch nur vom Wesentlichen ab. Und der Wissende... ja, der Wissende der schweigt doch, oder wie sagt selbst Silberstorff in jedem dritten Satz so schön?
Was nützt dieses ganze Geschwätz über ein Konzept, daß jeder ausschließlich durch Training und eben nicht durch Reden, Schreiben oder Lesen erfahren kann? Wenn die lieben Herren doch alle so weise Meister sind, wieso schreiben und veröffentlichen sie dann so viel vom theoretischen Konzept hinter alledem?
Ein einzelner Satz würde doch genügen um allen ein für alle Male zu erklären, daß es eben nichts zu erklären sondern nur zu erfahren gibt... Aber damit läßt sich freilich kein Geld verdienen.
Genausowenig wie mit der Tatsache, daß Taijiquan wie es heutzutage ausgeführt wird natürlich im Kampf jedem MMA-Kämpfer unterlegen ist.
Das wäre aber auch wie der Vergleich eines Malers wie Rembrandt mit einer Druckmaschine mit dem Faktor Zeit als Disziplin.
Keiner würde auf eine solch dumme Idee kommen und doch bemühen sich beim Taijiquan alle führenden Kräfte genau darum... Und weil man dabei stehts den Beweis schuldig bleibt, entstehen Mythen und Legenden von meterweit durch die Luft fliegenden Gegnern - am besten noch ohne das der Meister sie je berührt hätte.
Soviel zum "Energie-Hokuspokus"
Simplicius
08-03-2012, 03:13
Was nützt dieses ganze Geschwätz über ein Konzept, daß jeder ausschließlich durch Training und eben nicht durch Reden, Schreiben oder Lesen erfahren kann? Wenn die lieben Herren doch alle so weise Meister sind, wieso schreiben und veröffentlichen sie dann so viel vom theoretischen Konzept hinter alledem?
"Geschwätz", "Ausflüchte", "Unsinn"...
Du weißt ja schon alles.
http://www.pcworldoc.com/forum/images/smilies/smiley_disappear.gif
In dem Zusammenhang mal ein Video:
Chen Xiao Wang vs Liao Bai - YouTube (http://www.youtube.com/watch?v=_aYtgIkJ5UE)
Die Interpretation dieser Vorstellung überlasse ich jetzt mal jedem Selber...
Nennt man im Judo Griffkampf und sieht zwischen gleichwertigen Gegnern und ohne Folgeangriffe nunmal so aus. Wie sich das im Ringen schimpft, weiß ich nicht. Aber wer das nicht in dieser Form beherrscht, ist auf der Matte totes Fleisch. Auch in Deiner MMA.
Ronny Wolf
08-03-2012, 09:39
Ganz ehrlich, was soll dieses Klammern an irgendwelche Zeitangaben wie lange es dauert, bis man etwas kann? Es gibt Leute, die lernen schnell. Es gibt Leute, die lernen langsam. Und es gibt sogar Leute, die lernen es nie. Taiji ist eine individuelle Sache, ein persönlicher Weg. Eine Zeitangabe kann daher nur eine sehr grobe Einschätzung sein. Sich darüber zu beschweren, dass es mal 1/2 Jahr und mal 1 ganzes Jahr heisst, ist einfach nur kleinlich.
Richard22
08-03-2012, 10:51
Ich finde es schade, wie sich hier im Ton vergriffen und sich gerade über Jans hervorragende Arbeit lustig gemacht wird.
Jan hat das Buch teilweise im Zug und Flugzeug zusammengestellt, als er des Unterrichts wegen zwischen Kontinenten unterwegs war. Es geht bei seinem Buch nicht um eine professionelle Übersetzung Englisch-Deutsch, denke ich, sondern um Taiji.
Gerade in seinem ersten Buch findet sich alles, was Taiji ausmacht, einschließlich eines Bewegungsablaufs (Buddhas Wächter strampft etc), den ein Anfänger nachturnen kann.
Chen Xiaowang - ich selber bin kein Freund von Gelaber und Kuscheln - kann ich nach wie vor nur bewundern und respektieren. Seine Stufen des Lernens sind wieder nur ein Ausbildungselement - wer seine Übungen macht oder mit seinem Partner kämpft - dem ist so etwas völlig einerlei.
Taiji kann man mit einer Seqezenz oder Bewegung erlernen. Die Form ist völlig unwichtig, was die KK angeht. Die Form ist nur ein Ausbildungselement. Die Taiji-Form von Wangting selber stammt aus dem langen Boxen des Kaisers Taizu (Song Dynastie 960–1279),- ist also historisch zu nennen. Die ganzen neuen Formen im Chen halte ich für unwichtig - ich interessiere mich nur für historische KK. Das ist aber meine subjektive eigene Wahrnehmung.
Hong und WingChun haben zwar recht damit, daß viel Dummfug vertrieben und bezahlt wird - was aber vor allem daran liegt, daß für die meisten heutigen KK'ler KK nunmal blanke Theorie ist. Hong ist ja ein gutes Beispeil für das Gegenteil - für ihn ist Taiji praktische KK. WingChun kenne ich leider weder aus dem Forum noch persönlich - aber wir alle wissen was für ein Verkaufsdruck gerade im Ing Un bereich aufgebaut wird.
Würden sich die Leute mehr klopfen gäbe es mehr natürliche Selektion.
Ich warte immer noch auf die Bodenkämpfer, die sich mit Taiji bekannt machen wollen.
Diecha, jede Bewertung ist und muß immer relativ sein. Was der eine für gut empfindet, das empfindet der andere als mangelhaft. Was für den einen ein Fortschritt beim Formenüben ist, daß sieht der andere als nicht ausreichende Darbietung an. Gerade im Taiji gibt es einen enorm tiefen Korrekturbereich für den Lernenden. Leider fehlt heute die ausreichende praktische Erprobung der Übungsinhalte. Generell ist aber Taiji der Zustand, der jenseit der Relativität liegt.
Qi - Gegensätze oder Yin und Yang - benötigt ja selber eine Kraft, das es antreibt oder speißt.
Fechtergruß
Viele Menschen habe irgendwie die Hoffnung, dass es im Leben noch irgendwas mystische gibt und nicht alles so abgeklärt ist, wie es scheint.
Darum lassen sie sich gerne von irgendwelchen pseudo Meistern faszinieren, die ihnen genau das geben was sie suchen.
Leider ist das alles voll der Unsinn.
Klar, schlecht ist es nie wenn man sich mit irgendwas beschäftigt, aber man darf auch nicht ahnungslosen Leuten das Geld aus der Tasche ziehen bzw. nicht Sachen behaupten die nicht so sind.
Ronny Wolf
08-03-2012, 11:08
Ich finde es schon etwas seltsam, dass man gerade dem Chen Stil nach Checn Xiaowang Mystifizierung vorwirft. Das kenne ich eigentlich eher aus anderen Linien bzw. Stilen. Was ich beim Chen Stil nach Chen Xiaowang gefunden habe, und weswegen ich auch dabei geblieben bin, war bisher harte und ehrliche Arbeit, richtiges Kung Fu sozusagen.
Mag sein, daß ich mich im Ton vergriffen habe. Selbstkontrolle lernt man eben nicht über Nacht... Habe noch viel zu lernen.
Schade nur, daß man sich nur des "Tones" wegen zu fein dafür zu sein scheint (@simplicius) auf irgendetwas anderes inhaltlich einzugehen - Ich dachte gerade du würdest über den Tellerand äußerer Form hinwegschauen und dich nicht an meinen teils dummen Entgleisungen festhalten - Ist es nicht genau das, worum es auch im Taiji geht? Die innere Form!?
Ich muss mich mal bei allen entschuldigen, denn offenbar ist der Eindruck entstanden, daß ich mich über Silberstorffs Arbeit lustig mache. Dem ist aber nicht so. Ganz im Gegenteil, ich bewundere was er auf die Beine gestellt hat und mit welchem Eifer er bei der Sache ist. Mit viel Macht kommt aber auch viel Verantwortung. Und daher haben einige seiner Ansichten, die eher auf Wunschdenken denn auf der Realität beruhen, nichts in Büchern verloren, die sich mit der Basis dieser Bewegungskunst befassen. Denn genau diese übertriebenen Darstellungen oder Zielsetzungen schmälern den wissenschaftlich belegbaren Wert der Theorie - aber auch das ist sicher nur meine Meinung.
Das ist genau wie beim Yoga wo es einige Vertreter gibt, die meinen, man könne sich bei nötiger Vorbereitung von Prana ernähren... also von nichts anderem als von Licht und Luft.
Prinzipiell habe ich nichts gegen solche Ansichten - jeder wie er mag - aber sie haben nichts im Taijiquan oder in diesem Beispiel im Yoga verloren.
Die Form ist völlig unwichtig, was die KK angeht... Die ganzen neuen Formen im Chen halte ich für unwichtig.
Laut CXW und S sind sie aber das Fundament im Chenstil; mehr noch, beide werden nicht müde zu erwähnen, daß die Form quasi ALLES ist, was nötig ist. Was bleibt noch übrig, wenn die Form unwichtig wird?
Eine Zeitangabe kann daher nur eine sehr grobe Einschätzung sein. Sich darüber zu beschweren, dass es mal 1/2 Jahr und mal 1 ganzes Jahr heisst, ist einfach nur kleinlich.
Genauso kleinlich wie milimetergenaue Ausrichtung in der Form... Aber du hast Recht, so wichtig ist das nicht. Durch das hinzufügen eines "s" und eines "half" ändert sich jedoch die komplette Aussage. Dann nämlich ist das zu vollbringene Pensum gleich zigmal so hoch wie zuvor... Wenn das nicht wichtig ist, wieso schreibt man es dann überhaupt?
Ich finde es schon etwas seltsam, dass man gerade dem Chen Stil nach Checn Xiaowang Mystifizierung vorwirft.
Wie gesagt, tut mir Leid, wenn der Eindruck entstanden ist. Dem Stil werfe ich rein garnichts vor, sonst würde ich ihn ja nicht praktizieren.
Leider fehlt heute die ausreichende praktische Erprobung der Übungsinhalte
Genauso sehe ich das auch... Bei der Gelegenheit: Finds gut, dass ihr beim historischen Fechten genau in diese Richtung geht.
Yangshuo
08-03-2012, 16:44
Wie willst du trainieren, wenn du deinen Lehrern und Meistern nicht traust?
Du verrennst dich in Worten, in Büchern die dir helfen können etwas zu sehen was du noch nicht siehst.
Trainiere einfach weiter oder lass es bleiben.
Wieviel von dem was du hier wiedergibst kommt von deinem direkten Lehrer? Und wieso machst du Taiji und nicht irgendwas wie MMA, JJ oder so?
Wielange machst du schon Taiji, KK?
YS
Simplicius
09-03-2012, 10:04
-
Richard22
09-03-2012, 11:32
Generell muß man unterscheiden: Taiji oder Wuji, das ist Daoismus.
Chen-Stil ist ein Verkaufsstil, der auf das Original eine ganze Menge mehr draufgeschnallt hat und die KK fast oder gar nicht mehr ausübt. Das ist nur eine Feststellung.
Chen Xiaowangs Person, wieder eine andere Baustelle. Sein Verdienst in allgemein in der KK-Welt bekannt und steht für mich außer Frage.
Innerer und äußerer Stil ist eine Rezeption und Verfälschung aus der Qing-Dnastie. In der Ming-Dyn gibt es lange und kurze Stile - man sollte unbedingt beides erlernen, hört man in der Ming-Zeit. Heute herrscht über diese Zusammenhänge massive Verwirrung.
Was heute die KK der MMA-usw nicht versteht ist, daß die ganzen inneren Vorgänge aus einer Praxis kommt, die vom Schlachtfeld stammt.
Menschen, die viele andere Menschen mit Blankwaffen getötet haben, die haben gewöhnlich eine ganze Reihe von psychischen Problemen. Das fängt in der Regel klein an und wird mit der Zeit eher furchtbar. Menschen, die nicht andere Menschen zerhackt haben, können das nicht verstehen - solche zivilisierten Menschen finden auch Gewalt*****graphie in Hollywoodfilmen gut . . .
Diese schrecklichen inneren Zustände in den Griff zu bekommen, dazu dient historisch zum Großteil die innere Alchemie. Diese kommt aus dem Schamanismus und hat sich zu einer Reihe von Körper-Geist-Übungen weiterentwickelt.
Auf der anderen Seite dient die innere Alchmie der Entwicklung von Kampfgeist und vor allem Mut zum Zuschlagen - weil man sich zum Teil von dem zivilisierten Schranken der gesellschaftlichen Konditionierung lößt (diese war und ist in China stärker als bei uns). Somit kann man durch das Üben der inneren Alchmie durchaus schneller und kampfbereiter werden, weil man unmittelbarer agieren lernt. Das hören Müsli-Taiji'ler nicht gerne, denn es paßt nicht in ihr Weltbild.
Man kann sich im Yoga durchaus von Licht und Luft ernähren - keine Frage - nur wird der Körper dabei sterben, was einem Yogi irgendwann nicht mehr so wichtig ist. Was heute als Yoga verkauft wird ist eher Neomanie-Körper-Eitelkeitskult, also genaus das, was im Hinduismus als Täuschung bezeichnet wird (Maya, das begrenzte, verblendete, irregeführte Ich). Wenn man so will ist die heutige Rezeption des Yoga das reinste Kali-Yuga - Yoga ist ja auch bei uns durch die Beatles bekannt geworden - nicht durch mythsiche Erkenntnis.
Die heutige Taiji-Form ist ein Derivat, ein Rest der früheren militärischen Praxis. Ohne den Blick auf die historische Entwicklung bleibt einem nur die verklärte 68-Grüne-Müsli-Wahrnehmung.
Fechtergruß
Simplicius
09-03-2012, 11:40
Chen Xiaowangs Person, wieder eine andere Baustelle. Sein Verdienst in allgemein in der KK-Welt bekannt und steht für mich außer Frage.
Worin besteht denn Deiner Meinung nach sein Verdienst?
Wenn Du allerdings tatsächlich schon "Stufe 1" gemeistert hast, dann hast Du ja schon irgendeine Wahrnehmung (keine Einbildung) von Energie und kannst die auch teilweise durch Körperkorrektur und Lösen in die Gliedmaßen lenken.
So wie Du dann am Anfang des Erlernens der Form darauf geachtet hast, wo wann sich Deine Körperteile äußerlich im Raum befinden, kannst Du auf dieser Stufe beginnen, darauf zu achten,
ob die aus der Körperstruktur und –Haltung resultierende Energieverteilung den Anforderungen entspricht.
Diese angeblich so abgehobene Theorie ist also nix anderes als eine pragmatische Handlungsanweisung, um innere Bewegung und äußere Bewegung zu harmonisieren und gibt z.b. auch das Timing der Schritte vor.
Genau das ist die Art von konkretem Ansatz, den ich bevorzuge. Nur weil ich aber genau das in den Berichten und Büchern von JS vermisse, heißt es doch nicht, daß ich ihn schlecht mache.
Wie gesagt, ich betreibe das Ganze seit gut 2 Jahren und bin eben genau an jenem Punkt, an dem ich merke, daß da mehr dran und vor allem drin ist als zuvor vermutet... Und ich verspüre den Wunsch nach mehr Führung in dieser Phase. Und genau die fehlt mir an jeder Ecke.
Nicht umsonst lese ich gerade so viel über das Thema innere Energie... Allerdings finde ich meist nur metaphysische Umschreibungen, die nicht im Ansatz das einfangen oder besser beschreiben, was ich innerlich empfinde. Ich selbst kann es sicherlich nicht besser beschreiben, aber man muss doch erwarten können, daß jemand wie JS mehr als Anekdoten oder das eintausendste Mal die Philosophie von Yin und Yang zu erzählen haben, wenn die Frage aufkommt: "Was fange ich mit dieser inneren Energie an?"
Begriffe wie Yin und Yang bedeuten mir persönlich überhaupt nichts. Ich verbinde mit meiner inneren Energie eher Farben und geometrische Formen.
Da bläht sich etwas auf, wird rund, danach plötzlich spitz oder eckig, blau, rot, grün... Aber ich habe keine Ahnung wieso und vor allem nicht was davon "korrekt" un was davon "falsch" ist. Trage ich solche Empfindungen einem Lehrer vor, wird dieses vielfältige Spektrum wieder nur auf die graue Theorie von Yin und Yang reduziert, sodass ich den Eindruck bekomme, daß mir die Wahrhaftigkeit dieser Empfindungen abgesprochen wird.
Verständlich, daß man da recht schnell frustriert und auch ungerecht wird. Und dennoch geht es meiner Ansicht nach nicht um die Eitelkeit derer wegen sich einige in diesem Segment in Szene setzen, sondern um die Vermittlung echter Lehrinhalte. Und letztere kommt meiner Ansicht nach bei all den sich wiederholenden Phrasen um Yin und Yang eindeutig zu kurz.
Wenn du Lehrer wärst (vieleicht bist dus ja, wer weiß?), was würdest du mir raten, wenn ich zu dir käme und frage: Ist das korrekt, wenn ich etwas eckig blaues empfinde, wenn ich bei "shan tong bei" in der Körperrotation kurz vor "yan shou gong quan" bin?
Normalerweise läßt man mich die Bewegung ausführen, korrigiert meistens meinen linken Arm bei der Drehung etwas (lasse den immer etwas sinken - was an der inneren Empfindung aber kaum etwas ändert) und erklärt mir dann wenns hoch kommt die Yin und Yang Kreisläufe in dieser Bewegung... das wars. Aber auf das was ich sage einzugehen? Fehlanzeige. Also ist das eckige und blau korrekt oder soll ich es innerlich eher "abrunden" oder "rot" werden lassen? Zeige ich dann, was ich meine, sehe selbst ich bei der Betrachtung des eigenen Videos kaum Unterschiede, aber innerlich ist das eine ganz andere Gefühlswelt... also was ist korrekt? Und in wiefern spielt das überhaupt eine Rolle, wenn man davon außen sowieso nichts sieht?
Wie du siehst, bin ich zu Zeit in einer sehr schwierigen Phase, in der ich keine Ahnung habe, wo es hingehen soll. Und jeder an den ich mich wende sagt mir entweder nur, daß ich einfach weitermachen oder daß ich nicht so viel nachdenken soll, gibt mir aber gleichzeitig das Gefühl, daß er/sie überhaupt nicht verstanden haben, wovon ich da gerade spreche. Ich habe allerdings auch nicht die Kohle um zig Seminare zu besuchen, in denen die Einzelunterweisung eh zu kurz kommt und in denen ausser äußerlichen Korrekturen wieder nur die selben Sätze fallen. Vieleicht kannst du nun meinen Unmut etwas besser verstehen - Und auch meine evtl. törrichte Suche nach Wahrhaftigkeit in besagten Büchern.
Es wird immer gepredigt, daß der Lehrer im Taijiquan sehr wichtig zur Vermittlung der Inhalte ist. Bislang habe ich nur die Erfahrung gesammelt, daß alle genau dann versagen, wenn es um die innere Arbeit geht. Form korrigieren, Bewegungen millimeter genau anpassen, alles kein Thema, aber sobald es um innere Wahrnehmung geht, kommen wie auswendig gelernt wieder und wieder Yin und Yang Beschreibungen ohne Ende - Mit dem lebendigen, was in einem drinnen stattfindet hat das rein garnichts mehr zu tun.
@Richard22
Deine Ausführungen klingen zwar ernüchternd, aber igendwie auch nach genau dem Prakmatismus den ich von Taijil'ern gerne öfter hören würde - mich eingeschlossen.
Simplicius
09-03-2012, 12:02
Wenn du Lehrer wärst (vieleicht bist dus ja, wer weiß?), was würdest du mir raten, wenn ich zu dir käme und frage: Ist das korrekt, wenn ich etwas eckig blaues empfinde, wenn ich bei "shan tong bei" in der Körperrotation kurz vor "yan shou gong quan" bin?
und wo im Körper ist das lokalisiert?
Das kann ich nicht veralgemeinern. Mal schleicht sich so etwas den Nackenbereich hoch, mal sitzt es tief im Bauch, mal in beiden Ellenbogen usw usw... In diesem konkreten Fall würde ich sagen es schnellt zwischen den Schulterblättern nach oben - Nur während der Drehung - Danach "zerfällt" "es" sofort wieder um direkt darauf in Yan Shou gong quan von etwas ovalem ganz schwach glimmendem im Unterbauch ersetzt zu werden... so ist das die gesamte Form über (an manchen Tagen sehr deutlich, an anderen fast überhaupt nicht). Mal hier mal dort und in keinem Fall könnte ich sagen "Das ist korrekt!" oder "Das ist falsch!" ... Mag ja auch sein, daß das eben nur besagte Energieeinbildungen sind, aber es wäre halt schön, wenn man irgendwas dazu sagen könnte.
Richard22
09-03-2012, 13:16
CXW zeigt seine Formen öffentlich und reist um die Welt und unterrichtet. Das ist doch schon eine ganze Menge.
Eigene Wahrnehmungen beim Taiji sind eher unwichtig. Der Fluß stellt sich ein, ist erst einmal etwas Besonderes. Später kommt er Dir völlig normal vor und läßt sich auch im Alltag nicht abstellen. Fehlt er, fühlst Du dich krank oder wirst krank.
Wichtig ist den Fluß am/mit dem Partner zu üben - und wahrzunehmen, welche Reatkion Partners Fluß bei Dir auslöst. Dazu mußt Du zuhören lernen. Die Wahrnehmung des eignen Flusses ist die erste Stufe, um zuhören zu lernen. Wer das nicht unterrichtet - der läßt eben 99% des Taiji aus.
Bei den Standübungen ist es Ziel den Punkt zu finden, der nicht mehr Yin oder Yang ist.
Bei den Partnerübungen auch - aber das ist schon eine Hausnummer.
Echte Lehrinhalte stellen sich ein, wenn Du auch echt übst - also mit einem Partner, der auf Dich einwirkt. Eine Holzpuppe ist ebenfalls historisch und klasse.
Ist Deine Übung nur im Park gegen Luftwiderstand - dann bleiben Deine Übungsinhalte auch Luftwiderstand. Damit will ich nicht tippen, das Formen im Park mies sind - nur für sich alleine genommen sind sie eher mau. Im Verbund mit Partnerüben super!
Das Ziel ist es jede Form von Gegensatz zu verstehen und zu neutralisieren - auch die eigene Schwäche in dieser oder jeder Haltung/ Bewegung. In den Formen kann man nur damit anfangen, wenn man eine Ahnung hat, um was es bei den Bewegungen geht.
Hat man das nicht, daß ist man wie ein Student der finnischen Sprache, der die Lettern von einem Blatt abliest, ohne auch nur den leisesten Verdacht zu haben, was man gerade da stammelt.
Die Wahrnehmungen der Enerige ist keine Einbildung, sondern Übungsinhalt.
Fechtergruß
Eigene Wahrnehmungen beim Taiji sind eher unwichtig. Der Fluß stellt sich ein, ist erst einmal etwas Besonderes. Später kommt er Dir völlig normal vor und läßt sich auch im Alltag nicht abstellen.
Aber genau das ist ja mein Problem. Wenn solche Wahrnehmungen unwichtig sind, wieso lassen sie sich dann durch minimale Eigenkorrekturen so dramatisch verändern, wie ich das momentan erlebe? Und woher soll ich wissen, welche "Richtung" ich dabei einschlagen soll? Im Klartext habe ich pro Bewegung zahllose Möglichkeiten auf irgendeine Weise diesen Energiefluß zu manipulieren, ohne das ich davon aber äußerlich großartig was erkennen kann. Das sind mimimale Bewegungen in der Hüfte und schon ändert sich innerlich alles. Nur welche "Version" ist nun die korrekte? Oder sind alle korrekt? Wie soll ich eine Form üben, wenn der eine Lehrer mich so korrigiert, daß ich innerlich das Gefühl von "gelblich" bekomme, während der andere es so korrigiert, daß es sich eher "violett" anfühlt?
Wie ist die korrekte innere Bewegung? violett oder gelb? Darauf finde ich keine Antwort.
Trinculo
09-03-2012, 14:50
Korrekt ist die, die am meisten Wirkung erzeugt. Der Rest ist unwichtig.
Simplicius
09-03-2012, 15:14
CXW zeigt seine Formen öffentlich und reist um die Welt und unterrichtet. Das ist doch schon eine ganze Menge.
Da unterrichtet er aber das, was Du als "Verkaufsstil" bezeichnest und verbreitet nur das Taijiquan, das Du als "tot" bezeichnest.
Oder hat das jetzt doch was mit Kampfkunst zu tun?
Simplicius
09-03-2012, 17:26
-
Kamenraida
09-03-2012, 17:29
Trainiere einfach weiter oder lass es bleiben.
Der beste Satz im ganzen Thread.
Das hört sich nach eher sprunghaften visuellen Wahrnehmungen an.
:D Kann ich verstehen, daß man genau das denkt. Deswegen halte ich mich mit solchen Äußerungen auch gerne zurück... Ich kann dir aber versichern, daß es keine visuellen "Erscheinungen" sind. Scheint jedem zu abgehoben was ich da immer labere... wahrscheinlich traut sich deswegen auch niemand dran...
Ich weiß nur nicht, wie ich es besser ausdrücken soll. Das hat aber natürlich immer haptischen Charakter und es hat nichts mit "Sehen" sondern immer mit Spüren zu tun. Nimm anstatt Farben meinetwegen Temparatur... Rot steht für Wärme, Blau für Kälte... vieleicht wird es dann einfacher zu verstehen, was ich meine. Kalt kann aber durchaus etwas weiches haben, deswegen "rund". Warm kann heiß werden, deswegen "eckig" oder "spitz"... All das hat jeder schonmal gefühlt, nur wenige versuchen all die Nuancen ihres Empfinden aber zu formulieren... aber durch das intensive in sich hineinhören bei Taijiquan fängt man halt an dem ganzen eine Begrifflichkeit zuzuweisen. Bei mir sinds eben Farben und Formen - (Hab zu viel über Flow-Forschung gelesen und mich seit jeher daran orientiert - mittlerweile empfinde ich es eben so). Bei anderen Yin und Yang und wieder bei anderen Wärme und Kälte oder Leere und Schwere. Ich bin mir nur oft unsicher wie sich meine Empfindungen auf die anderen transkribieren lassen... ist Schwer = rot? Ich würde sagen ja, aber sicher bin ich mir nicht.
Ich denke allerdings, daß das hier in dem Rahmen nur weiter zu Verunsicherungen bis zur totalen Ablehnung führt, wie man am letzten Post von Kamenraida deutlich merkt. Sowas möchte ich nicht, also lassen wir das Thema besser.
Dennoch danke für deine Ausführungen... ich glaub da kann ich einiges für mich herausziehen und auf meine "Muster" übersetzen ;)
Simplicius
09-03-2012, 18:17
-
Etwaige Übersetzungsfehler sollte man nicht überbewerten oder versuchen darin einen Sinn zu finden.
Jan hat vom Chinesischen ins Deutsche übersetzt.
Später wurde der Text ins Englische übersetzt.
Ich denke, dass diese Übersetzung aus dem Deutschen erfolgte.
Als Übersetzerin wird Christina Schulz genannt.
Zwischen den beiden Übersetzungen liegen ca. 6 Jahre.
Einfach mal Jan und anschreiben und ihm das "Problem" schildern.
Schönes Wochenende
F.
Yangshuo
09-03-2012, 18:40
Bist du beim Üben in einem Trancezustand?
YS
@simplicius
Synästhesie war ursprünglich auch mal meine erste Idee. Aber wie gesagt, sehen tu ich da nix... aber schwache Synästhesien wie das mit rot=warm blau=kalt unterstelle ich eh jedem Menschen - oder wie ist das bei euch?
Ich finds jedenfalls immer extrem hilfreich, wenn andere ihre subjektiven Gefühlserfahrungen schildern. Sicher muss man dann - wie du richtig sagst - vorsichtig sein sich darin nicht zu verfangen... aber deine Äußerungen in der Richtung sind alles andere als irritierend oder verwirrend. Mein Geschwätz über Farben und geometrische Formen wünsche ich aber niemandem, der auf der suche nach abgleich ist :D
@yangshou
Nein, ich bin voll da... wie sagt cxw so schön? 50% denken, 50% fühlen... das versuche ich... auch wenn das nicht immer hinhaut; ich denke zuviel :)
Aber die frage finde ich total interessant.
Ich denke in Trance eine form zu laufen macht kaum einen Sinn, weil eben selbige vorhanden sein sollten um konzentriert zu sein. Wie seht ihr das?
P.s. sorry für die falsche groß klein schreibung... ich schreib grad mit Touchhandy, geht nicht so super :)
Yangshuo
09-03-2012, 20:34
wie sagt cxw so schön? 50% denken, 50% fühlen... das versuche ich... auch wenn das nicht immer hinhaut; ich denke zuviel :)
Ich kenne es eher so
0% Denken, 50% Wahrnehmung innen, 50% Wahrnehmung aussen
YS
Ist dann immer die frage was man mit denken meint. Ich meine damit Konzentration auf meine Bewegungen.
Cxw: "Half the mind concentrates on the movement itself, the other half of the
mind is empty or open"
Der beste Satz im ganzen Thread.
Ich fand den von Trinculo besser ! :D
Gruss
Yangshuo
09-03-2012, 23:48
Ist dann immer die frage was man mit denken meint. Ich meine damit Konzentration auf meine Bewegungen.
Cxw: "Half the mind concentrates on the movement itself, the other half of the
mind is empty or open"
'yi' ist nicht denken.
'open mind' ist auch kein denken.
Was bleibt ist etwas sehr Einfaches.
Wenn dein Lehrer nicht zu sehr darauf eingeht, kann es evtl auch den Grund dafür geben, dass er nicht will dass du dich da reinsteigerst.
Wuji, Wuwei etc ist gedankenlos. Nach dem Training sollten im Idealfall alle Gedanken für eine gewisse Zeit ganz verschwinden. Einfach nicht da. Wolke sieben mit totalem überblick.
Kann sein, dass die Farben und Formen eine Art Lösungsprozess ist. In deinem Nervensystem (Muskuläre verspannungen) festsitzende Emotionen oder dergleichen. Lass es an dir vorbei ziehen wie die Gedanken in der Meditation.
YS aka Laozi :D
Simplicius
10-03-2012, 06:51
Cxw: "Half the mind concentrates on the movement itself, the other half of the
mind is empty or open"
Bezüglich des Energiegefühls ist IMO eher der zweite Teil wichtig.
Richard22
10-03-2012, 07:34
Naja, niemand versucht mit dem, was CXW unterrichtet, KK zu betreiben - und CXW legt auch irgends da, das er KK unterrichtet. Ich sehe da keinen Konflikt. Chen heute hat mit dem historischen Original nicht viel gemein, was auch keine Zwistigkeit ist.
Diech, ob gelb, grün oder blau oder violett, das ist völlig willkürlich. Das ist auch nicht abgehoben, das ist völlig normal.
Subjektive Gefühlserfahrungen kann man nicht teilen, weil sie nunmal subjektiv sind.
Stelle ich vor einen Türrrahmen, drücke in einer beliebigen Stellung etwas in Höhe deines Solarpelxus mit einer Hand dagegen. Halte diese Bewegung 30 min bei, versuche die Reaktion deines Druckes in den Türrahmen möglichst widerstandslos in deinem Körper aufzulösen/zu halten/ zu verteilen.
Meide jede Assoziation - sie macht dich im Gefecht langsam. Du hast später keine Zeit für Zuordnungen, der Fluß wir immer unbewußter.
Läüft das mit dem Türrahmen gut, führe es in einem höherem Stand aus, dann in einem tieferen Stand.
Betrachte alle deine Sinnesäußerungen als etwas vollkommen Willkürliches. Dennoch gibt es bei der Übung etwas Objektives - den Druck, den du erzeugst und der als Reactio auf dich einwirkt. Versuche den Druck nicht zu beurteilen - lasse ihn einfach geschehen. Komme innerlich zur Ruhe.
Fechtergruß
Kamenraida
10-03-2012, 10:26
Diech, ob gelb, grün oder blau oder violett, das ist völlig willkürlich.
Grün? Super-Grün!! (Korben Dallas)
Simplicius
10-03-2012, 10:56
Naja, niemand versucht mit dem, was CXW unterrichtet, KK zu betreiben - und CXW legt auch irgends da, das er KK unterrichtet. Ich sehe da keinen Konflikt. Chen heute hat mit dem historischen Original nicht viel gemein, was auch keine Zwistigkeit ist.
Und worin besteht dann der Verdienst von CXW um die KK?
Jan Siberstorff betreibt keine Kampfkunst?
Immer noch kein Konsens zu den sieben Ebenen der fünf Gerechten der vier Winde ?
@yangshou
Auch wenn ich offensichtlich eine andere Auffassung von denken habe, so zeigen mir deine Ausführung, dass wir das selbe meinen.
Genauso praktiziere ich das ... einfach vorbeiziehen lassen. Am ende fühle ich mich grundsätzlich sehr frei und ich würde rein subjektiv "energetisch aufgeladen" sagen... nur in letzter Zeit war ich halt mehr und mehr verunsichert, ob man mit diesen Empfindungen irgendetwas anfangen muss. was du und auch Richard schreibt bestärkt mich wieder mehr loszulassen... mehr geschehen zu lassen.
@Richard22
Das geht in die selbe Richtung wie yangshou... das mit dem gegendruck aufbauen und umlenken mithilfe von Türrahmen klingt gut. zumindest eine gute Grundübung... könnte mir auch vorstellen, dass einem sowas beim pushen weiterbringt... hab da leider nur sehr wenige Chance zu.
@primo
der letzte Spruch von kamenraida ist noch besser :)
petepunch
10-03-2012, 13:25
hier gehts so viel um einbildungen und gedankenkram, und so wenig um bewegungen und übungsformen, daß ich mich frag, ob ich hier noch im ...-chuan-forum bin oder woanders.
und auch im stil, um den es hier geht, sagte man mir, gibt es auch noch andere meinungen als die von zwei menschen.
pete
Simplicius
10-03-2012, 17:36
und auch im stil, um den es hier geht, sagte man mir, gibt es auch noch andere meinungen als die von zwei menschen.
Dann kannst Du ja sicher diese abweichenden Meinungen hier kurz skizzieren?:)
petepunch
11-03-2012, 07:40
na, ich mach ja auch noch andere kk und bin kein taichi experte. am anfang heir stand ja alles ganz rund. alle meister haben halt so trainings abfolgen geschrieben, mein taichi lehrer meinte, chen zheng lei hätte 10 zum beispiel. das macht ja auch alles sinn, aber vielleicht sollte man einfach mal die kommentare weg alssen :rolleyes: ansonsten muss man auch sehen, dass die herren hier für ihrr art von chen alles schreiben, was ja ok ist, nur ist es nicht für alle bindend und auch nicht für ihren ganzen stil, es gibt es halt auch noch andere leute in dieser tradition, die ganz anders trainieren.
pete
Oliver 101
20-03-2012, 13:03
Ja, du hast recht, Thomas.
Das Video spricht ohnehin für sich.
Mich würde dann aber noch interessieren was die Experten zu folgendem Video sagen.
War der Großmeister zu diesem Zeitpunkt seines Lebens auch schon auf dem 5. Level angelangt?
2QlKVog58WE
Zumindest nicht in Bezug auf das was man da sieht. Sieht aus wie der Versuch, darzustellen "wie Taiji im Kampf aussieht", obwohl es eben genau so nicht aussieht. Wie sowas aussieht, sieht man eher bei den Mas oder bei manchen Sam Chin Videos. Ich frage mich langsam wirklich, ob da nicht bei manchen einiges verloren gegangen ist. Die grausame "Rekonstruktion" mit Würfen aus dem Sanda macht mir ein bischen Kopfweh. Ab einem bestimmten Level sollte man das Gleichgewicht verlieren sobald man denjenigen anfasst, sonst ist das Gurkerei mit Rumschubs. Das angeblich unsägliche Video wo Li CXW beim Mittagessen herausgefordert hat zeigt tatsächlich einen völlig passiven CXW der nur einmal ganz am Anfang macht was er könnte, und ansonsten nur zusieht dass er stehen bleibt. Und das gelingt ihm ganz gut.
Shenming
20-03-2012, 16:42
Wenn ich das schon höre, "Rooting"?
Was soll das sein? Im traditionellen Neijia Gong Fu gibt es dieses Konzept nicht. Wozu auch?
Dass er standfest ist sieht man, aber was nützt das in einem Kampf?
Dadurch wirst du höchstens unbeweglich, kann man bei vielen "Rooting" Jüngern beobachten.
Was niemals hätte passieren dürfen, wenn er wirklich so gut ist wie manche glauben, sind die heftigen Schubser, die er einfach kassiert.
Dieser Umstand alleine, disqualifiziert ihn bei jedem der etwas von der Materie versteht.
Taijiquan ohne Wurzeln ist wie ein Haus ohne Fundament...
Viele Grüße,
Shenming
T. Stoeppler
20-03-2012, 16:44
Ich habe aufgeräumt, einen neuen Thread eröffnet "Yiquan pushing hands" und werde das hier vorerst schliessen - es sei denn, jemand kann etwas zur Ursprünglichen Fragestellung beisteuern - dann PN an mich bitte.
***closed***
Gruss, Thomas
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