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Vollständige Version anzeigen : Tai Chi ohne die Kampfkunst ist ersetzbar?



Hongmen
02-09-2012, 22:22
Hi Leute

Tai Chi ist eine Kampfkunst, wird aber heute mehr und mehr als Gesundheitssport betrieben.

Ohne die kämpferischen Eigenschaften ist Tai Chi IMO ersetzbar durch einfachere und vielleicht auch wirkungsvolleren Gesundheitsübungen.

Zum Beispiel durch Qigong, Yoga, Feldenkreis, Pilates etc., aber auch durch moderne physiologische Erkenntnisse.

Was meint Ihr? Ist Tai Chi als Gesundheitsübung ersetzbar?

Hongmen

Richard22
02-09-2012, 22:29
Für die meisten Leute wäre Fahrradfahren, Joggen oder Schwimmen mit Sicherheit besser zu üben, billiger und auch alle Fälle effektiver, was die Gesundheit angeht.

Im Westen übt man heute Taiji um Stress abzubauen und sich zu entspannen. In der KK übt man genau anders herum, man übt Stress und Spannung, um besser zu werden und seine KK zu entwickeln.

Dazu kommt die Emo-Eso-Energie, die nur den Dünkel und das Ego fördert. Mit den ganzen außergewöhnlichen Sinneswahrnehmungen füttert man nur den Intellekt und die Trennung zwischen sich und Umwelt.

Yoga ist für den Westler völlig unannehmbar, als Gesundsheitssystem nicht durchführbar - zu brutal, zu hart, zu wenige Kompromisse. Was heute im Westen als Yoga verkauft wird, das hat mit Yoga nichts zu tun - eher mit Bodenturnen.

Fechtergruß

PS: Hong, lese ich da einen gewissen Frust aus Deinen letzten Beiträgen heraus? Du hast da deinem SV-Seminar möglicher Weise gesehen, daß so etwas niemanden interessiert. Taiji ist heute bei uns unter den Wohlfühlübungen abgelegt worden - wer SV sucht, der geht eher zum Boxen, Ringen oder FrauenSV. Willst Du heutigen Fernsehgebildeten beibringen, wie man mit dem Jian jemanden vom Leben zu Tode befördert?

tomdada
03-09-2012, 07:59
Was meint Ihr? Ist Tai Chi als Gesundheitsübung ersetzbar?

Gegenfrage: Was meint Ihr? Ist Tai Chi Chuan als Kampfkunst ersetzbar? Es gibt heute effektivere Arten der Kampfkunst. Sollte man jemandem, der sich einfach nur effektiv verteidigen will, nicht eher eine Mitgliedschaft im örtlichen Schützenverein empfehlen, statt ihm TJQ ans Herz zu legen, von dem wir alle wissen, dass es jahrzehntelanges fleissiges Üben braucht, um sich damit überhaupt in einem Kampf behaupten zu können, und dass dann der erstbeste blutige Anfängerschütze mit einer Schusswaffe in der Hand einen trotzdem völlig anstrengungslos besiegen kann? Wozu also TJQ als Kampfkunst üben?

Oder die Frage präzisiert: Wozu ist TJQ überhaupt gut? Wie viel von TJQ kann man weglassen, bis es unnütz und verstümmelt wird? Die Frage, wozu die Leser hier TJQ üben - dafür gibt es allerdings schon einen Thread.

Kann man den Gesundheitsaspekt weglassen? Kann man den meditativen Aspekt weglassen? Kann man das "langweilige" Stehen weglassen? Kann man die "tänzerischen" Formen weglassen? Kann man die "martialischen" Kampfübungen weglassen? Kann man den "Wolfühlaspekt" weglassen, d.h. kann man TJQ ausüben ohne sich dabei wolzufühlen?

Ich behaupte, man kann nichts davon weglassen, ohne dass TJQ unvollständig wird, aber selbstverständlich kann man für sich persönlich entscheiden, nur die Aspekte zu üben, die einen selbst interessieren. Es ist dann halt nicht mehr wirklich TJQ, und spätestens dann, wenn man sein TJQ weitergibt sollte man auf die Entscheidung, gewisse Aspekte wegzulassen, zurückkommen.

Was die Ersetzbarkeit betrifft: Wieso spielen Leute Fussball, obwohl es die viel bessere Ballsportart Rugby gibt?

Will heissen: Es gibt sehr viele Alternativen zu TJQ, auch solche, die sehr nahe sind an TJQ (z.B. Ba Gua). Die Entscheidung, ausgerechnet TJQ zu lernen trifft jeder wohl aus den unterschiedlichsten Gründen, z.B. weil ein guter Lehrer in der Nähe zu finden ist, weil es einem persönlich gut gefällt, weil der beste Kollege auch TJQ übt, was-auch-immer. Wenn man einfach die effektivste Kampfkunst lernen möchte, oder die beste Gesundheitsübung, oder die beste Meditationsübung, oder die beste Entspannungsübung, oder die beste Stressbewältigung, oder die erfolgreichste Energieübung, ja, dann kann man ein Leben lang danach suchen, ohne je irgendetwas zu üben - denn was "das Beste" ist, hängt von jedem Menschen und seinen Vorstellungen ab, es gibt kein absolutes Bestes.

P.S.: Ich versuche jetzt konsequent das "Quan" nicht mehr wegzulassen. Erstaunlicherweise gibt es im Forum wohl Leute, die von der Abkürzung verwirrt werden ("Taiji hat keine Stile").

rudongshe
03-09-2012, 09:09
Taiji bietet je nach Trainingsintensität verschiedene Stufen, mal grob gesprochen.
Das was lange braucht und vielleicht das höchste Ziel darstellt ist die innere Kraft. Ich kenne Leute die haben die ganz physisch.

Für die Zwischenzeit gibt es aber auch Anwendung von Formbildern oder Hebel und all das was man in andern Künsten auch lehrt.

Ich behaupte mal, dass ich Taiji als Kampfkunst fast täglich anwende - nur auf einem sehr vorsichtigen Niveau und mit anderen körperlichen Auswirkungen und einem erweiterten Blickwinkel.

Ich kann mir nicht erlauben bei psychischem Stress, Bedrohung oder Übergriffen mein Programm einfach abspulen zu lassen, d.h. in zwei Sekunden zu "beenden"

Auch scheinbar "harmlose" Anwendung können ganz schnell üble Verletzungen hervorrufen.

Ich muss abwägen, Strategien davor schalten. Das geht nicht, wenn man nicht ruhig ist.

Wie "effektiv" man eine KK erfolgreich anwendet ist vielmehr eine Frage der Geistes als der Technik, wie ich meine.
Je weniger Handbremsen und umso rücksichtsloser/kälter desto "effektiver"
Über das Für und Wider muss jeder entscheiden.

Wenn man davon spricht die KK im Leben anzuwenden, muss man sich nach dem Ort fragen, wo man es tut und welche Gewohnheiten man annimmt.
Denn die werden abgespult.

Oder man bleibt im Trainingsraum und rüstet sich für den Raubmordversuch.
Was auch okay ist.
Mir wird manchmal nur etwas zu leichtfertig darüber gesprochen.

Für mich ist die Synthese, nicht die Extreme - gerade das Wichtige.
Ich bin auch ein Teil der Wohlfühlgemeinde, der Taiji-Utes sozusagen.
Ich horche in mich hinein um Burnout vorzubeugen.

Wenn das nun bedeutet, dass ich kein Taichi Chuan anwende, dann ist es so.

Wohlfühlgruß

Richard22
03-09-2012, 10:40
Taiji als KK kann man in gut 6 Monaten brauchbar lernen. Das ist dann ausreichend, um mit vielen üblichen Übergriffen/Angriffen fertig zu werden.

Wichtig ist den Leuten zu zeigen, daß Taiji nichts mit Schubsen zu tun hat.

Sportschützen dürfen zwar Notwehr ausüben, wie Jedermann hierzulange auch, aber Sportschützen haben nichts, rein gar nichts mit SV zu tun. Ganz im Gegenteil, wer eine WBK besitzt, der muß ein sportliches Bedürfnis nachweisen (es gibt aber auch Sammler, sowie Händler). Waffen und Muntion müssen getrennt aufbewahrt werden, die Feuerschußwaffen dürfen nicht zugriffsbreit aufbewahrt werden.

Also ist SV und Sportschütze einfach eine Mär.

Was ihr meint ist der Waffenschein, also die Berechtigung Waffen zu tragen - die haben nur die Exekutivkräfte des Staates (Streitkräfe, Polizei, Sondereinsatzkräfte, geheime Dienste, Diplomaten, aber auch Angehörige anderer Staaten wie USA, von denen in D-Land viele beruflich unterwegs sind), in Ausübung ihres Dienstes, und einige Privatpersonen, die eine Bedrohungslage nachweisen können.

Dann gibt es immer noch den Notwehrexzess usw. Also, Feuerschußwaffen und SV haben rechtlich und real keine Schnittmenge. Das sind Stammtischmärchen - die dem Schützensport mehr schaden als nützen!

Taiji ist ja gerade eben durch das Taiji-Prinzip zum Maßhalten geschaffen - das ist die große Stärke des Taiji.

Nicht alle SV-Situationen enden in einem Kampf auf Leben und Tod.

Man könnte es so formulieren: Taiji meidet das Extrem und lebt den Ausgleich.

Fechtergruß

FlyingTiger
31-10-2012, 15:12
Für die meisten Leute wäre Fahrradfahren, Joggen oder Schwimmen mit Sicherheit besser zu üben, billiger und auch alle Fälle effektiver, was die Gesundheit angeht.

Im Westen übt man heute Taiji um Stress abzubauen und sich zu entspannen. In der KK übt man genau anders herum, man übt Stress und Spannung, um besser zu werden und seine KK zu entwickeln.

Dazu kommt die Emo-Eso-Energie, die nur den Dünkel und das Ego fördert. Mit den ganzen außergewöhnlichen Sinneswahrnehmungen füttert man nur den Intellekt und die Trennung zwischen sich und Umwelt.

Yoga ist für den Westler völlig unannehmbar, als Gesundsheitssystem nicht durchführbar - zu brutal, zu hart, zu wenige Kompromisse. Was heute im Westen als Yoga verkauft wird, das hat mit Yoga nichts zu tun - eher mit Bodenturnen.

Fechtergruß

PS: Hong, lese ich da einen gewissen Frust aus Deinen letzten Beiträgen heraus? Du hast da deinem SV-Seminar möglicher Weise gesehen, daß so etwas niemanden interessiert. Taiji ist heute bei uns unter den Wohlfühlübungen abgelegt worden - wer SV sucht, der geht eher zum Boxen, Ringen oder FrauenSV. Willst Du heutigen Fernsehgebildeten beibringen, wie man mit dem Jian jemanden vom Leben zu Tode befördert?

Ich bin da nicht einverstanden mit dem Fahrradfahren Vergleich. Vielleicht würde es gehen, wenn ich Fahrradfahren im völligen Bewusstsein des Fahrens mit Tiefenatmung praktizieren würde. Aber dann ist immer noch das Problem da, dass sich beim längeren Fahren gewisse Muskeln einfach verspannen. Oder sehe ich deinen Vergleich jetzt völlig falsch?

Wieso sollten Sinneswahrnehmungen das Ego oder den Intellekt tangieren? Es ist ja bekannt, jetzt eher in Richtung Meditation gedacht, dass man sich davor hüten sollte quasi ein Metaphysik Junkie zu werden, da man dann wieder nur im Geist und nicht im Hier und Jetzt ist. Wenn du das so meinst, wird mir das mit dem Ego natürlich klarer.

Ist es denn falsch mit Taiji Stress abbauen zu wollen? Oder meinst du schlichtweg, dass man dann eher Qi Gong oder Ähnliches betreiben sollte?

Ich stimme euch grundsätzlich zu. Es ist schade, sind die Systeme, die sich sehr mit dem Innern beschäftigen oft zu Wohlfühloasen geworden oder sonst wie abgedriftet in halluzinatorische Bereiche. Sieht man beim Systema ja auch. Dabei wäre der Gewinn enorm, könnte man die Bereiche kombinieren; jetzt mal rein kämpferisch betrachtet. Für mich ist die Beschäftigung mit den inneren KK zur Zeit primär eine Herausforderung der Körperstruktur, bzw. Lockerheit, Stehen, Atmen. Falls ich wieder ernsthaft Richtung Kampf gehen würde, käme ich wohl an 1-2 Jahren richtig hartem Kontakttraining kaum vorbei. Nur eben schade, dass man dazu den Stil wechseln muss. Übrigens Leute wie Alex Kostic haben genau dies erkannt und probieren alles mögliche aus, diese Bereiche wieder mehr zusammenzubringen. Aber das ist ja wohl sehr OT im Chinaforum. :rolleyes:

Kamenraida
31-10-2012, 15:46
Hi, Tiger,

bin weitgehend deiner Meinung. Nichts spricht dagegen, Taichi zum Stessabbau zu betreiben. Im Gegenteil, es ist sehr gut dazu geeignet. Andererseits stimmt es schon, dass Dinge wie Feldenkreis, Schwimmen und Spazierengehen auch nicht übel sind.

Grundsätzlich: Ich finde es eine große, kulturelle Leistung, dass China und insbesondere auch Japan es geschafft haben, ihre traditionellen Kampfkünste in "friedliche" Systeme der Selbstkultivierung zu transformieren. Etwas, was wir Europäer nicht geschafft haben.

Im übrigen ist es doch immer wieder dasselbe: Wer mit seiner Kampfkunst in Richtung SV/realistisches Kämpfen gehen will, den hindert doch niemand. Insgesamt ist der Anteil der Taichiler, die ihre Kunst als "echte" Kampfkunst verstehen in den letzten Jahren enorm gewachsen. Schön so.

scarabe
31-10-2012, 15:56
Taiji hat als Gesundheitssport einen Vorteil gegenüber anderen Angeboten: Es bewegt und trainiert den GESAMTEN Körper. Alles wird durchbewegt ohne Verschleiß (wenns richtig gemacht wird) und ohne Verletzungsrisiko.

Taiji als oberflächlichen Gesundheitssport kann man denn auch schon innerhalb von 6-12 Monaten so lernen, daß es zumindest einigen Nutzen bringt,
(während Taiji als Kampfkunst richtig gemacht, verstanden und angewendet, mit Struktur und Prinzipien etc., viele Jahre intensiver Arbeit erfordert und keinesfalls innerhalb weniger Monate gelernt werden kann. Abkürzungen gibts genauso wenig, wie Haare schneller wachsen, wenn man dran zieht)

Die Motorik und das Gleichgewicht werden durch die Formen deutlich intensiver trainiert, als bei eher statischen Bewegungwiederholungen (Qi Gong, Yoga). Ebenso die Ausdauer und je nach Ausführung auch die Kräftigung der Muskulatur.
(Im Gegensatz dazu bietet Yoga oft mehr Beweglichkeit/Dehnung bestimmter Körperzonen)

Der Entspannungseffekt und das Lösen von Streß sind mit anderen Angeboten vergleichbar.
Die innere Kultivierung (im traditionellen Yoga unverzichtbar) kann man im Taiji und Qi Gong je nach Lehrer/Schule finden oder auch nciht, sie weicht jedoch von der des Yoag ab und ist nicht mit New Age Spiritualität zu verwechseln.

MAcht man Taiji richtig (Rücken gelöst, kein Hohlkreuz im Lendenwirbelbereich, Steißbein fallen lassen können (dauert je nach Übungsintensität 3 Monate bis 2 Jahre), Hüfte und Gelenke öffnen, Aufbau von Taiji-typischer Tiefenmuskulatur etc., erhält man positive Gesundheitsaspekte, die Yoga nicht und Qi Gong teilweise zu bieten hat.
(Diese Art, Taiji zu lernen, beinhaltet oft auch Anwendungserklärungen der Bewegungen und durch das so wachsende Verständnis einen schleichenden Übergang hin zu Taiji als Kampfkunst, wobei es zu wirklichem taiji-mäßigem Kampf noch ein weiter Weg ist)

Betreibt man Taiji oberflächlich, wie die meisten und schert sich nicht um dieses Lösen und Sinken und die dadurch entstehende Entwicklung innerhalb des Körpers, bleiben immer noch das schonende Ganzkörpertraining und der psychische Erholungseffekt.

Oder für Raufbolde stilübergreifendes Kloppen und die Illusion, jetzt Taiji als Kampfkunst gelernt zu haben. Oft sogar schon nach 6 Monaten. ;)

FlyingTiger
31-10-2012, 16:34
Betreibt man Taiji oberflächlich, wie die meisten und schert sich nicht um dieses Lösen und Sinken und die dadurch entstehende Entwicklung innerhalb des Körpers, bleiben immer noch das schonende Ganzkörpertraining und der psychische Erholungseffekt.

Ich kenne mich in der Szene nicht aus und es war/ist mir nicht bewusst, dass die meisten Leute nicht so trainieren. Aber, ist das nicht die Grundlage? Ich meine, ich lese mein erstes Buch zum Thema, ok mit gewissen Vorkenntnissen, unter anderem auch einem Qi Gong Kurs und mir ist völlig klar, dass ein ausschliessliches Nachmachen der äusseren Form nichts bringen wird; oder genauer nichts ausser ein bisschen Wellness. Übrigens auch ein Systema Problem...
Du stellst dich also auf den Standpunkt, dass a) die Leute zu doof sind oder b) Lehrer haben, die ebenfalls doof sind oder c) gar kein Interesse an tieferer Arbeit haben?
Von den mir bekannten Systemen kann ich nur sagen, dass es a) wenig wirklich gute Trainer für diese Art von Training gibt und b) die Leute oft zu wenig lang dabei sind, bzw. keine Geduld für diese Art der Arbeit mitbringen. Das war bei mir mit 20 aber ähnlich. Zwar Interesse, aber irgendwie keine Geduld.

Richard22
01-11-2012, 09:37
Die heutige Spaßkultur hat eben nichts mit KK zu tun.

Das Problem ist nicht das Taiji. Mann kann Taiji auch nicht machen oder richtig machen. Das ist ja gerade das Problem mit den Weltbild des Descart und dem des Daoismus. Unsere Spaßkultur ist immer noch von dem Sportverständis des späten 19. Jhds. geprägt - selbst unsere "Taijiler" sind eigentlich Telelogen, die alles mechanisch erklären wollen/müssen.

Das sieht man immer wieder an den hilflosen Erklärungsversuchen der Emo-Eso-Fraktion.

China und Japan haben nicht ihre Künste in friedliche Artis umgewandelt, sondern völlig zerstört und deren Geist in das Gegenteil pervertiert (heutiges Wushu oder Budo).

Das haben wir im Westen auch geschafft, nur gute 100 Jahre vor Japan und China (Sportfechten usw). Citius, altius, fortius haben wir auf die Chinesen und Japaner projeziert, nicht umgekehrt.

Also sind Wushu und Budo die Opfer unserer Kultur, nicht umgekehrt. Das sind die Versuche der Asiaten unsere Kultur nachzutanzen. Das gefällt auch nicht allen Asiaten, viele von ihnen wollen einen Rest ihres Stolzes retten und wenigstens einen Teil ihrer alten Kultur verab von der Macht des Westens konservieren.

Heutige Profies benutzen andere Waffen als Blankwaffen. Messerkampf wird noch rundimentär geübt, waffenlose KK ist nur für bestimmte Arten der Infiltation wichtig und wird kaum geübt.

Die Frage ist einfach, welchen Wert KK neben der reinen Brauchtumspflege hat.

Die Frage ist, welchen Nutzen hat KK für die Psyche des Menschen?

Taiji Quan ist einfach KK - nicht einmal ein Stil.

Fechtergruß

FlyingTiger
01-11-2012, 21:42
Die heutige Spaßkultur hat eben nichts mit KK zu tun.

Das Problem ist nicht das Taiji. Mann kann Taiji auch nicht machen oder richtig machen. Das ist ja gerade das Problem mit den Weltbild des Descart und dem des Daoismus. Unsere Spaßkultur ist immer noch von dem Sportverständis des späten 19. Jhds. geprägt - selbst unsere "Taijiler" sind eigentlich Telelogen, die alles mechanisch erklären wollen/müssen.

Das sieht man immer wieder an den hilflosen Erklärungsversuchen der Emo-Eso-Fraktion.

China und Japan haben nicht ihre Künste in friedliche Artis umgewandelt, sondern völlig zerstört und deren Geist in das Gegenteil pervertiert (heutiges Wushu oder Budo).

Das haben wir im Westen auch geschafft, nur gute 100 Jahre vor Japan und China (Sportfechten usw). Citius, altius, fortius haben wir auf die Chinesen und Japaner projeziert, nicht umgekehrt.

Also sind Wushu und Budo die Opfer unserer Kultur, nicht umgekehrt. Das sind die Versuche der Asiaten unsere Kultur nachzutanzen. Das gefällt auch nicht allen Asiaten, viele von ihnen wollen einen Rest ihres Stolzes retten und wenigstens einen Teil ihrer alten Kultur verab von der Macht des Westens konservieren.

Heutige Profies benutzen andere Waffen als Blankwaffen. Messerkampf wird noch rundimentär geübt, waffenlose KK ist nur für bestimmte Arten der Infiltation wichtig und wird kaum geübt.

Die Frage ist einfach, welchen Wert KK neben der reinen Brauchtumspflege hat.

Die Frage ist, welchen Nutzen hat KK für die Psyche des Menschen?

Taiji Quan ist einfach KK - nicht einmal ein Stil.

Fechtergruß

Interessanter Post, leider weiss ich nicht so genau, was du damit sagen willst, ausser dass der ursprüngliche Gedanke der KK's verwässert wurde.
Oder wurde er einfach den friedlicheren Gegebenheiten angepasst?

Ich denke, viele Leute im Westen sind einfach philosophiegeschädigt und zwar nicht im positiven Sinne, dass sie besonders kritisch wären, sondern im Gegenteil; die andere Seite das Fühlen ist völlig verloren gegangen.
Das mechanistische Weltbild von Newton schwebt noch immer in allen Köpfen als das vorherrschende. Deshalb haben wir mit asiatischen Denkweisen machmal so viel Mühe, was zB. Osho erkannt hat und die Westler mit ganz anderen Methoden abholte. Ich meine, seine Reden sind sehr interessant, bevor er völlig übergeschnappt ist. :rolleyes:

Interessanterweise haben die Russen als Bewohner eines Landes, welches über eine riesige West-Ost Ausdehnung verfügt ebenfalls einen besseren Zugang zum östlichen Denken. Aber wie lange wird das noch so bleiben? Viel russische Kultur wurde ja schon zerstört im 20. JH.

Die Eso Generation oder wie du sie immer nennst versucht irgendwie verzweifelt diesen Zugang zurückzuholen, schiesst aber dann oft völlig übers Ziel hinaus. Das sieht man ja auch an Systema Videos, in denen die Leute wie nasse Säcke herumturnen, weil sie nicht verstehen, dass es zwischen Lockerheit und Schlaffheit, Still sein oder nichts tun einen riesigen Unterschied gibt.

Es braucht halt einfach viel Zeit und Geduld, Offenheit, kritisches Denken, gute Lehrer, kleines Ego um sich sich selbst wirklich zu nähern. Interessanterweise verfügt der Westen ja mit Körpertherapie und Psychoanalyse eigene sehr interessante Methoden in diesem Bereich und ebenfalls Philosophen, die in andere Richtungen denken und schreiben, doch dazu muss man sich halt intensiv mit der Materie auseinandersetzen.

Richard22
03-11-2012, 14:20
Ich weiß nicht - der Westen hat auch heute noch die erfolgreichste KK-Kultur der Welt, die überall kopiert wird.

Diese Leute sind keine Emo-Eso's - was sich mit ihrem Beruf nicht so leicht vereinbaren ließe.

Der Spaßkultur teilhaftig sind die Menschen im Westen, die von eben jeder erfolgreichen Kultur in allen Bereichen ihres Lebens beherrscht werden. Die Spaßkultur ist eine Art Betäubungsmittel - wie es Marx mit der Religion als Opium für Volk beschrieb.

Bei uns setzt sich ab 1350 eine Entwicklung in Gang, die es so im Osten nicht gab, zu keiner Zeit. Diese führt eben zu ganz anderen Entwicklungen.

KK ist einfach Funktion - das war noch nie anders.

Die KK hat also keine Art Emo-Eso Ansatz.

Ich würde auch Systema nicht kritisieren - die sind dem Taiji in vielen Bereichen sehr ähnlich und Lichtjahre voraus.

Die Menschen im Westen sind keinesfalls philosophiegeschädigt - sie leiden eher an Philosophientzug. Denken ist außer Mode gekommen.

Unsere westliche Psychologie trägt eher Züge eines Kultes oder einer Religion, sie ist keine Wissenschaft und auch nicht fähig zu heilen. Durchschnittlich die die Heilungschance bei einer Behandlung um 50% - genauso groß wie ohne Behandlung.

Fechtergruß

Kamenraida
03-11-2012, 15:13
Es ist umgekehrt. Kampfkunst hat immer auch spirituelle Aspekte. Nichts konfrontiert dich so direkt mit einer existentiellen Ebene wie die Beschäftigung mit deinem Körper, mit dem Kampf, mit der Frage nach Leben und Sterben.

Nichts zeigt dir so klar, den Zusammenhang von Körper und Geist wie die Kampfkunst.

Nichts führt dich so unmittelbar in die Meditation wie die KK.

Natürlich kann man diese Aspekte über Bord werfen, wie du anscheinend Richard. Es macht die KK ärmer, jedenfalls meiner Meinung nach.

Ich wüsste auch nicht, was man durch die Reduktion auf "Funktion" gewinnt. Aber man verliert definitiv eine Menge.

Yen_Li
04-11-2012, 10:34
Hi Leute

Tai Chi ist eine Kampfkunst, wird aber heute mehr und mehr als Gesundheitssport betrieben.

Ohne die kämpferischen Eigenschaften ist Tai Chi IMO ersetzbar durch einfachere und vielleicht auch wirkungsvolleren Gesundheitsübungen.

Zum Beispiel durch Qigong, Yoga, Feldenkreis, Pilates etc., aber auch durch moderne physiologische Erkenntnisse.

Was meint Ihr? Ist Tai Chi als Gesundheitsübung ersetzbar?

Hongmen
Hallo,

ne kann man nicht.
Tai Chi Chuan ist eben kein Yoga, Pilates etc.
Wirkungsvoller?
Es kommt doch darauf an, welche Wirkung erzielt werden soll.

Mal davon abgesehen, dass ich Tai Chi Chuan ohne Bezug zur Anwendung doof finde.

Schönen Sonntag

Yen Li

Klaus
04-11-2012, 13:12
Klar kann man Taijiquan durch ähnliche Übungen wie die Senkong-Übung ersetzen, zu 100%. Es ist dann nur kein grosser Unterschied zu den Übungen die man dann macht.

T. Stoeppler
04-11-2012, 15:51
Vielleicht sollte man sich mal vergegenwärtigen, dass Taijiquan ein Kampfkunst und Übungssystem einer Familie ist. Mann kann sowas ähnliches machen, und dass Taijiquan nennen, aber schlussendlich ist es durch seine Tradition definiert, bekannt geworden und alles Andere ist erstmal nebensächlich.

Eine Tradition kann man nicht durch irgendetwas ersetzen. Das einzige, was man ersetzen kann, ist sowas wie eine *Rollenvorstellung*, die man selbst projiziert. Und davon gibt es ne ganze Menge und die ist auch bei jedem anders.

Ein Familienmitglied, bzw ein "indoor" Schüler, der seit Jahrzehnten trainiert würde nichtmal raffen, worum es hier geht. Ich glaube nichtmal dann, wenn man ihm das erklärt.

Gruss, Thomas

Heping
04-11-2012, 21:08
Wenn das mal Dein Fechterkollege verstehen würde...

pilger
05-11-2012, 11:36
Es ist umgekehrt. Kampfkunst hat immer auch spirituelle Aspekte. Nichts konfrontiert dich so direkt mit einer existentiellen Ebene wie die Beschäftigung mit deinem Körper, mit dem Kampf, mit der Frage nach Leben und Sterben.

Sehr g.e.i.l definiert!!! Und eigentlich sooowas von nachvollziehbar, dass es mich wundert, dass das jemand NICHT kapieren kann!



Nichts zeigt dir so klar, den Zusammenhang von Körper und Geist wie die Kampfkunst.

Vielleicht noch S e x, vorausgesetzt, man betreibt diesen eben auch nicht nur als rein-raus-Nummer (wie die reine "aufsmaulhau-Nummer" in der Kampfkunst), sondern eben auch mit allen Sinnen und allen Anteilen des Menschen :)

Viele Grüße
Pilger

Richard22
05-11-2012, 12:12
KK hat keinen spirituellen Ansatz - sie ist keine Religion. Leben und Sterben, das ist das ganz normale Leben, es kommt sehr gut ohne Religion aus. Im Umkehrschluß haben Religionen oft versucht sich die KK dienstbar zu machen, das gab es und gibt es in verschiedenen historischen Prozessen.

In China kommen die langsamen Bewegungen alter Leute im Taiji erst in den 1920'ern auf, als eine Leibeserziehnung in der Republik China. Davor war Taiji eher Gongfu.

Die spirituelle Komponente gab es zuvor im Taiji ebenfalls nicht - das kommt mit der Veränderung des Qi Gong in der Mitte des 19. Jhds.

Quan Fa/ Taiji war eine ganz normale KK im 17. Jhd, die sich eben derselben Methodik und Terminologie bediente, die alle KKs in China zu dieser Zeit hatten. Deswegen ist Taiji - als KK - eher eine allgemein KK des 17. Jhds dessen Stücke und Weltausschauung man in verschiedenen anderen KKs finden kann.

Thomas, daß ist ungefähr so, als wenn du tippen würdest, daß Johannes Liechtenauer einen Famlienstil gründete - das tat er nicht. Es gibt zwar 200 Jahre Rezeption von Liechtenauer, aber eben nur eine Rezeption, kein Familienstil.

Selbst in der heutigen Forschung ist umstritten ob der Chen-Clan Träger des Taiji war - KK ist nicht auf eine Familie beschränkt, schon gar nicht, wenn es sich eher um Allgemeingut handelt.

Man kann aber beobachten, daß es am Ende der Ming Zeit eine Bestrebung gab religiöse Begriffe mit KK zu vermischen - siehe Taiji, Xingyi und Bagua. Das ist eben eine Tendenz dieser Zeit in China Fachbegriffe mit Alltagsbegriffen zu vermengen.

Kamen, einer der besten und effektivsten Streitmächte dieser Welt waren jene im Dritten Reich, die in schwarzen Uniformen einhergingen und den Totenkopf eines alten preußischen Regiments trugen. Ich habe diese Menschen immer schon als nicht sehr spirituell eingestuft, in dem was sie taten.

Genauso die Smersch-Einheiten der UDSSR - diese Leute waren voll und ganz mit Leben und Sterben beschäftigt - Spiritualität war ihren aber eher fremd.

Was Du bringst sind die furchtbaren Argumente der Emo-Eso-Fraktion, die eben vollkommen weltfremd daher kommen. Befrage mal ein paar Soldaten zum Thema, die in den heutigen Kolonialkriegen kämpfen - das ist vollkommen unromamtisch und völlig aspirituell.

Dann stelle Dir vor wie sich Soldaten am Ende der Ming-Zeit fühlten, als das gesamte Riesenreich in sich zusammenbrach und es eine bis dato ungeahnte humanitäre Katastrophe gab (eine Situation vergleichbar mit dem Zusammenbruch 1945). Und das in einer Zeit als militärische KK noch sehr viel Nahkampf beinhaltete.

Betrachetet man die Funktion, was die KK angeht, und die Metaphysik, was die Philosophie angeht - das ist eine ganz andere Baustelle.

Fechtergruß

Yen_Li
05-11-2012, 14:30
Hallo,

auch wenn es OT ist.

Ich habe immer Probleme, die Texte von Richard22 richtig zu verstehen.
Deshalb antworte ich eigentlich auch nicht darauf, auch wenn ich manchmal durchaus den Wunsch habe.
Ich möchte auch nur auf kurze Stücke eingehen und meine Meinung dazu schreiben.

Richard22 schreibt:


China und Japan haben nicht ihre Künste in friedliche Artis umgewandelt, sondern völlig zerstört und deren Geist in das Gegenteil pervertiert (heutiges Wushu oder Budo).
Das sehe ich nicht so. Für mich sind es einfach nur Entwicklungen. Im Budo hat man aus Kriegskünsten, welche man nicht mehr brauchte, einen innere Lehre gemacht.
Wushu hat man direkt als Sportart gestaltet.Warum auch nicht. Niemand braucht diese Fähigkeiten im Krieg. Soldaten tragen keine Säbel mehr.


KK hat keinen spirituellen Ansatz - sie ist keine Religion. Leben und Sterben, das ist das ganz normale Leben, es kommt sehr gut ohne Religion aus.
Sie hat und hatte aber schon immer einen engen Bezug zur Religion. Leben und Sterben, das ganz normale Leben, kommt eben nicht ohne Religion aus. Durch das ganz normale Leben sind Religionen doch erst entstanden. Die Beschäftigung mit dem Sterben ist in vielen Religionen ein zentrales Element. Warum sonst haben alle Armeen der Welt Seelsorger bei ihren Truppen?

Schönen Tag noch

Yen Li

T. Stoeppler
05-11-2012, 15:50
Hallo Richard,



Thomas, daß ist ungefähr so, als wenn du tippen würdest, daß Johannes Liechtenauer einen Famlienstil gründete - das tat er nicht. Es gibt zwar 200 Jahre Rezeption von Liechtenauer, aber eben nur eine Rezeption, kein Familienstil.

Das kann überhaupt nicht vergleichen. Das Taijiquan ist von den Chens stammend bekannt geworden. Das, was die Leute gemacht haben, ist hier als Übungssystem bekannt. Ursprünglich gab es nichtmal den Namen, der mit deren Übungspraxis assoziiert wurde. Das kam später.

Ich würde Dich bitten, auch hier im Interesse aller Lesenden im Forum, bitte ganz ganz sauber zwischen dem, was Du annimmst, und dem, was bewiesen ist, zu trennen.

Es gibt auch in China diverse schriftliche Tradierungen und definitiv mehrmals, völlig ohne Verbindungen, taucht der Begriff "Tai Chi" im Zusammenhang mit der Kampfkunst auf.

Wenn man hier in diesem Forum (bitte sauber trennen!) über die in den Familien Chen, Yang, Li, Xu, Wu & Zhaobao spricht, dann meint man eben genau diese.

Du bist da auf einer ganz anderen Schiene - Du machst so etwas wie historische Chinesische KK ;).
Das ist etwas anderes und im Sinne der besseren Diskutierbarkeit sollte man das eine mit dem anderen nicht vermischen.

Gruss, Thomas

Yangshuo
05-11-2012, 17:20
KK hat keinen spirituellen Ansatz

Meditation.
Schonmal davon gehört? :D Wird glaube ich in allen asiatischen KKs geübt.


YS

FlyingTiger
05-11-2012, 23:17
Der Spaßkultur teilhaftig sind die Menschen im Westen, die von eben jeder erfolgreichen Kultur in allen Bereichen ihres Lebens beherrscht werden. Die Spaßkultur ist eine Art Betäubungsmittel - wie es Marx mit der Religion als Opium für Volk beschrieb.

KK ist einfach Funktion - das war noch nie anders.

Unsere westliche Psychologie trägt eher Züge eines Kultes oder einer Religion, sie ist keine Wissenschaft und auch nicht fähig zu heilen. Durchschnittlich die die Heilungschance bei einer Behandlung um 50% - genauso groß wie ohne Behandlung.

Ich reisse jetzt deinen Beitrag etwas auseinander, entschuldige. Also die Spasskultur ist bestimmt nicht neu. Soweit ich mich noch an meinen Lateinunterricht erinnern kann, war Brot und Spiele schon damals ein Diskussionsthema.

Möglich, dass KK eine Funktion ist. Anderseits hat sich ja der Buddhismus über Indien nach China und Japan verbreitet. Ich bin kein Sinologe, aber könnte es nicht sein, dass es da zu Vermischungen kam? Grundsätzlich haben doch einige Kampfkunstsysteme einen Gesundheitsbereich integriert; sogar beim Systema. Würdest du dich auf den Standpunkt stellen, dass dies alles erst später dazugekommen ist?

Also deine Ansichten zur westlichen Psychologie kann ich nicht teilen und teilt ebenfalls ein grosser Teil der Psychotherapieforschung nicht. Wissenschaft? Wenn du dich so gut auskennst, dann weisst du, dass über Definitionen, Möglichkeiten und Grenzen von Wissenschaft schon sehr lange debattiert wird. Es gibt sie nicht; die eine wahre Ansicht. Und sowieso, Wissenschaftlichkeit hat eine soziale Komponente, so wie jede Form von Wissen sie hat und unterliegt demnach Definitionen und/oder setzt gewisse Axiome voraus. Diese Dinge sind oft einem Wandel unterworfen.
Die theoretische Physik setzt wahrscheinlich ein anderes Wissenschaftsbild voraus, als medizinische Wirksamkeitsstudien mit Doppelverblindung.

Ich denke, wir müssen wie weiter hinten im Thread erwähnt, persönliche Ansichten als solche kenntlich machen, ansonsten gibt es ein riesiges Durcheinander.

Zurück zum Thema: Systema zum Beispiel hat ja wirklich sehr wenig mit spirituellen Themen zu tun; zumindest im täglichen Training. Hier erfüllt jede Übung eine konkrete Funktion - im Idealfall.
Anderseits, da ist doch die alte Redensart: "Im Krieg gibt es keine Ungläubigen". Von dieser Seite aus betrachtet müsste das auf alle Krieger zutreffen, zumindest im Systema sieht man eine starke Orientierung zur Kirche hin, besonders von den Leuten, die eben in Kriegssituationen waren.

Gruss

kanken
06-11-2012, 07:49
Lies mal ein wenig über Sun Lutang und seinen Beitrag zur KK in der chin. Republik.

Keiner würde auf die Idee kommen und einen Soldaten oder Jäger fragen ob er ein christliches oder buddhistisches Gewehr hat. KK ist immer ein Werkzeug zum töten gewesen.

Ob ein Ausübender einer KK etwas mit einer bestimmten Religion zu tun hat oder nicht sagt nichts, aber auch gar nichts, über die KK aus!

Grüße

Kanken

Kamenraida
06-11-2012, 12:41
Was Du bringst sind die furchtbaren Argumente der Emo-Eso-Fraktion, die eben vollkommen weltfremd daher kommen. Befrage mal ein paar Soldaten zum Thema, die in den heutigen Kolonialkriegen kämpfen - das ist vollkommen unromamtisch und völlig aspirituell.


Ich weiß nicht, was Soldaten zu ihrem Job sagen. Es interessiert mich auch nicht. Ob der westliche Stiefelkampf spirituell ist oder nicht, ist mir ebenfalls egal.

Im übrigen glaube ich nicht, dass man sich dem Taichi überhaupt in der Form nähern kann, dass man es als Kriegshandwerk betrachtet. Historisch gesehen war es das übrigens auch nicht.

Ich bin immer wieder verwundert, dass du - trotz deiner zweifellos vorhanden Auseinandersetzungen mit dem Thema - so stark pauschalisierst. A la: Taichi hat keine besondere Körpermechanik, alle chinesischen Kampfkünste sind gleich, etc.

Andererseits: Immer wenn du konkret wirst, merke ich, dass du - pardon - so gut wie nichts weißt. Wenn ich mal raten darf: Ein Tagesworkshop? Mehr kann es eigentlich nicht sein.

Und nochmals: Die historische Einordnung des Taichi ist wirklich interessant, und hier hast du bestimmt eine Menge Ahnung. Aber du begehst immer wieder einen kategorialen Fehler, indem du historische und systematische Argumente vermischst.

Jemand, der über die Historie des Automobilbaus geforscht hat, aber noch nie in einem Auto gesessen hat, wird vermutlich auch sagen: Alle modernen Autos sind gleich.

Das ist in gewisser Weise auch richtig - nur eben sehr pauschal. Ich möchte mit einem technisch interessiertem Blick über den Unterschied zwischen einem Mazda und einem BMW reden. Deine Antwort: Alle Autos sind gleich. Tja, das wird wohl für uns beide langweilig.

Im übrigen glaube ich, dass die chinesischen und japanischen KK immer auch eine Ebene der geistigen und spirituellen Schulung haben. Es wird nicht immer so genannt - und das ist in der Tat auch gar nicht nötig.

Gerade in den Emo-Eso-Stilen geht der Blick irgendwann auch nach Innen. Im Prinzip ist das, denke ich, bei allen KK, so.

Richard22
06-11-2012, 15:34
Kamen - die Ansicht mit der allgemeinen Theorie der chin. KKs ist mit meine, sie kommt aus der Forschung.

Kamen - die heutigen Kolonialkriege werden geführt, um uns hier ein Leben im Überfluß zu verschaffen. Also ist Krieg ganz klar ein Teil unserer heutigen Kultur - das ist sehr traurig, keine Frage, aber eben eine Tatsache.

Und, Kamen, erst sollte man Autofahren lernen, bevor man über Stile oder Automarken diskutiert. Dabei folgt das Autofahren einer überall gleichen Theorie in D-Land, deswegen haben Fahrschulen auch keine Chens und Yangs.

Yen Li - genau deswegen sind Budo und Wuhsu ja auch keine KKs mehr - trefflich beobachtet. Andere KK sind erhalten geblieben oder müssen wie das Taiji rekonstruiert werden.

Auf alle Fälle gibt es das Phänomen der Religion - ist China ist Daoyin/Tuna-Qigong wahrscheinlich immer im Kontext einer Religion ausgeübt worden - das kann auch ein Grund sein, warum die KP solche Mühen um Falun Gong macht. KK ist ohne Religion entstanden, in China. Der Name Taiji kommt wohl von Gebildeten aus der Mitte des 19. Jhds - die ersten nachweisbare Verwendung von Taiji als Name ist Kapitel 6 von Dschuang Dzi (das Buch ist um 300 v.d.Z. kompiliert worden, wenn ich mich recht erinnere). Dschuang Dzi und Lao Dsi halten von Religion wenig bis gar nichts.

Davor heißt es Shoubo und dan Quan - alles vollkommen gängige und allgmeine Begriffe.

Thomas, Taiji ist durch die Yangs bekannt geworden, von den Chen wußten die meisten Chinesenen gar nicht, das sie exisiterten. Yang hat damit Söldner/Karawanenbeleiter und Leibwächter ausgebildet (wie die Chens ja auch) - heute würde man das Personenschützer nennen.

Der Buddhismus hat den Taoismus beinflußt und umgekehrt, in China, keine Frage.

Brot und Wagenrennen (panem et cirzenses) war eben das Betäubungsmittel im alten Rom - keine Frage. Heute ist es vor allem die Spaßkultur in ihrer Kopplung das das TV.

Es sollte aber jedem bekannt sein, daß es im Buddhismus ein Gewaltverbot gibt - es gibt also keine buddhistischen KKs. Deswegen sind die Shaolin im 17. Jhd ja auch als Fleisch- und Weinmönche bekannt gewesen, sie haben sich eben völlig atypisch zum Buddhismus verhalten.

Im Daoismus wird sich dagegen von Anfang an mit KK und Krieg beschäftigt. Krieg wird bedauert, aber nicht geleugnet, genauso wie Waffen und KK.

Das Problem ist einfach, daß man KK nicht versteht, wenn man auf der Emo-Eso-Schiene fährt, so wie man auch mit dem Leben allgemein eher Probleme hat.

Ein Beispiel: Im 17. Jhd. wurde mehr geritten als Auto gefahren - deswegen war Reiten weit verbreitet, vor allem im Militär. Im Taiji wie in allen China KKs gibt es eine Menge Begriffe, die Pferd als Thema haben. Selbst bein Dschuang Dsi finden sich viele Gleichnisse, die Reiten zum Thema haben.

Zentrumsbewegungen wird auch jeder verstehen, der reitet. Das ist also etwas völlig normales, wenn man eben das Leben im 17. Jhd. analysiert.

Heute fahren die Leute eher Auto und Reiten ist zum Pferdesport geworden.

Eine "Bewegungslehre" in der waffeloser Nahkampf in 2 Formen gelehrt wird, dazu aber auch mindestens 5 Waffenlehren - wo hat die ihren Schwerpunkt?

Fechtergruß

PS: Tut mir Leid so viele Posts in einem beantworten zu müssen - macht die Sache nicht einfacher.

T. Stoeppler
06-11-2012, 15:51
OK jetzt wirds langsam total konfus, das mache ich mal dicht.

Themen und Zusammenhänge bitte sauber trennen, beim Lesen wie beim Schreiben.

Gruss, Thomas