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Vollständige Version anzeigen : Seit wann gibt es "Do" in den jap. KK?



Vagabund
28-04-2013, 21:12
Hallo zusammen,

ein paar kurze Fragen zu "Do":

Seit wann gibt es das Konzept "Do" in den japanischen Kampfkünsten? Seit wann ist es belegbar?

Welche Kampfkunst war die erste, die Do in ihrem Namen trägt?

Vielen Dank im Voraus! :)

LG,
Vagabund

Teashi
28-04-2013, 21:35
hallo zusammen,

ein paar kurze fragen zu "do":

Seit wann gibt es das konzept "do" in den japanischen kampfkünsten? Seit wann ist es belegbar?

Welche kampfkunst war die erste, die do in ihrem namen trägt?

Vielen dank im voraus! :)

lg,
vagabund
1868

Drunken Tiger
28-04-2013, 22:31
1868

Dieses Jahr markiert zwar den Beginn der Meiji-Zeit, die Benutzung des Schriftzeichens dô (道) in der Benennung einzelner Kampfkünste ist aber schon früher belegt.
Ein Beispiel ist die Jikishin-ryû (直心流) deren damaliges Oberhaupt Inoue Jibudayû Masayori in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts den Namen, der in dieser Tradition gelehrten Kunst, von Yawara zu Judô änderte (er änderte auch die Schreibweise des Schulnamen in 直信流).

Naniwonai
28-04-2013, 22:53
Der Dō-Begriff in Japan ist deutlich älter.
Die frühste zitierfähige Quelle wäre wohl "Kyuuba no Michi", Michi ist hier nur eine andere Lesung des selben Kanji für "Dō".


War in den bisherigen Jahrhunderten der Kaiserhof die einzige Quelle der Macht gewesen, hatte sich die Hofaristokratie bis zum 12. Jahrhundert entgültig als unfähig zur Ausübung von Macht und zur Aufrechterhaltung der Verwaltung erwiesen. Im Hougen-Konflikt von 1156, der im Prinzip von einer Streitigkeit um die Thronfolge ausgelöst wurde, hatten die gegnerischen Fraktionen am Hof unklugerweise die Unterstützung verschiedener Militärführer angeworben und plötzlich wurde offenbar, daß die gesamte Struktur der Adelsherrschaft obsolet war.[...]
An deren Stelle war ein eigener Ethos getreten, den man „Kyuuba no Michi“, den „Weg von Bogen und Pferd“ nannte. Am stärksten verkörperten die Minamoto diesen neuen Ethos, da sie sowohl geographisch als auch ideologisch weiter von der Hauptstadt entfernt waren als die Taira und daher viel weniger anfällig für den angeblich verweichlichenden Einfluß des kaiserlichen Hofes.
TENSHUKAKU - Ushiwaka maru (http://www.tenshukaku.de/ushiwakamaru.htm)

Ansonsten hat schon glaube ich Tsukahara Bokuden im 16.Jahrhundert von "Kendō" gesprochen und die Jikishin Ryū von "Jūdō" bereits im 18.Jahrhundert.

Auch sollte man sich langsam von der Budō/Bujutsu Dichotomie verabschieden, denn die ist eine rein künstliche, vor allem leider von Don f. Draeger erst in die Welt gesetzte.
Den es existieren auch lustige Begriffe wie "Koryū Budō".

Edit: Oh da ist mir einer zuvor gekommen ^^

Vagabund
29-04-2013, 06:39
Also kann man davon ausgehen, dass spätestens im 12. Jh. Dô in den KK Eingang gefunden hat (die Entwicklung dahin wird ja vermutlich schon früher angefangen haben).

Aha, schon im 16. Jh. sprach man von Kendô? Dann ist diese Aussage bei WP wohl falsch?

Der Begriff „Kendō“ wurde am Beginn des 18. Jahrhundert eingeführt. Damit wurde impliziert, dass neben der eigentlichen Technik durch Kendō ein gewisser Lebensweg zu verfolgen ist. (Abe-Ryu)
Quelle: Kend? ? Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Kend%C5%8D#Geschichte)

Interessant, ich dachte immer, dass Jigoro Kano den Begriff Jûdô eingeführt hätte.

LG,
Vagabund

Naniwonai
29-04-2013, 07:11
@Vagabund:
Das was auf Wiki steht muss nicht falsch sein.
Weil man sowieso unterscheiden muss wie eine einzige Person eine Sache nennt und ab wann ein Begriff von "der Allgemeinheit" benutzt wird.

Auch habe ich bei der Sache mit Tsukahara Bokuden geschrieben "ich glaube".
Das heißt ich erinnere mich das irgendwo mal gelesen zu haben, habe jetzt aber zugegebenermaßen keine zitier fähige Quelle gefunden.

Mein Punkt war nur das "Dō" in den Kampfkünsten schon wesentlich älter ist als 1868.

ryoma
29-04-2013, 07:48
Auch Yagyu Munenori hatte in seinen Schriften von "Kendô" gesprochen.

Man sollte auch diese Schwarz/Weiss-Betrachtung fallenlassen. Einige haben im Verlauf der Jahrhunderte AUCH von "Dô" oder "Michi" gesprochen, wenn sie über ihre Kunst referierten. Das heisst natürlich nicht, dass damit irgendeine "offizielle" Namensgebung verbunden ist. Das waren jeweils höchst individuelle Äusserungen, welche nicht mal unbedingt für die jeweilige Schule gedacht waren.

Vagabund
29-04-2013, 16:29
Auf jeden Fall lässt sich wohl sagen, dass das Dô-Konzepz allmählich und über einen recht langen Zeitraum hinweg in die KK Japans Eingang fand. Oder?

(In Korea dagegen war das sehr, sehr plötzlich - während der jap. Besatzung 1910 bis 1945. Vorher gab es da überhaupt nix mit Do, jedenfalls nicht in der KK,)

@Naniwonai: Nachdem ich mir den ganzen Text über Ushiwaka maru durchgelesen habe, wurde mir (wieder) klar, dass Dô nicht gleich Dô ist. Nicht nur, dass Dao in China was anderes ist als Dô in Japan, auch das Dô-Konzept innerhalb der versch. KK unterscheidet sich voneinander.

Aus dem Text heraus würde ich das Dô-Konzept "Kyuuba no Michi" (Kyuuba = Kyûba, richtig?) nicht mit dem eher religiösen/friedlichen Dô, wie es wohl von einigen Aikidoka oder Karatedoka propagiert wird, vergleichen wollen. Hier steht Michi (Kun-Lesung von 道, richtig?) einfach nur für "Methode" - so sieht es jedenfalls für mich aus. Da steht ja sogar, dass die lokalen militärischen Führer (Kriegerclans) "grobschlächtig" waren und die als hoch angesehenen Werte des Hofes nicht teilten. "Die ehemals zentralen Werte der Heian-Zeit waren bedeutungslos für die Krieger."

War der "Weg von Bogen und Pferd" also einfach nur der kriegerische Weg, im Gegensatz zum "Weg des Hofes" (wie immer der genau aussah)?

Da stellt sich natürlich die Frage, wie genau das Dô-Konzept zu welcher Zeit und von wem verstanden wurde. Das dürfte wohl leider zu viel für ein Forum sein... Ich hatte anfangs (wahrscheinlich fälschlicher Weise) gedacht, dass das Dô-Konzept in relativ kurzer Zeit in die jap. KK eingeführt wurde und stilübergreifend einigermaßen gleich war.


@Vagabund:
Das was auf Wiki steht muss nicht falsch sein.
Weil man sowieso unterscheiden muss wie eine einzige Person eine Sache nennt und ab wann ein Begriff von "der Allgemeinheit" benutzt wird.

Auch habe ich bei der Sache mit Tsukahara Bokuden geschrieben "ich glaube".
Das heißt ich erinnere mich das irgendwo mal gelesen zu haben, habe jetzt aber zugegebenermaßen keine zitier fähige Quelle gefunden.

Mein Punkt war nur das "Dō" in den Kampfkünsten schon wesentlich älter ist als 1868.

Wäre toll, wenn da noch eine zitierfähige Quelle auftauchen würde :) Vielleicht weiß ja jemand anderes hier mehr?


Auch Yagyu Munenori hatte in seinen Schriften von "Kendô" gesprochen.

Man sollte auch diese Schwarz/Weiss-Betrachtung fallenlassen. Einige haben im Verlauf der Jahrhunderte AUCH von "Dô" oder "Michi" gesprochen, wenn sie über ihre Kunst referierten. Das heisst natürlich nicht, dass damit irgendeine "offizielle" Namensgebung verbunden ist. Das waren jeweils höchst individuelle Äusserungen, welche nicht mal unbedingt für die jeweilige Schule gedacht waren.

Wann lebte denn Yagyu Munenori? Was genau meinte er mit dem "Weg des Schwertes"? War das ein Konzept nach dem Motto "friedlicher Krieger"? Wahrscheinlich nicht, oder?

LG,
Vagabund

Naniwonai
29-04-2013, 17:25
Da stellt sich natürlich die Frage, wie genau das Dô-Konzept zu welcher Zeit und von wem verstanden wurde. Das dürfte wohl leider zu viel für ein Forum sein... Ich hatte anfangs (wahrscheinlich fälschlicher Weise) gedacht, dass das Dô-Konzept in relativ kurzer Zeit in die jap. KK eingeführt wurde und stilübergreifend einigermaßen gleich war.


Das was du Dô-Konzept nennst(Im Sinne von friedvoller Krieger als höchstes Ziel meist durch Zen) ist im Grunde erst nach dem 2.Weltkrieg aufgekommen damit die Japaner wieder ihre geliebten Kampfkünste trainieren durften ohne von der amerikanischen Besatzung ständig aufn Deckel zu bekommen.

Es musste den Besatzern ja Schmackhaft gemacht werden das dieser ganze Budô Krams ja nur zur inneren Erleuchtung und im Notfall auch Selbstverdeitiegung dient und damit Kulturell wertvoll.

Dô bezeichnet nur einen Weg bzw. eine Methode.
Wie diese Methode bzw. dieser Weg aber aussieht ist Abhängig davon welche Ryuha, in welcher Linie, in welchen Dojo, bei welchem Lehrer hauptsächlich trainiert wird.

Wenn Yagyu Munenori also von Kendô spricht, spricht er vom Schwertkampf im Generellen und der damit verbundenen Entwicklung die ein Schwertkämpfer im Allgemeinen durchmacht(sowohl spirituell, als auch geistig, aber vor allem auch körperlich).

Wie diese Entwicklung aussieht, bzw. auszusehen hat ist jedoch individuell.
Man ist sich nur einig das sie irgendwie passiert.


Tao ist leer
Das Tao te King - von Lao Tse (http://www.baraka.de/taoismus/sp-04.html)

Dô ist also ein abstrakter Begriff der individuell gefüllt werden muss und in seiner Umgangssprachlichen Bedeutung die Entwicklung bei einer bestimmten Tätigkeit(Jutsu/Technik) beschreibt.

Edit:
Yagyu Munenori(1571 - 11.Mai.1646)

Snakesqueezer
29-04-2013, 22:06
Das Tao te King - von Lao Tse (http://www.baraka.de/taoismus/sp-04.html)

Dô ist also ein abstrakter Begriff der individuell gefüllt werden muss und in seiner Umgangssprachlichen Bedeutung die Entwicklung bei einer bestimmten Tätigkeit(Jutsu/Technik) beschreibt.


Nicht zu unterschätzen ist der Einfluss traditioneller chinesischer Gedankenkonstrukte auch schon im relativ frühen Japan, nicht zuletzt da das DO bzw. MICHI, chinesisch gelesen DAO (= TAO), die Lehre des Daoismus beschreibt, in dem Zusammenhang meist als unübersetzbar behandelt, es beschreibt Leere aber auch das Prinzip des Prinzipes von Yin und Yang. Chinesische Klassiker wie das "Tao Te King" (Dao de Ching), "I Ging" (Buch der Wandlungen / Orakelbuch) oder "Die Kunst des Krieges" (Anleitung zur Militärstrategie) von Sunzi gehörten sicher zu einer gewissen Pflichtlektüre gebildeter Japaner, was sich auch in vielen alten Holzschnitten zeigt, die z.B. chinesische Mythen und Legenden darstellen.

Leere (Wuji), das "große Ultimative" (Taiji) und Polarität (Yin Yang) sind damit daoistische Gedankenkonstrukte, die bestimmt auch in einem Do - hier und da, aber sicher nicht immer - eine Rolle spielen. Anschaulich find ich, dass das Kanji Do sich aus "Kopf" und "gehen" zusammensetzt, wohl ein gewisser Hinweis, dass man sich beim "vorankommen" ruhig mal den Kopf zerbrechen soll über sein Tun. :D

Vagabund
30-04-2013, 13:48
Gibt es vielleicht ein Buch darüber, wie sich Dô als Konzept verändert hat? Sozusagen "die Geschichte des Dô in den jap. KK"? Vielleicht auf Englisch?

Eskrima-Düsseldorf
30-04-2013, 13:58
Mal ein Beispiel aus einer anderen Kampftradition, dass hier vielleicht auch ganz gut passt.

In den FMA außerhalb der Philippinen wird sich über Namensgebungen von Techniken, Schulen, Konzepten "gestritten" als wenn es nichts wichtigeres gebe.

Maile ich mit GM Abner Pasa, spricht er immer nur von "The art". Natürlich ist mir, und jedem anderen der ihn kennt, klar welche Kunst er da gemeint hat. Für Außenstehende mag das verwirren.

Noch schlimmer muss es ja sein, wenn - wie in Eurem Fall diese Zitate ein paar hundert Jahre alt sind.

Grüße
Christian

Shugyo
30-04-2013, 14:06
Do kann auch schlicht und einfach "Methode", "Technik" heißen.

Woanders habe ich gelesen, dass die Begriffe Jutsu und Do früher vollkommen synonym verwendet wurden. Wahrscheinlich wieder westliche Budo-Romantik.

ryoma
30-04-2013, 14:28
Nicht unbedingt Budo-Romantik (zumindest nicht am Anfang) aber hauptsächlich Unverständnis auf geschichtlicher und sprachlicher Ebene.

Der allseits bekannte Donn F. Draeger, der gerade die jap. Koryû hier im Westen überhaupt erst bekannt machte, verfiel dem Irrtum, das "Jutsu" was komplett anderes sein muss wie "Do".

Er hat dies dann auf folgende Formel runtergebrochen: "Jutsu" ist noch das Wahre und Echte und nur damit kann man überhaupt kämpfen. "Do" ist die (totale) Degeneration der wahren und echten "Jutsu"-Künste in der Edo-Periode.

Draeger hatte ohne Frage grossen Verdienst darin, die klassischen jap. KK im Westen überhaupt bekannt zu machen. Aber als Amerikaner (und Marine des 2. WK) war er wohl noch sehr gefangen in seinem Gut-Böse- und Schwarz-Weiss-Denken. Die feinen Zwischentöne waren nicht so seine Sache. Diesen Eindruck bekommt man auch bei der Lektüre seiner an sich guten Bücher.

Kurzer
30-04-2013, 17:19
Folgt man der seriösen Dissertation von H. Bittmann, so

- taucht der Begriff "Budo" erstmals in der Kamakurazeit auf (1185 - 1333)

- und bezeichnet bis zum Ende der Tokugawazeit (1603 - 1868) eher den "ideellen Weg des Kriegers"

- und bezeichnet in der Meijizeit (1868 - 1912) "allgemein die Wege der Kampfkünste".

Also: Man kann mit der immer wieder polemisch vorgebrachten "Budo-Romantik" mittlerweile auch das Kind mit dem Bade auschütten ... Die Amis landeten 1945 in Nippon.

Shugyo
30-04-2013, 17:52
Also: Man kann mit der immer wieder polemisch vorgebrachten "Budo-Romantik" mittlerweile auch das Kind mit dem Bade auschütten ... Die Amis landeten 1945 in Nippon.

Das Alter des Begriffes hat damit wohl wenig zu tun, sondern die Bedeutung.
"Jutsu" und "Do" wurden in alten Texten gleichbedeutend verwendet. Da muss man nichts "friedvolles" oder zutiefst philosophisches hineingeheimnissen. Dieses Schubladendenken ist typisch westlich. Es kommt ja aus Asien, es muss ja eine tiefe Bedeutung haben.

Genau so etwas hilft den westlichen Esoterikern, sich als große "Krieger" zu fühlen, obwohl sie Angst vor jeder Auseinandersetzung haben.

Für mich ist das Budo-Romantik.

Es darf nicht einfach "Methode" heißen, nein, es muss natürlich der gesamte Daoismus miteinfließen, damit das ganze mehr Wert und Sinn bekommt, was man da tut. Ob es historisch irgendeinen Zusammenhang gibt, interessiert anscheinend keinen.

Kurzer
30-04-2013, 18:25
Zuerst: Der Themensteller wollte im Anfang etwas zur historischen Belegbarkeit des "Do"-Begriffes wissen. Das scheint mir geklärt.

Sodann: Ich glaube, daß eher derjenige Westler etwas "hineingeheimnist", der "den gesamten Daosimus miteinfließen" lassen möchte.

Zum Anderen: Man sollte die "Asiaten" auch nicht so dumm hinstellen, daß sie sich keine eigenen Gedanken zu einer "Zivilisierung der Sitten" gemacht hätten.

Japanische Kendokas und Judokas werden sich schon was dabei gedacht haben, vor westlicher Invasion das "Do" zu gebrauchen.

Grüße

Shugyo
30-04-2013, 18:54
Sodann: Ich glaube, daß eher derjenige Westler etwas "hineingeheimnist", der "den gesamten Daosimus miteinfließen" lassen möchte.


Ja, genau das sage ich doch. (Fehlte das Sarkasmus-Schild, sorry.)



Zum Anderen: Man sollte die "Asiaten" auch nicht so dumm hinstellen, daß sie sich keine eigenen Gedanken zu einer "Zivilisierung der Sitten" gemacht hätten.


Bitte lies richtig. Ich bin der letzte, der die Asiaten als "dumm" hinstellt und lass mir das auch nicht gern unterstellen. Ich denke, dass das westliche, analytische Denken, das jeden Begriff genau festmachen, unterscheiden und einordnen möchte, nicht das richtige Werkzeug ist, um japanische (oder chinesische) Schriftzeichen in ihrer Bedeutung zu ergründen.

Und gerade das lässt viel Spielraum für eigene Phantasien (also Budo-Romantik).

Ein anderes Beispiel:
Mein chinesischer Lehrer hat nur verständnislos geguckt, als er von einer Unterscheidung zwischen Kampfkunst/Kampfsport gehört hat. Für uns genau definierte Begriffe. Für ihn war es ein und dasselbe.

Kurzer
30-04-2013, 19:15
Na ja. Man darf auch nicht jedes "Schriftzeichen" als "kaum westlich ergründbar" deuten und der Geheimnistuerei damit selbst Vorschub leisten. Und m. M. n. ist gerade das "asiatische Denken" mitunter sehr analytisch.

Wir kommen ab. Schönen 1. Mai!!

Vagabund
30-04-2013, 20:43
Der Kasus Knackus ist wohl, dass Dô in Japan offenbar eine ganz andere Bedeutung hat als Dao in China.

Es gibt aber doch Daoismus auch in Japan... Dafür wird doch bestimmt das gleiche Kanji benutzt wie in China, oder? Wie kommt es dann, dass im Zusammenhang mit KK (vielleicht noch in anderen?) Dô mehr oder weniger synonym zu Jutsu verwendet wurde?

Jutsu ist doch wirklich kein philosophisch-religiöser Begriff, Dô aber - wenigstens seinem Ursprung nach - durchaus.

Naniwonai
30-04-2013, 20:54
Es gibt aber doch Daoismus auch in Japan... Dafür wird doch bestimmt das gleiche Kanji benutzt wie in China, oder? Wie kommt es dann, dass im Zusammenhang mit KK (vielleicht noch in anderen?) Dô mehr oder weniger synonym zu Jutsu verwendet wurde?

Weil der Dô das Jutsu voraussetzt, ohne Jutsu kein Dô .
Und sobald du ein Jutsu übst gehst du einen Dô.
Dô und Jutsu gehören zusammen, deswegen können sie Synonym verwendet werden auch wenn sie je was anderes Bedeuten.

http://www.youtube.com/watch?v=_-tJmeMNGfI
Ab 4:45 wird darauf noch eingegangen.

ryoma
30-04-2013, 21:35
...Es gibt aber doch Daoismus auch in Japan...

Tja, gibt es Taoismus in Japan?
Schwierige Frage. Insbesondere der japan-typische Synkretismus macht die Beantwortung schwierig, da "Taoistisches" nur im Zusammenspiel mit Buddhismus und Konfuzianismus existiert.
Bereits zur Zeit der Übernahme von Denkgebäuden vom Festland (6.-9. Jhd.) war eine klare Trennung von Buddhismus, Konfuzianismus und Taoismus nur schwer möglich. Und in der Edo-Zeit fand dann mit dem Neo-Konfuzianismus sowieso eine Art Verschmelzung der drei Lehren statt.
Heutzutage wird weder Konfuzianismus noch Taoismus vom jap. Staat als "Religion" anerkannt (im Gegensatz zu Shinto, Buddhismus, Christentum, Judentum und Islam).

angHell
30-04-2013, 21:46
Seid ihr die Budo-immigranten aus dem KKF? :D

Wie auch immer, weitermachen! :cool:

Sehr interessant, und sehr kompakte Darstellungen! :halbyeaha

Bei dem Jutsu als Grundlage des Do habe ich mich zwar gefragt ob das nicht Quatsch ist (fern jeglicher historischer Überlegungne), hab dann aber noch den videoausschnitt gesehen und naja, wenn man den Weg des Kriegers/KK meint ok, macht das auch wieder Sinn, allgemeineres Do macht imo natürlich keinen Sinn..

Naniwonai
30-04-2013, 22:02
Bei dem Jutsu als Grundlage des Do habe ich mich zwar gefragt ob das nicht Quatsch ist

Kannst du das näher erläutern ?
Es kann gut sein das ich ja einfach betriebsblind geworden bin und mir eine ausführliche Erläuterung von dir weiterhilft.

Um nochmal Schwertkampf als Beispiel zu Nehmen.
Wenn ich Kendô, also den "Weg des Schwertes" dafür benutze um den Entwicklungsprozess eines Schwertkämpfers zu beschreiben(ist dieser nun körperlich, geistig, spirituel oder vllt sogar philosophisch), dann ist es für mich selbstverständlich das diese Person auch Techniken(Jutsu) des Schwertkampfes beherrscht, übt und lernt also ein Kenjutsu betreibt.

Wenn ich nicht mit Schwert übe, kann ich nicht den Weg des Schwerts gehen.
=> Ohne Jutsu kein Dô


allgemeineres Do macht imo natürlich keinen Sinn.
Warum ?
Ist den der Dô irgendwo Allgemeingültig definiert ?
Bis jetzt habe ich nur verschiedene Aussagen verschiedener Lehrer zum Dô gefunden.
Diese Überschneiden sich oftmals, aber Unterscheiden sich in den genaueren Auslegung.

Deswegen plädiere ich dafür Dô grundsätzlich als einen individuellen Prozess zu sehen.
Aber es ist nichts was man irgendwo festschreiben kann.

angHell
30-04-2013, 22:38
Genau, eig. sagst Du es ja selbst - den Weg des Schwertes (Kriegers o.ä.) kann amn nur gehen wenn man auch Jutsu hat, keine frage (wobei wir ja auch so ein paar Spezialisten hier haben die hauptsächlich Denk(kampf)sport betreiben aber das ist ein anderes Thema... :D

Und dann gibt es den meinetwegen individuellen Weg, das Dao o.ä. und dazu braucht es kein Jutsu, klar, was ich sagen will, oder?

ps: das war auch eine sehr abstrakte Überlegung aufgrund der Begriffe. Ich habe eig. nur sehr oberflächliches Wissen von dem ganzen Kram, nicht keins, aber sehr oberflächlich halt...

Kurzer
01-05-2013, 01:54
Ist doch ganz einfach:

Ein "Held", der keinerlei Technik beherrscht, aber das "Do" herausstellt, ist ein "Kushi Bushi", ein "Maul-Held".

Ein hervorragender Techniker, der die Etiketten der "Künste" willentlich verletzt, wird aus dem "Do-Jo" ausgeschieden.

bakudan
01-05-2013, 03:19
Im Shuowen Jiezi説文解字 (jp. Setsumon Kaiji) wird 道 als der Weg den man begeht, beschrieben. Gemeint ist hier sowohl der Verkehrsweg, als auch der Weg den man im Leben geht. Im Kangxi Zidian康熙字典 (Kōki Jiten) finden sich neben dieser primären Bedeutung noch über ein Dutzend weitere, die dieses Zeichen haben kann. Wie ein Zeichen zu verstehen ist ergibt sich idealerweise aus dem Kontext. Im Zweifel kann man auf eine Vielzahl von Kommentaren und Lesehilfen zurückgreifen, in denen einzelne Texte im Detail erklärt werden.
Im folgenden die wichtigsten Bedeutungen des Zeichens 道 mit Beispielen aus einem Werk der klassischen Literatur (sofern vorhanden) um zu zeigen, dass ein Zeichen auch innerhalb des selben Textes verschiedene Funktionen erfüllen kann. Die chinesische Lesung ist immer DAO (im 3. oder im 4. Ton), die japanische ändert sich mit der Verwendung.
1. Verkehrsweg (jp. Michi) Sunzi 11難行之道 (Yuki- gataki no Michi) schwerpassierbare Strasse
2. Wegstrecke (jp. Michi) z.B. Sunzi 7倍道兼行 (Michi bai- shite, kenkō- su) Die doppelte Strecke, am Stück zurücklegen.
3. Verhaltensweise einer Person oder Gruppe, Doktrin (jp. Michi, Dō) z.B. Sunzi 10上將之道也 (Jōshō no Michi nari) So verhält sich ein grosser General.
4. Der rechte Weg, Moral, Ethik, der Weg den ein Mensch begehen sollte (jp. Michi, Dō) z.B. Sunzi 4修道而保法 (Michi o osamete, Hō o tamotsu) Moral (und/oder Tugendhaftigkeit) kultivieren und die Gesetze wahren.
5. Methode (jp. Michi, Dō) z.B. Sunzi 1兵者詭道也 (Hei wa Kidō nari) Militärische Operationen beruhten auf Täuschung.
6. führen, leiten (jp. michibiku)
7. regieren, ordnen (jp. michibiku, osamu)
8. sprechen, sagen (jp. iu)
Darüberhinaus gibt es ein Amt, ein Land, eine Region, eine Pflanze u.a., sowie einige selteneVerbkonstruktionen die alle 道 geschrieben werden.
Um zum eigentlichen Thema zurückzukommen. Ich glaube, dass 劍道 lange Zeit lediglich die Art und Weise wie man ein Schwert handhabt, bezeichnete. Dass gegenwärtig, auch in Japan, auch andere Inhalte zulässig sind, schliesse ich nicht aus.

Dragodan
01-05-2013, 07:44
Hallo Bakudan,

was bedeutet "lange Zeit" bei dir?

Und: Schöne Schule, die du da betreibst ;) Warst du am Wochenende am Katori Jinja?

Hug n' Roll
01-05-2013, 11:13
Wie ein Zeichen zu verstehen ist ergibt sich idealerweise aus dem Kontext.

Für mich der Kernsatz, was die Wortklauberei abseits der ebenfalls andiskutierten Meta-Ebene angeht.:halbyeaha

Shugyo
01-05-2013, 11:20
Für mich der Kernsatz, was die Wortklauberei abseits der ebenfalls andiskutierten Meta-Ebene angeht.:halbyeaha

Wenn der Kontext nicht ganz klar ist, kann man in "Do" eine Art Religion sehen.
Was anscheinend viele tun.

Vagabund
01-05-2013, 11:46
Mir war bisher einfach nicht klar, dass Dô so viele verschiedene Bedeutungen haben kann, obwohl immer das gleiche Kanji dahinter steckt. Danke dafür, auch @bakudan für die schöne Auflistung.

Über Wiktionary bin ich darauf gestoßen, dass auch das Kanji für Jutsu "Michi" gelesen werden kann:
https://en.wiktionary.org/wiki/%E8%A1%93

Somit sind 術 und 道 je nach Kontext tatsächlich absolut synonym. Man muss also nicht einmal eine indirekte Verbindung von Jutsu zu Dô herstellen, beide Begriffe können schlichtweg einfach das gleiche bedeuten.

Weil Dô aber auch eine geistige Dimension haben kann (auch im Deutschen kann "Weg" ja im übertragenen Sinne einen geistigen "Pfad" bedeuten), war es

1. für die Japaner einfach bzw. naheliegend, in der Meiji-Zeit bzw. nach 1945 eine Um-Interpretation vorzunehmen.
2. für Westler wie Draeger missverständlich und schwer zu durchschauen, welches Konzept wann in welcher Kampfkunst hinter Dô stand bzw. nicht stand.

Auch sehr interessant, dass der Daoismus in Japan offenbar keine große Bedeutung hat und nicht als eigenständige, differenzierte Religion galt. Es gibt budd. und shintoistische Tempel in Japan, aber keine Daoistischen. War mir bisher auch nicht klar. Vielleicht haben die Chinesen auf eine Verwendung von Dao in den chin. KK verzichtet, weil der Begriff in China eben ganz anders verwendet wird als in Japan. Wobei... laut Wiktionary kann es auch in China die Bedeutungen

path, road, street
method, way
say

haben...

Meine ursprüngliche Frage, seit wann das Dô-Konzept in den jap. KK auftaucht, muss man also verändern. Die Frage ist, seit wann Dô in den jap. KK nicht mehr syonym zu Jutsu gebraucht wurde. Aber darauf wurde ja netter Weise auch bereits eingegangen :)

LG,
Vagabund

Kurzer
01-05-2013, 16:05
Wenn der Kontext nicht ganz klar ist, kann man in "Do" eine Art Religion sehen.
Was anscheinend viele tun.

Wie sagte mal ein recht bekannter japanischer Karateka lapidar: "There is no philosophy at all. You just have to killl someone."

Ich vermute mal, daß auch heute noch viele Japaner sprachlich ganz bewußt mit der teilweisen Bedeutungsgleichheit von "jutsu" und "do" quasi "spielen".

bakudan
01-05-2013, 21:09
@Dragodan
Bis ins späte 19. oder frühe 20. Jahrhundert.
Und, ja, sehr schöne Schule. Aber in Fukuoka. Insofern, Kushida Jinja, nicht Katori Jinja.

@Vagabund
Es gibt kaum ein Kanji das eine einzelne Bedeutung hat. Ebenso gibt es kaum ein Wort das eine einzelne Kanjientsprechung hat. Wichtig ist auch, dass alle der angegebenen Bedeutungen schon seit weit über zweitausend Jahren existieren. In längeren Texten wie Shiji史記 (Shiki), Zhuangzi荘子 (Sōshi) oder Mengzi/Menzius孟子 (Mōshi) u. a. dürften locker alle acht Bedeutungen Verwendung finden. Im Lunyu/Analekten論語 (Rongo) sind auch mindestens fünf verschiedene enthalten. Dass in zweitausend Jahren einiges an Bedeutungsschwere dazukommt, ist klar. Aber selbst 道 als das DAO lässt sich ganz bequem mit Moral, Ethik, Tugendhaftigkeit oder der rechte Weg übersetzen. Kompliziert wird es erst, wenn die Taoisten über den Weg, die Konfuzianer über Moral, die Legalisten über Ethik oder die 名家isten über Pferde referieren.
Je nach Kontext können Jutsu und Dō synoym verwendet werden oder zwei vollständig verschieden Sachen meinen.
Entschuldigung für Holprigkeit. Bin unter Zeitdruck.

Vagabund
02-05-2013, 19:32
Durch Eure Antworten ist mir jetzt echt ein Licht aufgegangen - Danke! :)

douwa
04-05-2013, 13:56
Leider stürzte mir beim Schreiben vor zwei oder drei Tagen der PC ab, weil ich zuviele Dinge gleichzeitig gemacht habe. Ich habe dadurch aber schon eine grobe Marschrichtung in Kopf, mögliche Wiederholungen mir also bitte nachsehen.


Seit wann gibt es das Konzept "Do" in den japanischen Kampfkünsten? Seit wann ist es belegbar?Naniwonai nannte ja schon als Frühform den kyuuba no michi, den Weg von Bogen und Pferd, m.W.n. so ab der Kamakurazeit gebräuchlich. Ich möchte sogar noch einen Schritt weiter gehen zum tsuwamono no michi, dem so ich richtig übersetzt habe Weg der Starken (bzw. starken Personen, also Kriegern) - stark, da bewaffnet und beritten - der im masakadoki, der Chronik/den Aufzeichnungen des Masakado auftaucht, besser bekannt als shômonki (http://archive.wul.waseda.ac.jp/kosho/ri05/ri05_01501/ri05_01501_p0001.jpg). Dieses sich um Taira no Masakado drehende Werk stammt bereits aus dem 10. Jhdt. und ist das wohl älteste gunkimonogatari ("Kriegschronik-Erzählung"). Viel früher als zu Zeiten dieses Taira (Heianzeit) würde ich persönlich sowieso nicht ansetzen, da sich das "reguläre" Kriegshandwerk ja auch erst einmal ausformen musste (siehe auch Dr. Karl Fridays "Hired Swords").


Auf jeden Fall lässt sich wohl sagen, dass das Dô-Konzepz allmählich und über einen recht langen Zeitraum hinweg in die KK Japans Eingang fand. Oder? Ja, dem würde ich mich schon allein aufgrund meiner eigenen Ausführungen anschließen.


Welche Kampfkunst war die erste, die Do in ihrem Namen trägt?Da muss ich völlig passen, fand aber Drunken Tigers Hinweis interessant. Vielleicht kann hier ja jemand ins bugei ryuuha daijiten schauen? Direkt in Schulnamen ist mir selbst dou bisher nur bei neueren Stilen begegnet.


Der Dō-Begriff in Japan ist deutlich älter.
Die frühste zitierfähige Quelle wäre wohl "Kyuuba no Michi", Michi ist hier nur eine andere Lesung des selben Kanji für "Dō".Kyuba no michi als (Frühform) des dou finde ich völlig okay, das mit der zitierfähigen Quelle haut aber einfach nicht ansatzweise hin. Ich kann die Existenz oder Eigenart einer Sache nicht damit belegen, dass ich genau diese Sache als Beleg (bzw. zitierfähige Quelle) für sich selbst heranziehe (Zirkelschluss). Das wäre so, als wenn ich mit der Aussage im zweiten Teil folgenden Satzes die Aussage in seinem ersten Teil glaubhaft "beweisen" wollen würde:
Ich sage die Wahrheit, weil ich nicht lüge.


Auch sollte man sich langsam von der Budō/Bujutsu Dichotomie verabschieden, denn die ist eine rein künstliche, vor allem leider von Don f. Draeger erst in die Welt gesetzte.Ich würde ja vermuten, dass er einfach nur die falschen Ideen aufgegriffen hat, ohne dass es unbedingt seine eigenen gewesen sein müssen. Die Betonung irgendwelcher Wege, die zu Höherem führen gab es meines Erachtens unabhängig von ihm. Es ist aber gewiss so, dass er in den Siebzigern des letzten jahrhunderts als angesehener Kampfkünstler und Buchautor ein nicht unerheblicher Multiplikator bei der Verbreitung solcher separatistischer Gedanken gewesen sein wird.




Das Tao te King - von Lao Tse

Dô ist also ein abstrakter Begriff der individuell gefüllt werden muss und in seiner Umgangssprachlichen Bedeutung die Entwicklung bei einer bestimmten Tätigkeit(Jutsu/Technik) beschreibt.[...] Leere (Wuji), das "große Ultimative" (Taiji) und Polarität (Yin Yang) sind damit daoistische Gedankenkonstrukte, die bestimmt auch in einem Do - hier und da, aber sicher nicht immer - eine Rolle spielen.Ich denke ebenfalls, dass man tao und dou nicht einfach eins zu eins setzen kann. Auch mit dem umgangssprachlichen Gebrauch ist es so eine Sache, denn man könnte genausogut behaupten (schon weil einfach am bekanntesten), dass umgangssprachlich ein dou (wie in bushidou) einen Kodex beschreibt.


Gibt es vielleicht ein Buch darüber, wie sich Dô als Konzept verändert hat? Sozusagen "die Geschichte des Dô in den jap. KK"? Vielleicht auf Englisch?Mir ist keines bekannt, kenne nur viele Schnipsel aus verschiedenen Büchern.


"Jutsu" und "Do" wurden in alten Texten gleichbedeutend verwendet. Da muss man nichts "friedvolles" oder zutiefst philosophisches hineingeheimnissen. Dieses Schubladendenken ist typisch westlich. Es kommt ja aus Asien, es muss ja eine tiefe Bedeutung haben.

Genau so etwas hilft den westlichen Esoterikern, sich als große "Krieger" zu fühlen, obwohl sie Angst vor jeder Auseinandersetzung haben.

Für mich ist das Budo-Romantik.

Es darf nicht einfach "Methode" heißen, nein, es muss natürlich der gesamte Daoismus miteinfließen, damit das ganze mehr Wert und Sinn bekommt, was man da tut. Ob es historisch irgendeinen Zusammenhang gibt, interessiert anscheinend keinen.Meiner Ansicht nach gibt es das Problem, dass dou einerseits synonym mit jutsu verwendet wurde und wird, andererseits aber auch durchaus im Zusammenhang mit komplizierteren Konstrukten wie z.B. verschiedenen Morallehren auftaucht, als auch gelegentlich in Gegensatz zu jutsu gesetzt wurde, was die ganze Sache nicht unbedingt einfacher macht. Es ist folglich genauso richtig oder falsch, dem dou eine sehr tiefe Bedeutung beizumessen, wie es richtig oder falsch ist, ihm diese abzusprechen, es hängt einfach vom Untersuchungsgegenstand ab.

Budoromantik (teilweise allerdings auch eine japanische Sache, vgl. WW2) ist für mich v.a. das Erhöhen des dou, ohne sich ernsthaft mit dem Thema auseinandergesetzt zu haben, neben dem angeblich strengen Samuraikodex noch mit allem angereichert, was man selbst für besonders japanisch hält. Ein Japanologe könnte aber spätestens nach einer gewissen Vorbereitungszeit sicherlich mühelos auch ganz seriös mehrere Stunden über den dou und seine Bedeutung referieren, ohne das Thema dadurch abschließend behandelt zu haben.


Ich denke, dass das westliche, analytische Denken, das jeden Begriff genau festmachen, unterscheiden und einordnen möchte, nicht das richtige Werkzeug ist, um japanische (oder chinesische) Schriftzeichen in ihrer Bedeutung zu ergründen. Was meinst Du, wieviele japanische Gelehrte und "Wegweiser"(:D) sich bereits (auch schon vor Jahrhunderten) Gedanken gemacht haben, die in eine sehr ähnliche Richtung gehen? Es scheint mir aber aus dem Bauchgefühl heraus richtig zu sein, dass die rein gedanklich ablaufende Analyse das Erleben und Durchlaufen eines Wegprozesses nicht wirklich ersetzen können wird.


Über Wiktionary bin ich darauf gestoßen, dass auch das Kanji für Jutsu "Michi" gelesen werden kann:
https://en.wiktionary.org/wiki/%E8%A1%93

Somit sind 術 und 道 je nach Kontext tatsächlich absolut synonym.Leider ist die Schlussfolgerung nicht richtig. Kanji beinhalten zumeist mehrere Bedeutungen und Aussprachemöglichkeiten, dieselbe Aussprache verschiedener kanji bedeutet wiederum nicht auch Bedeutungsgleichheit (weshalb auch Japaner im Zweifelsfalle das kanji nicht einfach nur hören sondern selbst lesen müssen).
dou 堂 z.B. für Schrein oder Tempel, dou 胴 z.B. für Körper oder Torso. Okay könnte man jetzt alles im weitesten Sinne als "Körper" bezeichnen, nur wo bleibt dann da unser dou 道 ohne allzu großen Sprung oder das Kupfer dou 銅?


Je nach Kontext können Jutsu und Dō synoym verwendet werden oder zwei vollständig verschieden Sachen meinen.Ja, so kann man das Thema natürlich auch knapp gefasst auf den Punkt bringen.:)

bakudan
04-05-2013, 17:33
@Douwa
Warum vergleichst du Kanji anhand der on- Lesung, wenn es dir um die Bedeutung geht.
途, 路 und 道 können alle als Michi ausgesprochen werden und im entsprechenden Kontext immer Strasse bedeuten.
理 und 道 ebensfalls Michi, im Sinne von rechter Weg.
徑, 術 und 道 wieder Michi, Methode.
導 und 道 michibiku, führen.
治 und 道 osamu, regieren.
謂, 云, 曰, 言 und 道 iu, sprechen.
Jeweils so wie die Situation es erfordert.
Wenn das Kanji道 im Sinne von Tao, Ethik, Moral, Tugend oder sonstwas verwendet wird, dann merkt man das meistens daran, dass es auch dahingehend erklärt wird. Ansonsten gilt erstmal hauptsächlich Strasse. 水道 ist nicht das Tao des Wassers (hast du nicht behauptet, ich weiss. Nur so am Rande), sondern eine Wasserleitung.
Wenn 道 auf einen Gegenstand oder eine Technik folgt, ist die Handhabung oder Nutzung desselben gemeint.

Vagabund
04-05-2013, 18:26
Vielleicht interessiert es ja jemanden: Im Koreanischen wird ein Kanji (dort Hanja genannt) immer gleich ausgesprochen. Es gibt zwar rein-koreanische und sinokoreanische Begriffe (wohl vergleichbar mit On- und Kun-Lesung), aber wenn Koreaner ein Hanja sehen, sprechen sie es immer gleich aus (nämlich sinokoreanisch). Wenn sie ein rein-koreanisches Wort schreiben wollen, geht das nur mit Hangeul (deren Buchstabenschrift). Vor der Erfindung von Hangeul gab es dafür Umwege mit Hanja, aber das war furchtbar kompliziert ;)

Dass das in Japan grundlegend anders ist - ist mir jetzt klar geworden :)

Dass es in Japan (genau wie in Korea) sehr viele Homophone gibt, deren Bedeutung manchmal nur durch Niederschreiben der Kanji geklärt werden kann, ist mir auch bewusst, aber dennoch Danke für den Hinweis.

douwa
04-05-2013, 20:34
@Douwa
Warum vergleichst du Kanji anhand der on- Lesung, wenn es dir um die Bedeutung geht. Das ist sicherlich nur eine Möglichkeit, passte aber auch gut mit dem 堂 zusammen, für dass es nur eine On-Lesung (DÔ) zu geben scheint, zumindest gab mein Buch nur diese eine Lesung her. Auch hatten alle angegebenen Komposita Bedeutungen in Richtung einer Halle, keines jedoch eine in Richtung (geistiger) Weg, Straße. Auch beim 胴 für Leib fand ich nur eine On-Lesung und ähnliche Bedeutungen in den Komposita, gleiches beim 銅 (Komposita alle in Richtung Kupfer oder Bronze).

Es ging mir nur darum, Vagabund ein ganz konkretes und zum dou gut passendes Beispiel zu liefern für die Aussage, dass dieselbe Aussprache zweier Kanji nicht zwingend mit einer Bedeutungsgleichheit zu tun haben muss. Bezüglich einer gewissen Synonymität der Kanji für jutsu und dou waren wir uns ja einig und da musste nicht einmal die Aussprache identisch sein.

Vagabund
05-05-2013, 08:33
Gibt es vielleicht ein Buch darüber, wie sich Dô als Konzept verändert hat? Sozusagen "die Geschichte des Dô in den jap. KK"?



Mir ist keines bekannt, kenne nur viele Schnipsel aus verschiedenen Büchern.


Wenn es wirklich keines gibt, wäre es dann vielleicht ein Projekt, an dem Ihr mitarbeiten würdet? Mir kam gerade die Idee, dass man Euer Wissen in Form eines Buches oder zumindest eines Aufsatzes zusammentragen könnte.

Dann frei ins Netz stellen und/oder einen Verlag suchen... :)

Ich bin bestimmt nicht der Einzige, den das interessieren würde.

Man könnte damit wirklich einiges an Aufklärungsarbeit leisten, denke ich. Auch hier im Thread war ja andeutungsweise zu erkennen, dass es immer noch viel Halbwissen gibt und sich sozusagen Do-isten mit Jutsu-isten gegenüber stehen - und über eine Dichotomie streiten, die es so nie gegeben hat.

Man könnte z.B. ein Wiki dazu benutzen. Erst Aufgaben verteilen, dann Struktur erstellen, dann die einzelnen Kapitel füllen. Toll fände ich auch einen Überblick Japan-China-Korea.

LG,
Vagabund