Lowkick Loverboy
08-10-2012, 13:54
Servus zusammen,
der Thread, aus dem das folgende Zitat entstammt, ist zwar schon älter, aber ich wollte trotzdem noch was dazu schreiben. Pekiti Tirsia wurde direkt angesprochen, weshalb ich mich zu Wort melde; ich denke aber, dass das, was ich sage, auch für andere FMA gilt.
Ich denke, ich schau mir mal das PTK an ...
gute entscheidung. [...] ich persönlich würde das mit boxen kombinieren, dann hast du "technisch betrachtet" und von der kämpferischen orientierung her ein gutes sv-paket.
Erstmal freut es mich natürlich, wenn ein alter KKB-Hase das PTK und im speziellen unsere Schule in Reutlingen als „gute Entscheidung“ bezeichnet, danke. :) Trotzdem gibt mir Amasbaals Aussage zu denken, deshalb auch, weil sie wohl keine einzelne Meinung darstellt, nach den Diskussionen zu urteilen, die man so liest.
Die Grundfrage lautet, ob man die FMA, im konkreten Fall Kali der Pekiti Tirsia Europe, noch mit anderen Systemen kombinieren muss, um ein taugliches Selbstverteidigungstraining zu erhalten. Ich sage ganz entschieden: Nein. Und ich sage das als jemand, der früher selbst geboxt, auf Thaiboxturnieren gekämpft und einen Schwarzgurt im Vollkontakt-Karate hat. Ich finde alle diese Sportarten immer noch super, und mir geht es auch nicht darum, ihren jeweiligen Wert zu beurteilen. Ich weiß nur, dass PTK für sich alleine als vollständiges SV-System dasteht – und dass eine Kombination mit z.B. dem Boxen für einen Anfänger nicht nur unnötig, sondern sogar auch kontraproduktiv ist.
Es heißt immer, es würden nicht Systeme, sondern Menschen gegeneinander kämpfen. Das ist natürlich Quatsch. Es kämpfen Menschen gegeneinander, die in bestimmten Systemen ausgebildet wurden. Beides muss zusammenkommen, der „richtige“ Mensch und das „richtige“ System. Wo kommen beide zusammen? Im Training, bzw. konkret: in der Trainingssystematik. Grandtuhon Gajes Spruch lautet: „The secret is not the technique, but how the technique is given to the student.“ Das scheint als Binsenweisheit, aber daran entscheidet sich alles.
Ich glaube nicht, dass wir im PTK auch nur einen Hebel haben, den es z.B. im Aikido nicht gibt. Was uns aber unterscheidet, ist die Methode, wie wir unsere Techniken vermitteln. Was bringt den Schüler, die Schülerin dazu, diesen Hebel irgendwann umsetzen zu können? Das richtige Trainingskonzept. Dabei gibt es wahrscheinlich nicht den einen Königsweg, den man zu gehen hat. Aber mir scheint sicher, dass man eben überhaupt einen Weg suchen sollte – und nicht mehrere gleichzeitig.
Grandtuhon, nach ihm Tuhon Uli, nach ihm die zig Trainer der Pekiti Tirsia Europe haben eine erhebliche Menge Hirnschmalz investiert, die Methodik zu entwerfen, nach der wir unterrichten – ein Prozess, der immer noch im Gange ist, Leben heißt Bewegung. Wir feuern nicht einfach nach dem Zufallsprinzip mit Übungen und Techniken auf die Trainierenden, sondern verfolgen tatsächlich einen Plan bei dem, was und wie wir unterrichten. Das ist auch das häufigste positive Feedback, das wir von Stilfremden auf unseren Seminaren zu hören bekommen (das häufigste negative ist, dass wir zu lange die gleichen Basisübungen einschleifen).
Der Plan, den wir verfolgen, lautet: Menschen eine funktionierende Selbstverteidigung an die Hand zu geben. Es wird ja bisweilen diskutiert, ob die FMA nun Selbstverteidigungssysteme, Kampfkünste oder sonstwas seien. Ohne das Fass aufmachen zu wollen, wo denn jetzt genau die Unterschiede (womöglich noch zum Kampfsport) sind, würde ich sagen: So, wie ich die FMA kennen gelernt habe, sind sie reine Selbstverteidigungssysteme. Aber sie gehen davon aus, dass der Angreifer kein Idiot ist – will meinen, dass er auch etwas trainiert hat, eine Waffe führt oder in der Überzahl ist. Das ist der systematische Hintergrund, vor dem unser PTK agiert, und vor diesem Hintergrund muss sich das Training bewähren. Sorry, aber Flinchreflex und Gerade zum Gesicht reichen nicht.
Wenn man mit seiner Trainingsmethodik nun ein spezifisches Ziel verfolgt, dann ist es von großem Interesse, wann den Trainierenden welche Bewegungsmuster und taktische Optionen an die Hand gegeben werden, welche Reflexe, psychischen Attribute usw. in welcher Reihenfolge unterrichtet werden. Das erste Moment des SV-Trainings heißt für uns „Eigensicherung“, sowohl in den trainierten Bewegungen, als auch in der taktischen Betrachtung (Stichwort Flucht). Das erste Moment des Boxens, in der Bewegung wie im Verständnis vom eigenen Tun, heißt „Duellkampf“. Das passt einfach nicht! Natürlich kann ein erfahrener Kali-Mann bei einem Boxtraining bestimmte Attribute austrainieren. Natürlich ist es wertvoll für ihn, sein Kali mit anderen Kampfkünsten abzugleichen. Aber ein Anfänger wird zwangsläufig von den völlig gegenläufigen Informationen verwirrt werden, die z.B. Boxen und PTK an ihn liefern. Wer einen Kampf vermeidet, indem er aus dem Boxring wegrennt, wird disqualifiziert – aber er hat dabei vielleicht gutes Kali bewiesen. Fausteinsatz und Doppeldeckung sind optimiert für das Boxreglement, aber nicht für das Überstehen von Messerattacken.
Es ist die Ansicht, dass man die FMA mit anderem „anreichern“ müsste, um sie SV-tauglich zu machen, die zu Unverständnis der eigenen Bewegungsmuster, zuletzt zu ihrem Verlust führt – was nicht mehr verstanden wird, wird nicht mehr trainiert, weil man glaubt, woanders bessere Antworten zu bekommen. Man muss sich an seinem System abarbeiten, um es in seiner Vollständigkeit zu begreifen, und man muss seine Logik (in diesem Falle: SV) konsequent zu Ende denken. Bruce Lees Spruch „Absorb... usw.“ hat vielleicht mehr Schaden als Nutzen angerichtet. Wer kann denn nach z.B. drei Jahren Hapkido sagen, was daran das wirklich Nützliche ist, und was man getrost über Bord werfen darf? Da werden Bruchstücke aus ihrem Kontext gerissen, neu zusammen gebastelt, und was zuletzt bleibt, ist eine Sammlung einzelner Bewegungsfolgen, aber kein funktionierendes System. Wie sagt Uncle Bill (De Thouars): „Absorb what's useful. Discard nothing. You don't know if you understand it.“ Wenn ich merke, dass es in meinem System eine Lücke gibt, sollte meine Frage nicht lauten: Von wem kann ich eine entsprechende Technik übernehmen?, sondern vielmehr: Wie kann ich aus dem, was ich kann, selbst die richtige Antwort generieren? Der Angriff, der uns irgendwann überraschen wird, wird anders sein als alles, womit wir gerechnet hatten. Jetzt muss unsere Kampfkunst dazu fähig sein, die richtige Reaktion spontan zu produzieren. Aber damit das funktioniert, muss jene wirklich verinnerlicht sein. Und verinnerlichen kann ich sie wiederum nicht, wenn ich sie gleichzeitig durch ein konkurrierendes System an Denkweisen und Bewegungsroutinen sabotiere.
Warum sollen wir der Propaganda der anderen glauben? Ich habe im Krav Maga noch nichts gesehen, was ich in den FMA (bzw. im Silat) nicht schon in geiler gesehen hätte. Im Wettkampfsport gibt es coole Sachen, die wir so nicht liefern können, weil wir nun mal keinen Wettkampfsport machen. Aber in Sachen SV müssen sich die FMA von niemandem die Butter vom Brot nehmen lassen. Wir haben alles – wir müssen es nur richtig verstehen und vor allem richtig trainieren!
Beste Grüße
Sixt
der Thread, aus dem das folgende Zitat entstammt, ist zwar schon älter, aber ich wollte trotzdem noch was dazu schreiben. Pekiti Tirsia wurde direkt angesprochen, weshalb ich mich zu Wort melde; ich denke aber, dass das, was ich sage, auch für andere FMA gilt.
Ich denke, ich schau mir mal das PTK an ...
gute entscheidung. [...] ich persönlich würde das mit boxen kombinieren, dann hast du "technisch betrachtet" und von der kämpferischen orientierung her ein gutes sv-paket.
Erstmal freut es mich natürlich, wenn ein alter KKB-Hase das PTK und im speziellen unsere Schule in Reutlingen als „gute Entscheidung“ bezeichnet, danke. :) Trotzdem gibt mir Amasbaals Aussage zu denken, deshalb auch, weil sie wohl keine einzelne Meinung darstellt, nach den Diskussionen zu urteilen, die man so liest.
Die Grundfrage lautet, ob man die FMA, im konkreten Fall Kali der Pekiti Tirsia Europe, noch mit anderen Systemen kombinieren muss, um ein taugliches Selbstverteidigungstraining zu erhalten. Ich sage ganz entschieden: Nein. Und ich sage das als jemand, der früher selbst geboxt, auf Thaiboxturnieren gekämpft und einen Schwarzgurt im Vollkontakt-Karate hat. Ich finde alle diese Sportarten immer noch super, und mir geht es auch nicht darum, ihren jeweiligen Wert zu beurteilen. Ich weiß nur, dass PTK für sich alleine als vollständiges SV-System dasteht – und dass eine Kombination mit z.B. dem Boxen für einen Anfänger nicht nur unnötig, sondern sogar auch kontraproduktiv ist.
Es heißt immer, es würden nicht Systeme, sondern Menschen gegeneinander kämpfen. Das ist natürlich Quatsch. Es kämpfen Menschen gegeneinander, die in bestimmten Systemen ausgebildet wurden. Beides muss zusammenkommen, der „richtige“ Mensch und das „richtige“ System. Wo kommen beide zusammen? Im Training, bzw. konkret: in der Trainingssystematik. Grandtuhon Gajes Spruch lautet: „The secret is not the technique, but how the technique is given to the student.“ Das scheint als Binsenweisheit, aber daran entscheidet sich alles.
Ich glaube nicht, dass wir im PTK auch nur einen Hebel haben, den es z.B. im Aikido nicht gibt. Was uns aber unterscheidet, ist die Methode, wie wir unsere Techniken vermitteln. Was bringt den Schüler, die Schülerin dazu, diesen Hebel irgendwann umsetzen zu können? Das richtige Trainingskonzept. Dabei gibt es wahrscheinlich nicht den einen Königsweg, den man zu gehen hat. Aber mir scheint sicher, dass man eben überhaupt einen Weg suchen sollte – und nicht mehrere gleichzeitig.
Grandtuhon, nach ihm Tuhon Uli, nach ihm die zig Trainer der Pekiti Tirsia Europe haben eine erhebliche Menge Hirnschmalz investiert, die Methodik zu entwerfen, nach der wir unterrichten – ein Prozess, der immer noch im Gange ist, Leben heißt Bewegung. Wir feuern nicht einfach nach dem Zufallsprinzip mit Übungen und Techniken auf die Trainierenden, sondern verfolgen tatsächlich einen Plan bei dem, was und wie wir unterrichten. Das ist auch das häufigste positive Feedback, das wir von Stilfremden auf unseren Seminaren zu hören bekommen (das häufigste negative ist, dass wir zu lange die gleichen Basisübungen einschleifen).
Der Plan, den wir verfolgen, lautet: Menschen eine funktionierende Selbstverteidigung an die Hand zu geben. Es wird ja bisweilen diskutiert, ob die FMA nun Selbstverteidigungssysteme, Kampfkünste oder sonstwas seien. Ohne das Fass aufmachen zu wollen, wo denn jetzt genau die Unterschiede (womöglich noch zum Kampfsport) sind, würde ich sagen: So, wie ich die FMA kennen gelernt habe, sind sie reine Selbstverteidigungssysteme. Aber sie gehen davon aus, dass der Angreifer kein Idiot ist – will meinen, dass er auch etwas trainiert hat, eine Waffe führt oder in der Überzahl ist. Das ist der systematische Hintergrund, vor dem unser PTK agiert, und vor diesem Hintergrund muss sich das Training bewähren. Sorry, aber Flinchreflex und Gerade zum Gesicht reichen nicht.
Wenn man mit seiner Trainingsmethodik nun ein spezifisches Ziel verfolgt, dann ist es von großem Interesse, wann den Trainierenden welche Bewegungsmuster und taktische Optionen an die Hand gegeben werden, welche Reflexe, psychischen Attribute usw. in welcher Reihenfolge unterrichtet werden. Das erste Moment des SV-Trainings heißt für uns „Eigensicherung“, sowohl in den trainierten Bewegungen, als auch in der taktischen Betrachtung (Stichwort Flucht). Das erste Moment des Boxens, in der Bewegung wie im Verständnis vom eigenen Tun, heißt „Duellkampf“. Das passt einfach nicht! Natürlich kann ein erfahrener Kali-Mann bei einem Boxtraining bestimmte Attribute austrainieren. Natürlich ist es wertvoll für ihn, sein Kali mit anderen Kampfkünsten abzugleichen. Aber ein Anfänger wird zwangsläufig von den völlig gegenläufigen Informationen verwirrt werden, die z.B. Boxen und PTK an ihn liefern. Wer einen Kampf vermeidet, indem er aus dem Boxring wegrennt, wird disqualifiziert – aber er hat dabei vielleicht gutes Kali bewiesen. Fausteinsatz und Doppeldeckung sind optimiert für das Boxreglement, aber nicht für das Überstehen von Messerattacken.
Es ist die Ansicht, dass man die FMA mit anderem „anreichern“ müsste, um sie SV-tauglich zu machen, die zu Unverständnis der eigenen Bewegungsmuster, zuletzt zu ihrem Verlust führt – was nicht mehr verstanden wird, wird nicht mehr trainiert, weil man glaubt, woanders bessere Antworten zu bekommen. Man muss sich an seinem System abarbeiten, um es in seiner Vollständigkeit zu begreifen, und man muss seine Logik (in diesem Falle: SV) konsequent zu Ende denken. Bruce Lees Spruch „Absorb... usw.“ hat vielleicht mehr Schaden als Nutzen angerichtet. Wer kann denn nach z.B. drei Jahren Hapkido sagen, was daran das wirklich Nützliche ist, und was man getrost über Bord werfen darf? Da werden Bruchstücke aus ihrem Kontext gerissen, neu zusammen gebastelt, und was zuletzt bleibt, ist eine Sammlung einzelner Bewegungsfolgen, aber kein funktionierendes System. Wie sagt Uncle Bill (De Thouars): „Absorb what's useful. Discard nothing. You don't know if you understand it.“ Wenn ich merke, dass es in meinem System eine Lücke gibt, sollte meine Frage nicht lauten: Von wem kann ich eine entsprechende Technik übernehmen?, sondern vielmehr: Wie kann ich aus dem, was ich kann, selbst die richtige Antwort generieren? Der Angriff, der uns irgendwann überraschen wird, wird anders sein als alles, womit wir gerechnet hatten. Jetzt muss unsere Kampfkunst dazu fähig sein, die richtige Reaktion spontan zu produzieren. Aber damit das funktioniert, muss jene wirklich verinnerlicht sein. Und verinnerlichen kann ich sie wiederum nicht, wenn ich sie gleichzeitig durch ein konkurrierendes System an Denkweisen und Bewegungsroutinen sabotiere.
Warum sollen wir der Propaganda der anderen glauben? Ich habe im Krav Maga noch nichts gesehen, was ich in den FMA (bzw. im Silat) nicht schon in geiler gesehen hätte. Im Wettkampfsport gibt es coole Sachen, die wir so nicht liefern können, weil wir nun mal keinen Wettkampfsport machen. Aber in Sachen SV müssen sich die FMA von niemandem die Butter vom Brot nehmen lassen. Wir haben alles – wir müssen es nur richtig verstehen und vor allem richtig trainieren!
Beste Grüße
Sixt