Traditionell ?? [Archiv] - Kampfkunst-Board

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Vollständige Version anzeigen : Traditionell ??



Deshi
27-02-2002, 14:28
Hi,
wenn ich so im Web stöbere, lese ich immer wieder " wir machen Traditionelles XY o.ä.".
Was ist den nun traditionell?

Sebastian
27-02-2002, 15:10
Shotokan Karate ist traditionelles Karate! ;)

WuDao
27-02-2002, 15:23
Hi Kid,

heutiges Shotokan Karate war mal traditionelles Karate! :o :p

Deckard
27-02-2002, 15:47
Hmmm....

Nennen wir es abgestoppte Techniken!

Frostvater
27-02-2002, 22:00
"Was ist denn nun traditionell?"

Tja. Exzellente Frage.
Rollen wir die Sache mal von hinten auf:

- Mas Oyama (um mit einem bekannten Beispiel zu beginnen) hat ins Karate den Vollkontakt-Wettkampf eingeführt, zusammen mit Techniken, die anderen asiatischen KK entlehnt waren. Ergo: Kyokushin Karate ist nicht traditionell.

- Gichin Funakoshi, in dessen Schule Oyama lernte, löste Karate aus seinem okinawanischen Kontext heraus und schuf "seinen" Stil. Ergo: Shotokan Karate ist nicht traditionell.

- Itosu Yasutsune, einer der Lehrer Funakoshis, begann, Karate öffentlich zu unterrichten. "Doch damit löste er auch eine Woge des Protestes der Stilvorstände aus, die Itosus Konzept als Verrat an der Tradition bezeichneten, denn Itosu hatte ein Karate geschaffen, das kämpferisch entschärft und gesundheitsfördernd war." (W. Lind: Okinawa Karate. Geschichte und Tradition der Stile. Berlin 1997, S. 78.) Ergo: Itosus Karate war nicht traditionell.

- Itosu Yasutsunes Lehrer war Matsumura Sokon; er unterrichtete eine Mischung aus Shaolin-Quan, Shuri-Te und Jigen-Ryu (ebd., S.76). Ergo: Matsumuras Karate war nicht traditionell.


usw.usw.
See what I mean?


Es gibt kein traditionelles Karate. Alles ist im Fluß, nichts bleibt stehen - oder, wie Jet Li so schön sagt: "Die Welt ist rund." Und das gilt für die technische Seite der KK genauso wie für ihre geistige Dimension. Immer wieder wird das moderne Sportkarate als untraditionell angegriffen - aber entspricht die moralische Komponente, die Funakoshi seiner Kunst beimaß, der nackten Realitätsbezogenheit der okinawanischen KK des 17. Jahrhundert? Daran würde ich zweifeln.

"Traditionell" ist ein Schlagwort geworden, eine Waffe in der verbalen Auseinandersetzung, um andere Stile zu diskreditieren - nichts weiter.

Manche Leute reden nicht und trainieren sehr hart - sie machen gutes Karate.
Manche Leute reden sehr viel und trainieren nicht - sie machen schlechtes Karate.

Das ist alles.

OSU!

Sixt
Enshin Karate Tübingen

Michael1
27-02-2002, 22:00
"traditionelles xy" ist leider eine ziemlich schwammige Beschreibung, denn tradition bedeutet ja Überlieferung oder auch Herkommen, Brauch, Gewohnheit. Eigentlich fehlt bei "traditionelles xy" also der Zusatz welcher Überlieferung man folgt.

Goshinsatori
28-02-2002, 06:07
HI,

@Karate-Kid
WuDao sagt es......Shotokan ist Sport, hat heute mit Tradition nichts mehr zu tun.
Ich weiß nicht wie du darauf kommst....

@Michael1
Die Frage ist überhaupt nicht schwammig.......
Sagt doch einfach mal, was ihr unter traditionellem versteht.
Welcher Stil spielt doch dabei gar keine Rolle.

Michael1
28-02-2002, 10:09
@Goshinsatori:
Es geht auch nicht (nur) um Stile, aber du findest starke unterschiede je nach dem ob du dich auf "japanisches" Karate und seine Vertreter fixierst oder ob du Okinawa mit seinen Vertretern als traditionell betrachtest, auch eine Yoshitaka-Tradition läßt sich ausmachen.
Auch gibt es japanische Lehrmeister die chin. Einflüsse berücksichtigen/zugeben und solche die diese Herkunft schlichtweg verleugnen oder nichts darüber wissen. Dies hat mit den über große Zeiträume sehr schlechten Beziehungen zwischen Japan und China zu tun. Zunächst war Karate in Japan etwas "unjapanisches" und böses, dann wurde es zu etwas japanischem und gutem, gleichzeitig wurden jedoch die chinesischen/okinawanischen Einflüsse/Ursprünge bei vielen verleugnet.

Ich trainiere seit einiger Zeit öfter in einem Verein der schwerpunktmäßig "traditionelles Karate" lehrt. Hierzu gehört allerdings der Zusatz "traditionelles Karate im Sinne von Kase" (so wie dieser es heute seinen Schülern lehrt). Infolge dessen nennt sich die Gruppe also Shotokan ryu Kase Ha.

Goshinsatori
28-02-2002, 10:15
@Michael1

also es geht doch.
Im zweien Absatz beschreibst du, was DESHI wissen wollte.
Was hat das also mit SCHWAMMIG zu tun??

Kempo-Schüler
28-02-2002, 13:16
Hi, wie wäre es mit "Originärem" Karate. Passt besser als Traditionell finde ich.
ossu
Kemposchüler

WuDao
28-02-2002, 13:36
Hallo Kempo-Schüler,

deine Art zu fragen und Antworten zu geben werfen bei mir eine Frage auf.
Kann es sein, dass du zufälligerweise einer von diesen dreien bist ?

http://www.shoto-kempo-ryu.de/photos/werner1.jpg
http://www.shoto-kempo-ryu.de/photos/klaus1.jpg
http://www.shoto-kempo-ryu.de/photos/Ulli4.jpg

Falls es dir unangenehm ist, die Frage öffentlich zu beantworten, dann - falls du es überhaupt wünschst - per PN.

Danke und sorry für meine Neugier.

Deshi
03-03-2002, 09:04
Hi,
sind wir doch mal ehrlich, so etwas wie "traditionelles Karate" gibt es doch garnicht.
Das worauf die meisten Leute sich berufen z.B. " Orginal Shotokan"( ist nur ein Beispiel, weil nun mal am verbreitetsten) hat doch mit dem was Funakoshi Sensei im Sinn hatte nichts zu tun.
90 % ist doch nur moderner Ausdruckstanz.

Deshi

Kempo-Schüler
04-03-2002, 23:36
Hallo WuDao,
du bist gut im recherchieren.:D Sorry das ich erst jetzt antworten kann. Hatte einiges zu tun.
Leere mal deinen Mailkorb, denn ich wollte dir eigentlich ne PN schicken, geht aber nich, weil dein Fach voll ist :(
ossu
Kempo-Schüler

Lino
15-04-2002, 23:25
Zum Thema "Ausdruckstanz" muss doch erwähnt werden, dass die Schüler von Meister Funakoshi auch nicht viel Kumite - und erst recht kein freies - trainiert haben.

Lino

Deshi
16-04-2002, 08:04
Hi Lino,

ja aber der wuste noch was er erzählt bzw. macht.
Schau doch mal Heute in die Dojos derer die " Traditionelles" irgend was machen, 90 % derer weiss doch garnicht was sie da machen egal ob Kumite oder Kata.

Deshi

Dojokun
16-04-2002, 11:47
Hallo Leute!


Ich denke, traditionell ist, wenn es überhaupt ernst gemeint ist, auf die geistige Einstellung zu beziehen.

Ich betreibe Shotokan und halte mich für traditionell, da ich versuche, Karate als WEG (Do) aufzufassen und damit der Tradition zu folgen, dass Karatedo mehr ist als Kihon, Kata und Kumite.

Der Leitsatz der JKA weißt schließlich auch auf die Vollendung des Charakters hin.

Wahres (traditionelles) Karatedo beginnt dort, wo die Technik aufhört...



Oss

Dojokun

weudl
04-05-2002, 12:03
Das Entscheidende ist, welchen Zeitpunkt man als Maßstab für die Beurteilung heranzieht und auf welche Tradition man sich bezieht. Man kann sich zB auf Itosu, Funakoshi, Yamaguchi, Oyama oder wen auch immer beziehen und versuchen, dessen Karate zu bewahren ohne die seit damals geschehenen Änderungen mitzumachen.

Das heißt, traditionell bedeutet etwas Vorgegebenes zu bewahren und zu konservieren. Ob diese Vorgabe 100 Jahre oder 5 Jahre alt ist, ist eigentlich nebensächlich.

Wenn man sich aber nun auf einen Meister bezieht, dann ist natürlich auch entscheidend, welche Schaffensperiode des Meisters man auswählt. So unterscheidet sich zB Funakoshis Karate von 1920 doch sehr vom Shotokan zur Zeit seines Todes. Der entscheidende Punkt ist aber der, dass man dieses frei gewählte Ideal bewahrt, ganz gleich von wann und von wem es entstammt.

Gruß
Weudl