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Vollständige Version anzeigen : Psychische Heilung, nachdem man Opfer geworden ist



Razor
17-03-2013, 21:43
hey Leute,

ich frage mich schon seit einiger Zeit welche Strategien es gibt damit umzugehen, wenn man Opfer geworden ist (also eine geistige Heilung, deswegen die Forenwahl). Mir ist klar, dass das auch von der Art des Verbrechens abhängt und man in dem Sinne keine pauschale Antwort geben kann. Mich interessiert eher der allgemeine Gedankengang.

Im Normalfall ist es ja so, dass im Leben des deutschen Durchschnittsbürgers der Gedanke tief verankert ist, dass er/sie Herr seines Lebens ist. Auch der Gedanke an Straftaten ist ja, außerhalb des KKB, bestimmter Kreise und wenn gerade mal nichts in den Medien kommt, eher unüblich. Im Falle eines Verbrechens wird diese schöne, heile Welt abrupt zerstört. Dann merkt das Opfer, dass es eben zum Opfer geworden ist und machtlos war. Abgesehen davon, dass dann sicher nur ein Therapeut helfen kann, wie geht man grundsätzlich damit um? Verdrängung, Ablenkung? Sich etwas einreden? (Das wäre jetzt das, was mir dazu eingefallen wäre). Abgesehen von den körperlichen Schäden ist ja auch das Ego ziemlich verletzt, wie geht man dann damit um? Die Opferrolle kann man vielleicht später verlassen indem man aktiv wird, aber das man mal darin war bleibt.

Das ganze geht ja auch über die eigentliche Tat hinaus. Nehmen wir an, es liegen dauerhafte Schäden vor, die nicht mehr verschwinden. Angefangen vom ausgeschlagenen Zahn bis hin zu Lähmungen usw. Da hat man dann ja lebenslange Erinnerungen daran, dass manche Menschen mit einem einfach etwas tun können bzw. für den Rest des Lebens mit einem gemacht haben.

Was meint ihr dazu?

SocialistHEI
17-03-2013, 23:10
Ich meine: Man sollte sich dann einen guten Psychiater oder (Psychologischen) Psychotherapeuten suchen und im schlimmsten Fall über eine Einweisung, je nach Ausprägung, in eine psychiatrische Tagesklinik bis hin zur geschlossenen Psychiatrie nachdenken. Wenn man merkt, dass man ein Trauma nicht verarbeiten kann, sollte man sich professionelle Hilfe suchen. Ansonsten wird es immer schlimmer anstatt besser und kann sich bis zur Psychose, Depression, Persönlichkeitsstörung o.ä. intensivieren. Ich, als Pflegefachkraft, habe zwar kein arztgleiches Medizinwissen, dennoch betrachte ich vor allem die Gefahr einer Persönlichkeitsstörung als problematisch. Denn psychische Störungen u.ä. werden irgendwann ein Teil der Persönlichkeit, es prägt sich also eine Persönlichkeitsstörung aus - gleichzeitig muss ich aber anmerken, dass die Ursachen für eine Persönlichkeitsstörung bis heute nicht ganz nachgewiesen und unter Fachleuten teils heftig umstritten sind. Und Persönlichkeitsstörungen sind leider nicht heilbar, man kann die Symptomatik nur durch Medikamente und Psychotherapie lindern.

Nur leider tun sich die meisten Menschen schwer damit, sich in die Hände eines (Psychologischen) Psychotherapeuten oder Psychiaters zu geben. Auch für ein Trauma, als folge körperlicher bleibender Schäden, gibt es spezialisierte Fachleute unter den Psychologischen Psychotherapeuten und Psychiatern. Es gibt ja zB auch Spezialisierungen in Onkologischer Psychotherapie bzw. Psychoonkologie usw.!

Razor
17-03-2013, 23:23
Ich meine: Man sollte sich dann einen guten Psychiater oder (Psychologischen) Psychotherapeuten suchen und im schlimmsten Fall über eine Einweisung, je nach Ausprägung, in eine psychiatrische Tagesklinik bis hin zur geschlossenen Psychiatrie nachdenken. Wenn man merkt, dass man ein Trauma nicht verarbeiten kann, sollte man sich professionelle Hilfe suchen. Ansonsten wird es immer schlimmer anstatt besser und kann sich bis zur Psychose, Depression, Persönlichkeitsstörung o.ä. intensivieren. Ich, als Pflegefachkraft, habe zwar kein arztgleiches Medizinwissen, dennoch betrachte ich vor allem die Gefahr einer Persönlichkeitsstörung als problematisch. Denn psychische Störungen u.ä. werden irgendwann ein Teil der Persönlichkeit, es prägt sich also eine Persönlichkeitsstörung aus - gleichzeitig muss ich aber anmerken, dass die Ursachen für eine Persönlichkeitsstörung bis heute nicht ganz nachgewiesen und unter Fachleuten teils heftig umstritten sind. Und Persönlichkeitsstörungen sind leider nicht heilbar, man kann die Symptomatik nur durch Medikamente und Psychotherapie lindern.

Nur leider tun sich die meisten Menschen schwer damit, sich in die Hände eines (Psychologischen) Psychotherapeuten oder Psychiaters zu geben. Auch für ein Trauma, als folge körperlicher bleibender Schäden, gibt es spezialisierte Fachleute unter den Psychologischen Psychotherapeuten und Psychiatern. Es gibt ja zB auch Spezialisierungen in Onkologischer Psychotherapie bzw. Psychoonkologie usw.!

Stimmt, so weit hatte ich gar nicht gedacht. Wenn das derartige Auswirkungen hat fände ich das aber schon sehr krass, dann wäre ja so ziemlich das komplette Leben verhunzt, wenn man das nicht irgendwie in den Griff bekommen würde. Gut, das kann auch durch körperliche Schäden der Fall sein.

Nymphaea Alba
18-03-2013, 09:08
Nicht jede traumatische Erfahrung bedarf zur Heilung Psychotherapie, um ein zufriedenes und in der Lebensqualität gutes Dasein fortzuführen. Dazu gibt es von Aaron Antonovsky einiges lesenswertes über Ressourcen, Definition von Gesundheit und (behandlungsbedürftiger) Krankheit.

Zum Thema 'Trauma verwächst sich zu anderen psychischen Erkrankungen': unter Fachleuten wird vor allem diskutiert, dass prinzipiell jeder Mensch auf der einen oder anderen Dimension der psychischen Auffälligkeiten eingeordnet werden kann. Oder parallel auf mehreren. Es geht also nicht nur darum festzulegen, ob jemand eher in Richtung Persönlichkeitsstörung (und das ist übrigens auch ein derart umfassendes Feld, dass wohl jeder gewisse narzistische oder dependete oder oder Züge beinhaltet... eben so pauschal, dass es nur gültig sein kann) oder Depression oder schizoid schlägt. Sondern festzustellen, inwieweit diese Tendenz, die Persönlichkeit, lebensbeeinträchtigende Ausmaße annimmt und welche konkret das sind. Und welche Rolle diese Mitgift bei neuen - evtl. problematischen - Erfahrungen und Lebensereignissen spielt. Ob man nun also ein Trauma erlebt oder nicht - man läuft immer Gefahr, dass sich Bereiche des Ich pathologisch manifestieren. Wir sind zwar stabil in den meisten Persönlichkeitseigenschaften, aber eingebettet in und beeinflusst durch unsere Lernerfahrungen und Lernweisen.

Jede Hilfe in der Bewältigung von Krisen oder traumatischen Erfahrungen beinhaltet zumeist die psychische Stabilisierung über das Aufnehmen / Aufzeigen / Übernehmen unterschiedlicher Blickwinkel, die helfen, zu verstehen, zu relativieren und zukünftig mehrere verschiedene Handlungsoptionen zur Verfügung zu haben. Ein gewagter Blick über den emotional verfestigtten Tellerrand sozusagen. Ein anderer Mensch ist dazu insofern immer hilfreich, als dass er zwangsläufig eine abweichende Betrachtung zur Verfügung stellen kann. Jemand, der speziell ausgebildet ist, sollte das zumindest in aller Regel auf einem noch mal qualitativ hochwertigeren Niveau erledigen bzw. den Betroffenen anleiten, selbst dahin zu kommen und wesentlich konkreter, zielgerichteter arbeiten.

Eine Erfahrung die viele Opfer machen, ist vor allen Dingen, dass es weitergeht, die Welt sich wie man so schön sagt weiter dreht, unabhängig davon, ob in ihnen alles zum Stillstand kommt. Dass es eine isolierende Diskrepanz zwischen ihnen und dem Rest der umgebenden Menschen gibt (der nichts mit ihren Erfahrungen anfangen können). Da kommt wirklich viel zusammen, weil die Zusammenhänge eben immer gemeinsam wirken. Nicht nur die traumatisierende Erfahrung einerseits, sondern auch die Grausamkeit der Welt, dass es eigentlich "egal" ist, was dem Einzelnen passiert, dass es keine wirklich bleibende Bedeutung gibt. Dass es irgendwann auch niemanden mehr interessiert. Usw. usf. Da kratzt ganz schön viel am Ego. Je nachdem, wie gut jemand bereits gelernt hat oder auch noch lernen kann, mit selbstwertverletzenden und -bedrohlichen Erfahrungen umzugehen, fällt das Resultat unterschiedlich erfolgreich aus. Je nachdem wie jemand ohnehin schon gelagert ist, wahrzunehmen, zu bewerten, ... fällt das Resultat unterschiedlich erfolgreich aus. Ob er nun Hilfe von Außen erhält oder nicht.

Ich denke: nicht jeder hat die Möglichkeit, darüber (zerstörerische Erfahrung) hinweg zu kommen oder damit gut zu leben. In meinen Augen hängt das aber viel weniger mit der Frage 'Therapie ja / nein' zusammen- da die Professionellen (Nutten :D) auch nur mit dem arbeiten können, was der Betroffene mitbringt. Man wird den Menschen nicht komplett neu beschreiben oder erfinden können. In vielen Fällen gelingt es manch genialem interessierten Mitmenschen oder Therapeuten aber, etwas zu aktivieren, was der Betroffenen aufgrund seiner Betroffenheit nicht vermag.

Aaron Antonovsky hat sich sehr dafür interessiert, warum es manchen Menschen gelingt, nach einschneidenden Erlebnissen besser zurecht zu kommen, als anderen Menschen. Obwohl sie objektiv vergleichbare Ausgangssituationen hatten. Wenn ich mich richtig erinnere ging es bei ihm um Holocaust- und Kriegsopfer. Darüber hinaus gibt es recht viel Literatur in dem Bereich, viele verschiedene Blickwinkel :p

gasts
18-03-2013, 09:32
Darüber hinaus gibt es recht viel Literatur in dem Bereich, viele verschiedene Blickwinkel :p

Stichwort Resilienz (http://www.google.de/search?hl=de&source=hp&q=resilienz&sei=Sd5GUYBJxfLhBIvrgJgP&gbv=2)

Nymphaea Alba
18-03-2013, 10:00
Stichwort Resilienz (http://www.google.de/search?hl=de&source=hp&q=resilienz&sei=Sd5GUYBJxfLhBIvrgJgP&gbv=2)

Genau, wenigstens einer der es auf den Punkt bringen kann. :D

Klaus
18-03-2013, 14:43
Ich halte es für wichtig, so früh wie irgend möglich nach einem solchen Trauma anzufangen, die Realität und die eigenen Gefühle anzunehmen. Und sei es mit einer stationären oder teilstationären Unterbringung, um aus dem Alltag zu kommen und den abzusichern (Krankschreibung). Die Flipperkugel die sich da öfter löst einfach rumtitschen zu lassen während man gezwungen ist, irgendwie eine Fassade aufrecht zu erhalten um seine Arbeit zu behalten, find ich ziemlich daneben. Die Lösungen auf die der Einzelne dann kommt sind nicht immer besonders gesund auf lange Sicht.

Wenn man stattdessen unterstützt wird die Wahrheit anzunehmen - und dazu gehört auch, dass man eben nicht immer Herr jeder Situation ist - dann beruhigt sich das auch wieder. Solange man noch lebt und zur Not mit H4 sein Dasein bedrohungslos fristen kann, kann man eigentlich gut weiter leben. Es scheitert oft an unsinnigen Dingen wie Scham, die einen zerbrechen kann. An dem Punkt sollten Psychotherapeuten auch endlich mal anfangen systematisch zu arbeiten, und nicht jeder sein eigenes Süppchen kochen.

Ich finde es fatal, wenn ich bei einer Freundin sehe, wie sich in der Öffentlichkeit der Klinikleiter und sein Stellvertreter in die Wolle kriegen was mit der "los" ist, und der eine nicht müde wird ihr vorzuwerfen sie würde sich nur wie ein kleines Kind aufführen weil sie ihren Willen nicht kriegt, und eigentlich gar nichts hat. Die hat sich übrigens 2 Jahre später mit einer Überdosis umgebracht, und 3 kleine Kinder hinterlassen. Soviel zu den Experten. Diesen Experten habe ich anschliessend durch den Wolf gedreht, der hat seine Arbeit aufgegeben und wird niemanden mehr unter die Erde bringen.

Razor
18-03-2013, 14:59
Ich halte es für wichtig, so früh wie irgend möglich nach einem solchen Trauma anzufangen, die Realität und die eigenen Gefühle anzunehmen. Und sei es mit einer stationären oder teilstationären Unterbringung, um aus dem Alltag zu kommen und den abzusichern (Krankschreibung). Die Flipperkugel die sich da öfter löst einfach rumtitschen zu lassen während man gezwungen ist, irgendwie eine Fassade aufrecht zu erhalten um seine Arbeit zu behalten, find ich ziemlich daneben. Die Lösungen auf die der Einzelne dann kommt sind nicht immer besonders gesund auf lange Sicht.

Wenn man stattdessen unterstützt wird die Wahrheit anzunehmen - und dazu gehört auch, dass man eben nicht immer Herr jeder Situation ist - dann beruhigt sich das auch wieder. Solange man noch lebt und zur Not mit H4 sein Dasein bedrohungslos fristen kann, kann man eigentlich gut weiter leben. Es scheitert oft an unsinnigen Dingen wie Scham, die einen zerbrechen kann. An dem Punkt sollten Psychotherapeuten auch endlich mal anfangen systematisch zu arbeiten, und nicht jeder sein eigenes Süppchen kochen.

Ich finde es fatal, wenn ich bei einer Freundin sehe, wie sich in der Öffentlichkeit der Klinikleiter und sein Stellvertreter in die Wolle kriegen was mit der "los" ist, und der eine nicht müde wird ihr vorzuwerfen sie würde sich nur wie ein kleines Kind aufführen weil sie ihren Willen nicht kriegt, und eigentlich gar nichts hat. Die hat sich übrigens 2 Jahre später mit einer Überdosis umgebracht, und 3 kleine Kinder hinterlassen. Soviel zu den Experten. Diesen Experten habe ich anschliessend durch den Wolf gedreht, der hat seine Arbeit aufgegeben und wird niemanden mehr unter die Erde bringen.

Das hätte ich an deiner Stelle auch getan, das ist ja wohl mehr als ein absolutes Unding. Da fragt man sich, wie die an ihren Job gekommen sind.:mad:

Ich glaube auch, dass die Akzeptanz der Wahrheit, dass wir eben tatsächlich nicht immer die volle Kontrolle haben, sehr wichtig ist. Genau so, wie die frühzeitige professionelle Betreuung, um vor dieser Erkenntnis nicht durchzudrehen. An sich ist dieser Gedanke ja auch eine Illusion, der wir hier im momentan noch vergleichsweise sehr friedlichen Deutschland sehr häufig verfallen.

Klaus
18-03-2013, 18:02
Das wichtigste ist meiner Meinung nach, dass der Therapeut sich selbst emotional auf den Patienten einlässt, und nach einem konkreten Plan vorgeht. Die Probleme machen immer die gleichen Vorgänge, Scham, Konflikt von Angst mit Zorn / Selbsterhaltungstrieb, und so weiter. Ich oute mich mal selbst, ich habe seit 1996 damit zu tun, eine gewalttätige Vergangenheit zu verarbeiten, auch weil ich mich damals nicht frühverrenten lassen wollte und wieder arbeiten gegangen bin. Aber am Ende, nach 15 Jahren, hat sich ein Gefühl gelöst das vorher nicht "hinzukriegen" gewesen ist, und das war ein Riesenhaufen Scham. Unbegründete Scham, weil ich nichts verkehrt gemacht habe, aber das versteht man als kleines Kind natürlich nicht. Und es ging nicht mal um was sexuelles, nur um unbegründete, ungerechtfertigte spontane Gewalt. Ich weiss nicht ob irgendjemand das Gefühl so überhaupt kennt, starke Scham, aber sowas fühlt sich dann an wie eine Angstattacke die mehrere Tage dauert, nur dass eben das Gefühl Scham ist und keine Furcht. Da habe ich dann in Fünf-Minuten-Abschnitten vor mich hin existiert, im Urlaub, und zugesehen irgendwie über den Tag zu kommen und in die Nacht um wieder zu schlafen, mit extremen Wellen solcher Gefühle die quasi einfach als rosa Rauschen durch den Kopf oder Körper gelaufen sind und angestrengt haben. Und atmen, atmen, atmen. Seitdem ändern sich Abläufe in mir jeden Tag in einem irren Tempo, jeden Tag kommen Erinnerungen an Ereignisse in meinem Leben in denen sich irgendwas nicht ins Gute gewendet hat, einfach weil die Last alter Empfindungen mich in die Entscheidung gedrückt hat. Das läuft inzwischen rückwärts, und mit konkreten Gefühlen aus jeder Zeit. Ich wache morgens auf und es ist 2004. Oder 1998. Oder 1987. Ich träume von Personen die ich vor über 20 Jahren gekannt hatte, und dann ändern sich plötzlich meine Gefühle für diese, weil ich jetzt Dinge ertragen kann die ich vorher nicht tragen konnte. Nach dem Motto, ok, die war ein Ar$chloch, aber halt unreif, mehr nicht. Und auf einmal werden diese Leute unwichtig, was mir nie gelungen ist.

Ich behaupte mal, wenn ich es schaffe, mich davon wieder zu heilen was ich erlebt habe - und da reden wir nicht von einem einzelnen Ereignis, sondern von Gewaltexposition für 20 Jahre - ohne übermässig viele Leute auf der Strecke hinterlassen zu haben, dann kann das jeder. Erst Recht bei einem einzelnen Ereignis. Aber man muss wissen was man tut, und wissen was passiert wenn man etwas tut. Man muss wissen wie man Scham, Glück, Selbsterhaltung und so weiter beeinflusst, triggert. Das geht einfach, sieht aber teils "doof aus". Man kann das in der Regel über den Körper erreichen. Aber man muss wissen, dass man Verhalten nicht ändern kann, hinter dem ein sehr grosses Gefühl steckt das "hängt", ausser man schafft ein Ventil über das sich das Gefühl erst entlädt. Und das haut einen aus den Schuhen, da kann man nicht nebenher arbeiten, eigentlich. Der Weg andersherum, ein "Gegengefühl" mit Willen schaffen, muss das ursprüngliche Gefühl übertreffen in Intensität, und das zehrt einen völlig auf, und erzeugt schlimme Konflikte. Ich habe das gemacht, und der Rückweg ist bitter. Hätte ich das richtige vorher gewusst und gemacht, wäre das erheblich einfacher gewesen.

Razor
18-03-2013, 18:47
Das wichtigste ist meiner Meinung nach, dass der Therapeut sich selbst emotional auf den Patienten einlässt, und nach einem konkreten Plan vorgeht. Die Probleme machen immer die gleichen Vorgänge, Scham, Konflikt von Angst mit Zorn / Selbsterhaltungstrieb, und so weiter. Ich oute mich mal selbst, ich habe seit 1996 damit zu tun, eine gewalttätige Vergangenheit zu verarbeiten, auch weil ich mich damals nicht frühverrenten lassen wollte und wieder arbeiten gegangen bin. Aber am Ende, nach 15 Jahren, hat sich ein Gefühl gelöst das vorher nicht "hinzukriegen" gewesen ist, und das war ein Riesenhaufen Scham. Unbegründete Scham, weil ich nichts verkehrt gemacht habe, aber das versteht man als kleines Kind natürlich nicht. Und es ging nicht mal um was sexuelles, nur um unbegründete, ungerechtfertigte spontane Gewalt. Ich weiss nicht ob irgendjemand das Gefühl so überhaupt kennt, starke Scham, aber sowas fühlt sich dann an wie eine Angstattacke die mehrere Tage dauert, nur dass eben das Gefühl Scham ist und keine Furcht. Da habe ich dann in Fünf-Minuten-Abschnitten vor mich hin existiert, im Urlaub, und zugesehen irgendwie über den Tag zu kommen und in die Nacht um wieder zu schlafen, mit extremen Wellen solcher Gefühle die quasi einfach als rosa Rauschen durch den Kopf oder Körper gelaufen sind und angestrengt haben. Und atmen, atmen, atmen. Seitdem ändern sich Abläufe in mir jeden Tag in einem irren Tempo, jeden Tag kommen Erinnerungen an Ereignisse in meinem Leben in denen sich irgendwas nicht ins Gute gewendet hat, einfach weil die Last alter Empfindungen mich in die Entscheidung gedrückt hat. Das läuft inzwischen rückwärts, und mit konkreten Gefühlen aus jeder Zeit. Ich wache morgens auf und es ist 2004. Oder 1998. Oder 1987. Ich träume von Personen die ich vor über 20 Jahren gekannt hatte, und dann ändern sich plötzlich meine Gefühle für diese, weil ich jetzt Dinge ertragen kann die ich vorher nicht tragen konnte. Nach dem Motto, ok, die war ein Ar$chloch, aber halt unreif, mehr nicht. Und auf einmal werden diese Leute unwichtig, was mir nie gelungen ist.

Ich behaupte mal, wenn ich es schaffe, mich davon wieder zu heilen was ich erlebt habe - und da reden wir nicht von einem einzelnen Ereignis, sondern von Gewaltexposition für 20 Jahre - ohne übermässig viele Leute auf der Strecke hinterlassen zu haben, dann kann das jeder. Erst Recht bei einem einzelnen Ereignis. Aber man muss wissen was man tut, und wissen was passiert wenn man etwas tut. Man muss wissen wie man Scham, Glück, Selbsterhaltung und so weiter beeinflusst, triggert. Das geht einfach, sieht aber teils "doof aus". Man kann das in der Regel über den Körper erreichen. Aber man muss wissen, dass man Verhalten nicht ändern kann, hinter dem ein sehr grosses Gefühl steckt das "hängt", ausser man schafft ein Ventil über das sich das Gefühl erst entlädt. Und das haut einen aus den Schuhen, da kann man nicht nebenher arbeiten, eigentlich. Der Weg andersherum, ein "Gegengefühl" mit Willen schaffen, muss das ursprüngliche Gefühl übertreffen in Intensität, und das zehrt einen völlig auf, und erzeugt schlimme Konflikte. Ich habe das gemacht, und der Rückweg ist bitter. Hätte ich das richtige vorher gewusst und gemacht, wäre das erheblich einfacher gewesen.

Da hast du eine ganz schön üble Vergangenheit hinter dir:( Ich finde es beeindruckend, dass du das hier alles erzählst, zeigt aber auch, dass du an daran arbeitest, damit umgehen zu können (korrigiere mich, wenn ich falsch liege). Bei mir ist es für mein Empfinden nicht ganz so drastisch gewesen, allerdings hatte ich seit meiner Kindheit regelmäßig mit Gewalt seitens verschiedener Menschen und etwas später mit Alkoholismus der Eltern und heftiger Konflikte mit Geschwistern zu kämpfen, dazu mit ausnutzendem Verhalten. Dadurch bin ich eigentlich auch erst auf dieses Thema gekommen, ich suche noch nach einem Weg, mit diversen Rachegedanken fertig zu werden.

Klaus
18-03-2013, 19:19
Es ist nicht "einfach", aber simpel, und fertig bin ich noch nicht damit. Ich hoffe, dass es jetzt in ein paar Monaten OK wird, das würde mir reichen. Ich lasse die Gefühle kommen, sorge aber dafür dass ich möglichst nicht handle wenn das nicht gut wäre. Es wäre deutlich einfacher, wenn ich nicht arbeiten müsste, das würde ich auch Leuten empfehlen bei denen das zu stark wird. Ich arbeite mit leerer Meditation, ich lasse also alles kommen was kommen will, und versuche nur das zu halten was da ist, mit Ruhe bewahren. Und ich verlasse mich darauf, dass die Initiativen die aus meinem Inneren "von alleine" anlaufen die richtigen Wege einschlagen. Dazu gehört auch, was man mit Wut und Rachegefühlen macht, das kann ich nicht erklären. Im Gegensatz zu meinem Bruder schlage ich meine Freundinnen oder anderen Leute aber nie, ich werde nur laut, oder gehe raus. Salopp gesprochen verlasse ich mich auf Gott, ob man den jetzt so nennt, oder das Dao, oder was auch immer, ist egal. Es gibt jedenfalls da etwas, das Initiativen entwickeln kann die gut für einen sind, man muss sie nur annehmen, und dann was auch immer nötig ist zulassen. Das war nicht immer einfach, und zwar gerade bei "schwachen" Lösungen, obwohl ich Leute auch hätte plätten können. Ich habe mich einige Zeit lang für feige gehalten, weil ich bestimmte Wege nicht gegangen bin. Aber gesünder war es wohl, und schlauer, sonst könnte es sein dass ich im Knast sässe, oder mich damit beschäftigen müsste mir zu vergeben. Ein wesentliches Problem ist, einen Weg zu finden, dass man nicht wirklich "schwach" wird, und unfähig sich im Fall des Falles zu wehren. Ich nehme das Gefühl der Schwäche dann an, und lasse es möglichst nicht drauf ankommen. Wenn es so läuft wie bisher immer, wird sich irgendwann eine Lösung von alleine entwickeln, ohne vorher zu wissen wie die ausfällt. Ich habe auch gelernt wieder wütend zu werden, indem ich einfach davon geträumt habe, und dann war es wieder möglich. Ich war ewig und drei Tage nicht mehr wütend, dann kam ein Traum in dem ich explodiert bin als mir einer auf eine Bratwurst falsch rausgegeben hat, und auf einmal ging es wieder. Das ist einfach passiert, als ich gesagt habe, ok, egal was es ist, ich nehme alles an, nur mach was, Gott. Vorher hatte ich solche Träume nie in der Menge, und vor allem so klar, strukturiert, und sinnvoll.

Man kann die Gefühle die hinter solchen Dingen stecken aber gezielt lösen, zum Beispiel indem man sich selbst massiert. Das hängt öfter an Stellen im Körper, im Muskel, in den Knochen. Im Kiefer zum Beispiel, oder den Beinen, Füssen, Händen. Das kann man dann tatsächlich einfach anfassen, so wie man ein Kind umarmt.

Razor
18-03-2013, 21:19
Es ist nicht "einfach", aber simpel, und fertig bin ich noch nicht damit. Ich hoffe, dass es jetzt in ein paar Monaten OK wird, das würde mir reichen. Ich lasse die Gefühle kommen, sorge aber dafür dass ich möglichst nicht handle wenn das nicht gut wäre. Es wäre deutlich einfacher, wenn ich nicht arbeiten müsste, das würde ich auch Leuten empfehlen bei denen das zu stark wird. Ich arbeite mit leerer Meditation, ich lasse also alles kommen was kommen will, und versuche nur das zu halten was da ist, mit Ruhe bewahren. Und ich verlasse mich darauf, dass die Initiativen die aus meinem Inneren "von alleine" anlaufen die richtigen Wege einschlagen. Dazu gehört auch, was man mit Wut und Rachegefühlen macht, das kann ich nicht erklären. Im Gegensatz zu meinem Bruder schlage ich meine Freundinnen oder anderen Leute aber nie, ich werde nur laut, oder gehe raus. Salopp gesprochen verlasse ich mich auf Gott, ob man den jetzt so nennt, oder das Dao, oder was auch immer, ist egal. Es gibt jedenfalls da etwas, das Initiativen entwickeln kann die gut für einen sind, man muss sie nur annehmen, und dann was auch immer nötig ist zulassen. Das war nicht immer einfach, und zwar gerade bei "schwachen" Lösungen, obwohl ich Leute auch hätte plätten können. Ich habe mich einige Zeit lang für feige gehalten, weil ich bestimmte Wege nicht gegangen bin. Aber gesünder war es wohl, und schlauer, sonst könnte es sein dass ich im Knast sässe, oder mich damit beschäftigen müsste mir zu vergeben. Ein wesentliches Problem ist, einen Weg zu finden, dass man nicht wirklich "schwach" wird, und unfähig sich im Fall des Falles zu wehren. Ich nehme das Gefühl der Schwäche dann an, und lasse es möglichst nicht drauf ankommen. Wenn es so läuft wie bisher immer, wird sich irgendwann eine Lösung von alleine entwickeln, ohne vorher zu wissen wie die ausfällt. Ich habe auch gelernt wieder wütend zu werden, indem ich einfach davon geträumt habe, und dann war es wieder möglich. Ich war ewig und drei Tage nicht mehr wütend, dann kam ein Traum in dem ich explodiert bin als mir einer auf eine Bratwurst falsch rausgegeben hat, und auf einmal ging es wieder. Das ist einfach passiert, als ich gesagt habe, ok, egal was es ist, ich nehme alles an, nur mach was, Gott. Vorher hatte ich solche Träume nie in der Menge, und vor allem so klar, strukturiert, und sinnvoll.

Man kann die Gefühle die hinter solchen Dingen stecken aber gezielt lösen, zum Beispiel indem man sich selbst massiert. Das hängt öfter an Stellen im Körper, im Muskel, in den Knochen. Im Kiefer zum Beispiel, oder den Beinen, Füssen, Händen. Das kann man dann tatsächlich einfach anfassen, so wie man ein Kind umarmt.

Ich wünsche dir von ganzem Herzen, dass das klappt und du das gut verarbeiten kannst. Ich werde deine Ratschläge auf jeden Fall beherzigen und mich mit meinen Gefühlen dazu beschäftigen. Das ist zwar kein leichter Weg, aber besser als wie die meisten Menschen in solchen Situationen dauerhaft in den Verdrängungsmodus zu schalten und dann irgendwann zu platzen. Wegen dem ganzen Mist aus der Vergangenheit im Knast noch mehr Mist zu erleben muss nun wirklich nicht sein.

Eddye
20-03-2013, 12:17
Möchte mich jetzt gerade nicht zu tief auf die Diskussion einlassen, aber ich habe selbst traumatische Erfahrungen gemacht und haben diese sowohl mit Psychotherapie als auch mit Kampfsport und anderen Methoden wie Entspannungstechniken einigermaßen in den Griff bekommen. Ich würde immer für eine nebeneinander verschiedener Methoden plädieren. Wichtig ist, den für sich geeigneten Mittel-Mix zu finden. Das ist nicht so einfach und kann eine jahrelange Suche bedeuten.
Viel Erfolg allen.

Klaus
20-03-2013, 17:21
Ich würde auch eine Gruppentherapie empfehlen. Einzelgespräche sind sehr zweischneidig, insbesondere wenn der Therapeut nix kann.

Razor
20-03-2013, 18:43
Ich würde auch eine Gruppentherapie empfehlen. Einzelgespräche sind sehr zweischneidig, insbesondere wenn der Therapeut nix kann.

Ja, da habe ich bereits eine nicht so gute Erfahrung gemacht, absolut richtig.

PatBateman
22-03-2013, 13:36
Einzelgespräche sind sehr zweischneidig, insbesondere wenn der Therapeut nix kann.
Das ist meiner Meinung nach auch einer der Knackpunkte. Wir leben doch irgendwie in einer (Leistungs-)Gesellschaft, in der "Schwäche" zwar irgendwie immer dabei ist (im Sinne von "jeder kennt solche Momente"), aber doch nicht akzeptiert wird.
Ein Beispiel: Bricht sich der Kollege ein Bein und ist 6 Wochen krank geschrieben, wird von den Kollegen im Büro vielleicht darüber spekuliert ob er denn hätte auf die Leiter klettern müssen. Bricht der Kollege aber innerlich zusammen aufgrund von nicht verarbeiteten Erfahrungen und geht für 6 Wochen in eine Klinik um erstmal klar zu kommen, dann wird eher abschätzig auf die Situation geblickt und der Fehler bei Ihm gesucht.
Das ist zumindest mein Eindruck des Vorgehens der Mehrheit. Psychische Erkrankungen werden idR nicht als das akzeptiert, was sie sind, nämlich Erkrankungen für die der-/diejenige meistens (immer?) nichts kann. Abgesehen davon, dass es in einem solchen Gesamtmilieu für den einzelnen somit schon unglaublich schwierig wird, sich selbst einzugestehen an einem Punkt zu sein, an dem es eben nicht mehr weiter geht und professionelle Hilfe nötig wird, ist es, sollte dieser Punkt erreicht sein, wiederum unglaublich schwer, diese Hilfe zu bekommen.
Telefoniert man in einer beliebigen Großstadt die Therapeuten ab, kann man sich oft glücklich schätzen, wenn man bei einem von ihnen überhaupt einen Termin in den nächsten vier Wochen bekommt. Egal, ob derjenige "Spezialist" für das eigene Problem ist oder nicht. Was macht jemand in diesem Zeitraum, der am Boden ist? Was macht jemand, der verzweifelt ist, wenn er/sie nach dem ersten Termin merkt, nicht mit dem Therapeuten zurecht zu kommen? Wieder rumtelefonieren und hoffen irgendwo einen neuen Termin zu bekommen? Was macht jemand, der nach der x-ten (beliebige Zahl einsetzen) Sitzung an einem Punkt angekommen ist, nicht mit dem Therapeuten zurecht zu kommen? Einen neuen Suchen ist nicht, weil zahlt die Kasse nicht...

Neben dem Anerkennen der eigenen "Schwäche" (hier bitte nicht negativ konnotiert lesen) und möglicher Eigeninitiative, die doch auch oft durch das eigentliche Problem gehemmt ist, sind diese Faktoren im System meiner Meinung nach einer der Hauptpunkte, warum viele Menschen eben nicht mehr zurechtkommen bzw. gesund werden.

Zur eigentlichen Ausgangsfrage. Ich denke wichtig ist, als erstes anzuerkennen, das einem etwas passiert ist, für das man selbst als Person nichts kann. Und da ist es meiner Meinung nach erstmal egal, ob man als Kind häusliche Gewalt erlebt hat oder mit 50 in einer Großstadt Opfer eines Raubüberfalls wurde. Erst wenn dieses Anerkennen stattgefunden hat, kann damit begonnen werden nach Hilfe zu suchen. Außerdem ist meiner Meinung nach ein Umfeld wichtig, das die Probleme des Einzelnen anerkennt und ihm/ihr geduldig zur Seite steht. Man kann dem anderen sicherlich nicht immer direkt und fachlich helfen (vielen Menschen fehlt es ja schon am Vorstellungsvermögen, was andere aus der Bahn werfen kann), aber man kann ihm/ihr doch signalisieren, dass man als Freund zu ihm/ihr steht, auch durch schwierige Zeiten.

Doc Norris
22-03-2013, 14:03
...

ich frage mich schon seit einiger Zeit welche Strategien es gibt damit umzugehen, wenn man Opfer geworden ist (also eine geistige Heilung, deswegen die Forenwahl)

Was meint ihr dazu?

+



Ich meine: Man sollte sich dann einen guten Psychiater oder (Psychologischen) Psychotherapeuten suchen und im schlimmsten Fall über eine Einweisung, je nach Ausprägung, in eine psychiatrische Tagesklinik bis hin zur geschlossenen Psychiatrie nachdenken...


also m.M.n ist selbstbemitleidung, bzw. gar das aufsuchen von psychologen oder eine selbsteinweisung, weder gerecht noch heilsam, zumindest nicht indem maße, wie es "rache / vergeltung" sein kann.
m.M.n ist rache oder vergeltung, eine der wirksamsten heilungsmethoden für die psyche des menschen (opfers)
getreu dem motto "auge um auge, zahn um zahn."
& das wussten die menschen weit vor dem mittelalter schon...:D;)

:)

Razor
22-03-2013, 14:35
+




also m.M.n ist selbstbemitleidung, bzw. gar das aufsuchen von psychologen oder eine selbsteinweisung, weder gerecht noch heilsam, zumindest nicht indem maße, wie es "rache / vergeltung" sein kann.
m.M.n ist rache oder vergeltung, eine der wirksamsten heilungsmethoden für die psyche des menschen (opfers)
getreu dem motto "auge um auge, zahn um zahn."
& das wussten die menschen weit vor dem mittelalter schon...:D;)

:)

Das sehe ich anders. Ich kenne das Verlangen nach Rache sehr gut, aber ungeschehen macht die Rache auch nichts. Nehmen wir mal an, einem Schläger wird die Hand abgeschlagen, mit der er mir des nachts die Nase gebrochen hat. Dann hätte ich zwar Genugtuung, die eigentliche Situation habe ich damit aber noch lange nicht verarbeitet und vielleicht noch ein Trauma am Hals, weil der Anblick der auf dem Boden im Blut liegenden Hand so schlimm ist. Und so sehr ich als nicht betroffender zustimmen würde, Vergewaltiger zu pfählen, so wenig würde mir das als Opfer auch nur im geringsten weiterhelfen.

Doc Norris
22-03-2013, 14:48
Das sehe ich anders. Ich kenne das Verlangen nach Rache sehr gut,...

da wirst du wohl nicht der einzige sein...;)


Nehmen wir mal an, einem Schläger wird die Hand abgeschlagen, mit der er mir des nachts die Nase gebrochen hat. Dann hätte ich zwar Genugtuung,

jop, nur eben das dein verlangen befriedigt wird (genugtuung), was schon mal ein "großer" schritt in richtung "heilung" ist.


die eigentliche Situation habe ich damit aber noch lange nicht verarbeitet und vielleicht noch ein Trauma am Hals, weil der Anblick der auf dem Boden im Blut liegenden Hand so schlimm ist.

es muss ja nicht gleich die hand ab. ;)
peitschenhiebe oder ähnliches würden es ja auch tun..:D


Und so sehr ich als nicht betroffender zustimmen würde, Vergewaltiger zu pfählen, so wenig würde mir das als Opfer auch nur im geringsten weiterhelfen.


ach kuck an. :D

wie gesagt, "genugtuung" ist die halbe miete, den rest dürfte der "seelenklemptner" schon richten können, wenn die genugtuung an sich nicht schon ausreicht.

m.M

:)

Razor
22-03-2013, 14:54
wie gesagt, "genugtuung" ist die halbe miete, den rest dürfte der "seelenklemptner" schon richten können, wenn die genugtuung an sich nicht schon ausreicht.

m.M

:)

Naja, um ehrlich zu sein würd ich schon gerne Rache nehmen. Ich stimme dir auch zu, dass das menschlich ist. Ich finde aber, dass zum Therapeuten gehen nichts mit Selbstmitleid oder der Opferrolle zu tun hat. Zumindest habe ich die Erfahrung gemacht, dass das wirklich hilft. Man muss aber schon den richtigen Therapeuten erwischen und ne Menge selbst tun, um voran zu kommen. Hätte ich die Möglichkeit zur straffreien Rache, würde ich wahrscheinlich nicht zögern.

Doc Norris
22-03-2013, 15:13
Naja, um ehrlich zu sein würd ich schon gerne Rache nehmen. Ich stimme dir auch zu, dass das menschlich ist.

m.A.n ist dieses empfindung, bzw. das verlangen nach rache oder vergeltung, in jedem menschen verankert.
& durch das befriedigen dieses verlangens, erfährt die seele einen gewissen grad an heilung, zumindest meinen gedanken nach.
inwieweit die vollkommene heilung danach noch entfernt ist, dürfte jedoch von jedem einzelnen abhängen.

der seelenklemptner dürfte es jedenfalls deutlich einfacher haben.


Ich finde aber, dass zum Therapeuten gehen nichts mit Selbstmitleid oder der Opferrolle zu tun hat. Zumindest habe ich die Erfahrung gemacht, dass das wirklich hilft.
Man muss aber schon den richtigen Therapeuten erwischen und ne Menge selbst tun, um voran zu kommen. Hätte ich die Möglichkeit zur straffreien Rache, würde ich wahrscheinlich nicht zögern.


jop, zustimmung.

:)

gasts
22-03-2013, 15:18
also m.M.n ist selbstbemitleidung, bzw. gar das aufsuchen von psychologen oder eine selbsteinweisung, weder gerecht noch heilsam, zumindest nicht indem maße, wie es "rache / vergeltung" sein kann.
m.M.n ist rache oder vergeltung, eine der wirksamsten heilungsmethoden für die psyche des menschen (opfers)


Eigene Erfahrung, oder Phantasie?

Doc Norris
22-03-2013, 15:23
Eigene Erfahrung, oder Phantasie?

hast du geschwister.? :D;)

Klaus
22-03-2013, 15:59
Es mag durchaus sein, dass das Ausleben von Rache und insbesondere Gerechtigkeit den meisten Opfern sofort, und viel besser helfen würde, als eine Therapie. Das Problem ist nur, wenn Du dafür Deinen Vater, Onkel, den Typ der gegenüber wohnt, oder Deinen Ex-Freund, umbringen müsstest, dann gibt es Probleme mit den Hütern des Gesetzes. Würde man mir eine 00-Lizenz geben, wäre das viel einfacher, für mich jedenfalls.

Eine Psychotherapie setzt genau da an. Mit dem Gefühl, dass man im Recht war, aber nichts machen konnte, und dass die Täter nie bestraft wurden. Verletzte Gerechtigkeit, und Erwartung von Reue oder Fairness.

Razor
22-03-2013, 16:37
Es mag durchaus sein, dass das Ausleben von Rache und insbesondere Gerechtigkeit den meisten Opfern sofort, und viel besser helfen würde, als eine Therapie. Das Problem ist nur, wenn Du dafür Deinen Vater, Onkel, den Typ der gegenüber wohnt, oder Deinen Ex-Freund, umbringen müsstest, dann gibt es Probleme mit den Hütern des Gesetzes. Würde man mir eine 00-Lizenz geben, wäre das viel einfacher, für mich jedenfalls.

Eine Psychotherapie setzt genau da an. Mit dem Gefühl, dass man im Recht war, aber nichts machen konnte, und dass die Täter nie bestraft wurden. Verletzte Gerechtigkeit, und Erwartung von Reue oder Fairness.

Ja, so bitter das ist, aber man kann sich ja Staaten anschauen, in denen Blutrache noch erlaubt ist. Die haben da auch kein besonders schönes Leben.

gasts
22-03-2013, 18:59
hast du geschwister.? :D;)

Du wurdest Durch Deine Geschwister schwer traumatisiert und hast Dich durch Rache geheilt?



Ja, so bitter das ist, aber man kann sich ja Staaten anschauen, in denen Blutrache noch erlaubt ist. Die haben da auch kein besonders schönes Leben.

wo ist das erlaubt?

Razor
22-03-2013, 19:10
wo ist das erlaubt?

"Das neuzeitliche Vorkommen der Blutrache ist nicht fest an bestimmte Gebiete gebunden. Auf dem Balkan vor allem in Griechenland auf Kreta und in Mani (Peloponnes), im Norden Albaniens und in einigen Ländern des ehemaligen Jugoslawiens wie im Kosovo und Montenegro, in östlichen Teilen der Türkei (kan davası: „Blutstreit“) und bei gewissen Völkern des Nordkaukasus wie Tschetschenen und Osseten wird die Blutrache zum Teil noch heute praktiziert. Das Clansystem der Somali in Nordostafrika beinhaltet ebenfalls Blutrache-Elemente." (Blutrache ? Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Blutrache#Vorkommen_in_der_Neuzeit))

Ob das da per Gesetz erlaubt ist, weiß ich nicht. Zumindest kommt es dort vor und ist in der Kultur verankert.

Doc Norris
24-03-2013, 16:03
Du wurdest Durch Deine Geschwister schwer traumatisiert und hast Dich durch Rache geheilt?




...

einzelkind.(?)

:)

ok, is ganz einfach.
der kleine / große bruder drangsaliert u das andere geschwisterchen rächt sich, die typischen geschwisterrangeleien eben. ;)

die erwachsene version hat halt andere ausmaße, z.B blutrache, vendetta, blutfede etc..

gasts
24-03-2013, 16:51
einzelkind.(?)


nein



ok, is ganz einfach.
der kleine / große bruder drangsaliert u das andere geschwisterchen rächt sich, die typischen geschwisterrangeleien eben. ;)


Du vergleichst Geschwisterrangeleien mit Kapitalverbrechen?

SocialistHEI
24-03-2013, 17:17
Wobei Menschen mit einigen Formen der Persönlichkeitsstörungen und Psychosen eher weniger für Gruppentherapien geeignet sind, da diese zB immer denken, dass alle Menschen gegen sie sind und die anderen Teilnehmer dann über sie sprechen, wenn sie sich öffnet. Man macht sich dann, nach deren Sicht, also angreifbar. Ich persönlich halte von Gruppentherapien bei einschlägigen Krankheitsbildern rein gar nichts.

Doc Norris
24-03-2013, 18:47
...



Du vergleichst Geschwisterrangeleien mit Kapitalverbrechen?

nein.
nur das prinzip das dahinter steht. ;)

Klaus
25-03-2013, 19:51
Leute die so stark abgedreht sind dass man die nicht in eine Gruppe packen kann, werden üblicherweise mit Psychopharmaka ruhig gestellt und in geschlossenen Abteilungen aufbewahrt. Das Argument ist also keins.

Wir sprechen hier von Leuten die noch genug kognitive Funktion haben, dass man mit Gesprächen überhaupt arbeiten kann. Da ist eine Gruppe einfach wesentlich leichter um einen Anfang zu finden für Leute die entweder gar nicht wissen "was das Problem ist", oder sich nicht leicht zu sich selbst äussern können. Die äussern sich indirekt über sich selbst, indem sie zu den ähnlichen Problemen der anderen Stellung beziehen, oder überhaupt erstmal mit Gefühlen konfrontiert werden. Es reicht ja, von anderen zu hören was denen passiert ist, um "ungefährlich" überhaupt mal ein Gefühl von Wut zu bekommen. Die richtet sich ja dann gegen Unbekannte, nicht gegen den eigenen Täter. Der grosse Vorteil ist, niemand muss sich direkt zu sich selbst äussern, kann aber an einem Gespräch über Gefühle teilnehmen. Demgegenüber muss ein Therapeut in einer Einzeltherapie überragenden Zugang zu Patienten entwickeln, das können manche, viele aber schlicht gar nicht. Und im Gegensatz zur Gruppentherapie kann der sich nicht zurückziehen wenn er überfordert ist, in der Gruppe hört er einfach auf zu reden und überlässt das Wort anderen.

Ich würde es übrigens beim Sprechen über die Psyche traumatisierter Leute vorziehen, wenn Leute darüber was sagen würden die auch Ahnung davon haben. Sprich, bei sich selbst oder Dritten schon mal sowas mitgemacht haben, statt sich das aus den Fingern zu saugen. Schon mal schwerst traumatisierte Leute in einer Gruppentherapie gesehen, die kaum sprechen können, und völlig anfangen zu zittern ? Die sind in einer Gruppe geschützter als gegenüber einem einzelnen dämlichen Therapeuten der in den 45min unbedingt irgendwie was aus jemandem rausholen will was er in seinen Bogen eintragen kann. Wäre ja doof nach 5 Minuten zu schreiben "Patient kann nicht reden, Behandlung verschoben", und den dann wieder gehen zu lassen, ne, da muss man auf den einreden und höhnisch werden bis der zusammenbricht. Und ich der daneben stand ihm eins in die Fresse hauen will, was ich später nachgeholt habe.

MCFly
25-03-2013, 21:22
Wir sprechen hier von Leuten die noch genug kognitive Funktion haben, dass man mit Gesprächen überhaupt arbeiten kann. Da ist eine Gruppe einfach wesentlich leichter um einen Anfang zu finden für Leute die entweder gar nicht wissen "was das Problem ist", oder sich nicht leicht zu sich selbst äussern können.

Nicht unbedingt. Eine Gruppe kann ein "Türöffner" sein. Aber gerade in einem solch sensiblen Thema ist dies sehr schwer zu pauschalisieren.
Ich sehe ein klares Plus, wenn es um relativ deutlich zu definierende und isolierbare Probleme geht. Typisches Beispiel sind Suchtkrankheiten. Gruppenmitglieder und die beiden begleitenden Therapeuten können sich dann auf ein gemeinsames Ziel fokussieren und systematischer planen ( Stationen/Konzepte erstellen und anpassen).
Bei traumatisierenden Erfahrungen sehe ich das sehr zweischneidig. Gerade, wenn es noch um Diagnoseprozesse geht, sehe ich eine enge Bindung an einen Experten als sehr wichtig an, das ist bei einer Gruppentherapie leider schnell unzureichend. Ich z.B. sehe einen hohen Nutzen in einer verhaltentherapeutischen Vorgehensweise. Damit die momentane Lebenssituation detailliert erfasst und analysiert werden kann.

Meine Meinung beruht auf persönlicher Erfahrung, ich bin kein Psychologe. Teilweise begleitend im Bekanntenfeld, etwa weil ich bereits selber den Rettungsdienst rufen musste, um eine betrunkene und dadurch suizidale Frau abholen und von ihrem vierjàhrigen Sohn "entfernen" zu lassen (sie ging übrigens zu diesem Zeitpunkt wg ihres Exmannes seit anderhalb Jahren zur Gruppentherapie). Gar nicht so einfach, so eine Entscheidung. Teilweise, weil ich einige beratende Gespräche mit Psychologen geführt habe. Teilweise aus Interesse. Wie gesagt: jede Therapieform mag ihre Berechtigung haben. Aber ich finde, in der Gruppe fehlt es für einige Bereiche an notwendiger "Tiefe".

Achja: und ich habe auch schon eine "toughe", 59jährige Geschäftsführerin gesehen, die in einem Selbstverteidigungskurs, den ich mit begleitete, einen Nervenzusammenbruch erlitt. Weil das Training Erlebnisse in der Vergangenheit zu Tage gebracht hat, von denen sie vorher nichts erzählt hat. Weil ihr selbst noch nicht einmal bewusst war, wie tief das Erlebte in ihr verankert war.
Ich habe auch schon den Abteilungsleiter gesehen, der mir weinend in die Arme fiel, nur weil ich ihm ein professionelles Kompliment gemacht habe.

My 2 cents...

Klaus
25-03-2013, 23:12
Darum pauschalisiere ich auch nicht dass Gruppen bei einem "richtigen Krankheitsbild" "nichts bringen". Ein einzelner Mensch hat dann eine riesige Verantwortung. Aber da braucht es einen Therapeuten der seinen Job macht, und kein ********* der in nur einem halben Jahr mehrere halbwegs normale Leute in den Selbstmord treibt, bis ein Laie ihm dermassen in den ***** tritt dass er aus Angst seinen Job aufgibt und sich zurückzieht. Einen Therapeuten der nicht aus Machtgeilheit seinen Klinikleiter in die Rente treibt, damit ihm der nicht mehr öffentlich auf die Finger klopft wenn er Schei$$e gebaut hat. Und der nicht das ältere erfolgreiche Personal die sich mit Herzblut um Kranke kümmern entsorgt, um sich mit krankem, kaputtem Pflegepersonal zu umgeben die von ihm abhängig sind, weil sie drogensüchtig, alkoholkrank oder bereits auffällig geworden sind, und sich dann an Patienten in der Klinik so richtig austoben.

MCFly
26-03-2013, 09:08
Klaus, Berufsfelder im psychotherapeutischen Bereich zählen mit zu den Tätigkeiten, die ich am meisten respektiere.
Psychologie ist ein relativ junger wissenschaftlicher Zweig. Er ist sehr komplex und gleichzeitig in vielen Gebieten noch unerforscht. Er ist abhängig von der Arbeit des Wissenschaftlers und des Patienten. Ich finde, für so einen sensiblen und wichtigen Bereich findet sich eine außergewöhnlich große Spanne an Graufeldern. Einige lassen sich überbrücken, indem situativ von bekannten Methoden abgewichen wird, quasi die Schlangenlinie der menschlichen Persönlichkeit um den roten Faden der Wissenschaft. Andere lassen sich nur vermuten oder gar nicht erkennen, weil der Patient bestimmte Bereiche seines "Innenlebens" nicht preisgibt.

Ansonsten gebe ich dir natürlich Recht, es finden sich wie überall, immer wieder Menschen mit fragwürdiger Berufsauffassung. Was natürlich hier sehr schnell tragische Ausmaße annehmen kann.


Vielleicht noch eine Anmerkung zu dem Topic:

Die Frage, welcher Umgang zur Bewältigung von traumatischen Erlebnissen ratsam wäre, ist relativ einfach zu beantworten: es kommt darauf an ;)

Das ganze lässt sich manigfaltigst diskutieren, aber immer wieder stößt man -vorausgesetzt, man argumentiert nicht voreingenommen und steif- an Punkte, die so festgelegt wie Wackelpudding sind und gar keine Standard-Antwort zulassen.

Warum sollte man Menschen pauschal empfehlen, professionelle Hilfe zu suchen? Natürlich gibt es Grenzbereiche wo kaum Alternativen bestehen. Ansonsten ist das aber immer eine Überlegung, die man von sich selber auf andere Persönlichkeiten projizieren muss. Finde ich schwierig. Meine Erfahrung ist, solche Ratschläge wenn überhaupt aus der Ich-Perspektive zu geben, also zu beschreiben, was ich persönlich machen würde. Ansonsten ist das ein Vorgang, den Betroffene mit ihrem Gewissen klären müssen. Und da bietet es sich an, zuzuhören und nicht zu steuern. Meistens finden die Menschen dann selber ihre Lösung. Nur tun sich leider oftmals Menschen genau mit dieser Eigenschaft schwer: einfach einmal hin-/zuzuhören...

Klaus
26-03-2013, 11:19
Professionelle Hilfe ist dann notwendig, wenn man, weil man sich den Emotionen stellt und sie bekommt, nicht mehr steuerungsfähig wird, und entweder krankgeschrieben werden muss und/oder Medikamente braucht. Wobei ich letzteres so kurz wie möglich gestalten würde, wenn man nicht zufällig super reagiert und kaum Nebenwirkungen hat, oder es anders nicht geht.

Tatsächlich braucht man Zeit und Ruhe. Gute Therapeuten können helfen, schlechte schaden, aber im Wesentlichen muss und kann man selbst die richtigen Weichen stellen. Auch schlechte Gruppen schaden, darum sitzt da ja Fachpersonal dabei. Es ist ein grosses Spielfeld, aber ich halte es so, dass ich mich mit der Wahrheit beschäftige, und keine Ausreden oder Formeln bastele die begründen warum man das Falsche tut, teils vorsätzlich.

Ich hatte wie gesagt mit jemandem zu tun, der mir tatsächlich erklärt er müsse ja wegen der Krankenkasse die Durchlaufzeiten drastisch reduzieren, von über einem Jahr auf möglichst wenige Monate. Die Leute wurden dann zur Arbeit geprügelt oder "nicht therapierbar" geschrieben und in die Sozialhilfe abgegeben, das hatte mit Heilung nichts zu tun. Der Klinikleiter und das Personal das das nicht machen wollte wurden abgesägt, das war Mitte der 90er Jahre. Wenn ich Leute in letzter Sekunde vor dem Bus wegziehen muss, werde ich irgendwie böse, besonders wenn die (Nicht-)Behandlung solcher Leute mit "Kosten" begründet wird. Die Infrastruktur war vorher da, und wurde dann abgeschafft, weil, es kostet ja Geld. Und ich bin mir sicher dass da Gesetze gebrochen wurden, um einfach Fakten zu schaffen, wobei mir das moralische sicher wichtiger ist.

SocialistHEI
26-03-2013, 15:53
Professionelle Hilfe ist dann notwendig, wenn man, weil man sich den Emotionen stellt und sie bekommt, nicht mehr steuerungsfähig wird, und entweder krankgeschrieben werden muss und/oder Medikamente braucht. Nein, das ist totaler Blödsinn! Professionelle Hilfe, wenn auch nicht gleich mit Medikamenten, ist bereits notwendig, wenn man merkt, dass man mit etwas was man z.B. erlebt hat, nicht fertig wird. Das kann bereits der Fall sein, wenn die Hauptsymptomatik sich z.B. auf Angst vor dem alleine sein (also in der eigenen Wohnung o.ä.) beschränkt oder wenn man nur noch schwer, kaum oder gar nicht mehr in der Lage ist, einen Menschen inkl. den nächsten Angehörigen zu vertrauen und man sich dauernd in der Gefahr sieht, angegriffen zu werden. Oder auch bei starker Angst sich mit Krankheiten zu infizieren bzw schwere Krankheiten zu bekommen.

Nicht jeder der durch irgendein Erlebnis Ängste o.ä. bekommen hat, ist ein Fall für den Psychiater. Aber wenn die Symptomatik halt so ausgeprägt ist, dass man alleine nichts mehr gegen die Symptome ausrichten kann bzw lernen kann mit ihnen zu leben, dann ist die Hilfe von Fachleuten nötig. Ein großer Teil von psychisch kranken Menschen lebt ein mehr oder weniger "normales" Leben. Sie wohnen alleine, haben vielleicht Kinder und/oder sind verheiratet, gehen arbeiten, haben Hobbies und gute Freunde..... trotzdem kann es Sachen geben mit denen sie nicht alleine fertig werden und bei denen sie Hilfe brauchen. Auch ein gesteigertes Aggressionspotential, welches sich nicht gleich darin äußern muss, dass man bei den kleinsten Konflikten um sich haut, steht einem normalen Leben nicht zwangsläufig im Wege, kann aber Behandlungsbedürftig sein!

Ganz wichtig für eine erfolgreiche Therapie, auch wenn eine Heilung wie bei Persönlichkeitsstörungen nicht möglich sein sollte, sind folgende Punkt:

1.) Man muss erkennen, dass etwas mit einem nicht stimmt und das man sich nicht mehr alleine helfen kann. Und genau das ist das größte Problem bei Menschen mit eindeutig psychischen Krankheiten, denn diese sehen sich selbst als "normal" und als "nicht krank" an und sehen meist Andere als "nicht normal" an. Dies ist aber eher nur dann wichtig, wenn man nicht Zwangseingewiesen wurde.

2.) Man muss bereit sein, sich auch sehr schmerzhaften Erinnerungen zu stellen und damit rechnen, dass alte vergessen geglaubte oder verdrängte seelische Wunden aufgerissen werden, was die seelischen Probleme phasenweise verstärken kann. Aber nur dadurch wird gewährleistet, dass man sich mit diesen Dingen auch wirklich auseinandersetz und sie aufarbeitet. Dies erfordert von vielen eine Menge Mut und Durchhaltevermögen.

3.) Der wohl wichtigste Punkt ist, genau wie die Erkenntnis in Punkt 1: Man muss es auch wirklich wollen und sich auf die Therapie einlassen! Ein hochrenomierter Psychiater oder Psychotherapeut kann auch nur dann helfen, wenn man es zulässt und man den Willen hat. Der Fachmann kann einen nur den Weg zeigen und versuchen einen wieder auf die Bahn zu lenken, wenn man droht von der Bahn abzukommen. Er kann eine Stütze für einen harten und steinigen Weg sein, aber gehen muss man den Weg alleine!


Gruppentherapien sind übrigens nicht für jeden zu empfehlen. Es kommt auf den Einzelfall an und nicht auf eine Gruppe von Krankheitsbildern! Jemand der dazu neigt, sich zu isolieren da er sehr kontaktscheu und unsicher ist und deshalb in Depressionen fällt, ist eher ein Kandidat für eine Gruppentherapie als jemand, der sich andauernd von anderen Menschen angegriffen und lächerlich gemacht fühlt. Auch Vergewaltigungsopfer sind häufig ein Fall für eine Einzeltherapie, wenn diese wegen der Vergewaltigung ein enorm hohes Schamgefühl ausgeprägt haben.

Begriffe wie "normal" und "unnormal" habe ich bewusst in Anführungszeichen geschrieben, da diese Begriffe im Bereich der Psychiatrie sowieso zum größten Teil reine Relativbegriffe sind.

Klaus
26-03-2013, 16:21
Notwendig vs. hilfreich oder sinnvoll. Man kann sich mit Zeit und Geduld selbst therapieren, aber man kann sich weder selbst krank schreiben, noch kann man sich selbst Medikamente verschreiben.

Normal und krank haben wenig miteinander zu tun. Es ist völlig normal, wenn einer nach einem Trauma krank ist, krank ist er dann trotzdem.

Ich persönlich halte planlose Stehgreif-Einzelgespräche bei schwer traumatisierten Leuten für völlig sinnlos, ja schädlich. Da würde ich grundsätzlich immer über andere Therapieformen gehen, non-verbale. Gespräche erst dann, wenn sich das formiert hat und fertig ist um auszubrechen. Wobei noch fraglich ist ob das notwendig ist. Und es ist ein Ding der Unmöglichkeit, dass "professionelle Therapeuten" nicht mal die fundamentalsten Dinge über Gewaltopfer wissen, und gezielt die immer gleichen Mechanismen addressieren. Das Gefühl der Hilflosigkeit, die Unfähigkeit Wut kanalisiert auszudrücken, Scham, verletztes Gerechtigkeitsempfinden. Es muss heute klar sein, dass weder Rache, noch bewaffnete Selbstverteidigung akzeptierte Dinge sind, die man Opfern zugesteht. Wenn ich so jemanden mit Blödsinn provoziere, als "Konfrontationstherapie", und der bricht aus, dann muss das Ergebnis Gewalt gegen den Provozierer sein - oder sich selbst. Entweder der haut dem provozierenden Therapeuten eine in die Fresse, das ist der positive Lösungsweg, oder er kann es nicht und fängt sich selbst zu verletzen an. Hochgestochene Einsichten zu verlangen ist nicht menschlich, niemand ist fähig in so grundlegenden Verletzungssituationen zu "reflektieren" als ginge es um eine Diskussion bei Tee und Zimtplätzchen, da sind elementare Dinge der Selbsterhaltung verletzt. Sowas kann man nicht nur wissen, man muss es wissen, als "Therapeut" der ja angeblich Medizin und Psychiatrie studiert hat. Dass sich so ein Opfer dann Heroin in Klinikdosis reinhaut ist vorhersehbar.

SocialistHEI
26-03-2013, 21:00
Man kann sich mit Zeit und Geduld selbst therapieren Nein. Wenn psychische Erkrankungen / Störungen vorhanden sind, kann man sich nicht mehr selber helfen. Familie und Freunde auch nicht! Bei normalen Angstzuständen würde sowas vielleicht noch klappen, nicht aber bei Psychosen, Persönlichkeitsstörungen u.ä.!


Ich persönlich halte planlose Stehgreif-Einzelgespräche bei schwer traumatisierten Leuten für völlig sinnlos, ja schädlich. Und woher nimmst du deine Erkenntnisse?

Hattest du mal mit psychisch kranken Menschen zu tun? Kleinste Veränderungen, der kleinste Widerstand gegen deren Wünsche, das kleinste Missverständnis.... all das kann die Symptomatik auslösen oder verschlimmern, ja in schweren Phasen sogar bis zu Selbstmordversuch gehen - habe ich alles schon mehr als ein mal erlebt. Also muss man den Einzelfall beachten!


Und es ist ein Ding der Unmöglichkeit, dass "professionelle Therapeuten" nicht mal die fundamentalsten Dinge über Gewaltopfer wissen, und gezielt die immer gleichen Mechanismen addressieren. Sie wissen es, dennoch muss man vor allem in der Anfangszeit mit sehr viel Fingerspitzengefühl an die Therapie rangehen.


Das Gefühl der Hilflosigkeit, die Unfähigkeit Wut kanalisiert auszudrücken, Scham, verletztes Gerechtigkeitsempfinden. Es muss heute klar sein, dass weder Rache, noch bewaffnete Selbstverteidigung akzeptierte Dinge sind, die man Opfern zugesteht. Ja, aber es gibt doch nicht umsonst die §§ 20 und 21 StGB. Wer schwer traumatisiert, schwer alkoholisiert, in schweren Verhältnissen aufgewachsen ist oder jahrelang selbst Opfer von Gewalt wurde, dessen Verfehlungen werden vor Gericht sowieso anders bewertet. Vorausgesetzt die Verfehlung wurde als Folge eines Triggers und durch Unfähigkeit eine Verfehlung als solche zu erkennen, begangen. EIne bloße Aussag vor Gericht wie "Ich weiß nicht, Herr Richter, ich konnte mich einfach nicht kontrollieren. Keine Ahnung wieso ich es nicht konnte" bringen nichts.


Wenn ich so jemanden mit Blödsinn provoziere, als "Konfrontationstherapie", und der bricht aus, dann muss das Ergebnis Gewalt gegen den Provozierer sein - oder sich selbst. Ich ahbe keine Konfrontationstherapie gemeint. Man kann jemanden, der vielleicht Jahr Zuhause eingesperrt wurde und Monate bis Jahr kein Tageslicht gesehen hat, wegen therapeutischen Zwecken in einem dunklen Keller einsperren und warten bis er sich fängt. Durch Gesprächstherapie zB kann etwas was nicht verarbeitet wurde, aufgegriffen und verarbeitet werden. Natürlich sollte man aber nicht schon im ersten Gespräch auf biegen und brechen darauf hinarbeiten, generell soll kein Druck ausgeübt werden. Es dauert teilweise Jahre, aber irgendwann ist der Zugang gefunden, der Kern geknackt und dann kann man mit dem Aufarbeiten anfangen.


Hochgestochene Einsichten zu verlangen ist nicht menschlich, niemand ist fähig in so grundlegenden Verletzungssituationen zu "reflektieren" als ginge es um eine Diskussion bei Tee und Zimtplätzchen, da sind elementare Dinge der Selbsterhaltung verletzt. Kann man so auch nicht sagen. Mein Cousin war zwei Jahre in psychotherapeutischer Behandlung. Es hat Jahre gedauert, aber irgendwann hat er von alleine eingesehen, dass er Hilfe brauch und vor allem das etwas mit ihm nicht stimmt und nicht mit dem Rest der Welt. Aber wie ich bereits mehrfach sagte: Dies ist eines der größten Probleme.... die Einsicht und der Wille etwas zu ändern!


...als "Therapeut" der ja angeblich Medizin und Psychiatrie studiert hat. Angeblich? Psychiater sind Ärzte, die ein ganz normales Studium der Humanmedizin abgeschlossen und nach dem Studium eine mehrjährige Facharztausbildung absolviert haben. Psychiater heißen heute offiziell Fachärzte für Psychiatrie und Neurologie. Psychiater sind dann theoretisch auch Neurologen und Neurologen sind theoretisch auch Psychiater, meist suchen sie sich aber einen Bereich aus, dem sie vorwiegend nachgehen und andere haben tatsächlich nur eine FA-Fortbildung von beiden - das sind meist ältere Ärzte, denn seit wenigen Jahren gibt es nur noch den FA für Neurologie und Psychiatrie. Psychotherapeuten sind Absolventen eins Psychologie-Studiums (Diplom oder Master, kein Bachelor!) oder Ärzte (Hausärzte oder Fachärzte anderer Fachrichtungen), die eine Zusatzausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten gemacht haben und die approbiert sind. Nicht-Akademiker, die psychotherapeutisch tätig werden dürfen, sind nur Heilpraktiker und Heilpraktiker beschränkt auf dem Gebiet der Psychotherapie (auch Kleiner Heilpraktiker genannt). Alles andere sind Psychologische Berater, Personal Coaches o.ä., diese dürfen nur beraten und nicht therapieren / diagnostizieren und zudem sind diese Bezeichnungen auch nicht geschützt!

MCFly
26-03-2013, 21:33
Nein. Wenn psychische Erkrankungen / Störungen vorhanden sind, kann man sich nicht mehr selber helfen. Familie und Freunde auch nicht! Bei normalen Angstzuständen würde sowas vielleicht noch klappen, nicht aber bei Psychosen, Persönlichkeitsstörungen u.ä.!

Lass mal die Ausrufezeichen als Meinungsverstärker weg. Was du schreibst, wird dadurch nicht untermauert.
Selbstverständlich kann man sich selber helfen. Ich bitte dich. Im Grunde ist auch ein Therapeut, wenn er gut ist, ein Ratgeber. Jemand, der dir Hilfestellung bietet. Der mit dir gemeinsam arbeitet. Du selbst und nur du, musst für dich den geeigneten Weg finden, deine Probleme zu verarbeiten.
So, wie du hier loslegst, kommt jedes kleinste psychische Problem einer Katastrophegleich, dem der Betroffene wie eine Marionette, wie ein fremdgesteuerter Zombie ausgeliefert ist. Familie, Freunde, erfüllende Aufgaben... all das kann helfen.

Gerade wenn du auch deine Erfahrungen gemacht hast solltest du das verstehen.

Ich hingegen finde es wirklich unpassend, immer wieder ins Emotionale abzudriften. Psychologen haben nicht "angeblich", sondern sehr gezieltes Fachwissen. Genauso sind sie nicht per se der Weißheit letzter Schluss. Ich kenne exzellente Fachärzte und solche, denen ich die Pest an den Hals wünsche. Und was habt ihr vorzuweisen? Genau das gleiche. Erfahrungswerte. Stellt es doch dann auch einfach mal so dar, ohne zu diskreditieren...

Klaus
26-03-2013, 22:52
Das war durchaus zynisch gemeint, denn natürlich muss jemand der Doktor der Medizin Fachrichtung Neurologie / Psychiatrie ist dafür studieren und einen Abschluss machen. Wie so jemand dazu kommt, krass gegen das Wohl seiner Patienten vorzugehen weil er als neuer Klinikleiter angeblich oder tatsächlich irgendwelche Vorgaben von Krankenkassen oder Kostenträgern bekommt will ich nicht nachvollziehen. Ist das gleiche wie Chirurgen die noch schnell 20 Herzklappen einsetzen die keiner braucht, weil man den Monatsumsatz noch nicht gemacht hat den man plant. Wenn man das nicht im Fernsehen sieht, sondern eine Beinahepartnerin dabei ums Leben kommt, dann ist man auf völlig andere Weise betroffen. Das ist einfach eine andere Art von schlimm als mein Arzt hat meinen Beinbruch nicht erkannt. Mir platzt immer noch der Kopf davon, dass ich da zwei Menschen nicht retten konnte, obwohl ich das bei zwei anderen geschafft habe. Offenbar finde ich keine Lösung, mit der ich leben kann und leben möchte. Oder ich bin noch dabei.