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Vollständige Version anzeigen : Was ist denn nun Taiji und was nicht?



scarabe
03-03-2013, 13:23
Es gibt ja immer wieder Diskussionen:
Ist Taiji nun die Kampfkunst, die auch kämpferische elemnate beinhalten darf- auch in anderen Threads als "Kung-Fu-Elemente" bezeichnet oder ist Taiji eine sanfte moderne Gymnastik, die ihre "Kung-Fu-Seite" nicht mehr zeigen darf.

Oder ist es genau umgekehrt, verdient das, was in modernen Zeiten von allerlei Gurus der sanften Annäherung als Taiji flächendeckend vermarktet wird, nicht mehr den NAmen Taiji und ist nur das wahres Taiji, das noch Elemente der Kampfkunst enthält?

Da ich als Chenstil-Praktizierende ja sehr parteiisch bin, habe ich eine Demo der Yangfamilien-Association beim Konfuzius-Institut Peking als Anschauungsbeispiel herausgesucht.
Yangstil ist ja der bei uns so ziemlich beliebteste und verbreitetste Gsundheitsstil im Taiji- wobei ich persönlich ja trotzdem finde, daß auch der Yangstil und andere Stile ihre Herkunft aus den Kampfkünsten nicht wirklich verleugnen können (1:35ff und Ende)...
Was mein Ihr?
http://www.youtube.com/watch?v=596hb-F8aOc

Und, darüber hinaus: Meint Ihr, daß man im Sinne moderner Marktwirtschaft und Gesundheitsorientierung die Berechtigung hat, Begriffe wie Taiji neu zu definieren oder sollte man sich für Abwandlungen und Neuerungen lieber neue Begriffe ausdenken?

Gabe
03-03-2013, 16:38
Ist nicht alles Taiji?Taiji (chinesische Philosophie) ? Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Taiji_(Chinesische_Philosophie))

Sagst doch selber das du den Chenstil übst...

Ich denke es kommt darauf an wenn im Namen Quan vorkommt sollte es schon ein bisschen mit "Kampf" zu tun haben.

scarabe
03-03-2013, 18:29
nein, es ist wohl nicht alles Taiji, denn Taiji ist Yin und Yang im Wechsel. Wenn das nicht gegeben ist, ist es kein Taiji.

Gabe
03-03-2013, 18:49
Das Taiji findet sich doch überall wieder im ganzen Universum:p

.Carsten
03-03-2013, 19:02
Taiji ist ein Prinzip
Taijiquan ist eine Kampfkunst, die diesem Prinzip folgt.

Für mich sind Kampfkunst- und Gesundheitsaspekte so verwoben, daß ich sie nicht ohne weiteres Trennen kann.
Da die korrekte Ausführung einer Form, eine korrekte Struktur und Biomechanik erfordert,
die in der Lage ist kraft aufzunehmen, abzugeben und zu kontrollieren.
Dazu sind im TJQ Struktur, Fangsong und Neijin, imho, die Basisfähigkeiten die trainiert werden müssen,
um dazu in der Lage zu sein. Die gesundheitl. positiven Wirkungen hängen mit diesem Training zusammen.

Eine Bewegung mit einem deblockierten Körper, die das beinhaltet, ist für mich gesund.

Wenn ich zu viele dieser Kernelemente entferne, verliert die Sache ihren Inhalt und Sinn.
Sie hat dann so viel Substanz, wie ein leeres Überraschungsei.
Selbst wenn sie, für Nichtfachleute, so aussieht als wäre sie mit echtem TJQ identisch.

Die Krönung sind dann Leute die offensichtlich Schlagen und treten in einer Form,
dann aber auf Pazifist machen:
" Nein, Nein, ich mache das ja nur weil es gesund ist, Gewalt ist ja so pöse."

In meinen Augen ist das unredlich bis dämlich.

Nicht das wir uns falsch verstehen, als echtes Taiji-Weichei bin ich auch keine Kampfsau,
aber wenn ich anderen Leuten gelegentlich etwas TJQ vermittele, gehe ich auf diese Aspekte sehr genau ein.
(Das werde ich aus Zeit und Lustgründen hier jedoch nicht tun)

Das Problem das ich oft mit neueren Interpretationen habe ist,
das viele sich mit dem guten Ruf des "klassischen TJQ schmücken
aber eigentlich nur modernes Wushu oder Weichspül-TJQ ohne Inhalt anbieten.
Ich möchte hier aber nicht alles über einen Kamm scheren, jeder sollte dies für sich differenziert betrachten.

Prinzipiell kann jeder weiterentwickeln was und wie er will, aber wenn er es tut und den Rahmen für Taijiquan verläßt,
(Die oben beschriebenen Basics zum Beispiel) muss er auch einen anderen Namen verwenden,
weil es sonst eine Mogelpackung ist!

Wenn ich Bio-Lebensmittel mit Chemie und Genveränderungen verbessere, sind Sie ja auch nicht mehr Bio.
In diesem Sinne ist die Frage, was ist im "echten" TJQ enthalten und warum, und was macht TJQ gesund und wertvoll,
für Menschen. Also warum soll ich es überhaupt üben?

Bei einigen modernen Interpretationen, denke ich, ist oft auch eine Priorität, möglichst viele Kunden zu fangen.
Da spielt die Qualität vielleicht keine so große Rolle.

LG
Carsten

shin101
03-03-2013, 20:22
Es gibt ja immer wieder Diskussionen:
Ist Taiji nun die Kampfkunst, die auch kämpferische elemnate beinhalten darf- auch in anderen Threads als "Kung-Fu-Elemente" bezeichnet oder ist Taiji eine sanfte moderne Gymnastik, die ihre "Kung-Fu-Seite" nicht mehr zeigen darf.

Das eigentliche Taiji ist eine Kultivierungsmethode und Kampfkunst in einem.Man sagte über Zhang San Feng das er sich sehr langsam bewegte aber niemand ihm folgen konnte.


Oder ist es genau umgekehrt, verdient das, was in modernen Zeiten von allerlei Gurus der sanften Annäherung als Taiji flächendeckend vermarktet wird, nicht mehr den NAmen Taiji und ist nur das wahres Taiji, das noch Elemente der Kampfkunst enthält?

Meinem bisherigen Kenntnisstand sind Wudang/Zhaobao, Chen, Yang, Wu, Sun alle Taiji beeinflußt bzw. enthalten auch Sequenzen des Taiji. Mein Verdacht geht aber langsam in die Richtung das Taiji einmal mit Bagua zusammenhängt und das Taiji eigentlich per verschiedene Methoden gelaufen werden konnte. Siehe als Vergleich zb. Bagua das man im Kreislaufen kann, aber auch geradlinig.



Und, darüber hinaus: Meint Ihr, daß man im Sinne moderner Marktwirtschaft und Gesundheitsorientierung die Berechtigung hat, Begriffe wie Taiji neu zu definieren oder sollte man sich für Abwandlungen und Neuerungen lieber neue Begriffe ausdenken?


Taiji ist eine Kampfkunst, aber auch eine Tradition. Wenn wir unsere Traditionen verwerfen verwerfen wir einen Teil von uns selbst.



Liebe Grüße,
Shin

Yangshuo
03-03-2013, 20:38
.

Klaus
03-03-2013, 21:10
Taiji ist ein Prinzip, Taijiquan irgendeine Sammlung von Praktiken irgendeines Kreises von Leuten. Da Taijiquan definitiv nicht vom Frosch entwickelt wurde, der einen Kranich bei der Paarung mit einem Schw@nzlurch beobachtet hat, sondern von einem oder mehreren Menschen aufgrund von Vorerfahrung und vorhandenen Praktiken und Übungen, kann man der Einfachheit halber auch einfach nur die Übungen machen und den Rest knicken. Wäre vielleicht zu einfach.

T. Stoeppler
03-03-2013, 21:44
Meint Ihr, daß man im Sinne moderner Marktwirtschaft und Gesundheitsorientierung die Berechtigung hat, Begriffe wie Taiji neu zu definieren oder sollte man sich für Abwandlungen und Neuerungen lieber neue Begriffe ausdenken?

Also ich fände es einfach nur fair, zu sagen, was man übt. Man kann Taijiquan-Übungen machen oder eben Taijiquan-typisches Kampftraining. Oder man macht "klassisches" Taijiquan eines bestimmten Familienstiles - dann sollte man aber auch so ehrlich sein zu sagen, dass man eben (im wahrscheinlichen Fall) kein Lineage-Holder ist und das komplette System nicht kennt.

Ich glaube nicht, dass man neue Begriffe braucht, man sollte eben nur die alten richtig und ehrlich verwenden.

Gruss, Thomas

Lindo
05-03-2013, 12:29
Mein Verdacht geht aber langsam in die Richtung das Taiji einmal mit Bagua zusammenhängt und das Taiji eigentlich per verschiedene Methoden gelaufen werden konnte.
Liebe Grüße,
Shin

Den Verdacht hab ich schon länger.

Ich hab aber auch den Verdacht das es mit Xingyi zusammenhängt.

8+5=13 gell ;)

Ahoi
Lindo

klar
05-03-2013, 19:10
TC und BG und HY hängen zusammen, insbesondere TCQ funktioniert für mich erst seit ich bissl BGZ trainiert habe.

Ansonsten ist das alles verkopftes Eso-Gymnastik-Zeugs.
Yoga, Pilates, Chi Gung (Qi Gong), Tai Chi ist doch alles eins heutzutage.
Meine Frau lernt jetzt auch TC, aber explizit ohne Kampfinteresse.

Wenn einer meint in einer Taichischule kämpfen zu lernen, dann meint er vielleicht auch, dass er durchs Masturbieren Kinder zeugen kann.

ALLE gute Taichiler, die kämpfen können, haben irgendwas dazu trainiert!
B.K. Frantzis hat sogar mehrere schwarze Gürtel in verschiedenen "äußeren" Stilen. Ich kenne niemanden, der ausschließlich mit TC das Kämpfen gelernt hat.

Kamenraida
05-03-2013, 19:35
Wenn einer meint in einer Taichischule kämpfen zu lernen, dann meint er vielleicht auch, dass er durchs Masturbieren Kinder zeugen kann.

Guckst du hier: Aktiver Samenspender : Ein Vater und 600 Kinder ? Brüder suchen "Bio-Dad" - Nachrichten Panorama - DIE WELT (http://www.welt.de/vermischtes/article106169180/Ein-Vater-und-600-Kinder-Brueder-suchen-Bio-Dad.html)

Könnte im Umkehrschluss heißen, dass TC sehr kampfeffektiv ist ...

Ansonsten ist das hier doch eine neue Variante der ewig gleichen Diskussion?!

Xiao Long
05-03-2013, 21:17
Es gibt ja immer wieder Diskussionen:
Ist Taiji nun die Kampfkunst, die auch kämpferische elemnate beinhalten darf- auch in anderen Threads als "Kung-Fu-Elemente" bezeichnet oder ist Taiji eine sanfte moderne Gymnastik, die ihre "Kung-Fu-Seite" nicht mehr zeigen darf.

Oder ist es genau umgekehrt, verdient das, was in modernen Zeiten von allerlei Gurus der sanften Annäherung als Taiji flächendeckend vermarktet wird, nicht mehr den NAmen Taiji und ist nur das wahres Taiji, das noch Elemente der Kampfkunst enthält?

Da ich als Chenstil-Praktizierende ja sehr parteiisch bin, habe ich eine Demo der Yangfamilien-Association beim Konfuzius-Institut Peking als Anschauungsbeispiel herausgesucht.
Yangstil ist ja der bei uns so ziemlich beliebteste und verbreitetste Gsundheitsstil im Taiji- wobei ich persönlich ja trotzdem finde, daß auch der Yangstil und andere Stile ihre Herkunft aus den Kampfkünsten nicht wirklich verleugnen können (1:35ff und Ende)...
Was mein Ihr?
CRI Confucius Institute Tai Chi Demo 2012 - YouTube (http://www.youtube.com/watch?v=596hb-F8aOc)

Und, darüber hinaus: Meint Ihr, daß man im Sinne moderner Marktwirtschaft und Gesundheitsorientierung die Berechtigung hat, Begriffe wie Taiji neu zu definieren oder sollte man sich für Abwandlungen und Neuerungen lieber neue Begriffe ausdenken?

Ich denke, man muss nichts neues ausdenken oder die Begriffe neu definieren. Taijiquan als Kampfkunst und Taijiquan, die nur für die Gesundheit praktiziert wird, sind zwei unterschiedliche Sachen, die gleiche Namen haben, genauso wie traditionelles und sportliches Wushu.

Richard22
07-03-2013, 14:16
Taijiquan wurde, so weit ich weiß, noch in den 80'ern in China unter Qigong geführt.

Rein historisch paßt das soweit, als das die KK von Chen Wangting eine Paarung von militärischer KK mit innerer Alchemie, also Qigong war.

Im Qigong, so laß ich, gibt es vier Gruppen: Medizinisches Qigong, spirituelles Qigong, Kampf-Qigong und schamanistisches Qigong.

Heute haben sich viele Qigong-Stile reichhaltig aus dem Taijiquan bedient. Es gibt sogar Taijiquan Qigong - nur ich China ist mit dem Verbot von Falung Gong Qigong mit einem Bann belegt. Im Westen wird das oft anderes gehandhabt, da wird oft Qigong mit Taijiquan gemischt.

Taijiquan hat also, meiner Meinung nach, zwei Standbeine, militärische KK und Qigong. Damit hatte Taijiquan als Zielgruppe historisch den gebildeten Berufsfechter in gehobener Position, wurde aber faktisch von Wehrbauern überliefert, nachdem Chen Wangting tot war.

Das kann man historisch gut daran festmachen, das Chen Changxing eine Reform für Wehrbauern durchführte, seine Erbe aber einem Klanfremden Schüler vermachte: Yang Luchan - Yang Luchan verhalf Taijiquan vorübergehend wieder zu einem Ruf als KK, als Karawanenbegleider und Palastwächer, also Söldner.

Wie militärisch Taijiquan aus der Sicht der KK war kann man noch heute an den Waffenformen des Taijiquan sehen - es wäre auch kein großes Problem eine modere Waffenform für das Taiji Quan zu bauen (Lang- oder Kurzwaffe). Tatsache ist, daß zur Zeit von Chen Wangting alle Waffenformen auf Blankwaffen beruhten.

Desweiteren kann man den bestehenden waffenlosen Formenreichtum direkt auf Qi Jiguang und seine 32'er Form zurückführen.

Das Qigong im Taijiquan dient zum Teil medizinischen Zwecken - auch heute noch wird es zu Behandlung von Erkrankten und zur Vorbeugung verwandt. Das hat auf alle Fälle einen hohen Wert - ist aber nicht an jahrelanges Formenüben gebunden. Mantak Chia 13'er Form ist ausreichend.

Der spirituelle Teil ist im Taijiquan heute eher untergegangen. Das Problem dabei ist eher die Wahl des Paradigmas. Der heutige Mensch sieht Spiritualität als eine Art Gebrauchsware an, die ihm vor allem diesseitge Vorteile sicher soll (Lebensverlängerung). In der Vorstellungswelt von Lao Dzi und Dschuang Dzi ist die Spiritualität eher auf das Jenseits ausgerichtet. Also ist Spiritualität heute im Ganzen eher auf Konsum ausgerichtet - die Emo Eso Fraktion läßt grüßen.

Der Kampf-Qigong Teil im Taiji ist am untergehen und wird bald in Vergessenheit geraten sein - ein gutes Beispiel ist Scaras Video mit der Vorführung. Tritte und Schläge (welche den Mann treffen würden) werden im Taijiquan so gut wie gar nicht mehr behandelt - obschon die Formen voll davon sind. Schiebende Hände, eine Anfängerübung, wird als Sportart vermarktet. Dabei ist Taijiquan vor allem wegen seiner KK anfänglich bekannt geworden. Mit den Waffen wird nicht mehr gefochten, nur Luft bewegt.

Der schamanistische Anteil im Taijiquan ist, meiner Meinung nach, der Hauptgrund für die Verbreitung des Taijiquan heute. In Ost und West haben die Menschen heute, durch Mechanisierung und Modernisierung, ein Defizit, was ihr Bewußtsein angeht. Taijiquan kann, selbst in der Einzelübung, den Menschen vorrübergehend von seinem (quälenden) Alltagsbewußtsein befreien.

Bleibt also zusammenzufassen, daß Taijiquan heute fast keine KK mehr ist, der Qigong Teil ist noch vorhanden, bröckelt aber auch stark. Denn für die schamanisitsche Qigongausübung muß ich nicht jahrelang Formen üben. Da reichen 30'er, 20'er und 10'er Formen vollkommen aus. Selbst die Brokatübungen sind ausreichend.

Also ist Taijiquan eine aussterbende Kunst.

Fechtergruß