PDA

Vollständige Version anzeigen : Liechtenauer Kampffechten - Ringen



JuJon
18-12-2012, 21:18
Ich lese gerade die Transkription des Codex Dazig von Dierk Hagedorn
und im Abschnitt über das Kampffechten von Liechtenauer kamen mir einige Fragen auf:

Sind die 3 Ringen ohne eine Waffe? Und die Verbotenen Ringen?

Gibt es von den Techniken irgendwo Illustrationen? Oder hat jemand das interpretiert und veröffentlicht?

Schonmal vielen Dank für Antworten :-)

T. Stoeppler
19-12-2012, 06:49
Die drei Ringen sind waffenlos, können aber auch mit der Waffe ausgeführt werden. Die verbotenen Ringen sind "böse" Griffe, die leicht permanenten Schaden verursachen.

Die allermeisten hist. Fechter haben schon mit den Ringtechniken gearbeitet, schwer sind die nicht und in den Büchern auch gut beschrieben. Ich wüsste jetzt aber von keiner aktuellen Veröffentlichung zu diesen Ringtechniken. Lediglich Christian Henry Toblers erstes Buch hatte dazu etwas.

Gruss, Thomas

JanPSV
19-12-2012, 10:03
Die Waffe wird für gewöhnlich beim Eingang ins Ringen fallen gelassen. Evtl. reicht es auch nur mit einer Hand seine Waffe loszulassen und die Waffe in der anderen Hand noch zu behalten. Spätestens jedoch bei den Technicken wo beschrieben steht dass man sowohl mit der linken wie auch mit der rechten Hand zufassen soll, wird jedoch die Waffe komplett fallen gelassen, klar :-)

JuJon
19-12-2012, 16:50
ok danke, dann hab ich das ja richtig verstanden ^^

mich wundert es, dass gerade dieser bereich nur so bruchstückhaft interpretiert wurde.
viele beschäftigen sich ja mit dem langen schwert, aber nehmen dann ringen von anderen meistern.
warum nicht erstmal aus einem guss? ^^

OliverJ
19-12-2012, 18:51
Hallo JuJon,
wenn du dich wirklich auf das "Kampffechten" beziehst, befinden wir uns hier im beharnischten Zweikampf und nicht im Bloßfechten mit dem Langen Schwert.
Und da hast du dann auch schon im Grunde die Antwort liegen.
Es gibt einfach nicht viele die sich mit dem Harnischfechten auseinandersetzen.

Und wenn man sich mit historischen Ringen beschäftigen möchte, dann gibt es deutlich umfangreichere Quellen die einen besseren Gesamteindruck vermitteln und auch mehr Techniken und meist auch Abbildungen beinhalten, als ein paar Ringstücke die thematisch zum bewaffneten Fechten gehören.

Da die Techniken nicht grade Ausnahmefälle bilden, findest du aber auch passende Abbildung der gleichen Technik in anderen Fechtbüchern, z.B. im "Goliath", "Czynner" oder "Wilhalm".

Gruß
Oliver

JanPSV
19-12-2012, 21:51
viele beschäftigen sich ja mit dem langen schwert, aber nehmen dann ringen von anderen meistern.
warum nicht erstmal aus einem guss? ^^

Nur um vorzubeugen, dass wir vielleicht aneinander vorbeireden...: Es gibt Sowohl im Blosfechten (im "Langen Schwert") Ringtechniken aus der Waffenkampfsituation heraus, als auch im Harnischfechten (im "Kurzen Schwert"). Jedoch ist das Ringen beim Harnsichfechten deutlich stärker präsent als im Blosfechten (Klar, wo der Harnisch die Schnittleistung meiner Klingenwaffe negiert, steigt der Stellenwert von Hebeln und Würfen).
Zudem gibt es natürlich noch das "richtige" Ringen in den Quellen, welches von vorneherein unbewaffnet ist.

Richard22
19-12-2012, 22:54
Ringen ist bei uns Schlagen, Treten, Hebeln und Körperringen - also alles, was geht.

Im Harnisch verändert sich der Schwerpunkt des Menschen und natürlich auch dessen Bewegungsfähigkeit. Bewegungen, die ihm Harnisch zielführend sind, sind im Bloßfechten eher gefährlich für an Fechter selber und umgekehrt.

Ringen habe ich von Anfang an im Programm gehabt - es ist sehr anspruchvoll, was Körper, Ausdauer und Kampfeswillen angeht. Nicht viele wollen das lernen. Ringen ist extrem wirksam und meist auf Zerstörung angelegt. Das Wichtigste am Ringen ist das Zulaufen - dazu geben die Quellen zumeist wenig her, außer dem Hinweis, daß Ringen dem Fechten gleicht, also die Konzepte des Fechtens im Ringen gelten und umgekehrt.

Kampffechten ist Fechtem im Harnisch, Ringen im Harnisch benötigt zwangsweise einen Harnisch - den haben nicht so viele. Ich werde versuchen 2013 mit Roß- und Harnischfechten im Programm zu beginnen.

Fechtergruß

JuJon
20-12-2012, 16:19
warum sollte ein ringen im harnisch funktionieren aber ohne nicht?

das argument, dass man langsamer wird zählt nicht, da ja eh beide einen harnisch tragen.
das wäre ja gleichbedeutend mit: wenn man älter wird kann man nicht mehr ringen.

OliverJ
20-12-2012, 16:41
Da, auch wenn nicht so extrem wie manchmal angenommen, die Bewegung eingeschränkt wird, z.B. die Beweglichkeit des Oberkörpers oder des Halses, was allgemein zu einem anderen Verhalten bei Gleichgewichtsbrüchen führt.
Man kann bzw. muss anders gegenarbeiten.
Die meisten Hebel/Brüche auf de Arm kommen leicht anders, weil die Ellenbogenkachel den Ellenbogen vergößert.
Würfe über und aus dem Körper kommen anders, allein aufgrund des Gewichts des Harnischs, die Schwungmasse beim Werfer ist locker 20kg größer und verändert auch den Schwerpunkt im Körper, da nun deutlich mehr Gewicht oberhalb der Hüfte lagert, dass führt in bestimmten Situationen zu leichterem Gleichgewichtsbruch. Man hällt sich gemeinhin gerade aufgrund des Gewichts, was einen in Schieflage runterziehen würde.

Das alles ändert den Kampf ziemlich drastisch, zwar nichts womit ein geübter Ringer nicht umgehen könnte aber dennoch.

übrigens viel langsamer wird es dadurch eigentlich nicht, aber selbst wenn verschärft dass die Situation, da die Technik nochmal deutlich sauberer sein muss, weil dein Gegenüber früher gegenagieren kann. Deine Reaktionszeit sinkt nonmal nicht.

Richard22
20-12-2012, 17:03
Der Hauptunterschied zwischen Ringen und Kampfringen ist, daß im Harnisch der Hals nicht frei liegt (Bart, Kragen usw). Ein Schlag in den Hals oder in das Gesicht hat also im Harnisch wenig bis keine Wirkung.

Im Ringen (ohne Harnisch) ist der Hals ein Primärziel.

Armringen gehen im Harnisch eher besser als schlechter, alleine der Panzerhandschuh verstärkt Hebel eher, als das er sie mindert.

Der Harnisch ist keine homogene Panzerung, die also den Träger überall gleich schützt.

Der Harnisch ist eine funktionsgestützte Panzerung. Die Armkachel schützt z.B. nur optimal, wenn ich das Ellbogegelenk schließe. Die Achseln sind nur bei angelegten Armen geschützt usw.

Eines der Hauptringen im Harnisch ist der Knieriegel - also ein Beinringen Knie gegen Knie, daß den Stand bricht.

Der Knieriegel im Ringen (ohne Harnisch) wenig Bedeutung.

Also kann man hier wenig verallgemeinern, man muß die Situation genau abwägen.

Vor allem sieht man im Harnisch/Helm nicht viel - man muß also blind ringen/fechten können - die Sicht ist immer wieder unterbrochen oder eingeschränkt. Gerade vor den Augen ist das Visier in der Regel voll geschlossen, die Sichtfenster befinden sich darüber, so das man mit geradem Hals nichts sieht, nur in der Vorlage des Halses hat man gute Sicht.

Fechtergruß

OliverJ
20-12-2012, 17:15
Der Hauptunterschied zwischen Ringen und Kampfringen ist, daß im Harnisch der Hals nicht frei liegt
ich wage zu bezweifeln, dass das der Hauptunterschied ist.
Wenn du es so verallgemeinern willst solltest du sagen, dass "Impaktangriffe" gegen einen Harnisch keine großen erfolgsaussichten haben.


Im Ringen (ohne Harnisch) ist der Hals ein Primärziel.
definitiv deine Meinung, keine schlechte, aber nicht Quellenbelegbar.


Eines der Hauptringen im Harnisch ist der Knieriegel - also ein Beinringen Knie gegen Knie, daß den Stand bricht.
Sicherlich auch eine valide Technik, aber wenn man sich beschriebene Ringen ansieht, dann ist deine Aussage des "Hauptringens" auch nicht haltbar.

JuJon
20-12-2012, 19:38
Da, auch wenn nicht so extrem wie manchmal angenommen, die Bewegung eingeschränkt wird, z.B. die Beweglichkeit des Oberkörpers oder des Halses, was allgemein zu einem anderen Verhalten bei Gleichgewichtsbrüchen führt.
Man kann bzw. muss anders gegenarbeiten.
Die meisten Hebel/Brüche auf de Arm kommen leicht anders, weil die Ellenbogenkachel den Ellenbogen vergößert.
Würfe über und aus dem Körper kommen anders, allein aufgrund des Gewichts des Harnischs, die Schwungmasse beim Werfer ist locker 20kg größer und verändert auch den Schwerpunkt im Körper, da nun deutlich mehr Gewicht oberhalb der Hüfte lagert, dass führt in bestimmten Situationen zu leichterem Gleichgewichtsbruch. Man hällt sich gemeinhin gerade aufgrund des Gewichts, was einen in Schieflage runterziehen würde.

Das alles ändert den Kampf ziemlich drastisch, zwar nichts womit ein geübter Ringer nicht umgehen könnte aber dennoch.

übrigens viel langsamer wird es dadurch eigentlich nicht, aber selbst wenn verschärft dass die Situation, da die Technik nochmal deutlich sauberer sein muss, weil dein Gegenüber früher gegenagieren kann. Deine Reaktionszeit sinkt nonmal nicht.

danke für deinen erfahrungsbericht. es hört sich so an, als sei es eher die kombination, die den unterschied macht.
beim judo hab ich jahrelang sehr aufrecht gekämpft, darum hab ich darüber gar nicht nachgedacht, dass manche ja abgebeuget kämpfen, was wiederum mit rüstung weniger vorteilhaft ist.
das mit dem leichteren gleichgewichtsbruch finde ich sehr einleuchtend.
schade, dass ich keine rüstung zur hand hab, sonst würd ich das gern mal ausprobieren :D

JanPSV
20-12-2012, 22:34
Eines der Hauptringen im Harnisch ist der Knieriegel - also ein Beinringen Knie gegen Knie, daß den Stand bricht.


Wenn du mit Knieriegel meinst: "Sein Knie mit meinen Knien fixieren und ihn oben umschubsen", so kenne ich diese Technik jetzt nur aus den Abschnitten vom Danzig Peter persönlich (und im Japanischen Harnischrignen gibts das wohl auch, wie einer vom PSV-Oberhausen mal zu mir meinte).
Kommt der Knieriegel denn auch noch in vielen anderen Quellen vor??

T. Stoeppler
21-12-2012, 06:36
Ja, z.B. in der Gladiatoria.

Gruss, Thomas

itto_ryu
21-12-2012, 07:51
Beim Ringen im Harnisch, wenn ich kurz den Abgleich zu Japan wagen darf, ist eben auch die Möglichkeit gegeben anhand der Schutzausrüstung zu greifen. D.h. z.B. beim yawara/yoroi-kumi-uchi kann man sehr schön Genick/Wirbelsäule mit Griff am Kabuto manipulieren. Natürlich kann man dieses auch ungerüstet direkt am Kopf tun, aber die Rüstung bietet eben nochmal andere oder zusätzliche Griffmöglichkeiten.

Schläge mit dem Panzerhandschuhe gegen den Helm halte ich zumindest für soweit zielführend, als dass man es für Eingangstechniken scheppern lassen kann, aber da fehlt mir die Quellenangabe dazu, ob das die alten Meister auch so andachten.

JanPSV
21-12-2012, 07:55
Gladiatoria? Oh, gut zu wissen. Werde ich heut Abend nochmal reinschauen. Danke :-)

Aber bei den ganzen Liechtenauer-Zitierern hab ich dise Technik noch nirgends gefunden (Ausser halt beim Peter, der sich eh etwas von den üblichen Lignitzer&Hundtsfeldleuten abhebt). Beim Czynner gibts die Technik auch nicht, und ich meine dass sie beim Wilhalm auch nicht dabei ist.. Beim Fiore sowieso nicht, um den Vergleich hier mal nicht zu scheuen.
Also unterm Strich doch eine in den Quellen ehr selten vertreten Technik/Konzept...?

OliverJ
21-12-2012, 11:05
schade, dass ich keine rüstung zur hand hab, sonst würd ich das gern mal ausprobieren :D

wenns nur darum geht, Das Gewicht kann man ja auch mal improvisieren.
Es gibt im Fitnessbedarf Gewichtswesten mit 10-20kg die imitieren zwar nicht den Harnisch von der Bewegung und Belasten den Körrper auch anders, aber du merks was das zusätzliche Gewicht am Oberkörper so ändert.
Das lässt sich auch anders bewerkstelligen, z.B. ein paar schwere Eisenketten um den Oberköper schlingen oder ähnliches ;)

jimmy-13
21-12-2012, 11:21
Hmm, kommt jetzt drauf an, welche Technik Richard damit genau meint!

Im Czynner sind schon einige "Knietechniken" drinne, vor allem als Konter.
Wenn man also alle "Beinangriffe" dazu zählt, ist das auf jeden Fall EIN Hauptthema.

Aber sie als die Haupttechnik im Harnischringen anzusehen, meine Meinung: nöö.
Genauso wie im waffenlosen Kampfringen nur den Hals als Hauptziel zu haben, hmm, auch nöö.
Wenn er schiebt, ein Zug/Wurf, wenn er nach hinten ausweicht, Fußfeger, Bein oder die Knieangriffe, usw. je nach Situation, unmöglich auf eine Technik zu reduzieren.
Was natürlich sehr gut mit Rüstung geht, sind alle Techniken zu den Beinen, da hat Richard schon Recht. Die Sicht nach unten schlechter ist und die Rüstung hilft, schnell nach unten zu kommen.
Nachteilig dann aber auch, wenn der andere den Angriff Kontert (Sprawl) und auf einem drauf liegt.
Nur ist das trotzdem EINE von vielen Möglichkeiten.

Die Grundstellung im Standartringen ohne Rüstung/Waffen ist ja schon mit möglichst "kurzem" Hals stabil zu stehen, um das reißen am Nacken möglichst schwer zu machen.
Wenn es sich ergibt, klar, gerne, da is mir aber auch jeder andere Schlag/Tritt recht, da ich sowieso versuche sein Gleichgewicht zu brechen, um dann mit dem Wurf/Zug/Schleudern zu beenden oder um eine bessere Ausgangslage zu erzielen. (Stand - Boden - Waffen)

@Itto
jo, gibt auch Griffe in den Helm,
von Faustschlägen ist die Quellenlage ja sehr dünn, aber im praktischen Versuch immer nützlich :D
Gibt im Czynner sogar einen kombinierten Bein- Knieangriff mit Helmfassen bzw stoßen.

Ringerische Grüße
Jimmy

JanPSV
21-12-2012, 11:36
Hmm, kommt jetzt drauf an, welche Technik Richard damit genau meint!

Nur die Technike(en), wo ich sein Knie mit meinem Knie(en) sperre:


Eines der Hauptringen im Harnisch ist der Knieriegel - also ein Beinringen Knie gegen Knie, daß den Stand bricht.




Im Czynner sind schon einige "Knietechniken" drinne, vor allem als Konter.
Wenn man also alle "Beinangriffe" dazu zählt, ist das auf jeden Fall EIN Hauptthema.


Klar, standardkonter ist ja: Fass seine Kniekehle und wirf Ihn ;-)

mrx085
21-12-2012, 13:55
Gibt es eigentlich auch Werke die sich nur mit dem Ringen beschäftigen? Bin da auf den Namen Fabian von Auerswald gestoßen, der soll laut Wiki ein Ringbuch verfasst haben. Gibt es da mehr Werke die sich nur aufs Ringen spezialisiert ?

itto_ryu
21-12-2012, 14:15
Gibt es eigentlich auch Werke die sich nur mit dem Ringen beschäftigen? Bin da auf den Namen Fabian von Auerswald gestoßen, der soll laut Wiki ein Ringbuch verfasst haben. Gibt es da mehr Werke die sich nur aufs Ringen spezialisiert ?

Ott soweit ich weiß. Wenn du praktische Umsetzungen möchtest, besorge dir die DVDs der Jungs der Ringschule Breslau.

P.S.: Aus späterer Zeit (17. Jhd.) noch Nicholas Petter´s "Woorstelkunst", Straßen-SV-Ringen pur inkl. Bodenkampf.

Richard22
21-12-2012, 17:34
GNM 3227a, 62 Recto:

"Das ist nue von Ringen (hier ist das Kampfringen Thema, also Ringen im Harnisch)

Ab du wilt ringen / hinder beyne recht lere springen
Rigel voerschissen / das vorbeyn kuenstlichen slyssen
Von beiden henden / ab du mit kunst gerest enden"

"Gotha", Talhoffer 1443, 48 Verso:
"ab du wilt ringñ hinter In lern recht springe rigel vorschissen das vor beyn chunstlich slißenn võ beyden henden ab du mit chunst gerst czu enden"

44A8, 56 Recto:
"Ob dw wild ringen hinder pain recht lere springen Rigel vor schiessen Das vor pain kunstlich vor schliessen . . . etc, kommt über mehrere Blätter.

In den drei genannten Quellen ist das Riegel vorschießen DIE Technik des Kampfringen (und auch die Einzige).

Auch bei Talhoffers und Lignitzers Ringe (Bloß) ist der Beinriegel eine wichtige Technik - doch überwiegen z.B. bei Lignitzer Angriffe zum Hals/Kinn. Bei Talhoffer wird der Schlag in den Hals als ein verbotenes Ringen dargestellt ("München" 1467). Bei Ott ist die "Kniebück" das Stücke gegen stärkere Ringer.

Faustschläge (gepanzerte Faust) auf den Helm sind nicht zielführend - der Helm wir besser gegriffen (z.B. Talhoffer).

Das Ringen im 15. Jhd. war meiner Meinung nach sehr hoch entwickelt - es hat wenig mit dem Griechisch-Römischen Ringen unserer Tage wenig gemeinsam und ist generell auf Zerstörung ausgelegt. Gerade Ott, Lignitzer und Talhoffer bringen extrem wirksame Stücke - Liechtenauers Stücke sind nicht so leicht zu verstehen, aber ähnlich. Das Problem beim Ringen allgemein ist, daß man sehr gut Fühlen können muß - was ja bei Liechtenauers Überlieferung nachprüfbar eine Grundvorraussetzung für das Fechten und Ringen ist.

Fechtergruß

OliverJ
21-12-2012, 17:44
In den drei genannten Quellen ist das Riegel vorschießen DIE Technik des Kampfringen (und auch die Einzige).
du hast lediglich gezeigt, dass in diesen drei quellen diese Technik vorkommt.
das könnte ich auch mit verschiedenen anderen Techniken machen und es wäre damit auch kein Beweiß für dich Wichtigkeit die du dieser Aktion unterstellst.

Und dass es jeweils die einzige Technik ist, ist schlicht nicht richtig oder du willst hier etwas ganz anderes ausdrücken.

T. Stoeppler
21-12-2012, 18:58
So ziemlich alle Harnisch-Ringtechniken findet man in der Gladiatoria. Die Knie-Kniearretierung kommt da zwar vor, aber andere Ringtechniken bzw Takedowns sind da weit häufiger zu sehen - Kniebeuge greifen um umkippen oder schlicht ein Bein stellen und am Hals/Kopf drüber werfen.

So viele Möglichkeiten für den Grundeingang im Harnischringen bieten sich da eh nicht an. Die letzte Ringtechnik ist ein Wurf über die Hüfte - klar steht man da auch anfangs vor den Beinen des Gegners, wenn man das als Kniearretierung nehmen möchte.

Also, um Klarheit zu schaffen, in Liechtenauer´s Vers steht, dass man im Harnisch bei einfachen Dingen bleibt und nicht versucht, sowas einen O-Goshi der Seoi-Nage zu werfen. Klappt bestimmt auch mal, ist aber wirklich nicht Plan A.

Gruss, Thomas

mrx085
21-12-2012, 19:15
Ott soweit ich weiß. Wenn du praktische Umsetzungen möchtest, besorge dir die DVDs der Jungs der Ringschule Breslau.

P.S.: Aus späterer Zeit (17. Jhd.) noch Nicholas Petter´s "Woorstelkunst", Straßen-SV-Ringen pur inkl. Bodenkampf.


Ok danke für die Tipps.:) Cool das zu dem Thema sogar eine dVD gibt.

JanPSV
22-12-2012, 14:23
Ott soweit ich weiß. Wenn du praktische Umsetzungen möchtest, besorge dir die DVDs der Jungs der Ringschule Breslau.

P.S.: Aus späterer Zeit (17. Jhd.) noch Nicholas Petter´s "Woorstelkunst", Straßen-SV-Ringen pur inkl. Bodenkampf.

Von Ott gibt es kein "eigenes" Buch. Wie damals weit verbreitet, sind die Lehren von Meister Ott aus Wien aber in einigen Sammelhandschriften mit aufgenommen.
An Büchern die sich ausschließlich mit dem Ringen beschäftigen fällt mir neben dem Auerswald nur noch das Ringerbuch vom Hans Wurm ein:
http://wiktenauer.com/wiki/Das_Landshuter_Ringerbuch_(Hans_Wurm)
Für einen Einstieg würde ich aber wirklich den Auerswald empfehlen, der ist ausführlicher (und umfangreicher). Oder die Lignitzer-Stücke, welche wiederum nur in den Sammelhandschriften überliefert sind, nicht als eigenständiges Werk.

JanPSV
22-12-2012, 14:28
Die Knie-Kniearretierung kommt da zwar vor, aber andere Ringtechniken bzw Takedowns sind da weit häufiger zu sehen - Kniebeuge greifen um umkippen oder schlicht ein Bein stellen und am Hals/Kopf drüber werfen.

Genau das ist auch ehr mein Eindruck. Die Plan-A Würfe (Wobei Würfe ja eigentlich schon immer der Plan B sind, wenn Ansetzen&Co nicht geklappt hat^^) sind simple Sachen wie auf Schubsen basierende Würfe, um es überspitz auszudrücken.
Der Üblichste Konter darauf ist dann "Heb ihn an der Kniekehle und wirf ihn so"

JanPSV
22-12-2012, 14:34
GNM 3227a, 62 Recto:

"Das ist nue von Ringen (hier ist das Kampfringen Thema, also Ringen im Harnisch)

Ab du wilt ringen / hinder beyne recht lere springen
Rigel voerschissen / das vorbeyn kuenstlichen slyssen
Von beiden henden / ab du mit kunst gerest enden"

"Gotha", Talhoffer 1443, 48 Verso:
"ab du wilt ringñ hinter In lern recht springe rigel vorschissen das vor beyn chunstlich slißenn võ beyden henden ab du mit chunst gerst czu enden"

44A8, 56 Recto:
"Ob dw wild ringen hinder pain recht lere springen Rigel vor schiessen Das vor pain kunstlich vor schliessen . . .

Klar, in den Zetteln kommt es vor, aber wo ist es Ausgelegt und konkret beschrieben? Eben nur im 44A8 einmal (Wie ich bereits weiter oben schon geschrieben hatte...), und anscheinend im Gladiatoria, wie Thomas hier mitteilte. Nebenbei, ich hatte dich so verstanden dass du konkret diese Technik meintest

Cod. 44A8, Blatt 56verso:
"Wenn dw Im springst mit dem rechten fuess hinder sein lincken | So schreit mit dem linckñ fuess hin nach zwischen seinew paide fuess | vnd fass sein lincks knÿe zwischen deine paide knÿe | vnd haldes do mit vest | vnd stos yn mit der lincken hannt voren an die hauben | vnd mit der rechten zeuch yn hÿnden auff die seitten | So feltt er"

...Die meintest du doch, oder?

gast
24-12-2012, 08:49
Ahh, endlich mal wieder ein interessanter Thread...

Wenn du mit Knieriegel meinst: "Sein Knie mit meinen Knien fixieren und ihn oben umschubsen", so kenne ich diese Technik jetzt nur aus den Abschnitten vom Danzig Peter persönlich (und im Japanischen Harnischrignen gibts das wohl auch, wie einer vom PSV-Oberhausen mal zu mir meinte).

Hi Jan,
Keine Ahnung, ob wir da über Knieriegel gesprochen haben, aber besagte Technik findet sich ab ca. 0:16:
Ogawa Ryu Yoroi Kumiuchi Kaisui - Seiteigata - YouTube (http://www.youtube.com/watch?v=oNn6a5zuugk)


Schläge mit dem Panzerhandschuhe gegen den Helm halte ich zumindest für soweit zielführend, als dass man es für Eingangstechniken scheppern lassen kann, aber da fehlt mir die Quellenangabe dazu, ob das die alten Meister auch so andachten.
Hey Olli,
wie die Effektivität eines Schlages auf einen Helm ist, kann ich nicht sagen, aber zumindest im ernsten Bloßringen geht einem Ringstück sehr oft ein Mortschlag voraus, um ihn "gefügig" zu machen. Denke nicht, dass man fürs ins Gesicht schlagen unbedingt ne Quelle braucht. ;)



Das Ringen im 15. Jhd. war meiner Meinung nach sehr hoch entwickelt - es hat wenig mit dem Griechisch-Römischen Ringen unserer Tage wenig gemeinsam und ist generell auf Zerstörung ausgelegt. Gerade Ott, Lignitzer und Talhoffer bringen extrem wirksame Stücke - Liechtenauers Stücke sind nicht so leicht zu verstehen, aber ähnlich. Das Problem beim Ringen allgemein ist, daß man sehr gut Fühlen können muß - was ja bei Liechtenauers Überlieferung nachprüfbar eine Grundvorraussetzung für das Fechten und Ringen ist.
Dass die mittelalterliche Kampfkunst sehr elaboriert war, darüber brauch man wohl kaum noch sprechen. ;)

Griechisch-römisch kann eh nicht, da das Ringen der Fechtbücher Beingriffe zulässt, was im Gr.-röm. Ringen verboten ist.
Bevor die Dynamik eines solchen Systems besprochen wird, muss man erstmal sich darüber im klaren sein, dass man damals durchaus zwischen "ersten Ringen" und "geselligen Ringen" (also Sport) unterschieden hat. Das Problem dabei ist wiederum, dass die damaligen meister in ihren Büchen diese zwei Formen kaum unterscheiden bzw. nicht unbedingt klar abgrenzen.
Ich denke, das ernste Ringen geht eher in Richtung moderner Combatives, gerade der Ringeck liest sich so. Den sportlichen teil siedel eher ich beim mongolischen Ringen an, definitiv aber bei Ringsportarten, die ohne Bodenkampf funktionieren und relativ viele Techniken zulassen.


Zur Ausgangsfrage:
Sensei Youtube ist dein Freund. ;)
Einfach mal "Danzig, Ringen" eingeben, da kommt einiges. (zumindest im bloßen Bereich, aber die Verlinkungen gehen, wie bei Youtube üblich, bis sonstwohin...)

Andres Lignitzer - Fourth wrestling and counter - YouTube (http://www.youtube.com/watch?v=dd64BgY4MR8)

Frage: Gibt es eigentlich im Harnischringen das Häcklein?


Ach ja: frohes Fest!

Richard22
24-12-2012, 10:13
Beim Kampffechten, also Kämpfen auf Leben und Tod im Harnisch, trage ich in den Händen Waffen.

Also werden Ringen mit dem Knie angesetzt, da die Hände primär Waffen einsetzen sollen.

Also ist der Knieriegel die primäre Kampfringentechnik - alle anderen Ringen werden sich daraus ergeben - oder ich schaffe es die Waffen anzusetzen.

Der Knieriegel klappt überdies auch im Gedränge.

Fechtergruß

OliverJ
24-12-2012, 11:01
Hey Olli,
wie die Effektivität eines Schlages auf einen Helm ist, kann ich nicht sagen, aber zumindest im ernsten Bloßringen geht einem Ringstück sehr oft ein Mortschlag voraus, um ihn "gefügig" zu machen. Denke nicht, dass man fürs ins Gesicht schlagen unbedingt ne Quelle braucht. ;)

Die Aussage war nicht von mir, die kam von Ittos Seite.
Ich sehe das auch anders. Schwerthiebe und geworfene Lanzen haben schon keinen nennenswerten Effekt, der mich entscheident behindert (Ausnahmen bestätigen die Regel), warum sollte es dann ein Faustschlag können?
Höchstens um ihn die Sicht zu nehmen aber dafür muss ich nicht mit aller Gewalt mein Faust auf einen möglicherweise kantigen Helm schlagen, der dürfte nämlich besser schützen als die meisten gefingerten Panzerhandschuhe.

@Richard
ein großer Teil des Kampffechtens zeigt Ringen ohne Waffen und bei diesen spielt der Knierigel keine übergeordnete Rolle.

Richard22
24-12-2012, 18:11
Auf welche Quellen beziehst Du dich, Oli - ich nannte in meinem Zitat ja einige.

Der Mordschlag wird, wenn möglich, auf das Visier gesetzt, daß immer einen Schwachpunkt darstellt, Mister.

Ringeck ist im 16. Jhd. angesiedelt - das ist eher das Ende der Überlieferung.

Fechtergruß

JanPSV
24-12-2012, 21:46
Ich glaube Ihr redet grad aneinander vorbei:
Richard, MisterTrainer meinte glaube ich die Mordstöße beim Blosringen, nicht die Mordschläge aus dem Harnischbereich. Wobei die auch nicht zwangsläufig primär das Visier zum Ziel haben, zumindest les ich das in den Quellen nirgends. Oder interpretierst du das "Ort unter Augen ler bringen" Als solches zum Visier schlagen?

Richard22
25-12-2012, 11:17
Das Visier ist der schwächste Teil des Helm. Oder unter den Helm, zwischen Kragen/Bart und Helmrand.

Du muß schon spzifizieren, welche Verse aus welchen Quellen gemeint sind - man kann das nicht verallgemeinern.

Fechtergruß

OliverJ
26-12-2012, 16:42
Auf welche Quellen beziehst Du dich, Oli - ich nannte in meinem Zitat ja einige.
Ich kann nur schwer Zitate bringen, da ich mich nur gegen deine Aussage sträube, der Beinriegel sei die wichtigste Technik, das Hauptstück oder ähnliches im Harnischringen.
Wenn ich andere Zitate bringe, dass z.B. ein bestimmter Armbruch öfters vorkommt, bringt uns das genausowenig weiter.
Außerdem hast du dich ja schon selbst relativeirt als du dieses geschrieben hast:


Auch bei Talhoffers und Lignitzers Ringe (Bloß) ist der Beinriegel eine wichtige Technik - doch überwiegen z.B. bei Lignitzer Angriffe zum Hals/Kinn. Bei Talhoffer wird der Schlag in den Hals als ein verbotenes Ringen dargestellt ("München" 1467). Bei Ott ist die "Kniebück" das Stücke gegen stärkere Ringer.

und zum Thema "Mordstöße" auf den Helm sind wir uns einig,

Faustschläge (gepanzerte Faust) auf den Helm sind nicht zielführend - der Helm wir besser gegriffen (z.B. Talhoffer).

Richard22
27-12-2012, 17:20
Jo - im HF ist man gewohnt sich an die Quellenlage zu halten. Ich arbeite gerade an den Harnischfechten-Quellen der Liechtenauerüberlieferung.

Das meiste Harnsichfechten bei Liechtenauers Überlieferung ist nunmal Roßfechten. Danach kommt ein wenig Fechten im Harnisch zu fuß, danach ein winziger Teil Ringen im Harnisch (97 Zeilen, 3 Zeilen Harnisch zu Fuß).

Umgekehrt wird aber in allen Roßfechten mit und ohne Waffen gerungen - gerade die deutschen Ritter waren für ihr Ringen zu Roß bekannt.

Desweiteren gibt es andere Quellen - man kann das also nicht verallgemeinern.

Tatsache ist, daß Liechtenauers Überlieferung für gute 200 Jahre eine sehr große Bekanntheit aufwies - das heißt aber nicht, daß jeder Mann im Harnisch streng nach seiner Lehre rang.

Fechtergruß

JanPSV
28-12-2012, 08:45
Ich arbeite gerade an den Harnischfechten-Quellen der Liechtenauerüberlieferung.


Nur mal so aus Neugierde und zum Vergleich: Welche Quellen hast du konkret dafür ausgewählt?

Richard22
28-12-2012, 13:40
GNM 3227a - ich habe gerade Liechtenauers Ringen im 3227a systematisch analysiert.

Jetzt vergleiche ich die Harnischfechtverse aus dem 3227a, 44A8, "Gotha" 1443, Paulus Kal, Ringeck miteinander - wie ich es schon zuvor mit dem Bloßfechten getan habe.

Liest man Liechtenauers Ansatz im 3227a, dann wird auch klar, warum er sich so karg und pauschal im Kampfringen äußert.

Fechtergruß