Vollständige Version anzeigen : Kobudo Frage: Bo in Mittelhaltung
Jadetiger
16-07-2012, 12:53
Hi Leute,
ich hab mal eine Frage an die Kobudoexperten.
Mir ist aufgefallen, dass im japanischen (Edit: okinawanischen) Bo die Mittelhaltung extrem stark im Fokus zu stehen scheint.
Okinawa Kobudo (http://www.youtube.com/watch?v=NXUBkVQe-xc&feature=player_detailpage#t=72s)
Das macht einen wesentlichen Unterschied zu z.B. chinesischem Kung Fu/Wushu (http://www.youtube.com/watch?v=ZHvvEKpkLw4&feature=related) aber auch zu europäischen Kampfkünsten wie Jogo do pau (http://www.youtube.com/watch?v=EY5LOGtefAc), bastone siciliano (http://www.youtube.com/watch?v=jpXBhbqwUTo) (Anmerkung: in diesem Video haben die Stöcke eher Jo-Länge es gibt aber z.B. auch den Bastone Riali, der fast so lang wie ein Bo sein kann) oder dem Langstock der afrikanischen Suri (http://www.youtube.com/watch?v=Q4RPk02oxp0&feature=results_video&playnext=1&list=PLCD4A3FFE60D1AA55).
Warum wird die Mittelhaltung so stark in den Mittelpunkt gestellt? Welche Überlegungen stecken dahinter?
Ich würde mich über ein paar informative Kommentare sehr freuen.
Gruß,
Jadetiger
Mir ist aufgefallen, dass im japanischen Bo die Mittelhaltung extrem stark im Fokus zu stehen scheint.
Du sprichst von japanischem kobudo, hast aber ein Video mit okinawanischen kobudo gepostet. Das sind ja aber zwei sehr unterschiedliche Bereiche.
Worum genau geht es dir denn?
Hier ein Video einer japansichen koryu. (http://www.youtube.com/watch?v=cThkknfYY9s&feature=player_detailpage) Ich denke, der Gebrauch des bo, wie er hier zu sehen ist, ist nicht untypisch.
Jadetiger
16-07-2012, 14:08
Sorry für die Ungenauigkeit. Okinawa gehört ja politisch gesehen zu Japan.
Es geht mir um Okinawa Kobudo (wie im Video gezeigt). Ich habe mit dem Bo persönlich bisher nur in einer Schnupperstunde Okinawa Goju-ryu praktische Berührung gehabt und da ist mir das oben Beschriebene aufgefallen.
Okinawa gehört ja politisch gesehen zu Japan.
Jup, aber japanisches ko budo und okinawanisches ko budo sind historisch und auch technisch zu unterscheiden. (Z.B. scheinbar auch in diesem Aspekt.)
Danke für die Erläuterung!
DerUnkurze
16-07-2012, 15:19
Na dann sollte es ins Karate/Kobudo Forum ;)
ich bin mal so frei und schiebs hin
DerSchleifer
16-07-2012, 15:41
Na ja. Bis zu einem gewissen Punkt war es ja auch auf Okinawa üblich den Stock wie in den chinesischen System zu führen (3/4 zu 1/4 Haltung). Heute sieht man das ja noch sehr gut im Yamane-Ryu. Eine klassische chinesische Stockführung.
Kobudo war ja sehr lange Zeit fast tot und wurde von Shinken Taira ja fast völlig neu wieder zusammengetragen. Ich denke das die japanischen Kobudo-Systeme einen relativ großen Einfluss auf diesen Prozess hatten und dieser Einfluss auch in der okinawanischen Geschichte sicherlich eine Rolle gespielt hat. Ich schätze mal das dies einer der Gründe für die 2/3-Haltung ist.
Achtung unqualifizierte Meinung, also nur eine Vermutung von mir:
Ich denke der Wert liegt einfach auf Kihon und dem Erlernen der Mechaniken dahinter. Das sind m. M. kontrollierte Varianten zum Üben. Denn einen vollen Schwung mit der ganzen Länge zu kontrollieren(abzustoppen) ist fast unmöglich.
Sobald halbwegs 'frei' gekämpft wird, wird eigentlich fast immer die Länge des Stocks ausgenutzt. Es wäre auch unsinnig es nicht zu tun.
KoryukanChemnitz
17-07-2012, 07:03
Achtung unqualifizierte Meinung, also nur eine Vermutung von mir:
Ich denke der Wert liegt einfach auf Kihon und dem Erlernen der Mechaniken dahinter. Das sind m. M. kontrollierte Varianten zum Üben. Denn einen vollen Schwung mit der ganzen Länge zu kontrollieren(abzustoppen) ist fast unmöglich.
Sobald halbwegs 'frei' gekämpft wird, wird eigentlich fast immer die Länge des Stocks ausgenutzt. Es wäre auch unsinnig es nicht zu tun.
Aber warum sollte man dann nicht so trainieren, wie man auch gedenkt zu kämpfen? Im Hinblick auf bessere Kontrolle gebe ich Dir Recht, zumindest für den Anfang. Aber was ist mit Abstand, Dynamik, Hebelverhältnis, ... ?
Trainiert man sich auf diese Weise nicht ein Bewegungsmuster an, welches dann im Kampf gelinde gesagt ungünstig ist?
just my 2 cents (wie man sagt)
Gruß Sven
Hallo,
zunächst muß mal ganz klar festgehalten werden, daß es nicht d e n okinawanischen Stock gibt. D. h. es gibt keine Einheitsnorm „made in Okinawa“, genauso wie es – meinetwegen – nicht d i e deutsche Küche gibt. Beim Kochen gibt es regionale Unterschiede; in der Kampfkunst Ryūkyūs voneinander verschiedene Übertragungslinien. In einigen dieser Übertragungslinien wird beim Stock ein Griff betont, der den Stock selbst mehr oder weniger drittelt, wie im eingangs verlinkten Youtube-Film. Diese Betonung der Drittelung schließt in diesen Richtungen aber nicht aus, daß stellenweise (in den Kata) auch andere Griffarten mit daraus resultierenden anderen Längen der Schlag-/Stichseite des Stocks genutzt werden. Als grundlegende Begründung für die Drittelung wird meist der schnelle und leichte Seitenwechsel von einem Stockende zum anderen genannt. Dabei wird also eine Distanz trainiert, die von der vorderen Hand aus jeweils noch ein Drittel eigene Stocklänge enthält. Wird die hintere Hand vorgenommen, um einen Schlag usw. auszuführen, bleibt diese Distanz erhalten. Diese Drittelhaltung gab/gibt es im übrigen auch in einigen chinesischen Richtungen …
Da es, wie gerade geschrieben, nicht d e n okinawanischen Stock gibt, gibt es selbstverständlich auch Richtungen, in denen der Stock mit der vorderen Hand etwa halbiert wird, während die hintere Hand eher am Ende des Stocks greift. Ein Beispiel dafür ist der Stock aus dem Shōtōkan. Dieses Beispiel ist auch dafür geeignet, zu zeigen, daß gedankliche Schnellschüsse, wie „Griffart X = ursprünglich (chinesisch/besser)“ nicht immer der Wahrheit entsprechen. Denn beim Shōtōkan-Stock läßt sich nachweisen, daß es im Laufe der Zeit zu einer Übertreibung des Griffs von „vordere Hand ist etwa in der Mitte“ hin zu „hintere Hand greift ganz am Stockende“ kam. Der obigen Argumentation zufolge, wäre dieser moderne Griff beim Shōtōkan-Stock ein „Beleg“ für „Ursprünglichkeit“, während es tatsächlich eine Neuentwicklung ist. Ähnlich verhält es sich mit anderen Richtungen, die vermeintlich „ursprünglicher“ sind als, naja, die Konkurrenz …
Grüße,
Henning Wittwer
Jup, aber japanisches ko budo und okinawanisches ko budo sind historisch und auch technisch zu unterscheiden. (Z.B. scheinbar auch in diesem Aspekt.)
Danke für die Erläuterung!
Kannst du etwas mehr zu den technischen Unterschieden des japanischen und okinanwischen Kobudo sagen?
Danke..
Aber warum sollte man dann nicht so trainieren, wie man auch gedenkt zu kämpfen? Im Hinblick auf bessere Kontrolle gebe ich Dir Recht, zumindest für den Anfang. Aber was ist mit Abstand, Dynamik, Hebelverhältnis, ... ?
Trainiert man sich auf diese Weise nicht ein Bewegungsmuster an, welches dann im Kampf gelinde gesagt ungünstig ist?
just my 2 cents (wie man sagt)
Gruß Sven
Alles wie gesagt nur eine Vermutung von mir, im Shotokan z.B. übt man Kihon ja auch in Stellungen und Distanzen, die eher unüblich im freien Kampf sind.
Vielleicht ist es auch nur persönliche Vorliebe gewesen, denn Kobudo aus Zeiten, wo noch aktiv damit gekämpft wurde haben wir nicht.
Die Drittelhaltung hat Vorteile in der Deckung und bei Kombinationen, vielleicht war das der Ausschlagende Punkt.
Aber mich macht das auch stutzig, aus welchen Grund sollte man sich in die (bedeutend Anspruchsvollere Situation) eines Kurzwaffenträgers bringen, wenn man nur seine Stocklänge ausnutzen braucht?
KoryukanChemnitz
18-07-2012, 10:04
Alles wie gesagt nur eine Vermutung von mir, im Shotokan z.B. übt man Kihon ja auch in Stellungen und Distanzen, die eher unüblich im freien Kampf sind.
Daß dieser Umstand je nach Trainingsziel problematisch sein kann, hatten wir ja schon zur Genüge ;)
Die Drittelhaltung hat Vorteile in der Deckung und bei Kombinationen, vielleicht war das der Ausschlagende Punkt.
Wie kommst Du zu diesem Schluß? Mit engem Griff (Hände zusammen) kann man sich durchaus ebenso effektiv und effizient decken bzw. Kombinationen ausführen. Am Ende liegt es an der Übung, würde ich sagen ;)
Aber mich macht das auch stutzig, aus welchen Grund sollte man sich in die (bedeutend Anspruchsvollere Situation) eines Kurzwaffenträgers bringen, wenn man nur seine Stocklänge ausnutzen braucht?
Eine gute Frage. Im Yamane-Ryu Bojutsu wird immer die gesamte Bolänge ausgenutzt, egal ob es sich um Schläge oder Stiche handelt.
Wie ist denn die Sichtweise in anderen Kobudo-Schulen dazu?
viele Grüße
Sven
Kannst du etwas mehr zu den technischen Unterschieden des japanischen und okinanwischen Kobudo sagen?
Naja, wenn man von okinwanischem kobudô spricht, dann geht es doch um die Arbeit mit den sog. "Bauernwaffen". Im jap. Sprachgebrauch ist kobudô synonym mit kôryû, das allerdings selten benutzt wird.
Es geht also um ganz andere Waffen. Und was den bô angeht, habe ich in den kôryû immer nur eine lange Haltung wahrgenommen und nicht das, was in dem okinawanischen Video gezeigt wurde?
Hallo,
bei den ersten verlinkten Video handelt es sich um Grundschultechniken im Matayoshi Kobudō. Genauer gesagt um die "Hojo Undō Dai Ni" für den Bō (es gibt drei Serien Ichi, Ni, San - a 5 Techniken).
Es ist durchaus möglich, die Techniken aus einer anderen Grifflänge raus auszuführen...
Als Lehrvideo, ist es zum Teil angebrachter erst mit der 2/3 zu beginnen.
Zum Anfang begann ich auch mit dem 2/3 Griff, jetzt variere ich je nach Situation... und passe meinem Bō an.
Gruss
Sukoshi
Als Lehrvideo, ist es zum Teil angebrachter erst mit der 2/3 zu beginnen.Warum?
Warum?
Weil es einfacher ist.
Gruss
Sukoshi
Seh ich anders. Durch die kleinere Distanz zum Gegners wird einiges schwieriger,
Seh ich anders. Durch die kleinere Distanz zum Gegners wird einiges schwieriger,
Aus diesem Grund trifft folgendes Zitat wieder zu "umlernen ist schwieriger als neu lernen."
Erst später fängt man an, den Bō zwischen seinen Händen zu verschieben um die erwähnte Distanz zu erreichen. Als "Anfangsbewegung" wird einem zu erst die 2/3 Haltung vermittelt.
Und da sich ein Lehrvideo generell an Beginner richtet, fängt Z. Ōshiro mit der 2/3 Variante an.
Gruss
Sukoshi
Dann versteh ichs erst recht nicht. Weil Umlernen schwieriger ist macht der Anfänger was anderes als der Fortgeschrittene? (und muß damit irgendwann umlernen)
SKA-Student
20-07-2012, 12:45
"umlernen ist schwieriger als neu lernen."
Nur, wenn man das neue als nicht so gut ansieht, wie das alte.
Wenn man also das neue wirklich will, dann klappt das schneller als neu lernen.
Eigene Erfahrung...
Hallo,
Ich sehe das Ganze etwas pragmatischer; die "Drittelhaltung" im Chudan-Kamae heißt, dass ich etwa einen halben Meter Stock zwischen mir und dem Gegner habe und dieses Kamae wenn nötig lange Halten und bei Bedarf schnell wechseln kann.
Wenn ich meinen Bo am unteren Drittel halte und in ein Chudan-Kamae gehe, fällt es mir schwerer, es zu halten. Außerdem müsste der Gegner in diesem Falle nur:
- an dem Stock vorbeilaufen; dann wäre er in einer Distanz, in der der Bo (in bestehender Haltung) schwer einzusetzen ist
- den Stock am vorderen Ende packen und festhalten; das hätte zur Folge, dass die Waffe vorerst fixiert ist
Bei der "Drittelhaltung" ist es dem Gegner nahezu unmöglich (Das haben persönliche, teils schmerzhafte Experimente ergeben!) unbeschadet an dem Bo vorbeizukommen: Entweder läuft er in die leicht zu manövrierende Spitze (, die sich wegen der niedrigeren Zentrifugalkräfte rascher führen lässt!) oder er kriegt den Mittelteil des Stabes zu spüren.
Kommt der Gegner auf die Idee, den Bo bei bestehender "Drittelhaltung" zu greifen, kommt zu den oben genannten Gefahren die enge Distanz hinzu:
Wenn ich nämlich im Chudan-Kamae stehe (Honte-Mochi oder Gyakute-Mochi) und mein Gegner die Stabspitze greift, würde ich umgehend auf ihn zugehen und ihm mit Faust und Fuß zu Leibe rücken; seine Hand ist ja "belegt"!
Ich könnte auch versuchen, mit dem anderen Ende des Stabes zu fegen (oder zu hebeln, wenn ich versiert genug darin wäre...).
Wie auch schon von anderen angesprochen denke ich ebenfalls, dass die "Drittelhaltung" zusätzlich eine gute und einfache Übungshaltung bildet, von der aus andere Haltungen nahtlos eingenommen werden können.
Das Faktum bleibt, wenn bei gleicher Stablänge gekämpft wird, gewinnt der, der die lange Haltung länger trainiert hat.
Eine Theorie wäre noch, dass möglicherweise hier der Einfluss der 'Polizei', die auch von den Adeligen ausgeführt wurde hier durchscheint. Wenn der Gegner nur Kurzwaffen/Messer/Stück Holz besitzt macht die Drittelhaltung Sinn.
Die Drittelhaltung macht ihn einingen Situtation Sinn und wir verwenden sie auch. Ich hatte mich nur über das völlige Fehlen von Alternativen in den Kata gewundert.
Ich denke nicht, dass sie VÖLLIG in den Kata fehlen: In den meisten Varianten der Shushi no Kun finden sich beispielsweise Nuki-Techniken, bei denen die Stablänge ganz ausgenutzt wird.
Die meisten Varianten dieser Kata haben auch drei aufeinanderfolgende Schläge auf Kopfhöhe gemein; in einigen Versionen wird der Bo dabei am unteren Drittel gehalten (ich habe das selbst mit meinem Eichenstab probiert: Der Schlag wir sehr mächtig, allerdings hat man Mühe, ihn wegen der hohen Zentrifugalkraft wieder unter Kontrolle zu bringen. Als Vergleich habe ich meinen "chinesischen" Stab genommen, der aus Rosenholz gefertigt und deutlich leichter ist: mit ihm war die Technik sauber und kontrolliert auszuführen).
Funkenschuster
14-08-2012, 18:05
hallo!
ich glaube die drittelhaltung ist für den anfänger um einmal ein gefühl zu bekommen. glaube das sukoshi recht hat.
oder waren die decken im dojo zu tief :D und draußen hat es geregnet und so haben sie sich daran gewöhnt.
wurscht bo macht spass. wir ziehen uns escrima rüstungen an, nehmen rattan bos und los gehts.
zieht ganz schön das schneiden aus dem yamanni ryu.
ossu und uss
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