Vollständige Version anzeigen : Schulung des Situationsbewusstseins?
hey,
ich habe in Zusammenhang mit SV häufig vom Situationsbewusstsein gehört, also der Fähigkeit, mögliche Bedrohungen im Vorfeld zu erkennen (um diese dann vermeiden zu können), ohne jedoch dauernd angespannt auf seine Umgebung zu achten.
Meine Frage: Wie kann man dieses Bewusstsein trainieren? Einfach in der Fußgängerzone mal mehr auf andere achten als zu telefonieren? Oder gibt es spezielle Techniken, die man erlernen kann (beispielsweise auf Seminaren)?
lg Daniel
concrete jungle
29-07-2012, 18:02
Unter dem Begriff Awareness sollte man auf US-Homepages so einiges finden.
Habe selbst die Erfahrung gemacht, dass man nach einigen Jahren Kampfsport sowas früher merkt als vorher-bevorstehende Gewalt hat eine eigene Körpersprache, Blicke, man kennt die Art Leute, die sich gerne kloppen und ihren look (ich traf die vor etwa 20 Jahren beim Boxen,Thaiboxen und allerlei Vollkontaktstilen, heutzutage trifft man die Leute sicher auch beim mma!).
Ganz stark sensibilisierend wirkt Arbeit in der Sicherheitsbranche, bei mir Tür und Aufpasser bei Konzerten, Messen usw.- man achtet ganz bewusst auf sowas, wird dafür bezahlt und lernt da von alten Hasen!
Mach das einfach ein paar mal, es reichen da 10-20 Einsätze bei Abifeten oder ähnliches, da krachts und man sieht es vorher kommen!
Buchtipps sind Marc McYoung, Geoff Thompson!
Frage mal Türsteher und Polizisten zu dem Thema, da sollte auch tipmässig was rumkommen.
Vielen Dank für de Tipps! Viele machens einem ja nicht gerade schwer, bei denen ist es schon sehr eindeutig. Aber in manchen Situationen, besonders bei Ablenkung (mit Leuten im Gespräch usw.), ist das ganze dann bestimmt nur mit einigem am Übung und Erfahrung zu meistern. Von daher guter Tipp von den Leuten zu lernen, die diese Erfahrung bereits haben. Geht halt nichts über die Praxis.;-)
Awareness trainieren kann man, wie concrete schon sagte, am besten in der Praxis. Security hilft da schon. Da lernt man, auf was man achten muss. Körpersprache, Blicke, etc.
Wichtig ist allerdings auch das Bauchgefühl.
Es hilft auch, sich mal mit Mimik, Gestik und Wahrnehmung zu befassen. ;)
concrete jungle
06-08-2012, 17:11
Es gibt einige Übungen, die man für sich machen kann:
Übung 1: Was ist auf einer belebten Strasse das erste Wort, das Dir zu einem entgegenkommenden Passanten einfällt (z.B.: Opfer,Penner,Buchhalter, Verkäufer,Normalo,Zivilpolizist,Klauer,Sadist,Räub er...).
Übung 2: Wo würdest Du hypothetisch warten, wenn Du jemanden ausrauben wolltest?(Geldautomat,Parkhaus,Unterführung,U-Bahn etc.)
Übung 3 : Frag mal, wo es in Deiner Gegend Kneipen, Dissen gibt, wo Gewalt oft vorkommt. Geh hin, bleib nüchtern und enjoy the show-und schaue nach Blickkontakten,Körpersprache, Eskalation, Abläufen...
Zuhause genau aufschreiben und nicht mitspielen!
Kneipenprügler
08-01-2013, 07:57
Ich empfehle, nach "Samy Molcho" zu googlen. Der Mann ist ein Phänomen seit 20 Jahren, was das Lesen der Körpersprache angeht. Ist zwar nicht "fight-awareness"- bezogen, aber alle seine Bücher sind lesenswert sowie unterhaltsam und flüssig zu lesen.
Dann gibt es noch eine Veröffentlichung "Menschen lesen" von Joe Navarro, ehemaliger FBI-Agent. Ebenfalls lesenswert, mir aber zu amerikanisch-selbstbeweihräuchernd.
Beste Grüsse
kp
Stefan1990
08-01-2013, 14:37
Mach das einfach ein paar mal, es reichen da 10-20 Einsätze bei Abifeten oder ähnliches, da krachts und man sieht es vorher kommen!
Einfach mal einen auf Security machen, ohne zumindest die Sachkundeprüfung zu besitzen ? :cool:
Hau.drauf.wie.nix
08-01-2013, 14:54
Einfach mal einen auf Security machen, ohne zumindest die Sachkundeprüfung zu besitzen ? :cool:
Naja, wenn man nicht ganz bescheuert ist und gewisse Werte verinnerlicht hat... :rolleyes: Und nur weil man eine Sachkundeprüfung hat, ist man nicht der bessere Security... :nini:
Aber ich hab verstanden, worauf du raus willst... Und ja, man sollte sich schon auskennen, ob mit oder ohne Zettelchen von der IHK :hehehe:
Ein paar Ratschläge und Übungen um die Wahrnehmung der Umgebung zu schulen (aus Zeitgründen nur unvollständig als Ideensammlung):
- Genaues Beobachten von einzelnen Personen ohne! diese zu fixieren und ohne das dies der Person bewusst wird (letzteres kann man am Anfang z.B. bei Bekannten üben und diese dann im Anschluss fragen ob sie es bemerkt haben). Dabei auch den Tunnelblick vermeiden (Umfeld immer mit im Auge behalten)
- bei diesem Beobachten auf Dinge achten wie z.B.:
- Zustand der Person (gepflegt / ungepflegt, Drogeneinfluss, trainiert/ untrainiert / Narben / Behinderungen...)
- Gruppenzugehörigkeit (z.B. MC Mitglied oder Hangeround, Links- od. Rechtsextremist, Alter und Nationalität etc...)
- mögliche Waffen
- Wer gehört zu dieser Person
- Verhalten!!!
-> Wichtig: Neutrales beobachten OHNE sich vorher eine feste Meinung über diese Person zu bilden
etc...
- Durch beobachten lernen was "normales" Verhalten von Menschen in verschieden Umgebungen (Einkaufszone, Disko, Innenstadt bei Nacht, Großveranstaltungen etc...) ist.
Scannen von größeren Menschenmengen (in möglichst vielen, verschiedenen Umgebungen) zum identifizieren von potentiell gefährlichen Personen u.a. anhand von:
- Verhalten (Abweichung vom "normalen" Verhalten wie z.B. Zielloses herum wandern).
- Zustand der Person
- Stereotypen (Zugehörigkeit zu einer Gruppe mit erhöhtem Gefährdungspotential - Hier helfen u.a. Statistiken um diese zu ermitteln)
- etc...
-> Diese dann wie oben beschrieben näher betrachten (Priorität nach dem im ersten Eindruck ermittelten/vermutenden Gefährlichkeitsgrad).
-> Wichtig: Immer bedenken, dass auch völlig harmlos erscheinende Personen gefährlich sein können. Außerdem kann natürlich über die Zeit eine Anfangs harmlose Person ihr Verhalten verändern (Drogeneinfluss, Streit mit der Freundin etc...). Daher kontinuierliche Beobachtung und nicht bestimmte Personen nach einer anfänglichen Einstufung im folgenden vergessen.
- Üben des Weitwinkelblicks um verdächtiges Verhalten und / oder verdächtige Personen in großen Menschenmengen schnell zu detektieren.
- Zur Beobachtung alle Sinne einsetzen (bis auf den Tastsinn, sonst gibt es bestimmt Ärger ;-))
- Gute Beobachtungspunkte finden (gute Sicht, keine ungesehene Annäherung möglich, dennoch möglichst unauffällig). Bsp: Als Mann mit Tüten vor einem Klamottengeschäft stehen - Ok: da steht einer und wartet auf seine Frau oder in einer Kneipe in einer Nische sitzen, Blick zum Eingang
- Selbstbeobachtung: Wann und warum nimmt man die Umgebung nicht mehr richtig war (u.a. aufgrund von gedanklicher Ablenkung oder Tunnelblick / Fixierung)
-> Verhalten korrigieren
- "Stimmung" in der jeweiligen Umgebung / Menschenmenge analysieren.
- Umgebung analysieren (wo sind potentielle Gefahrenstellen, wo könnte man Hilfe finden, wohin fliehen).
- Beobachten von Menschen die sich aggressiv Verhalten (und denen die dabei noch beteiligt sind), sowie wie und warum Situationen eskalieren (lässt sich z.T. auch im ganz normalen Alltag beobachten, warum werden Diskussionspartner plötzlich laut / verletzend / aggressiv und wie äußert sich dies verbal und non-verbal(Mimik, Körperhaltung, Bewegung)?).
Auch immer interessant: Wie verhalten sich Leute die "unter Adrealin stehen" und oder nervös sind (u.a. ständige Bewegungen, sichtbare Unruhe). Lässt sich z.B. gut bei Kampfsportlern vor und nach dem Kampf beobachten.
-> Typisches Beispiel für Verhalten bei eskalierenden verbalen Auseinandersetzung: Inspektor Columbo Verhalten (nenne ich mal so ;-) ): Person beendet eine Diskussion, geht plötzlich weg, dreht nach ein paar Schritten abrupt um, kommt rasch zurück und setzt die Diskussion fort. Wenn dies mehr als einmal passiert, ist es häufig eine Situation die außer Kontrolle gerät oder zu geraden droht.
-Nachträgliche Analyse von erlebten / beobachteten Konfliktsituationen:
- Gab es vorher Zeichen die darauf hindeuten? Falls ja welche.
- Warum ist eine Situation (z.B. Diskussion / Meeting) eskaliert (muss dabei nicht zwingend bis zur Gewalt sein)
- Hätte die Situation durch bessere Aufmerksamkeit vermieden werden können
- etc...
-> Wichtig: Ehrlich zu sich selbst sein und das eigene Verhalten unter den verschiedensten Randbedingungen ebenfalls intensiv analysieren.
Gute Bücher, u.a.
Füllgrabe: Menschenkenntnis
Füllgrabe: Psychologie der Eigensicherung
Außerdem die weiter oben schon genannten Bücher von "Praktikern", hierzu u.a. auch Rory Miller
-> Wichtig: Nicht nur lesen, sondern in der Praxis nachvollziehen (aktives beobachten / analysieren)
Gute Möglichkeiten das alles zu üben:
-Wie hier schon vorgeschlagen mal eine Zeitlang als Security arbeiten, oder hinter der Theke einer Innenstadtkneipe / Disko, oder bei öffentlichen Veranstaltungen mithelfen (Faschingsfeiern, Musikveranstaltungen etc...)
-Sich an den verschiedensten Orten aufhalten und beobachten (Reisen mit öffentlichen Verkehrsmittels, Ausgehen in diversen Städten und Vierteln, Bikerparties, Bahnhöfe, Diskos, Weinfeste, Fußballstadien, Faschingsbälle etc...) -> natürlich alles auf eigenes Risiko ;-)
Sehr schön beschrieben und erklärt ThomasL:halbyeaha:halbyeaha
Danke schön. Habe nochmal schnell quergelesen und etwas korrigiert (hatte es heute morgen in 15min Frühstückspause runtergehackt).
Ach ja:
Ich vergass auch zu erwähnen, dass man ganz besonders bei Menschen mit Ankertatoos auf dem Unterarm aufpassen muss ;-)
Danke schön. Habe nochmal schnell quergelesen und etwas korrigiert (hatte es heute morgen in 15min Frühstückspause runtergehackt).
Ach ja:
Ich vergass auch zu erwähnen, dass man ganz besonders bei Menschen mit Ankertatoos auf dem Unterarm aufpassen muss ;-)
Danke für deine umfangreiche Antwort, ich hab mir das mal ausgedruckt und werde mal schauen, wann und wo ich was umsetzen kann! :)
In der Zwischenzeit habe ich den Eindruck gewonnen, dass es mit der Aufmerksamkeit für seine unmittelbare Umgebung im Allgemeinen eher mau aussieht. MP3-Player, Smartphones, Telefonate - niemand achtet mehr darauf, was um ihn herum eigentlich alles passiert. Letztens in einer Diskothek erst wieder passiert. Zwei Leute bekommen sich in die Haare, es wird handgreiflich und eine ganze Reihe von Leuten in der direkten Nähe werden in Mitleidenschaft gezogen, weil sie grade auf ihren Smartphones rumwischen und nichts mitbekommen. :D
Stefan1990
13-01-2013, 16:02
Naja, wenn man nicht ganz bescheuert ist und gewisse Werte verinnerlicht hat... :rolleyes: Und nur weil man eine Sachkundeprüfung hat, ist man nicht der bessere Security... :nini:
Aber ich hab verstanden, worauf du raus willst... Und ja, man sollte sich schon auskennen, ob mit oder ohne Zettelchen von der IHK :hehehe:
Ich wollte eher darauf hinaus, dass ich mir nicht sicher bin, ob es soviele Arbeitgeber gibt die mal eben einen Neuling (sagte der 22jährige :D) ohne alles, einfach mal so an ne Tür stellen, damit er mal eben Beobachtungsgabe für sich privat sammeln kann ;) Weil das kam so rüber, als wäre das kein Ding :D
Ach ja die Quelle die mich diesbezüglich in meiner Jugend am meisten geprägt hat und die mir gerade bei Reisen "Off the beaten track" sehr gute Dienste geleistet hat, hatte ich leider vergessen:
Rüdiger Nehberg, Survial - Die Kunst zu überleben (Abschnitt: Menschen)
Ich wollte eher darauf hinaus, dass ich mir nicht sicher bin, ob es soviele Arbeitgeber gibt die mal eben einen Neuling (sagte der 22jährige :D) ohne alles, einfach mal so an ne Tür stellen, damit er mal eben Beobachtungsgabe für sich privat sammeln kann ;) Weil das kam so rüber, als wäre das kein Ding :D
Security ist mehr als Tür. Es gibt da durchaus noch Bereiche, die eben auch ohne Schein gehandelt werden. (Fussball als Beispiel).
Und auch an solchen Stellen kann man Awareness üben und erlernen.
Eine weitere Möglichkeit wäre ein Praktikum bei einer Security-Firma. Das geht ebenfalls ohne und er hat sogar noch fachliche Betreuung.
Die Möglichkeit ist also da.
Bei unseren MC Parties habe ich auch nie nen Schein gebraucht ;-)
Danke für deine umfangreiche Antwort, ich hab mir das mal ausgedruckt und werde mal schauen, wann und wo ich was umsetzen kann!
Aber Achtung. Menschen mögen es meist nicht beobachtet zu werden und sind dafür sehr sensible. Es kann leicht sein, dass man mit gesteigerter Aufmerksamkeit auch die Aufmerksamkeit derer erlangt, die man auf diese Weise rechtzeitig identifizieren möchte. Und unter Umständen sogar derart, dass man seine SV Fähigkeiten oder zumindest die Fähigkeiten zur deeskalation gleich praktisch ausprobieren muss.
Ich bin mir bis heute nicht ganz sicher, wer besser fährt. Der der Aufmerksam ist und damit in Kontakt mit seiner Umwelt kommt (lässt sich nie ganz vermeiden) oder der, der völlig taub (Walkman - hiess es früher) und blind durch die Lande zieht. Letzterer wird zwar er überrascht, zieht aber keine Aufmerksamkeit auf sich und macht es jedem schwer zu provozieren.
Wahrscheinlich ist eine Mischung aus beiden die Beste Strategie.
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