Vollständige Version anzeigen : Taiji spielen?
Hallo,
nach längerer Zeit habe ich mal wieder in diesem schönen Unterforum gelesen und ein Ausdruck ist öfters gefallen:
"Taiji spielen nach Daniel Grolle"
Da frage ich mich (zunächst ganz neutral und ohne Wertung): Was soll das sein? Was steckt hinter dem Begriff "spielen"?
Könnt ihr mir Auskunft geben?
schönen Gruß
T. Stoeppler
13-09-2012, 16:17
Der User "Sundro" trainiert bei Daniel Grolle. Also im Zweifelsfalle den mittels PN kontaktieren.
Hier ist einer der letzten Threads zu dem Thema:
http://www.kampfkunst-board.info/forum/f52/didaktik-daniel-grolle-131997/
Gruss, Thomas
Dahinter steckt, dass man ein chinesisches Wort etwa in den 60ern in "player" übersetzt hat. Welches auch immer das gewesen ist.
Allerdings gab es das schon im "Spiel der 5 Tiere" beim Arzt Hua Tuo vor knapp 2000 Jahren, wobei das dort wohl bedeutet man "spielt" Tiere. Tierimitationen war ja ein Teil der Kultur vieler Völker, besonders im chinesisch-mongolischen Raum.
Was Klaus sagt.
Und in diesem Fall: Taichi "spielen" ist vermutlich eine werbewirksame Deernstifizierung des kämpferischen Inhalts.
shenmen2
13-09-2012, 20:21
Was Klaus sagt.
Und in diesem Fall: Taichi "spielen" ist vermutlich eine werbewirksame Deernstifizierung des kämpferischen Inhalts.
Oh Gott, Daniel Grolle und "kämpferischer Inhalt" - Nee, das passt wirklich nicht zusammen.
Ergänzend zu Klaus u.a.:
Kürzlich ließ ich mir von meiner Chinesisch-Lehrerin einige Ausdrücke und Sätze übersetzen, die ich für Chen Bings Besuch brauche.
Ua. auch etwas, worin Taiji-spielen vorkam. Sie schaute etwas verständnislos und sagte, in China sei eigentlich statt spielen ein Wort gebräuchlicher, das bei uns etwa schubsen oder schieben, sogar rempeln bedeutet.
Ganz offenbar gibt es da also auch in China unterschiedliche Ausdrucksformen.
Ein Bekannter von mir ist ein chinesischer Arzt und da sagt auch die ganze Familie "to play" wenns englisch reden.
oh gott, daniel grolle und "kämpferischer inhalt" - nee, das passt wirklich nicht zusammen.
:d
Richard22
14-09-2012, 15:10
Kommt wohl aus dem Englischen - da heißt es auch "Sword play" - womit ein Gefecht gemeint ist.
In unserem Sprachraum finden wir für Techniksequenzen den Namen "Stück", den man auch als "Spiel" übersetzen kann.
Das kommt vom Theater, dem Theater-Stück. Diese Begrifflichkeit eines festgesetzten Ablaufes, eben des Theasterstücks, hat unsere KK schon im MA übernommen.
Heute ist also ein Taiji-Spieler, "a taiji player", eigentlich jemand, der ein Stück KK aufführt oder übt.
Also kann man den "Spieler" mit dem "Fechter" übersetzen. "Fechter" (fight) heißt wiederum nur kämpfen.
Also kann man für "Spiel" auch "Kampf" nehmen.
Nur ist in D-Land die eigene Sprache gerade am Niedergehen und das Englische ist extrem weit in den Sprachraum eingedrungen - viele Deutsche benutzen aber englische Begriffe, ohne diese zu verstehen.
Eine ähnliche Entwicklung ab es im 18. und 19. Jhd mit dem Französischen ins Deutsche.
Fechtergruß
Simplicius
15-09-2012, 02:51
Ein Bekannter von mir ist ein chinesischer Arzt und da sagt auch die ganze Familie "to play" wenns englisch reden.
sonst (außer diesen zwei Wörtern) sagen die nix (wenn die englisch reden)?
Zum Thema:
"Das Leben ist ein Spiel.
Spiele haben Regeln.
Regel Nr.1: Das ist kein Spiel, das ist ernst"
Hat zwar nix mit Taijiquan zu tun, aber eigentlich doch:
When I advise, “Don’t do anything that isn’t play!” some take me to be radical. Yet, I earnestly believe that an important form of self-compassion is to make choices motivated purely by our desire to contribute to life rather than out of fear, guilt, shame, duty or obligation. When we are conscious of the life-enriching purpose behind an action we take, then even hard work has an element of play in it. By contrast, an otherwise joyful activity performed out of obligation, duty, fear, guilt or shame will lose its joy and eventually engender resistance.
http://www.nonviolentcommunication.com/freeresources/article_archive/play_mbrosenberg.htm
Martin N.
15-09-2012, 08:38
Eins muß man Daniel lassen: er gibt in diesem Forum immer wieder einen Anlass zur Diskussion!
Ich habe früher den Begriff "Tai Chi spielen" auch häufig verwandt und finde in nach wie vor treffend.
Die Frage ist für mich: was ist mit "spielen" gemeint?
Wenn Spielen aus Neugier zum Lernen entsteht (und das ist der innewohnende Sinn kindlichen Spiels) ist es für mich nur stimmig, Tai Chi Chuan "zu spielen".
Letztlich SPIELT sich Tai Chi Chuan ja auch im WechselSPIEL von Yin und Yang ab. Dabei ist z.B. das Tuishou eine Art RollenSPIEL.
Der von Simplicius (heut Nacht kein Ende beim Spiel gefunden?) angeführte M. Rosenberg meint dazu, dass das Leben, dann Spiel ist, wenn ich meinen Bedürfnissen folge und dabei feststelle, dass ich nicht der Einzige bin, der diese hat. Das führt dann zum spielerischen Miteinander.
Wenn ich keine Neugier für Tai Chi Chuan mehr empfinde, spiele ich einfach nicht mehr mit!
So, und jetzt geh ich auf den Tai Chi Spielplatz...
Hallo,
nun, ich glaube ehrlich gesagt, dass, nachdem ich mich über Herrn Grolle und seine Art von Taiji-Unterricht informiert habe, er ganz bewusst den Begriff "Spielen" verwendet.
Bestimmt gibt es viele verschiedene Interpreationsarten für diesen Ausdruck im Taiji-Kontext.
Jedoch glaube ich, dass hier einfach der Begriff passend zur Vermarktung des Unterrichts gewählt wurde- sprich: mein Taiji ist leicht, ohne Anstrengung, entspannend, verspielt, also nicht toternst ;-)
Das ist jetzt nicht unbedingt eine Kritik, aber mir scheint das doch alles sehr aufeinander abgestimmt :D
Gruß
Ich denke, dass man durchaus in Spielen Skills entwickelt, da Kinder ja auch so lernen. Es mag möglicherweise auch helfen, dass man in einer halb-gefährlichen Auseinandersetzung auch auf spielerischem Niveau bleibt, statt den Reisswolf einzusetzen. Gefährlich wird, wenn man quasi auf "Jackass" macht, während der andere einen gerade versucht tot zu schlagen.
Vom Empfinden her gibt es da einen Mittelweg, kann das aber gerade nicht richtig beschreiben. Für ernste, gefährliche Auseinandersetzungen trainieren einen Lehrer von altem Schlag dosiert mit Ernst, das bildet ein Gefühl, Empfinden, in dem man verzögerungsfrei in vollem Umfang jeglicher Kompetenz arbeitet, auf den Punkt, die Gefahr beseitigend. Der ultimative Schutzinstinkt, ohne moralische Einschränkung. Bei mir wurde das immer gerade noch rechtzeitig abgebrochen, sonst hätte ich die Leute getötet. Gibt also noch eine "Instanz" in einem die den Ausknopf drücken kann, das kam teils aber spät.
Darum halte ich es für wichtig, dass man eben diese Mischform von Ernst und kameradschaftlichem Lernen kennenlernt und behält. Motorischen Fähigkeiten ist es wurst ob die im Spiel oder im Ernst entstehen. Was langsam gemeistert werden muss, wenn man das ernsthaft einsetzen möchte oder muss, ist der Übergang in Ernst, in beide Richtungen. Erstens damit es nicht zu Lähmung, Zögern, Überforderung im Ernstfall kommt (und sei es nur der Bus der auf einen zufährt), zweitens damit sich im Geist ein Miteinander bildet, von Urinstinkten ohne Einschränkungen und moralischen Gefühlen die über die Seele ihre Prägung bekommen. Wenn das im Einklang agiert, bekommt man nicht nur ein unheimliches Niveau, man fühlt sich auch nicht besch*ssen wenn man übertreibt, weil man es nicht wirklich tut.
Für manche Menschen, die das nicht müssen, ist es manchmal besser die gar nicht mit Ernst zu konfrontieren, da tritt man sonst was los was nicht jeder so einfach bewältigt.
T. Stoeppler
15-09-2012, 15:54
Also was spielen und ernst anbelangt, haben wir hier die wunderschönen, einfachen Worte eines europäischen Fechtmeisters um die 1400:
..und ube dich dorynne (in der Fechtkunst) deste mer yn schimpfe / zo gedenkstu ir deste vas in ernste...
Ein bischen neudeutsch aufpoliert:
...Und übe dich darin (in der Fechtkunst) desto mehr im Spiele / so gedenkst du ihr desto schneller im Ernstfall...
Gruss, Thomas
Richard22
15-09-2012, 17:47
jo - und heute sagt man immer noch im Englischen "play", wenn es um Fechtstücke gegeht - eben das Erbe des Mittelalters.
Fechtergruß
Außerdem gibt´s immer noch die "Alten" die da sagen: Invest in loss! Und wenn ich nicht gewinnen soll macht doch nur Spielen Sinn.
Abgesehen davon sind sowohl Form als auch Tuishou und auch ein Großteil Sanshou, so tun als ob. Zumindest wenn ich Chen Man Ching lese.
Ahoi
einzelheinz
25-09-2012, 11:53
Was für Spekulationen. Vielleicht liegt's auch einfach daran, dass eine Übersetzung des entsprechenden Zeichens "spielen" ist und auch für "Tennis spielen", "Karten spielen" etc. verwendet wird?
Talisker
25-09-2012, 12:21
Ich glaube auch, dass das deutsche Wort "spielen" hier einfach als schlichte Übersetzung angesehen werden kann. Man muss nicht überall irgend etwas tiefsinniges reininterpretieren, warum der Übersetzer hier ausgerechnet "spielen" und nicht "üben" oder "trainieren" verwendet hat.
Es ist ja bereits schwierig einen spanischen Originaltext korrekt ins Deutsche zu übersetzen. So meinen ja heute z.B. viele Experten, dass Don Quijochte eigentlich nicht "der Ritter von der traurigen Gestalt" sondern der "Ritter mit dem kläglichen Gesicht" heißen müsste, da hier u.a. das spanische Wort "figura" falsch ins Deutsche übersetzt wurde.
Quelle: Ritter von der traurigen Gestalt oder mit dem kläglichen Gesicht? | Buch- und Krimiwelt | Kultur entdecken | de - ARTE (http://www.arte.tv/de/936398.html)
Wenn so etwas bereits zwischen europäischen Sprachen passieren kann, um wieviel schwieriger ist es dann wohl, den Text einer fernöstlichen Sprache mit einer ganz anderen Kultur korrekt ins Deutsche zu übersetzen?
Außerdem gibt´s immer noch die "Alten" die da sagen: Invest in loss! Und wenn ich nicht gewinnen soll macht doch nur Spielen Sinn.
Ich habe mich vor längerer Zeit mal mit meinem chinesischen Lehrer darüber unterhalten. Bei "Invest in loss" geht es nicht um das verlieren, auch wenn die Unterschiede nur klein sein mögen, sondern mehr um das investieren.
Zur Erklärung hat er ein Beispiel erzählt. Zwei Freunde gehen zusammen auf Einkaufstour, kommen in einen Laden der eine Hose im Angebot hat, die beiden gefällt. Es ist aber nur noch eine da. Einer verzichtet auf die Hose und gönnt sie seinem Freund. Das ist eine Investition in die Freundschaft und damit beschenkt man sich letztlich selbst.
Übertragen auf Taijiquan bedeutet das, wenn man mit einem Partner Tui Shou praktiziert, der nicht mit Taijiquan Prinzipien sondern unter anderem mit grober Kraft arbeitet und man selbst nicht mit gleichen Mitteln unter anderem aus Ego-Gründen dagegen hält oft verliert.
Folgt man nun der Versuchung und hält auf die gleiche Weise mit Kraft dagegen kann man vielleicht einen Vorteil erringen, aber das Taijiquan ist verloren.
Geht man nicht darauf ein und bleibt strickt bei dem was man eigentlich lernen will, wird man immer besser darin mit grober Kraft umzugehen, bis man mit steigendem Fortschritt und Trainings-Fleiß die Situation dominieren kann. Da muss man sozusagen durch.
So hat diese Aufforderung "In das Verlieren investieren" nichts mit Spielen zu tun, sondern mit konsequentem Training ohne Kompromisse und ohne Fallback auf alte Gewohnheiten.
Der wahre Verlust tritt ein wenn man es dem anderen gleichtut um sicherzugehen das man nicht blöd dasteht.
Simplicius
25-09-2012, 16:55
So hat diese Aufforderung "In das Verlieren investieren" nichts mit Spielen zu tun, sondern mit konsequentem Training ohne Kompromisse und ohne Fallback auf alte Gewohnheiten.
Der wahre Verlust tritt ein wenn man es dem anderen gleichtut um sicherzugehen das man nicht blöd dasteht.
so ist das auch in dem 5-Level-Buch von Jan S. dargestellt:
Man trainiert (investiert) in einen neuen Bewegungsmodus, der einem zu Anfang in der körperlichen Auseinandersetzung vielleicht Nachteile bringt, auf lange Sicht aber Vorteile.
Und wenn ich nicht gewinnen soll macht doch nur Spielen Sinn.
Ich kenne ja Leute in der Szene, die behaupten oder meinen, Gewinnen wär ihnen egal und mit dieser Begründung jegliches wirkliche Messen der eigenen Fähigkeiten umgehen, damit sie nicht verlieren.
Die Aufforderung tatsächlich nicht zu gewinnen, kenne ich bisher allerdings nur aus dem Film Fightclub als Hausaufgabe:
"Diese Woche kriegt jeder von euch eine Hausaufgabe. Ihr zieht los und fangt mit `nem völlig Fremden `ne Prügelei an. Ihr fangt `ne Prügelei an, und ihr verliert."
(Tyler Durden)
Viele Spiele machen auch keinen wirklichen Spaß, wenn der Gegner nicht gewinnen will. Z.B. Fußball oder Mensch ärgere Dich nicht.
Ich kenne ja Leute in der Szene, die behaupten oder meinen, Gewinnen wär ihnen egal und mit dieser Begründung jegliches wirkliche Messen der eigenen Fähigkeiten umgehen, damit sie nicht verlieren.
Ich bin froh wenn ich einen "schwierigen" Partner habe, der sich auf eine Art bewegt, die mir Probleme bereitet. Nur so kann man weiter kommen.
Man sieht ja auf Seminaren oft Menschen die sich unbewusst einen Partner suchen mit dem der Seminarverlauf "angenehm" ist. So kommt man nicht weiter. Man sollte mit den unangenehmen Teilnehmern üben.
Zum Spielen: Ich kenne nur zwei Modi japanisch Mushin chinesisch Wúxīn genannt oder eben Daddeln.
In den ersten Mode komme ich automatisch wenn es ernster wird oder von Anfang an klar ist, dass man die "Hände kreuzt". Da wir viel Schlagen gibt es in diesem Mode oft Verletzungen weil man sich selbst ganz raus nimmt und mit einer gewissen Distanz nur zuschaut.
Beim zweiten Mode Daddeln oder Spielen bleibt man die ganze Zeit mit dem Bewusstsein dabei bietet dem Partner zum Lernen mal Öffnungen an und probiert auch mal was aus. Wie kleine Raubtiere die spielerisch das Kämpfen üben ohne sich wirklich weh zu tun.
Beide Modi sind grundverschieden
wudangjian
27-09-2012, 17:23
Geh spielen – Mit dem Schwert "spielerisch zu fechten / zu üben" ist bei uns gelegentlich ein "Trainingsmodus", um die Schüler locker zu machen, wenn sie mal wieder mit Kraft und zu verbissen / kopflastig an die Sache gehen.... Als didaktisches Prinzip eigentlich universell gut einsetzbar...
@LHBF
Da wär ich dann später zu gekommen wenn´s keiner angemerkt hätte.
Ich find halt nur wichtig das man wirklich spielt. In den Nackeneinziehweiljetztisternst-Modus kommen die Leute unter Druck schon von allein. Während eine konditionierung von Nervensystem und Körper generell in meinen Augen nur in einer vertrauten und spielerischen Atmosphäre gelingt. Sparring und ersnt haben andere Mechanismen, aber in denen kann man nur bestehen wenn man den Rest schon verinnerlicht hat. Sonst besser mit Brechstange als mit Jin.
@Simplicius
Genau. Aber wenn ich mich nicht messe komm ich nicht in Gefahr zu verlieren. Also spiele ich nicht( denn spielen beinhaltet ja die Möglichkeit des Verlierens), sondern polier mein Ego, bzw. mache Wellness.
Eskrima-Düsseldorf
01-10-2012, 14:26
Nur ist in D-Land die eigene Sprache gerade am Niedergehen
Ja, mir ist auch schon aufgefallen, dass in D-Land die eigene Sprache gerade am Niedergehen ist. :D
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