Vollständige Version anzeigen : Dai Nippon Butokukai und Karate
Kann man irgendwo verbürgt nachlesen, ab wann der "Großjapanische Verband für Kampfkunsttugend"" (?) das Karate als Bu-Do anerkannte? Und ab wann das "Shotokan" mit dabei war?
Kriege das mittlerweile nicht mehr zusammen.
Danke für die Mühe!!
Kontaktiere in diesem Belang am besten den User Gibukai. Der wird dir da am ehesten weiterhelfen können. Vielleicht entdeckt er auch den Thread von sich aus.
Hallo,
die beiden Fragen sind etwas suggestiv, weil sie Dinge voraussetzen, die so gar nicht bzw. nicht so ganz passierten. „Karate“ als einheitliches Gebilde wurde nie Teil des Dai-Nippon Butokukai (DNBK).
1908 gab es die vielleicht erste Begegnung von Karate und DNBK-Mitgliedern. Im Sommer jenes Jahres wurde vom DNBK in Kyōto ein Jungenwettkampf für Jūdō und Kendō veranstaltet, bei dem auch Teilnehmer der Mittelschule der Präfektur Okinawa anwesend waren. Am Rande dieser Veranstaltung kam es zu einer kleinen Karate-Vorführung, der auch der Leiter des Kōdōkan Jūdō, J. Kanō (1860–1938), beiwohnte. D. h. zu diesem Zeitpunkt wurde Karate als eine Art von Kampfkunst wahrgenommen. Es handelte sich also im gewissen Sinne um eine Anerkennung, wenn auch nur eine Anerkennung des Karate von A. Itosu (1831–1915), dessen Karate da vorgeführt wurde.
Ein paar Jahre später, 1916, gaben G. Funakoshi (1868–1957) und S. Matayoshi (1888–1947) eine offizielle Vorführung im Kyōtoer Butoku-Den, dem Hauptquartier des DNBK. G. Funakoshi zeigte die Kata Kūshankū (Kankū) und S. Matayoshi demonstrierte den Umgang mit Tunfā (Tonfā; zwei kurze, hölzerne Stöcke). Zu diesem Zeitpunkt fungierte G. Funakoshi als Leiter des Okinawa Shōbukai, d. h. der Name „Shōtōkan“ wurde nicht präsentiert, wohl aber G. Funakoshis Karate.
Auf Empfehlung von J. Kanō hin wurde Ende 1933 die Bezeichnung Karate in die „Jūdō-Abteilung“ (!) des DNBK aufgenommen und eine DNBK-Zweigstelle in der Präfektur Okinawa eingerichtet. D. h. Karate war da nicht wirklich als eigenständige Kampfkunst vom DNBK anerkannt, sondern wurde als so eine Art Jūdō aus der Provinz (v)erachtet. Zu beachten ist dabei auch, daß der DNBK keineswegs Karate in allen Fassetten, d. h. Lehrmeistern, kannte.
Wieder etwas später, 1940, veranstaltete der DNBK in Kyōto eine Jubiläumsvorführung. Teil dieser Vorführung war über zwei Tage hinweg eine Vorführung der „Jūdō-Abteilung“, zu der „Karate“ zählte. Unter den aufgeführten Karate-Richtungen befanden sich:
(1) „Karate-Dō Shōtōkan“
(2) „Wadō-Ryū Karate-Jutsu“
(3) „Shitō-Ryū Karate-Dō“
(4) „Gōjū-Ryū Karate-Dō“
(5) „Kūshankū-Ryū Karate-Dō“
(6) „Keishi Kenpō Karate-Dō“
(7) „Kūshin-Ryū Karate-Dō“
Das ist also der Zeitpunkt, zu dem die Bezeichnung „Shōtōkan“ vom DNBK zur Kenntnis genommen worden ist (mehr dazu in Band I, S. 159 f.).
Alle diese Informationen beruhen auf japanischen Texten, weswegen ich auf die Nennung der Titel verzichte …
Grüße,
Henning Wittwer
Danke nochmals für die wertvollen Zeilen!
Stellen sich mir noch folgende Fragen:
- Gibt es einen Zeitpunkt, ab dem bestimmte Schulen / Richtungen des Karate vom DNBK als eigenständig, also unabhängig vom Judo als "Gendai" (?) akzeptiert wurden?
- Worin liegt der Unterschied, von diesem Verband "zur Kenntnis genommen" oder als vollwertiges Mitglied akzeptiert zu werden?
- Oder war und ist das personengebunden?
Alles ebenso nebulös wie spannend.
Grüße
Hallo nochmal,
der DNBK hatte sich bei seiner Gründung verschiedene Aufgaben gestellt, etwa so wie bei heutigen Vereinssatzungen. Seine Hauptaufgaben sah er darin, alle (japanischen) Kampfkünste zu erforschen, zu erhalten und zu fördern (dazu zählen auch „Randgebiete“, wie Reiten oder Schwimmen) sowie präfekturale Zweigstellen zu eröffnen (letzteres erwähne ich, um zu zeigen, daß der später geschaffene DNBK-Zweig in Okinawa nicht direkt mit Karate zu tun hatte). D. h. es war nur selbstverständlich, daß sich der DNBK im Rahmen seiner selbstgestellten Aufgaben für Karate interessierte, nachdem er es kannte. Das tat er innerhalb seiner Jūdō-Abteilung. Karate war für ihn nichts, das getrennt von der Jūdō-Abteilung betrachtet wurde.
Ein vollwertiges Mitglied ist eine Person oder Gruppe, die sich einem Verband anschließt. Im Fall des Karate gab es so etwas zunächst nicht, da es keine Karate-Organisation gab und einige der bekannteren Lehrmeister, wie z. B. G. Funakoshi, nicht wirklich was mit dem DNBK am Hut hatten. Umgekehrt nahm letzterer an Vorführungen des DNBK teil (die zu den selbstgestellten Aufgaben des DNBK gehörten), weil er von sich aus Karate bekannt machen und verbreiten wollte (daneben gab er noch bei vielen anderen Vereinen und Gruppen Vorführungen).
Der DNBK ernannte nun einen japanischen (nicht okinawanischen) Karate-Lehrer namens Y. Konishi (1893–1983) 1937 zum Kopf einer Kommission zur Vergabe von Lehrtiteln für „Jūdō und Karate“. D. h. er war dann „Mitglied“ des DNBK. Übrigens bemühte sich zuvor auch ein okinawanischer Lehrmeister sehr um eine Zusammenarbeit mit dem DNBK, weil ihm derselbe Posten unter die Nase gehalten worden war. Dummerweise für ihn bekam ihn ein anderer …
Grüße,
Henning Wittwer
Hallo Gibukai, wie immer sind deine Ausführungen sehr lehrreich. Vielen Dank dafür.:)
Frage : Wer dann der okinawische Lehrmeister, der ursprünglich mit dem DNBK zusammenarbeiten wollte?
Da bleibt noch Vieles offen.
Ab wann wurde Karate vom DNBK als eigenständig anerkannt, wenn überhaupt?
Was ist, wenn der "Renshi" (hier: G. Funakoshi) verstirbt?
Ist z. B. die JKA heute Teil des DNKB?
Hallo,
C. Miyagi (1888-1953) war der Okinawaner, der auf einen DNBK-Posten aus war.
Ich schrieb bereits, daß Karate (bis 1945) nicht außerhalb der Jūdō-Abteilung des DNBK geführt wurde.
G. Funakoshi erhielt nicht allein den Lehrtitel "Renshi" sondern auch den Lehrtitel "Tasshi" vom DNBK, allerdings vom neuen, 1942 aufgebauten DNBK. Er selbst nutzte diese Titel nicht, d. h. er nannte sich nicht "Tasshi". Nach dem Tod passiert nichts weiter.
Die JKA wurde nach 1945 gegründet. Zu dieser Zeit gab es den DNBK nicht mehr. Heute gibt es eine Organisation, die sich ebenfalls DNBK nennt (Dai Nippon Butoku Kai (http://www.dnbk.org)), sich in der Tradition des alten DNBK sieht, aber eigentlich nicht mit dem alten DNBK vergleichbar ist. JKA ist darin nicht Mitglied; "Karate" (d. h. einige Karateka) ist darin als Kampfkunst vertreten und anerkannt.
Grüße,
Henning Wittwer
Damit ist wohl das Wichtigste zu dieser Episode des Shotokan gesagt.
Very Domo Arigato!!
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