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Vollständige Version anzeigen : Stücke und Prinzip



rudongshe
31-08-2012, 11:52
Ich möchte ein Thema von Richard aufgreifen.

Zu Anfang steht mein Verständnis seiner Posts, auf die ich mich beziehe.

Einerseits:
- Die Stücke in der Form sind verlorengegangen und es gilt sie zu rekonstruieren.
- Die heute vermittelten Stücke sind nicht die ursprünglichen Stücke.
- Ohne die richtigen Stücke ist es kein Taijiquan.

Andererseits:
- Taiji ist ein Prinzip
- Mit Taiji kämpfen heißt, dieses Prinzip umsetzen.

Viele Fragen:
? Kann ich das Taiji-Prinzip nur verstehen durch das Erlernen der verlorenen Stücke?

? Müssen die Stücke in ihrer Anwendung nicht "einfach" das Taiji-Prinzip bergen (einerlei ob alte oder neu)?

?Könnte ich das taiji zum kämpfen nutzen lernen ohne die Stücke zu lernen?

?Muss man nicht klarer zwischen dem Prinzip Taiji und der konkreten Hinführung und Umaetzung durch die Familienstile unterscheiden?

?Was versteht ihr überhaupt unter diesem Prinzip, und gibt es das nur im Taijiquan?

(Oder verhält es sich dabei wie beim Aikido, welches das Aiki-Prinzip in das Zentrum seiner Übungen stellt, obwohl es dieses Prinzip ja auch in andern Budo-Arten gibt)

scarabe
01-09-2012, 00:13
? Kann ich das Taiji-Prinzip nur verstehen durch das Erlernen der verlorenen Stücke?

? Müssen die Stücke in ihrer Anwendung nicht "einfach" das Taiji-Prinzip bergen (einerlei ob alte oder neu)?

?Könnte ich das taiji zum kämpfen nutzen lernen ohne die Stücke zu lernen?

?Muss man nicht klarer zwischen dem Prinzip Taiji und der konkreten Hinführung und Umaetzung durch die Familienstile unterscheiden?

)

Es ist zum Glück ja genug übrig- wers verstehen will und sich darauf einläßt, intensiv befaßt, wird es auch so verstehen. Es gibt ja auch noch ein paar historische Schriften, zB von Chen Xangxin

Klar sollen sie das und in den trad. Formen tun sie es auch, als kein Problem.

Ohne Formen zu lernen wärs wahrscheinlich kein wirkliches Taiji, aber es muß einer nicht sämtliche (historischen) Formen beherrschen, um mit Taiji kämpfen zu lernen.

Kann ich nicht sagen, hab mich zu wenig mit den anderen Stilen und deren Maßstäben befasst. Aber Struktur und Prinzip im Großen ziehen sich ja eigentlich durch wie ein roter Faden. Die Frage ist natürlich, wieviel haben andere Stile bewahrt oder verändert?

Simplicius
01-09-2012, 06:47
Viele Fragen:
1. )Kann ich das Taiji-Prinzip nur verstehen durch das Erlernen der verlorenen Stücke?

2.) Müssen die Stücke in ihrer Anwendung nicht "einfach" das Taiji-Prinzip bergen (einerlei ob alte oder neu)?

3.) Könnte ich das taiji zum kämpfen nutzen lernen ohne die Stücke zu lernen?

4.) Muss man nicht klarer zwischen dem Prinzip Taiji und der konkreten Hinführung und Umaetzung durch die Familienstile unterscheiden?

5.) Was versteht ihr überhaupt unter diesem Prinzip, und gibt es das nur im Taijiquan?



(Ich war so frei, der Übersich halber, Nummerierungen einzufügen) Meine unmaßgebliche Meinung:

1.) nein, wenn Du es mit den bekannten Stücken nicht lernst, dann durch die unbekannten auch nicht.
Wer nach einer verlorenen Form sucht, weil sein Taijiquan nicht so gut ist, wie das, das Yang Fukui nachgesagt wird ähnelt eventuell jemandem der nach dem wahren ersten Auto fahndet, um das Prinzip des Autofahrens zu verstehen, eventuell weil er es nicht schafft, seinen Porsche einzuparken.

2.) Genau: aus berufeneren Mündern:

"Die Form ist egal, wenn die verloren geht, dann erfindet man eine neue. Wenn das Prinzip verloren geht, ist alles verloren."

"Die Form ist ein Mittel um an's Ziel zu kommen, es gibt noch weitere, wenn man nach München will, kann man das Auto nehmen, aber auch z.B. mit dem Zuf fahren."

"Die Form ist wie ein Netz, um Fische zu fangen. Wenn Du die Fische hast, wirf das Netz weg."


3.) Ja, die Form ist ein Transportmittel der Prinzipien, unter anderem, damit man die alleine Üben kann.
Man kann die eventuell auch rein oder überwiegend in Partnerübungen erlernen, ich glaube z.B. in Düsseldorf.
In Malaysia gibt es, glaube ich, Leute, die (CMQ-)Taijiquan (weitgehend?) ohne Form erlernen und einen guten kämpferischen Ruf haben.
Allerdings sind IMO bestimmte Qigongübungen für das Entwickeln bestimmter Qualitäten sehr förderlich.

4.) Wenn man einen guten Weg der Hinführung gefunden hat, dann sollte man bei dem bleiben, wenn nicht, sich einen anderen zu suchen.
Man muss aber zumindest lange genug bei einem Stil bleiben, um zu erkennen, wo der hinführt, es gibt ja durchaus Unterschiede.
Wenn man nach längerer Zeit nicht weiß, was man da eigentlich übt, dann sollte man vielleicht auch woanders hin gehen, kann aber auch an der eignen kognitiven Kapazität liegen, dann merkt man es vielleicht an den eigenen Veränderungen.

5.) "Dantian moves - whole Body follows", Spiralbewegungen, "wenn/wo der andere vordringt, weiche ich zurück, wenn/wo der andere zurückweicht, dringe ich vor".......
Natürlich gibt es das auch woanders, auch in den oft diffamierten "äußeren" oder "harten" Kampfsportarten.
In unterschiedlicher Ausprägung und Gewichtung.
Chen Wanting hat sich ja zwei bekannter Bücher bedient und sein Geist-Körper-Gebilde war sicher dem anderer Menschen zumindest sehr ähnlich.



Wieviele Stücke haben westlich Boxer?
Können die kämpfen?
Könnte man die grundlegenden Prinzipien Deines Stils in die Boxerstücke packen?

Klaus
01-09-2012, 13:18
Ich habe mal einen anderen Vorschlag. Man denke sich bei bei Richard einfach mal das "Ich glaube ..." vor die Beiträge, das da im Geiste sowieso steht, und wenn man es dann besser weiss antwortet man ein bischen, und wenn man keine Lust hat dann lässt man das. So kann man Richard vielleicht auch einfach leben lassen.

WingChun77
01-09-2012, 16:20
Hallo!




? Kann ich das Taiji-Prinzip nur verstehen durch das Erlernen der verlorenen Stücke?
Wenn wir uns zu weit von der Quelle entfernen, dann können wir auch direkt unsere eigenen Formen entwickeln. Der Reiz (so wie ich diesen sehe) liegt darin, dass sich Menschen über den (Lebens)Kampf (SV und Gesundheit) schon einmal Gedanken gemacht und dies in Formen haben fließen lassen. Wenn ich diese These (so sie denn stimmt) zu Grunde lege, dann ist das Finden dieser Urform, deren Studium-Analyse sowie deren Reflexion, um basierend auf diesen Informationen am Ende eine auf den Anwender zugeschnittene und individuelle Form zu haben. Die Kopie einer Kopie einer Kopie kann nicht gutgehen.

? Müssen die Stücke in ihrer Anwendung nicht "einfach" das Taiji-Prinzip bergen (einerlei ob alte oder neu)?
Vollkommen korrekt. Dazu brauche ich keine alten Quellen, die ich 1:1 nachvollziehen muss. Was ist jedoch das TJ-Prinzip? Selbst wenn wir da einen Nenner definieren, ändert sich dieser von Mensch zu Mensch.

?Könnte ich das taiji zum kämpfen nutzen lernen ohne die Stücke zu lernen?
Jain! :D Wenn ich die reinen SV-Ideen der Form aus dieser filtere, dann könnten die natürlich funzen. Wohl aber liegen dann ganz andere Strukturen zu Grunde und es ist kein TJ mehr. Die Form würde sinnlos und das Training würde rein aus diesen wenigen Drills am Mann bestehen.

?Muss man nicht klarer zwischen dem Prinzip Taiji und der konkreten Hinführung und Umaetzung durch die Familienstile unterscheiden?
Selbstverständlich! Insbesondere dann, wenn sich ein Familienstil über andere Stile erhebt, OHNE sein System einmal real getestet zu haben. Gehen wir doch einmal ins alte China: Ein Stil MUSSTE sich bewähren, sonst war der Stil ratzeputz weg aus dem Dorf. Nur die "besten" haben dominiert. Eine derartige Form der Auslese gibt es heute nicht mehr.

?Was versteht ihr überhaupt unter diesem Prinzip, und gibt es das nur im Taijiquan?
Definitiv nein. Im Bagua zum Beispiel hast du ein ganz anderes Prinzip, auf welches sich das System aufbaut.



LG

Günther

Hongmen
01-09-2012, 21:45
Kann ich das Taiji-Prinzip nur verstehen durch das Erlernen der verlorenen Stücke?

Nein! Die Tai Chi Prinzipien sind in allen Bewegungen, Anwendungen etc., vorhanden bzw. zu finden. Die Prinzipien sind immer Gleich, egal wie es sich nach Aussen darstellt. Es muss nur auch funktionieren.

Müssen die Stücke in ihrer Anwendung nicht "einfach" das Taiji-Prinzip bergen (einerlei ob alte oder neu)?

Ja. Und dann ist es Tai Chi.


Könnte ich das taiji zum kämpfen nutzen lernen ohne die Stücke zu lernen?

Ja. Die Prinzipien stehen über den Stücken. Hasst du die Prinzipien verstanden und kannst sie durch dich selbst beweisen, kannst du Taiji! Also solltest du dann auch effektiv damit Kämpfen können. (Vorausgesetzt natürlich ein Kampfgeist auch Gewalt anzuwenden zu können.)

Muss man nicht klarer zwischen dem Prinzip Taiji und der konkreten Hinführung und Umaetzung durch die Familienstile unterscheiden?

Meiner Meinung, Ja! Jede Familie hat Taiji Prinzipien in sich entdeckt. Oder sagen wir mal lieber der Begründer hat es. Taiji kann man auch ohne „Familie“ lernen. Es schadet aber nicht sich erstmal einer „Familie“ anzuschließen.

Was versteht ihr überhaupt unter diesem Prinzip, und gibt es das nur im Taijiquan?


1.Rooting ( verwurzelter Stand )
2.Yielding ( körperliche Elastizität )
3.Unitary Theory ( ganzheitliche Bewegung )
4.Body State ( entspannte, durchlässige Muskulatur )
5.Six-Nine change (Wandlungsfähigkeit, Gleichgewichtskontrolle)
6.Centerness ( körperliche Zentrierung )
7.Forward Pressure ( Gleichgewichtsbrechender Vorwärtsdruck )
8.Line and angle ( Linien und Winkelkontrolle )
9.Projection ( Durchschlagsenergie )
10.Mind Hit ( mentaler Schock, Finte usw.)

Diese Prinzipien gelten allgemein für das Innere Boxen.

Gruß
Hongmen

scarabe
01-09-2012, 22:04
Also mich würden die Leute in Malaysia wirklich mal interessieren, die keine Formen machen, aber Taiji, nur kämpfen und dabei angeblich oder tatsächlich gutes Taiji machen.

Die Leute, die ich hier gesehen habe, die auf Formen verzichten, machten eigentlich immer etwas, das ein bißchen undefinierbar nach Allkampf, Xingyi und/oder Ringen aussah und gerade Leere, Weichheit, Spiralen u.a., was im Taiji hochgeschätzt wird, nicht hatten.
Aber auch die, die Formen laufen, machen nicht alles klasse, weil meist noch zu wenig Übung. Da folgt meist nicht der Körper dem Dantien, noch nicht mal beim Formenlauf und vordringen/zurückweichen ist, wie schon beschrieben- in vielen Kampfstilen verbreitet.

Chen Ziqiang sagte kürzlich in einem Interview, das ich mit ihm führte, die Form sei die absolut wichtigste Grundlage für Tusihou und späteren Kampf, ohne sie gehe es quasi gar nicht, wenn richtiges Taiji dabei herauskommen soll- wobei wir uns jetzt natürlich fragen können, ob er das tatsächlich auch denkt oder nur sagt, um die familieneigenen Formen anzupreisen.

Hongmen
01-09-2012, 22:43
Also mich würden die Leute in Malaysia wirklich mal interessieren, die keine Formen machen, aber Taiji, nur kämpfen und dabei angeblich oder tatsächlich gutes Taiji machen.

Die Leute, die ich hier gesehen habe, die auf Formen verzichten, machten eigentlich immer etwas, das ein bißchen undefinierbar nach Allkampf, Xingyi und/oder Ringen aussah und gerade Leere, Weichheit, Spiralen u.a., was im Taiji hochgeschätzt wird, nicht hatten.
Aber auch die, die Formen laufen, machen nicht alles klasse, weil meist noch zu wenig Übung. Da folgt meist nicht der Körper dem Dantien, noch nicht mal beim Formenlauf und vordringen/zurückweichen ist, wie schon beschrieben- in vielen Kampfstilen verbreitet.

Chen Ziqiang sagte kürzlich in einem Interview, das ich mit ihm führte, die Form sei die absolut wichtigste Grundlage für Tusihou und späteren Kampf, ohne sie gehe es quasi gar nicht, wenn richtiges Taiji dabei herauskommen soll- wobei wir uns jetzt natürlich fragen können, ob er das tatsächlich auch denkt oder nur sagt, um die familieneigenen Formen anzupreisen.

Passt ja auch hier!
Oh, Scarabe! Du hast vielleicht Ahnung von `Chen Taiji`. Aber Du hast nicht die geringste Ahnung von lebendigen Taiji.
Jede Sequenz einer Form muss voller Taiji sein. Es kommt nicht auf die Form an, sondern auf die Sequenz. Ist nur eine Sequenz verstanden und vollkommen bewiesen, ist das Taiji! Aber das verstehen Chen Taiji´ler anscheinend nicht? Oder es wird ihnen nicht beigebracht?

Richard22
02-09-2012, 14:16
Das Taiji Prinzip wird zuerst von Lao Dzi und dann Dschuang Dzi beschrieben - es hat also mit waffenloser KK (Quan Fa/ Shou Bo) erst einmal nichts zu tun.

Historisch hat Dschaung Tsi den Begriff "Taiji" geprägt. Lao Dsi nennt es das Namenlose, aber auch das Dao. Dessen Wirken oder wirkende Kraft ist das Te - das Te ist es, was man in der KK in Anwendung setzt.

Man findet bei Lao Dzi und Dschuang Dzi eine Menge Angabe zur KK, zumeist solcher, die Waffen benutzt, aber auch zum Ringen (Dschuang Dzi).

Einerlei, ob man Handball spielt oder mit seinem AK schießt, man kann dies nach dem Taiji-Prinzip gestalten, oder auch nicht. Lao Dzi schreibt, daß nichts lange Bestand haben wird, was das Taiji-Prinzip außer acht läßt.

Wenn wir und mit dem lange Faust System beschäftigen, welches von Qi Jiguang beschreiben wird - dann sind wir beim historischen Taiji als waffenlose KK.

Taiji, Bagua, Xing Yi, Ing Un, diese KK entstehen alle im 17. Jhd in China. Alle haben als Theorie die damals allgemein gültige China Metaphysik als Grundlage. Keines davon war anfänglich ein Familienstil.

Famlienstile gibt es in China schon sehr lange (mindestens 13. Jhd), und Familienstile sind fast immer auch Sekten in China.

Qi Jiguang schreibt, daß waffenlose KK sich immer extrem ähnelt, also Allkampf ist. Dabei unterscheidet er vier Bereiche: Schlagen, Treten, Greifen/Hebeln und Ringen.

Es gibt eine Menge Mißverständnisse und Überlieferungsabrisse, dadurch ist die "innere" Medizin zu ihrem Namen gekommen, aber auch innere und äußere KK - historisch nennt Qi Jiguang (und Chen Zong You) lange und kurze Systeme für den waffenlosen Kampf.

Alle Profies (Boxer, Fechter) kennen eine Auswahl an Stücken, aber die meisten spezialisieren sich auf eine oder eine kleine Auswahl davon. Welche diese sind ist eigenen Vorlieben und Anlagen geschuldet.

Also ist es für eine KK (nicht aber für Emo-KS) wichtig alle historischen Stücke erst einmal zu überliefern - sozusagen als Auswahl für den Kämpfer.

Manche Profies wechseln im Laufe ihres Lebens auch ihre Stücke - wieder sieht man, wie wichtig es ist die Stücke zu bewahren und zu überliefern.

Dafür muß man die Stücke aber erst einmal kennen/erkennen, verstehen und anwenden können.

Die langen Formen in China entstehen offenbar ebenfalls im 17. Jhd - man kann annehmen, daß ihr primäres Anliegen das Bewahren von Wissen, also den Stücken war.

Formen als Selbstzweck gab es auch schon im MA in China - bei den Marktauftritten von reisenden Schaustellern (Qi Jiguang).

Die heutigen Clane haben alle aus diesem historischen Fundus versucht das eine oder andere zu retten - mit welchem Ergebnis, das läßt sich nur schwer sagen.

Jede ernsthafte Forschung wird also erst einmal versuchen die historischen Stücke auszugraben und wieder unterrichtbar zu machen.

Das dies in China nicht geschieht sieht man am absolut katastrophalen Stand der KK (Wushu-Marktauftritte).

Technisch ist die erste Form, alter Rahmen, dem Original am Nächsten, auch in der Zweiten Form (Kanonenfaust) finden sind Teile der 32/36 Shi.

Auch interessant ist die Anfangsequenz aller Chen Formen, der Wächter stampft mit dem Stößel - dies ist eine Sequenz, die nicht von Qi Jiguang stammt, die Yin-Yang und Wu Xing Metaphsik vorstellt (mit Wu Bu) und eine Art Markenzeichen/Kopierschutz aller Chen Formen geworden ist.

Hier muß noch viel Arbeit bei - ich habe schon oft getippt, daß wir Historiker, KK'ler und Sinelogen brauchen.

Fechtergruß

Simplicius
02-09-2012, 15:18
Also mich würden die Leute in Malaysia wirklich mal interessieren, die keine Formen machen, aber Taiji, nur kämpfen und dabei angeblich oder tatsächlich gutes Taiji machen.


ich sprach übrigens nicht von "nur Kämpfen".
Zwischen Form und Kämpfen gibt es ja noch einiges an Übungen.

Über Einzelheiten zu den Formverweigerern in Malaysia kannst Du GilesTCC befragen:



Und ja, in Malaysia gibt es einen alten Tai Chi-Haudegen (Lee Bai Lei), der die 37'er Form nicht unterrichtet und sich laut Erzählung kaum darin errinern kann - und trotzdem als CMC-Tai Chi Meister sehr respektiert (bzw. gefürchtet...) wird.

Simplicius
02-09-2012, 15:35
Aber das verstehen Chen Taiji´ler anscheinend nicht? Oder es wird ihnen nicht beigebracht?

Einige(n) schon :)

Heping
02-09-2012, 15:37
Ich habe mal einen anderen Vorschlag. Man denke sich bei bei Richard einfach mal das "Ich glaube ..." vor die Beiträge, das da im Geiste sowieso steht, und wenn man es dann besser weiss antwortet man ein bischen, und wenn man keine Lust hat dann lässt man das. So kann man Richard vielleicht auch einfach leben lassen.

Er macht's uns aber nicht einfach, wie Du siehst ;)

scarabe
02-09-2012, 17:47
Passt ja auch hier!
Oh, Scarabe! Du hast vielleicht Ahnung von `Chen Taiji`. Aber Du hast nicht die geringste Ahnung von lebendigen Taiji.
Jede Sequenz einer Form muss voller Taiji sein. Es kommt nicht auf die Form an, sondern auf die Sequenz. Ist nur eine Sequenz verstanden und vollkommen bewiesen, ist das Taiji! Aber das verstehen Chen Taiji´ler anscheinend nicht? Oder es wird ihnen nicht beigebracht?

Wie willst du die Sequenz denn im Taiji-Sinn verstehen, wenn Du Formen und alles, was die langsame, aber sichere Erarbeiten und Erkennen und das tiefere Verständnis von der Essenz des Taiji mit sich bringt, kategorisch vernachlässigst? Wer schwimmen will, muß ins Wasser, naß werden, sich damit intensiv beschäftigen. Das kommt eben nur durch tun und nicht durch weglassen oder das Üben von was ganz anderem. Taiji lernst Du nur durch Taiji, indem Du ALLES machst und nicht die Hälfte wegläßt und durch das, was Dir aus anderen KK leicht fällt, ersetzt oder ergänzt.
Vieles erschließt sich durch die Form, was anders nur schwer erkennbar ist!
Genau dieses Verständnis für das lebendige- vor allem das lebendige Innenleben von Taiji- bekommst Du nicht nur, indem Du Leute durch die Gegend schubst. Auch, aber nicht nur.
Das ist das, was Du einfach nicht sehen willst!

Gong Fu
02-09-2012, 19:27
Er macht's uns aber nicht einfach, wie Du siehst ;)

So sieht es doch leider aus...ich habe hier schon lange kapituliert und sitze nur mit schüttelndem Kopf vor dem Rechner.
Ich wüsste auch gar nicht, wo ich anfangen soll: Transkription (weder Pinyin, Wade-Giles, noch Lessing-Othmer)...Interpretation (es werden noch nicht einmal die Quellen genannt: welcher Text, welche Übersetzung, wo genau steht es überhaupt-es werden nur Behauptungen in den Raum gestellt)...Übersetzungen (Shi als Stücke zu übersetzen finde ich persönlich absolut nicht adäquat)...die Herangehensweise an das Thema (es sind nun einmal nicht dieselben Parameter wie beim HF)...der verwirrte Blick auf das heutige China und auf seine Kampfkunst...usw.

Das einzige, was mir persönlich an Rich sehr gut gefällt, ist, dass er immer den Kampfaspekt sucht! Find ich persönlich klasse!! Und da sind wir auch absolut einer Meinung: Es heißt KAMPFkunst, und nicht Wohlfühlkunst!

Wie Klaus so schön gesagt hat: Wenn einfach ein "Ich glaube..." , "Meine Meinung ist...", "Ich denke dass..." vor den Beiträgen stehen würde, wäre es doch absolut okay. Aber so, ich weiß nicht...muss ich aber auch nicht. Es ist ein öffentliches Forum, jeder hat einen Mund zum Sprechen und Finger zum Tippen ;)

Und bevor mein Beitrag wieder einmal gelöscht wird: Mir ist schon klar, dass es Off Topic ist! Aber wie hat ein Freund von mir mal so schön gesagt: Nimm ein Stück Käse, wickel es in ein Handtuch, drehe es drei Mal über Deinen Kopf, leg es auf den Tisch. Was hast Du? Käse! Käse bleibt halt Käse :)

Gruß,
Gong Fu

Pu Bär
02-09-2012, 21:06
Das Taiji Prinzip wird zuerst von Lao Dzi und dann Dschuang Dzi beschrieben - es hat also mit waffenloser KK (Quan Fa/ Shou Bo) erst einmal nichts zu tun.

Historisch hat Dschaung Tsi den Begriff "Taiji" geprägt. Lao Dsi nennt es das Namenlose, aber auch das Dao. Dessen Wirken oder wirkende Kraft ist das Te - das Te ist es, was man in der KK in Anwendung setzt.


Fechtergruß

Was "Lao Dsi" "Dao" nennt, ist nicht "Taiji". Namenlos ja.

Das Dao ist ein bißchen (optimaler) Lauf der Dinge, also wie sie (ideal) funktionieren. Ist dabei aber selbst "nichts".

Das Taiji ist die Einheit von Yin&Yang. Die Vereinigung der Gegensätze, die, genauer betrachtet, dem Daoisten gleich(wertig), dadurch unentzweibar und mit klarer Grenze voneinander getrennt aber nicht ohne einander sind.


Es könnte bspw. ein Dao der Anwendung des Taijiprinzips in der Kampfkunst geben.


"De" wäre dann irgendwas moralisches. ;)


Ach ja, @Hongmen vs. scarabe: Chenboxen ist Chenboxen. Taichichuan ist Taichichuan. Und das ist ja auch nicht schlimm. :)

Richard22
02-09-2012, 22:09
Taiji ist die Mutter von Yin und Yang - also der Zustand vor dem erfahrbaren Gegensatz. Der Punkt, in dem die Gegensätze in der realen Welt im Gleichgewicht liegen nennt Dschaung Dsi den "Angelpunkt des Sinns".

Wenn man Shen, Qi und Jing alle alls Stadien oder Transformationen des Qi sieht, dann liegt Taiji also vor den Dreien. Der Zustand vor dem Gegensatz ist dann die Mutter des Gegensatzes, macht also den Zustand des Gegensatzes erst möglich.

Lao Dzi kennt den Begriff "Taiji" nicht - nicht in dem Zusammenhang, wie ihn gute 200 Jahre später Dschuang Tzi benutzt. Lao Dzi schreibt aber viel über das Dao und das Te, obschon er selber das Dao als Namenloses beschreibt. Dschuang Dsi schreibt eher wenig über das Te.

Das Te wird unterschiedlich übersetzt, mal als Kraft, mal als moralische Erscheinung.

Im Daoismus wird Moral aber grundsätzlich als ein von Menschen erschaffener Kunstgedanke abgelehnt. Das ist ja der Zwist zwischen Kong Dzi/ seinen Schülern und den Daoisten.

Das Wirken des Te ergibt sich einfach aus dem Gegensatz - wird ein Pol ins Extrem gesteigert, dann wird zwangsweise der Gegenpol entstehen. Das Wissen um diesen Verhalt nennt Lao Dzi Erleuchtung (auch "geheime Erleuchtung"). Klar kann dieser Gegensatz für uns Menschen eine kulturellen Beigeschmack haben - wir nennen es dann Moral. Lao Dsi schreibt aber immer wieder, das echte Moral eben keine Moral kennt.

Das Dao selber ist nicht zu beschreiben und nicht zu erfahren - in unserer Welt wird jede Art der Erscheinung polar sein, eben als Gegensatz vorliegen. Dennoch gibt es etwas, was davor liegt (Dschuang Dsi's zweites Buch, oder Spruch 21 Lao Dsi thematisieren das).

Schon sind wir in der KK.

Taiji ist ein Prinzip, lat. das Erste, also jenes, das immer zuerst in Wirkung tritt.

In der KK ist das Wissen darum, das jede Entität ein Kompelment haben wird zielführend. Jeder Fauststoß nach vorne wird eine rückläufige Kraft haben. Jeder feste Stand einen Schwachpunkt. Jedes Angriffsbewegung eine Blöße - usw.

Das hat mit Dao nichts zu tun - ist es doch nur das Wissen um den Gegensatz.

Dschuang Dsi schreibt, das die Gegensätze durch Streit zur Vollendung kommen - also durch den Ausgleich des Gegensatzes durch die Macht des Te. Er nennt es auch "Ruhe im Streit". Ähnliches findet man bei Lao Dsi "Wer aber ist imstande die Ruhe durch die Behutsamtkeit dauernder Bewegung zu erzeugenß".

Das ist das Prinzip des Taiji in der KK. Es muß nicht auch die KK angewandt werden, denn KK ist bloß eine Kulturleistung des Menschen.

Das Dao selber - schon darüber zu tippen ist schwer, wieviel mehr darüber Aussagen über die KK zu treffen.

Fechtergruß

Klaus
03-09-2012, 13:39
Es würde dem Verständnis sicher helfen, wenn man verstünde dass Taijiquan und das Taiji aus dem Daoismus nicht gleich sind, sondern irgendjemand aus welchem Grund auch immer einem bereits existierenden Übungskonstrukt nach dem Taiji diesen Namen gegeben hat. Der Kölner Dom hat mit Köln nur soviel zu tun dass er in Köln steht, das eine ist ein Bauwerk, das andere eine Stadt.

Simplicius
03-09-2012, 22:03
Der Kölner Dom hat mit Köln nur soviel zu tun dass er in Köln steht, das eine ist ein Bauwerk, das andere eine Stadt.

allerdings ist der Kölner Dom auch eine gotische Kathedrale und hat mit Gotik soviel zu tun, dass man diesen Baustil in ihm umgesetzt findet.
So meinen manche, in Taijiquan das Taijiprinzip verwirklicht zu finden, oder das Harmonisieren der Gegensätze, egal ob in China betrieben oder in Köln.

Klaus
03-09-2012, 22:43
Andere meinen, dass man im Taijiquan eine Ansammlung von etwa 13 zeitgenössischen Grundaktivitäten in etwa des 15. Jahrhunderts und eine IMA-spezifische Trainingsmethodik wie langsame Bewegungen, Stampfen und andere Reizformen findet die wie der Teufel will auch Eingang in Bagua, Xingyi und ein Dutzend anderer Stile gefunden hat. Und nicht etwa ein "Prinzip", ausser dem Prinzip dass etwas Trainieren dazu führt dass man das kann. Harmonie, Melitta, ja das klingt ganz toll. Blöderweise ist nicht ein "Prinzip" davon spezifisch für Taijiquan, nur die genauen Bewegungen und exakte Implementation von Taktiken sind es. Wobei so interessante Prinzipien wie dass Körperteile die nicht gestützt werden fallen, und man die Stützfunktionen des Körpers clever manipulieren kann, sicher jedem sofort die Möglichkeit eröffnen das genau so gut wie Chen Xiao Wang zu machen. Ist doch nur ein Prinzip. Dualismus gibt's in vielem, sonst wäre das kein universelles Prinzip. Wobei das alles äusserst verkürzt ist, und das ursprüngliche Taijitu sah auch nicht genau so aus wie jetzt, da fehlt was.

Taoism: Chart of the Great Ultimate (Taiji tu) (http://www.goldenelixir.com/taoism/taiji_tu.html)

Simplicius
04-09-2012, 08:50
Harmonie, Melitta, ja das klingt ganz toll.


die Idee, die Interpretation des Chen-Family-Boxing von Yang Fukui "Taijiquan" zu nennen, soll ja auch gerüchteweise erstmalig einem Poeten
gekommen sein.



Wobei so interessante Prinzipien wie dass Körperteile die nicht gestützt werden fallen, und man die Stützfunktionen des Körpers clever manipulieren kann, sicher jedem sofort die Möglichkeit eröffnen das genau so gut wie Chen Xiao Wang zu machen.


Nur weil ich das Prinzip hinter einer Riesenfelge verstehe, kann ich es noch lange nicht umsetzen. Und selbst wenn ich es in einer Weise umsetzen könnte, die die meisten Menschen, die man so trifft, beeindruckt, wahrscheinlich bei weitem nicht so gut wie Fabian Hambüchen.
Will ich allerdings eine Riesenfelge lernen, dann kann es hilfreich sein, dass mir jemand das Prinzip erklärt.
Ob mehr theoretisch über Drehimpulserhaltung oder einfach als klare Vorgabe, wann ich den Abstand Stange-Schwerpunkt verkürze und wann verlängere hängt dann vom Gegenüber ab.
Wenn der Körper das Prinzip dann verstanden hat, muss man auch nicht mehr darüber nachdenken.




Ist doch nur ein Prinzip. Dualismus gibt's in vielem, sonst wäre das kein universelles Prinzip.


Das Dao ist doch auch, zumindest nach den Daoisten, ein universelles Wasweißich? ?
Dennoch meinen manche, man könnte sich dem entsprechend oder weniger entsprechend verhalten (De).
Das verfeinerte Gespür für die Verteilung der Gegensätze z.B. hart und weich im Gegenüber ist durchaus Thema bei einigen Taijiquanlehrern und bringt auch was für die Praxis.
Anpassung, Mitfliesen und Wandel gilt da mehr, als Mehrdesselben oder gar unbedingt eine bestimmte Technik machen zu wollen.

Richard22
04-09-2012, 14:17
Die 13 Grundbewegungen scheinen eine Zugabe zu sein - historisch waren es wohl im 17. Jhd acht, nebst fünf Schritten - was wir heute im Yang Stil finden.

Die fünf plus Grundbewegungen (Teng, Shan, Zhe, Kong und Huo) entsprechen genau den Wu Xing und damit Wu Bu - es scheint mir eine Zutat der Chen's zu sein, um ihren Stil "authentischer" zu gestalten. Im China des 17'ten Jhds fand man es klasse alle Techniken auf der Zahl Acht zu gründen.

Klaus - lesen bildet. Ich werde keine Argumente auffahren, wieso China KK und Daoismus eine gemeinsame Grundlage haben. Handball mag nicht dem Daoismus folgen, Taiji Quan tut es - es ist einfach die China Metaphysik des 17'ten Jhds. Da ist nichts Kompliziertes dran.

Daoismus hat nicht viel mit Dualismus zu tun (anders als z.B. Zarathusta oder das westliche Christentum).

Ich finde "Quan/Kuen", also "auf die Fresse im Stand" auch als Namen besser - nur haben diesen Namen fast alle China KKs.

Fechtergruß

Klaus
04-09-2012, 23:05
Mit Gewohnheiten mit denen man glücklich ist, muss man nicht brechen. Mit Wahrheiten die nur Tote kennen ist das so eine Sache.

va+an
05-09-2012, 08:43
Daoismus hat nicht viel mit Dualismus zu tun (anders als z.B. Zarathusta oder das westliche Christentum).

Fechtergruß

Wie meinst du das?

Richard22
05-09-2012, 14:40
Der Daoismus heißt nicht Yinyang-ismus. Die Gegensätze sind nur Erscheinungen, nicht aber der Inhalt des Daoismus, der eben das Dao zu Ziel/Inhalt hat.

Vom Standpunkt des Dao aus gesehen sind alls Dualitäten Einheiten, oder eben sich gegenseitig bedingende Entitäten (Entität und Komplement).

Wie eine Autobattere, sozusagen, die eben Anode und Kathode hat. Wir im Westen/ vorderer Orient (mit westlichen Christen und Parsen/Zarathusta) sehen da eher jeweils einen Pol der Autobatterie, und verneinen/verdammen/verteufeln den anderen Pol. Nur bedingen sich eben Anode und Kathode der Autobatterie. Also veruchen Dualisten zumeist, recht hysterisch, einen Teil der Wirklichkeit auszuschließen - mit allen furchtbaren Konsequenzen, die daraus entstehen.

Der Daoismus versucht die Autobatterie als ein Ganzes zu sehen, daß eben auch zwei Pole hat, Anode und Kathode.

Also ist der Dualismus nicht inhaltlich mit dem Daoismus gleichzusetzen.

Dualismus setzt immer einen Glauben an Pole voraus, Gut, Böse, Belohnung, Strafe usw. Im Daoismus (der philosophisch-mystischer Daoismus eines Lao Dsi/ Dschuang Dsi) werden diese Erscheininungen hingenommen, sonst aber nicht weiter beachtet - wie die Autobatterie.

Deswegen gibt es im Daoismus (philosophisch-mystischer Daoismus) kein Gut und Böse, keinen Himmel und keine Hölle, keine Moral und keine Unmoral usw. Damit kommen westliche moderne Menschen recht schlecht klar. Wir wollen einfache Erklärungen - für die unendlich komplexe Natur.

Das Wissen um diesen Einklang der Kräfte nennt man unter anderem auch Taiji.

Das macht Taiji aus - nicht die Art und Weise, wie man den Leib bewegt oder welche metaphysische Erklärung man bevorzugt.

Fechtergruß

Richard22
05-09-2012, 14:44
Klaus - der Daoismus ist eine erfahrbare Lehre - anderes als das Christentum westlicher Prägung gibt es niemanden, der ein Monopol auf das Dao hat.

Das wird auch in China so gesehen.

Wir finden bei Dschuang Dsi ständig Hinweise darauf, daß die Asche der Toten und deren Fußstapfen vergangen sind, und daß, was sie Alten ausmachte, keineswegs tot oder verloren ist - wir müssen es nur selber finden. Nicht in Einsiedeleien oder auf dem Schlachtfeld - im täglichen Leben.

Das ist ja gerade der Disput zwischen Kong Dsi und Lao Dsi, das Kong eben mit seinen sechs Büchern das Wissen und die Lehre der Alten sozusagen festhalten wollte - was unmöglich ist.

Nur deren Fußstapfen sind erhalten, und ein Rest ihrer Worte, so Dschuang Dsi. Wir müssen selber suchen.

Fechtergruß

Klaus
05-09-2012, 15:05
Vielleicht kapierst Du mal bei Gelegenheit dass ich seit 40 Jahren so lebe ?

Ja, das ist eine erfahrbare Lehre, die sich nur wirklich erschliesst wenn man so lebt, so meditiert, die Übungen mal gemacht hat, und der Geist offen ist für die Inspiration durch das Dao. Und dann braucht man solche angelesenen Unsinnsansammlungen nicht, bzw. versteht auch die Bedeutung mancher Dinge wirklich. Ich schmeisse allerdings keine Kleinkinder ins Feuerbecken weil ja alles für den Weisen ohnehin nur stroherne Opferhunde sind, also bin ich nicht wirklich Daoist.

Weiter möchte ich mich nicht damit auseinandersetzen, danke. Dir würde ich mal den Tipp geben, Dich mal für längere Zeit in einen Garten zu setzen, auf den Boden oder den Horizont zu sehen, und das Denken einzustellen. Einfach nur da sitzen. Nach ein paar Wochen erübrigt sich so manches.

Richard22
05-09-2012, 15:12
Die strohenden Hunde sind eine Metapher für die Beliebigkeit von Gefühlen/ Emotionen, die eben im Menschen von selber entstehen und deswegen einfach nur Teil des Dualismus sind.

Lao Dsi und Dschuang Dsi heben beide hervor, daß man sich mit solchen Beliebigkeiten nicht weiter aufhalten sollten und sie schon gar nicht fördern sollte.

Was Du als Unsinnssammlung bezeichnest kann man bei Lao- und Dschuang Dsi nachlesen.

Wenn Du die Lehre/ das Dao als Erfahrbar kennst - warum bist Du dann emotional so kompromitiert?

Fechtergruß

Klaus
05-09-2012, 16:05
Ich könnte sagen weil Deine Darstellungen falsche Interpretationen von etwas Angelesenem sind und mich das nervt, weil ich damit gelebt habe, und weiss dass es nicht richtig ist (was nicht heisst dass alles falsch ist).

Allerdings ist das nicht die richtige Antwort. Die richtige Antwort ist, dass die Diskrepanz zwischen meinem Erlebtem und Deinen Behauptungen Spannungen erzeugt, die sich so äussern. Und das ist so, weil ich noch nicht zu Ende bin mit "Aufräumen" was noch so liegt. 12 Jahre auf einem Irrweg umzubauen dauert, und das lange. Besonders wenn auf dem richtigen Weg grosse Steine liegen die sich in den 18 Jahren davor angesammelt haben, und die woanders hin müssen. Ich mach's trotzdem. Scheint meine Aufgabe zu sein. Und das lustige ist, dazu gibt es Übungen. Die hat allerdings Lao Dingenskirchen nicht beschrieben, anderenfalls möge man mich da korrigieren. Trotzdem muss das jeder der behauptet Daoist zu sein kennen und können. Aber auch da erlebt man schon mal Überraschungen. Das tolle ist, Du kannst das auch lernen, und dann klappt so manches plötzlich viel einfacher. Benötigt werden ein Gartenstuhl, ggf. ein Tisch für Kaffee und Kuchen, und möglichst eine Sicht die etwas weiter reicht als auf eine Mauer in 3m Entfernung. Mehr nicht.

va+an
05-09-2012, 21:29
In welchem Zusammenhang siehst du dann das TaiJi, Wuji zum Dao ?

Der Weg zum Alleins-Sein liegt allen Religionen zugrunde.
Dennoch kennen sie auch den Dualismus, und haben in ihren Traditionen eben "Übungen", Gebetsrituale /-formen, sich dem Dualismus zu entziehen.

Sehe im Christentum genauso wie im Islam. UND genauso auch im Daoismus.

kanken
05-09-2012, 21:50
Eben, die "Nichtzweiheit" ist nicht nur im Taoismus zu finden.

Simplicius
05-09-2012, 23:03
Vielleicht kapierst Du mal bei Gelegenheit dass ich seit 40 Jahren so lebe ?


darf ich fragen, wie/von wem Du das vermittelt bekamst, Du scheinst ja aus dem europäischen Kulturkreis zu stammen?
Ist das bei euch in der Familie, warst Du als Jugendlicher in Asien, oder hat sich das bei Dir spontan entwickelt und Du hast später gemerkt dass das Daoismus ist?

punktpunktpunkt
05-09-2012, 23:22
Dumme Frage, schlecht ausgedrückt: Empfindet man diese "Nichtzweiheit" eigentlich als etwas besonderes, oder ist's wie die Brille auf dem Kopf die einem nach epischer Suche ganz ordinär auf die Nase fällt? Oder die Abstinenz von Suche generell?

kanken
06-09-2012, 07:39
Das Bild mit der Brille gefällt mir persönlich sehr gut dafür, danke kannte ich bisher nicht.
*
Man hat sie gesucht und sie war eigentlich immer da. Wenn man sie gefunden hat ist man glücklich und es fällt einem wie Schuppen von den Augen, danach hat man sie auf und es ist nichts besonderes.
*
Grüße
*
Kanken

Klaus
06-09-2012, 10:49
Ja, ich habe solche Leute früh getroffen, aber darüber führe ich ganz sicher keine dialektische Auseinandersetzung oder einen kleinen Internetkleinkrieg. Danke.

opendoor
06-09-2012, 11:38
....Ich werde keine Argumente auffahren, wieso China KK und Daoismus eine gemeinsame Grundlage haben. Handball mag nicht dem Daoismus folgen, Taiji Quan tut es...

Ich würde den Daoismus nicht so sehr ins Zentrum rücken. Das KK-Vokabular des TJQ wurde aus der Tradition der Zen/Chán Klöster übernommen. Jene haben es aus Indien mitgebracht. Bei den IMA wurden lediglich bestimmte Techniken ins Zentrum gerückt, andere aussortiert. Aber selbst in Shaolin-KK gibt es interne Techniken. TJQ ist eine Fusion-Art.

Richard22
06-09-2012, 16:29
Klaus, ich respektiere Dein Erlebtes. Wen Du Lao und Dschuang Dsi ablehnst, so ist das völlig ok - beide schreiben ja nicht von Dogmen.

Der Daoismus ist nicht besser oder schlechter als andere mystisch-philosophische Lehren - er stammt aus dem Schamanismus.

Der Daoismus ist eher das Zentrum der chinesischen Kultur im 17. Jhd. Klar beeinflußen sich Daoismus und Buddhismus in China gegenseitig - beides sind wahrscheinlich kulturelle Importe, der Daoismus hat sich eben nur länger und tiefer eingegraben.

Aus dem Taiji entsteht das Wuji - nur sind da eben, mit Klaus, alles nur Begrifflichkeiten.

Taiji - KK - Daoismus lebt von der praktischen Erfahrung - das ist ja der starke Kontrast zu den heutigen Buchreligionen.

Fechtergruß

Klaus
06-09-2012, 19:43
Ich lehne die nicht ab, ich habe a) nicht so viel gelesen, und b) weiss ich, dass es Teil der daoistischen Methodik ist, widersprüchliches zu sagen was man so nicht meint, um Leute ans Denken und Empfinden zu kriegen. Man müsste wissen an wen die jeweilige Schrift gerichtet war, und in welchem Zusammenhang das geschrieben wurde, dann könnte man eventuell merken wie es gemeint ist. Dazu kommt noch der Teufel Fehlübersetzung oder Mehrdeutigkeit der Zeichen, oder Zeichen die man nicht mehr so richtig kennt und nur raten kann was sie bedeutet haben.

An der Stelle könnte Kollege Gongfu uns sicher genaueres erläutern. Aus der Erinnerung, diese Schriften wurden schon mal in Gedichtform oder "Singsang" geschrieben, und künstlerisch gestaltet oder verfremdet. Ich bin mir auch nicht sicher inwiefern da die Übersetzung von Zeichen eine exakte Wissenschaft ist, oder man einfach mal gut geraten und von späteren Abschriften in bekannteren Darstellungen die Bedeutung der Zeichen in der Urschrift abgeleitet hat. Und an dem Punkt bekommen wir die gleichen Schwierigkeiten wie das Christentum. Es soll gerüchteweise vorgekommen sein, dass Leute die "Abschriften" erstellt haben, das eine oder andere schlicht verändert haben, weil sie die ursprüngliche Version nicht mochten und ihnen die "Abschrift" viel besser gefiel als das was da wirklich mal gestanden hat. Siehe Thomas-Evangelium.

Der Daoismus hat insofern seine "Wurzel" im Schamanismus, als eine schamanistische Praxis - das längere Stehen im Wind, "auf den Wind hören", sowie das Starren auf den Horizont - sofort in einen für daoistische Praktiken typischen Geisteszustand führt. Und damals unweigerlich geführt hat, einfach so, ohne zu wissen. Dann verbindet sich der Geist mit etwas das da ist, und danach läuft der Rest von alleine ab. Wenn da nichts wäre, hätten wir heute einen grossen Wust unterschiedlichster Wünsche und Bedürfnisse, alles Schlechte was Menschen schon mal geil finden. Siehe der real existierende Katholizismus. Das Ergebnis dieser Praxis ist in den Grundzügen aber immer gleich, nur in der jeweiligen Lebensströmung "ausgeformt". Der jeweilige Weg kann ziemlich lang werden.

Richard22
07-09-2012, 21:26
Ich lese Lao und Dschuang Dsi seit ich 18 war - jetzt bin ich 46. Es gibt eine ganze Reihe von historischen Texten zum Thema, und eine ganze Reihe von versuchten Übersetzungen. Dazu kann man locker Bücher füllen. Man kann Jahre über die Texte nachsinnen - dazu wurden sie geschrieben.

Tatsache ist, daß es eine Reihe von expliziten Aussagen gibt, die sich in alle Texten zum Thema finden.

Dazu gehört z.B. das Ablehnen von Moralvorstellungen - was Du das schlechte, was Menschen schon mal geil finden, oder den real exisitierden Katholizismus nennst. Was Du da an Denkmuster bringst ist zutiefst dualistisch, und damit eher christlich.

Die daoistische Methode ist, das es eben keine Methode gibt. Das ist ja gerade das Problem, daß der Mensch erkennen soll oder darf, daß es eben außer den Gegensätzen etwas Erfahrbares gibt. Das geht nur, wenn man eben auf den Gegensatz freiwillig verzichtet - schon gibt es keine Moral mehr, die ja ein Kunstprodukt ist.

Das ist ja auch unser Probelm im Diskurs um "richtiges" Taiji - dieses gibt es nicht.

Im China Schamanismus hat man kulturell recht schnell die Verbindung zu dem, was den Schamanismus ausmacht, verloren - zur Zeit von Dschuang Dsi gab es wohl noch Reste einer Überlieferung. Danach erstarrte der Schamanismus in Ritualen. Anders der sibirische Schamainismus, aus dem der Daoismus wahrscheinlich stammt.

Was Du mit dem stehen im Wind meinst ist wohl das Fliegen, das Dschuang Dsi immer wieder in Metaphern anführt - weil es eben mit Logik und Worten nicht zu beschreiben ist.

Nicht umsonst gehörten Lao und Dschuang Dsi zu dem, was man Weltliteratur nennt und beide Bücher zählen zu den Schwersten, was die China-Klassiker angeht - ein Buch, das die Logik der Sprache benutzt, um etwas zu erläutern oder zu beschreiben, daß Logik nicht kennt, oder eben vor ihr existiert.

Fechtergruß

Fechtergruß

Klaus
08-09-2012, 12:46
Lies es Dir einfach nochmal selbst durch, und finde die Widersprüche. ;)

T. Stoeppler
08-09-2012, 12:47
Thread #2, der heute den Weg ins Philosophie-Forum findet.

Gruss, Thomas