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Vollständige Version anzeigen : Chen Umgang mit Kraft



FanzerPaust
15-05-2013, 17:11
Tabek,

interessant oder ?
OC5kq0i1zcA

grüße

Klaus
15-05-2013, 17:45
Das ist ja nun nichts Neues, dass man als valide IMA-Strategie auch eine Kraft als Amboss nutzen kann. Gibt's als Übung sogar explizit im Yang-Stil von den Chu's, "dynamic push hands". Einer drückt, der Partner schiesst im Winkel durch die Kraft. Hat nichts mit "Shaolin" zu tun, sondern ist eine von mehreren Möglichkeiten, und eine die simpel ist. Bringt dem der einen grossen Kraftvorteil hat UND der fähig zu Fajin ist die Möglichkeit, eine Auseinandersetzung sofort zu beenden, und besitzt ein Schockelement. Ist halt eine "nicht nette" Form einen Angriff abzuwehren.

Das wird bei vielen Real-World-Situationen dringend benötigt, weil man eben nicht immer in der Position ist, grossartig Kräfte "aufzunehmen". Wenn man mitten in einer Bewegung ist, oder die Kraft z.B. von hinten kommt, dann muss der Körper das entweder mit einem Fajin bzw. Stabilisierungsjin (die Muskeln regeln gegen jeden Einfluss nach um einkommende Kraft exakt auf 0 zu bringen) verzögerungsfrei beantworten, oder er muss sich um die Kraft herumfalten, was ebenfalls nicht einfach ist. Das habe ich beim Sport alle Nase lang gemacht, weil man in Handball oder Basketball oder Fussball schlecht im Sprint den Ball fallen lassen kann, um sich erstmal mit "Neutralisieren" abzugeben. Wenn da einer von der Seite reinrammt, dann muss man das "stehen" und reflektieren, oder man fällt. Neutralisieren geht, aber nur wenn man vorher kurz Kontakt mit dem Arm bekommt, Körper gegen Körper geht es nicht.

Dieses Anpinkeln kommt aus der "Eso-Emo"-Ecke von Leuten die sich zu kurz gekommen empfinden bei der Verteilung von Lorbeeren, nach dem Motto "wir können zwar nix, aber wir machen wenigstens das wahre Taiji mit ganz ohne Kraft".

FanzerPaust
15-05-2013, 18:27
Tabek Klaus,

die Frage ist doch nicht ob das für Einzelpersonen praktikabel ist, sonder ob das Gezeigte Taiji konform ist?

Und was deinen letzten Absatz angeht, du scheinst George Liew persönlich zu kennen, oder wie darf man deine Aussage interpretieren?

grüße

Klaus
15-05-2013, 18:51
Warum sollte es nicht taiji-konform sein, wenn die Leute die Taiji erfunden haben das seit 150 Jahren machen, als EINE von mehreren Möglichkeiten ? Wobei streng genommen ein paar nicht sichtbare Komponenten drin enthalten sind, dass es so einfach wie Kraft 100% gegen Kraft nicht immer ist.

Wer andere Leute so anpinkelt um sich selbst in Szene zu setzen, sollte sich nicht beschweren wenn er selbst angepinkelt wird. Das ist ja nicht der erste Versuch, CXW oder Chen Taiji als "Shaolin" anzugreifen.

Das was man gemeinhin unter "Kraft gegen Kraft vermeiden" meint ist, dass man nicht mit Kraft "gegenhält" und sich dabei versteift oder trotz Gegenwehr zurückdrängend lässt. Durch die Kraft durch direkt zu expandieren, sprich man schiebt die Kraft raus bzw. zertrümmert sie, entweder im Winkel (normal) oder direkt in die Wurzel der Kraft (gibt es eher woanders), ist dagegen eher orthodoxe IMA, auch im Taiji. Natürlich kombiniert man das gerne mit höherwertigen Manövern, die Richtung verändern, scheren, entwurzeln, kollabieren, usw.

Leider können ja die wenigsten "Kritiker" (vermutlich keiner) Taijquan selbst auf diesem Level:
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T. Stoeppler
15-05-2013, 20:24
@Klaus
Danke - kannte ich noch gar nicht.

Ich finde auch, bevor man meckert, sollte man es erstmal lernen....

Gruss, Thomas

Heping
16-05-2013, 12:06
Scheint ein notorisches Verhaltensmuster zu sein:

http://www.kampfkunst-board.info/forum/f52/chen-stil-kein-tai-chi-153634/

peep
16-05-2013, 13:02
Tabek Klaus,

die Frage ist doch nicht ob das für Einzelpersonen praktikabel ist, sonder ob das Gezeigte Taiji konform ist?


Natürlich ist es das. Das ganze Gewese um "Sehnenkraft", Struktur, Rooting, Kraftfreisetzung (Fali und Fajin), die vielen schweren Übungsgeräte, das Greifen und Rumdrehen an Holzstäben, usw. dient ja nicht zur deeskalierenden Präventivfluchtattacke rückwärts.
Ich hatte vor ein paar Monaten das Vergnügen, mit einer Dame Ärmchen zu rollen, die schon sehr, sehr lange TJQ (vermutlich in der Yang-Ecke) macht, und wirklich eine interessante Motorik hatte. Aber diese tolle Körperbeherrschung war komplett sinnlos, weil ich mich anstellen mußte wie beim Schmetterlingekitzeln, um überhaupt was davon mitzubekommen. Sobald ich auch nur den Arm ausgestreckt habe (so kraftlos und sanft wie möglich), hat's die Gutste (meine Größe) einfach mal 'nen halben Meter weggeschoben und einige Male fast umgeschmissen. Ich habe es nicht gewagt, auch noch einen Schritt vorwärts zu tun... :o
Und ich gehöre nun nicht gerade zum kräftigen und fitten Teil der Menschheit.
Hätte die Dame wenigstens genug Kraft besessen, einen stinknormalen Armdruck aufzunehmen, hätte sie mich mit ihrer Motorik komplett fernsteuern können. Das war nämlich echt hinterfotzig gut, was da passierte. Es war nur einfach viel zu schwach, um sogar bei einem vollkooperativen und sehr, sehr lernwilligen Anfänger irgendeine Wirkung erzielen zu können.
Lange Rede, kurzer Sinn: Wenn man diese ganzen tollen Sachen mit dem Umleiten, ins Leere führen und so weiter tatsächlich anwenden will, muß man den gegnerischen Bewegungen mit eigener Kraft und Stabilität entgegentreten können. Woher soll denn der arme unterlegene Gegner sonst wissen, wann er wohin stolpern oder gar umfallen soll, wenn's ihm vor lauter Überlegenheit keiner mitzuteilen gedenkt?

Klaus
16-05-2013, 14:34
Meine unmaßgebliche Vermutung ist, dass Yang Luchan, neben dem "herkömmlichen" Jin-Training aus der Chen-Familie, seine eigene Interpretation bzw. Spezialisierung entwickelt hat, die es ihm eben ermöglicht gegen wesentlich stärkere Leute die Chen-Taijiquan oder andere Stile die über einen Gutteil an Jin-Entwicklung verfügen einfach länger gemacht haben leichter zu bestehen. Besonders gegen Leute die auch vielleicht einfach viel schwerer sind als er, und die Kraft gegen Kraft dann ein bischen schwierig werden lassen. Das war, nicht nur im Taijiquan, immer in IMA-Methoden drin, aber er hat es quasi auf die Spitze getrieben.

Diese Methodik, wenn sie von ausreichend "Eisen in Seide" begleitet wird, ist sehr, sehr gut. Ich fand es interessant, dass ein sehr guter Yang-Stilist es mir eben sehr schwer gemacht hat, überhaupt anzusetzen und ihn zu berühren, mit Widerstand. Andererseits hatte der einfach nicht genug Jin, um was anzurichten. Und viele Yang-Stilisten die ich sonst getroffen habe waren einfach viel zu schwach, da war gar nichts.

Insofern macht der Ansatz der Chens erstmal eine enorm starke Verwurzelung zu erreichen, und darauf aufbauend Angreifer zu zwingen sich richtig reinzulegen, eher Sinn, damit man auch genug Power bekommt was zu erreichen wenn es ernst wird. Und hintendran diese "feinen" Dinge zu stellen. Yang Luchan hat sich anders herum spezialisiert, was auch Sinn macht wenn seine Konkurrenz einfach zu weit voraus war, was diese Power angeht. Es ist aber nicht das "einzig wahre Taijiquan", oder besonders geeignet. Wenn ich in rohe, nicht von genug Jin stabilisierte Kraft einfach reinhalten kann und zerstöre damit, dann ist das worauf man immer zurück kann, und das an sich erstmal ein hohes Mass Sicherheit bietet. Es ist nicht so kompliziert das zu erreichen, wenn man Zeit zu trainieren hat. Darauf aufbauend kann man dann lernen mit Winkeln zu spielen, und mit Variieren.

Diese cleveren Mittel mit denen Ma Jiangbao Leute die nicht gut genug sind komplett dominiert haben z.B. gegen seine Brüder nicht mehr funktioniert, die waren selbst zu gut darin, das nicht mit sich machen zu lassen. Bei denen sah das Training untereinander dann wesentlich mehr nach Chen aus, näher, Körper an Körper, und lange Pattsituationen bei denen sich beide wenig bewegt und nach Ansätzen gesucht haben.

Odysseus22
16-05-2013, 16:32
Klaus, ich habe praktisch keine Ahnung vom Chenstil, aber es sieht für mich auch so aus, als würden sie sehr lange an der Basis feilen (obwohl sie oft behaupten, dass sie die kämpferischsten wären).

WingChun77
16-05-2013, 17:08
[...]Wenn man diese ganzen tollen Sachen mit dem Umleiten, ins Leere führen und so weiter tatsächlich anwenden will, muß man den gegnerischen Bewegungen mit eigener Kraft und Stabilität entgegentreten können. Woher soll denn der arme unterlegene Gegner sonst wissen, wann er wohin stolpern oder gar umfallen soll, wenn's ihm vor lauter Überlegenheit keiner mitzuteilen gedenkt?

Hallo,

dies würde der ungeschriebenen Tatsache entgegenkommen, dass das TJQ (damals) eher für sehr stabile und starke Menschen konzipiert wurde bzw. am effektivsten genutzt werden sollte. Wenn ich mir da so manch Hänflinge anschaue, die sich TJQ-Lehrer nennen und sich saft-kraftlos pushen, weil der "Schwerpunkt ihrer Lehre ja auf der Gesundheit liegt", da passiert es doch nicht selten, dass die einfach aus dem Weg geschoben werden.



So long

Günther

peep
16-05-2013, 17:42
Hallo,

dies würde der ungeschriebenen Tatsache entgegenkommen, dass das TJQ (damals) eher für sehr stabile und starke Menschen konzipiert wurde bzw. am effektivsten genutzt werden sollte.


Ich weiß nicht, ob das so eine Tatsache ist. Ich war nicht dabei und hab auch keine Quellen dafür. Aber professionelle Kämpfer streben vermutlich fast immer nach Kraft und Stabilität...



Wenn ich mir da so manch Hänflinge anschaue, die sich TJQ-Lehrer nennen und sich saft-kraftlos pushen, weil der "Schwerpunkt ihrer Lehre ja auf der Gesundheit liegt", da passiert es doch nicht selten, dass die einfach aus dem Weg geschoben werden.


Aufmerksam und mit einem Minimum an Anspannung zu üben scheint mir schon sehr sinnvoll zu sein. Vermutlich kann man es auch übertreiben. Ich weiß nicht, woher bei manchen Menschen diese Allergie gegen Kraft und Körpereinsatz kommt. Aber ich glaube auch nicht, daß das ein Stilmerkmal der Yangs ist. Ich habe da eher postmoderne Ideologen in Westeuropa im Verdacht.

Terao
16-05-2013, 19:00
Bin ja immer noch ganz baff von dem Eingangsvideo. Potztausend, haben die Chinesen nach Jahrtausenden Hochkultur doch letztendlich tatsächlich das Prinzip "Actio=Reactio" entdeckt!
"Curiouser and curiouser", würde Alice wohl dazu sagen...




Ich habe da eher postmoderne Ideologen in Westeuropa im Verdacht.Ich auch.

peep
16-05-2013, 23:45
Bin ja immer noch ganz baff von dem Eingangsvideo. Potztausend, haben die Chinesen nach Jahrtausenden Hochkultur doch letztendlich tatsächlich das Prinzip "Actio=Reactio" entdeckt!

Die zugehörige Solofigur findest Du wahrscheinlich am deutlichsten gezeigt in der 24er Pekingform, irgendwo in der Mitte. Wird dort zweimal ausgeführt, dazwischen kommt ein Laufrichtungswechsel.
Was CXW da (neben seiner Langeweile und seiner unausgesprochenen Meinung über das Gequatsche der Fernsehtrulla) demonstriert:
Er gibt dem schiebenden Partner Widerstand, damit sich ordentlich Druck aufbaut. Dann läßt er sich in eine defensivere Struktur zurücksacken, so daß der überraschte Partner nach vorn ins Leere fällt.
CXW muß ihn nur noch auffangen, sich strecken und die Arme nach vorn stoßen - Huiiii, der berühmte Taijiwerbeflyerfreiflug!
Jedenfalls wäre es einer geworden, wenn CXW wenigstens ein klein wenig Enthusiasmus gezeigt hätte.

Heping
17-05-2013, 00:04
(neben seiner Langeweile und seiner unausgesprochenen Meinung über das Gequatsche der Fernsehtrulla)

Sie ist nicht gänzlich ahnungslos, wie Deine Aussage vielleicht suggerieren mag:

Qiu Hui Fang - Taiji Quan - YouTube (http://www.youtube.com/watch?v=x_je0IYJNio)

rudongshe
17-05-2013, 05:11
Meine unmaßgebliche Vermutung ist, dass Yang Luchan, neben dem "herkömmlichen" Jin-Training aus der Chen-Familie, seine eigene Interpretation bzw. Spezialisierung entwickelt hat, ...

Guten Morgen Klaus,

könntest Du diese interessante Aussage eventuell vertiefen?

Was ist es genau was Du meinst und wohin ist dieses verschwunden?

Ich frage weil Du sonst immer sagst, es gebe keine Geheimnisse und man solle einfach die Übungen machen ohne viel zu analysieren sondern den Körper machen lassen.

Grüße

Klaus
17-05-2013, 15:55
Er hat das trainiert was man ihm bei den Chens beigebracht hat, und weil manche davon einfach wesentlich länger im Training waren, breiter, stärker, schwerer, hat er sich nebenbei spezialisiert die ins Leere laufen zu lassen weil er die eben nicht überpowern kann. Also einfach nur eine intelligente Idee wie er damit zurechtkommt dass ein paar Jungs stärker waren und das gleiche trainiert haben wie er bis dahin. Was aber nicht heisst dass er stets und immer "ohne Power" arbeitet. Es ist halt eine Spezialisierung, so wie der eine halt Kicks besonders gut kann, der andere Rammstösse. Es wird vielleicht zu seiner Zeit nicht viele Leute gegeben haben die viel Spass an feinen Methoden der Neutralisierung hatten, und das "leicht werden" perfektionieren mochten, Power war immer gerne gesehen. Aber wie das so ist, ist jemand mit den Ausmassen von Ma Jiangbao mit fast 120 Kilo halt stärker als ein Typ mit 70, da muss der sich was einfallen lassen und sich auf das spezialisieren was die Brecher nicht so gut konnten. Das war aber trotzdem immer schon in IMA-Methoden enthalten, das ist eine Ausprägung von leicht werden was man braucht wenn man von richtig grossen Kräften getroffen wird (z.B. einem Pferd, oder wenn man vom Baum fällt).

peep
17-05-2013, 16:12
Sie ist nicht gänzlich ahnungslos, wie Deine Aussage vielleicht suggerieren mag:

Qiu Hui Fang - Taiji Quan - YouTube (http://www.youtube.com/watch?v=x_je0IYJNio)

Nett. Nicht so meine Interessenlage, dieses Bühnenzeug, aber sehr sehr schön.
In dem kurzen CXW-Clip sah es halt wie eine zerschnittene Alltagsdemo für irgendein Kamerateam aus.

BTW, die Diskussion bei dem Tubeclip mit der Demo von Qiu Hui Fang ist ja herrlich. :D

rudongshe
17-05-2013, 16:50
Jetzt hab ich Dich verstanden, danke.

Kenne das mit meinen 70 Kilo auch :o

gasts
18-05-2013, 03:52
.

Terao
18-05-2013, 07:25
Die zugehörige Solofigur findest Du wahrscheinlich am deutlichsten gezeigt in der 24er Pekingform, irgendwo in der Mitte. Wird dort zweimal ausgeführt, dazwischen kommt ein Laufrichtungswechsel.
Was CXW da (neben seiner Langeweile und seiner unausgesprochenen Meinung über das Gequatsche der Fernsehtrulla) demonstriert:
Er gibt dem schiebenden Partner Widerstand, damit sich ordentlich Druck aufbaut. Dann läßt er sich in eine defensivere Struktur zurücksacken, so daß der überraschte Partner nach vorn ins Leere fällt.
CXW muß ihn nur noch auffangen, sich strecken und die Arme nach vorn stoßen - Huiiii, der berühmte Taijiwerbeflyerfreiflug!
Jedenfalls wäre es einer geworden, wenn CXW wenigstens ein klein wenig Enthusiasmus gezeigt hätte.Ehrlich, das ist die beste und handfesteste Erklärung, die ich jemals aus der Taijiecke gelesen habe. Kommt auch ohne alles mystische Brimborium aus, und man kann sich sofort was unter der Bewegung vorstellen. Einfach nur clevere Körpermechanik. Ganz im Ernst: Danke dafür!

gasts
18-05-2013, 08:09
]

Hongmen
18-05-2013, 23:27
23IwGIRGAGc

Kamenraida
20-05-2013, 20:33
Ehrlich, das ist die beste und handfesteste Erklärung, die ich jemals aus der Taijiecke gelesen habe.

Wenn du dich mit dieser Erklärung zufrieden gibst, kommt so etwas raus wie Hongmen in seinem Video zeigt - ganz nette Finten, die aber nun wirklich jeder drauf hat, der überhaupt regelmäßig rauft. Dafür ist Taichi eher nicht berühmt geworden.

Aber auch nicht ganz falsch, nur: "Leer werden" und "strecken" müssen zeitlich so dicht sein, dass der Angreifer sich nicht wieder stabilisieren kann. Wir reden über kleinste Sekundenbruchteile - und das funktioniert nur, wenn ("Achtung: Ihr betretet den Emo-Eso-Sektor) Yin und Yang eine Bewegung werden. Und das wiederum ist nur durch langes, sehr feines Üben möglich, und auch nur mit dem Blick nach Innen, um überhaupt die eigene Muskelarbeit zu verstehen. So sehe ich es jedenfalls.

@Klaus: Ich unterschreibe alles, was du hier im Threat so geschrieben hast, nur ein Widerspruch: Du setzt die Gegenüberstellung von "Struktureller Kraft" vs Feinfühligkeit/Ausweichen mit dem Gegensatz Chen und Yang gleich.

Ich vermute mal, dass die Chen Leute, die du kennst, weitgehend aus dem großen deutschen Verband kommen, wo in der Tat großer Wert auf Strukturkraft gelegt wird. Gilt aber bei weitem nicht für alle. Gerade in China im Dorf, wo viele eher schmächtige Jungs trainieren, wird unglaublich beeindruckendes Ausweichen / Leerwerden / den anderen Fallen lassen trainiert. Gehört also zu Chen genauso wie zu Yang. Jedenfalls habe ich das so erlebt.

Ach ja, im übrigen frage ich mich wirklich, wer eigentlich diese Videos herstellt - wie hier das Ausgangsvideo - und was er damit bezweckt. Das ganze zielt nur darauf ab, Chen und besonders CXW der Lüge zu überführen. Ziemlich dämlich.

Frage daher an den TE: Was gefällt dir daran?

Terao
20-05-2013, 20:48
Wenn du dich mit dieser Erklärung zufrieden gibst, kommt so etwas raus wie Hongmen in seinem Video zeigt - ganz nette Finten, die aber nun wirklich jeder drauf hat, der überhaupt regelmäßig rauft. Dafür ist Taichi eher nicht berühmt geworden.

Aber auch nicht ganz falsch, nur: "Leer werden" und "strecken" müssen zeitlich so dicht sein, dass der Angreifer sich nicht wieder stabilisieren kann. Wir reden über kleinste Sekundenbruchteile - und das funktioniert nur, wenn ("Achtung: Ihr betretet den Emo-Eso-Sektor) Yin und Yang eine Bewegung werden. Und das wiederum ist nur durch langes, sehr feines Üben möglich, und auch nur mit dem Blick nach Innen, um überhaupt die eigene Muskelarbeit zu verstehen. So sehe ich es jedenfalls. Ja, ich geb mich damit zufrieden. Und ich erkenne nicht, wo Du jetzt "mehr" beschreibst. Dass man an sich simple Sachen durch langjähriges Üben und Feilen an den Details soweit aufbohren kann, dass sie wie Zauberei aussehen, ändert an der unzauberischen Erklärung und Wirkungsweise im Prinzip überhaupt nichts.

Was stört Dich daran? Zu wenig Yinyang?

Kamenraida
20-05-2013, 21:03
Was stört Dich daran?

Nur eine Kleinigkeit: Es ist so falsch. Es verführt Übende dazu, etwas im Außen zu suchen, was sie nur im Inneren finden können. Und jetzt rede ich nicht über Emo-Eso, sondern über Körpermechanik, wobei das imo in disem Fall dasselbe ist.

Aber wenn du zufrieden bist, ist doch alles gut. Dann sind wir beide zufrieden.

peep
20-05-2013, 21:18
Ja, ich geb mich damit zufrieden. Und ich erkenne nicht, wo Du jetzt "mehr" beschreibst. Dass man an sich simple Sachen durch langjähriges Üben und Feilen an den Details soweit aufbohren kann, dass sie wie Zauberei aussehen, ändert an der unzauberischen Erklärung und Wirkungsweise im Prinzip überhaupt nichts.


Mit der Erklärung, die ich gegeben habe, bleibt man grobmotorisch und im Taktikbereich.
Wenn man dieses Wechselspiel aus Zurückweichen und Angreifen, Ju und Go, Nebel und Felsen, etc. richtig gut erlernen will, und zwar auf der Ebene subtiler und automatisierter körperlicher Gewohnheiten, wird man nicht nur im TJQ auf Vorstellungen und "Erklärungen" zurückgreifen, die Körpergefühl/Bewegungsgefühl und sehr komplizierte anatomische Vorgänge in einfache "esoterische" Ideen verpacken.
Das ist dann etwas (Fach-)Chinesisch und wenig wissenschaftliche Logik, aber dafür auch ohne vorherigen Doktor in Neurologie und Bewegungsmechanik verwendbar.
Yin und Yang ist beispielsweise so ein tolles Modell. Da gibt es (jedenfalls im TJQ) nichts "philosophisch" zu erforschen, nichts wissenschaftlich zu erklügeln oder zu verstehen.
Man klatscht einfach stur die Yin-Yang-Schablone über die Welt und bekommt damit Eselsbrücken und didaktisch wirkungsvolle Anleitungen. Die sind dann nicht zur Sinnsuche oder zur pseudowissenschaftlichen Haarspalterei gedacht sondern zum Nachmachen. Die sollen nicht anatomisch oder physikalisch korrekt sein sondern nur dabei helfen, Bewegungen auf eine bestimmte Weise auszuführen ohne ständig komplizierte technische Anleitungen und Fachbücher auswendig lernen zu müssen.

Heping
20-05-2013, 23:43
Nett. Nicht so meine Interessenlage, dieses Bühnenzeug, aber sehr sehr schön.
In dem kurzen CXW-Clip sah es halt wie eine zerschnittene Alltagsdemo für irgendein Kamerateam aus.

BTW, die Diskussion bei dem Tubeclip mit der Demo von Qiu Hui Fang ist ja herrlich. :D

Es ging mir ja nicht um das Video von Qiu Hui Fang, sondern darum, dass die nicht einfach eine ahnungslose Reporterin (Fernsehtrulla) ist. Ich empfehle auch mal, die ganze Doku zu schauen, und nicht nur die etwas dümmlich aus dem Zusammenhang gerissenen Zitate in diesem Video (gibt's auch auf Youtube (http://www.youtube.com/watch?v=zvpFOVg9Sk4&list=PL84405FCAB11E5886)).

Klaus
21-05-2013, 16:46
@Klaus: Ich unterschreibe alles, was du hier im Threat so geschrieben hast, nur ein Widerspruch: Du setzt die Gegenüberstellung von "Struktureller Kraft" vs Feinfühligkeit/Ausweichen mit dem Gegensatz Chen und Yang gleich.


So ist das nicht gemeint. Die Leute aus der Chen-Richtung praktizieren das nur deutlich auf der Power-Schiene, und sind weniger "wolkig" in Setups. Was eigentlich eher ein Verlust ist, denn Power trainieren ist leichter als urplötzliche Wechsel, und generell immer eher "leicht" unterwegs zu sein und nur im Fall des Falles "energetisch" zu werden. Dass das auch Chen-ler "können" oder trainieren ist unbenommen, es scheint nur langsam ein bischen rar zu werden, oder es wird nicht demonstriert. Ein Chen Bing zeigt da immer Ming-Jin-Wuchten, anstellen und weg, wo man bei Ma Jiangbao immer die gleichen hochwertigen Ma-Yueliang-"Tricks" sieht, die auch funktionieren. Da sind dann bei den Leuten auch Einbrüche zu erkennen, als hätte man einen Knochen geklaut. Ich kenne nur Detlef Klossow als Maßstab für Yang, und der war halt wirklich kaum zu greifen, da war erstmal nichts das man fassen konnte. Im Leibwächter-Wesen ist es nur wichtig, daneben auch die Power zu haben einen Angreifer dann an die Wand werfen zu können um ihn zu überzeugen doch langsam mal aufzuhören. Also wird das die Yang-Familie auch gekonnt haben, sonst hätten die bei den Wächtern am Hof nicht viel zu verkaufen gehabt wenn jeder "Kampf" 50 Minuten dauert, bis der eine entnervt aufgibt weil er keine Lust mehr hat.

Und ich gehe einfach davon aus, dass das in der Yang-Schiene betont wurde, und sich das Yang Fukui oder Yang Chenfu perfektioniert haben weil sie dadurch eine Nische besetzt hatten die Klötze aus der Chen-Reihe nicht besetzt hatten. Wenn es ein Dutzend Leute in Chen-Dorf gibt die gleich stark oder stärker sind, dann nimmt man eben was das die nicht so gut können und spezialisiert sich. Ob, wie und wann das Einzug in Taijiquan gehabt hat, wird man schwer nachvollziehen können, weil das was ist das man nicht in Formen sieht. Aber das mit den 4 Unzen legt nahe, dass das auch früher schon drin gewesen ist, denn das was CXW da zeigt sind 2000 Pfund gegen 1000, und ein Eisengerüst dass man erstmal nicht wegschieben kann.

Klaus
21-05-2013, 17:13
Ja, ich geb mich damit zufrieden. Und ich erkenne nicht, wo Du jetzt "mehr" beschreibst. Dass man an sich simple Sachen durch langjähriges Üben und Feilen an den Details soweit aufbohren kann, dass sie wie Zauberei aussehen, ändert an der unzauberischen Erklärung und Wirkungsweise im Prinzip überhaupt nichts.


Es ist in dem Sinne falsch, als das in IMAs komplett anders gemacht wird als "einfach" mal nur rückwärts rollen und dann schmeissen. Die Mechanik von Jin ist eigentlich kaum wirklich eine, sondern eine biologische Fähigkeit der Muskulatur und Systeme der Balance und Energiebereitstellung, die es erlauben zwischen einem "gewichtslosen" Modus (Muskeln gehen einfach auf, ohne jeden Widerstand) und einem brettharten, schweren Modus umzuschalten, stufenlos, und urplötzlich. Der brettharte ist einfach eine Muskulatur die überhaupt nicht nachgibt (in einem gewissen Rahmen, der von der Kraft gesetzt ist) sonder mit viel Strom kontrahiert, mit allem was geht, und ohne eine Bremse die wie auch immer in die Muskelkontraktionskontrolle eingebaut ist. Um die Gelenke zu schonen, um feinzusteuern, um kostbare Energie zu sparen (in der Eiszeit war es Essig mit Nahrungsüberangebot), wieso auch immer. Ein Gepard rennt auch nur 60m, die aber reichlich fix, danach ist er platt. Diesen Modus kann auch der menschliche Stoffwechsel noch (Affen sowieso), er ist nur meistens nicht eingeschaltet. Und bis der wieder mit vollem Elan arbeitet, muss man ihn langwierig stimulieren, damit sich der Rest des Körpers anpasst und man das überhaupt aushält. Wenn man das aber einmal kennengelernt hat, dann merkt man dass das nicht "normal" ist. Das ist eine andere Welt, wie Sport mit oder ohne Doping. Ein Fajin mit allem was der Körper kann ist nicht einfach nur "ein Stoss", sondern eine Kontraktion dass einem wenn das mit voller Stärke läuft die Rippen weh tun von der Belastung. Ein Biochemiker hat mir dazu mal geschrieben dass es chemische Inhibitoren gibt die die Kontraktion verlangsamen, und er meint dass dieser Effekt ein Ausschalten / Nichteinsetzen dieser Inhibitoren ist. Dann läuft die Muskelkontraktion extrem heftig. Es muss noch mehr solche Effekte geben, denn das gibt es auch in langsam, trotzdem schlechter aufzuhalten als normal. Ich konnte bei jemandem der in etwa gleich schwer war wie ich der viel mehr heben konnte (im "Normalzustand"), ein Tennisspieler, die Arme einfach aufziehen, ohne dass der das stoppen konnte. Bei einem der wesentlich schwerer war als ich ging es nicht mehr, der hatte natürlich auch doppelt so dicke Arme. Das ist also nicht einfach ein "Trick", der wäre auch bei dem Tier gegangen. Aber 80% mehr Kontraktionsausbeute sind halt 80%, wenn der andere doppelt so stark ist reicht es halt nicht mehr.

Diese "Feinkontrolle" über die Gelenkausrichtung und die Manipulation der Balance kommt noch oben drauf. Das ist eher eine zusätzliche Voraussetzung, damit man die Kräfte aushält die wirken. Das alleine ist nicht das Ganze, und erlaubt schon mal gar nicht "spektakuläre Kraftstunts". Ich habe einen Ball mit ziemlicher Brachialgewalt über das ganze Feld werfen können, und dem Ball ist es ziemlich egal was ich denke, und der hat auch nichts das man "fein manipulieren" könnte. Das ist ein rundes Teil was man entweder fest werfen kann oder nicht. Und der Unterschied gegenüber 10 Jahre vorher als ich noch nicht mit Jin werfen konnte war schon erheblich.

Seit etwa 10 Jahren funktioniert das bei mir nicht mehr, aus rein emotionalen Gründen, der Mechanismus geht einfach nicht mehr an. Und es hat über 4 Jahre gedauert bis der Kraftzuwachs verschwunden gewesen ist, dabei bin ich auch in etwa 7 Kilo leichter geworden. Da da letzten Endes aber nicht einfach "magische Energien" sondern biologische Komponenten wie Hormone und dergleichen ausgeschüttet werden, ist das nicht gar so leicht "bewusst" zu tun. Der Körper tut es, oder er tut es nicht. Und wenn der nicht will dann macht er es auch nicht.

FanzerPaust
22-05-2013, 11:58
Tabek,




Frage daher an den TE: Was gefällt dir daran?

Das Video wirft Fragen auf, die es durchaus verdient haben, darüber sachlich zu diskutieren.

gruß

gasts
24-05-2013, 02:17
Das Video wirft Fragen auf, die es durchaus verdient haben, darüber sachlich zu diskutieren.


Z.B. die Frage, aus welchem Grund der Videoersteller zu beweisen versucht, dass Chenstil kein Taijiquan sei.

Ein erster Schritt in Richtung Sachlichkeit wäre es sicherlich, wenn die Erklärungen in Gänze dargestellt und übersetzt würden, nicht nur auszugsweise.

FanzerPaust
24-05-2013, 12:39
Tabek,

wenn dich das Motiv des "Videoersteller" interessiert, wäre der simpelste Weg George Liew direkt zu fragen.

Was mein Motiv betrifft, dieses besteht darin meinen Horizont durch andere Ansichten zu erweitern.
Ich persönlich halte übrigens die Vorgehensweise Kraft mit größere Kraft zu begegnen nicht für Taiji, egal in welchem Kontext.


grüße

gasts
24-05-2013, 13:20
Ich persönlich halte übrigens die Vorgehensweise Kraft mit größere Kraft zu begegnen nicht für Taiji, egal in welchem Kontext.


Was ist denn dann Taiji?
Kraft mit kleinerer Kraft begegnen?

Zhen Wu Germany
24-05-2013, 13:56
Das Konzept von Yin und Yang sollte ja geläufig sein. Dieses Konzept stellt doch in allen Taiji-Stilen eines der Grundkonzepte dar, richtig?

Yin und Yang bedeutet insofern (auch) Kraft und keine / geringere Kraft zu nutzen. Es wechselt sich in rascher Folge ab. Habe ich die größere Kraft um jemandes Kraft zu begegnen, warum sollte ich dies nicht nutzen? Wenn ich jedoch die Kraft nicht aufbringe, bin ich gut beraten mit anderen Konzepten zu arbeiten. Eben mit Yin: zB geliehene Kraft, nachgebende Kraft etc pp. Es kommt also, wieder mal, auf die Situation an.

Ich persönlich halte mich dann aber auch lieber an Konzepten wie schnelle Kraft und plötzliche Veränderung. Da stellt sich erst überhaupt nicht die Frage, wer die größere Kraft besitzt. ;)

T. Stoeppler
24-05-2013, 14:39
Das ist völlig richtig.
Solange das Verwenden von Kraft gegen Kraft nicht zur Doppelgewichtung führt, ist das völlig konform mit allen Lehren aus dem Taijiquan.

Gruss, Thomas

FanzerPaust
24-05-2013, 15:30
Tabek,

vielleicht ist es verständlicher wenn man sagt der Fluss darf nicht gebrochen werden ?!
Ausserdem sollte die Ökonomie als wesentlicher Bestandteil nicht ausser Acht gelassen werden.

grüße

T. Stoeppler
24-05-2013, 16:56
Eine Begrifflichkeit wie "Fluss" gibt es da nicht. Man muss "von der ersten Bewegung an leicht und wendig sein". Also aus dem Stillstand heraus sofort (peng)Jin einsetzen und vorzugsweise kein Reaktionskraft Ping-Pong spielen.

Ökonomie ist zwangsläufig das Resultat davon.

Also.. hmm.. wie gesagt.. erstmal Taijiquan ne Weile ordentlich lernen und dann Ideen bekommen. Das bringt einfach mehr.

Gruss, Thomas

FanzerPaust
24-05-2013, 17:45
Tabek,

Taiji ist nicht das Wort.
Worte sind immer nur eine Annäherung, auf die man in einem Forum leider angewiesen ist.
Genauso wie die unterschiedlichen Jin Bezeichnungen nur Versuche sind etwas zu trennen das eigentlich Untrennbar ist.Wenn du dich an einzelnen Worten störst, benutze meinetwegen andere.

Aber zurück zum Thema, ist das was CXW da zeigt & sagt deiner Meinung nach ökonomisch ?
Ich weiß nicht wie dein Kenntnisstand bzgl. Shaolin ist , aber willst du ernsthaft die Gemeinsamkeit bestreiten, was die cannon fist und den alten Rahmen angeht ?

gruß

Kamenraida
24-05-2013, 17:48
Ich finde es schade, dass dieses Video genau seinen (pardon, saudummen) Zweck erfüllt: Einige schenken der Behauptung Glauben, dass Chen Taichi auf Kraft setzt.

Das ist einfach in der Sache falsch, jedenfalls im hier gemeinten Sinne, und zwar ganz unabhängig davon, was CXW da gerade sagt (oder angeblich sagt). Es geht darum, wie er es meint. Und er würde ganz egal in welchem Zusammenhang in der Sache eben nie sagen, dass man "Kraft gegen Kraft" agiert. (Weil er eben Taichi macht und kein Shaolin Kungfu (und diese Behauptung ist halt pardon ...)

Und damit keine Missverständnisse aufkommen, dass ist etwas ganz anderes als die Frage, ob man im Taichi überhaupt Kraft braucht. Natürlich braucht man die, alles andere ist imho Unsinn. Nur eben: Ich richte meine Kraft bestimmt nicht GEGEN die Kraft des anderen. Ich benutze meine Kraft höchstens, um meine Struktur zu halten - oder noch genauer, um sie "offen" zu halten.

Ein weiteres Missverständnis beruht darauf, dass man im Chen tatsächlich stärker in die "Kraftlinie" des anderen geht als in anderen Taichi-Stilen. Das heißt es wird viel weniger "äußerlich" ausgewichen, was dann für manche andere so aussieht, als würde man tatsächlich Kraft vs Kraft agieren.

Tatsächlich aber beantwortet man die einwirkende Kraft nicht mit Widerstand, sondern man löst sie über innere Arbeit auf. Ich würde mal sagen, ungefähr in diesem Sinne wird CXW es meinen. Das ganze kann sich dann für Gegner durchaus wie pure Kraft anfühlen, liegt aber daran, dass er selbst eben alles aufwenden muss, was er an Kraft zur Verfügung hat.

Richard22
30-05-2013, 09:01
Nur so ein paar Gedanken zu der sehr interessanten Diskussion.

Taizu Changquan ist waffenlose KK auf lange Reichweite.

Was wir heute (seit dem 19. Jhd.) Taiji nennen ist in erster Linie ein Fechtstil - also schwerpunktmässig ein Waffenstil. Dazu muß man sich nur die acht Grundformen ansehen (erste und zweite waffenlose Form, Dao und Doppeldao, Jian und Doppeljian (Doppeljian ist aber recht neu), Qiang/Gun (Speer/Stock) und Da Dao/Kwan Dao).

Die Idee der festen Gründung kommt, meiner Meinung nach, in erster Linie aus dem Waffenkampf und vor allem dem Reiten und dem Reitergefecht. Wer mal geritten ist weiß wie essenziell ein gutes Gleichgewicht zu Pferd ist- Fechtet man dazu noch mit Blankwaffen, dann steigert sich diese Wichtigkeit nochmal.

Im Waffenlosen ist eine feste Gründung nur zielführend, wenn ich Gegners Arme zerstreuen kann - kann ich es nicht, dann ist eine feste Gründung für mich selber gefährlich, weil ich den Treffern des Gegners an meinen Blößen/Weichteilen Widerstand entgegensetze. Im Waffenlosen stirbt man auch nicht so schnell wie im Fechten - man kann also gewisse Treffer durchaus hinnehmen/ überleben.

Struktur zeigen und dann auflösen, so daß der Gegner nach vorne fällt/kommt ist Kong (eine der 13 Grundbewegungen) und nicht an einen Stil gebunden. Das ist eine Grundfähigkeit.

Yang Luchan war der Fechter, den Chen Changxing seine persönlichen Aufzeichnungen anvertrauten - also eine Art Lieblingsschüler. Das ist allein gesehen schon mal sehr interessant. Yang Luchans wirklichen Leistung war als Erster in Beijing aufzuschlagen - nicht aber das Taiji generell verändert oder erfunden zu haben, denke ich. Genauso hat Funakoshi das Te/Karate in Japan bekannt gemacht - danach folgten anderer Lehrer aus Okinawa im nach Japan nach.

Ob der Chen Stil von den Chens stammt - in historischer Zeit - ist mehr als umstritten. Schaut man sich die Gefechte an, dann findet man eine breite Aufstellung von Stücken, die man auch in anderen China Fechtstilen findet. Waffenlos sind wir bei Qi Jiguang rasch fündig. Auch die Sache mit dem Buch über die innere und äußere Jadelandschaft ist nicht Chen-basiert.

Shaolin ist noch umstrittener - die haben im 17. Jhd. mit dem Gun/Stock angefangen und hatten zum Teil einen sehr schlechten Ruf (völlige Unfähigkeit wird ihnen von Zeitgenossen vorgeworfen).

Was man den Chen zu 100% anrechnen muß, das ist das Glück das sie die vorhandenen Formen und Inhalte über eine sehr, sehr schwere Zeit hinweg überliefert haben - Chen Xiaowangs Vater z.B. hat diesen Transfer nicht überlebt.

Was die Chens machen muß man stilübergreifend besehen - genauso die Yangs - das ist historischen Fechten, nichts anderes.

Fechtergruß

Klaus
30-05-2013, 11:35
Natürlich unterliegt ein Riesenhaufen Sammelsurium zum Ringen und Kloppen der über 400 Jahre von diversen Leuten lose tradiert wird einer ziemlichen Spezialisierung, und einer Entwicklung. Die muss allerdings nicht immer gut, oder richtig sein. Man kann als Anhänger einer einzelnen Fähigkeit auch nicht diese Diskussionen vom Zaun brechen, dass alle die diese Spezialisierung nicht groovy finden und sich für andere Einzelfähigkeiten begeistert haben "gar kein Tai Tschi machen". Mir fehlt bei Chen Bings Taiji und dem von diversen anderen Leuten aus dem Chen-Lager auch was, wenn die "Applikationen" zeigen. Aber ohne Insider zu sein weiss man nicht, was die da zuhause alles trainieren, ob sie das andere gar nicht mehr kennen, wollen, oder können, und ob das nicht nur eine Entwicklung ist dass die sich für den Rest nicht mehr begeistern oder ihn nicht zeigen.

Richard22
30-05-2013, 13:15
Es ist nicht allzu viel, Klaus, was die Technik angeht. Um die 30 Stücke Waffenlos. Beim Da Dao/Kwan Dao sprechen Quellen von 36 Stücken, beim Säbel ist es weniger, bei Doppelsäbel mehr. Speer/Gun ist im Chen ein wildes Gemisch, Speerquellen (E'mei) gehen von 12 Verteidugungs und 18 Angriffstücken aus, also auch um 30.

Ich denke, der Grundgedanke von Chen Wangting war es, bestehende einfache und anwendbare Stücke/Techniken zu nehmen - die allgemein bekannt waren - und dies mit der Metaphysik aus dem Buch über die innere und äußere Jadelandschaft zu paaren.

Das ist auch der Motor der fortgeschrittenen Kraftführung - einer meiner Schüler tippt immer vom Groben zu Feinen. Jeder benutzt Kraft - nur kann man durch Kenntnis der Natur des ständigen Wandels in Bereichen der Kraftentstehnung und -Führung ansetzen, die Ungeübten nicht bekannt und verständlich ist.

Von dem, was ich sah, gehe ich davon aus das jede gefechtsmässige Anwendung im Chen Stil erloschen ist. Es gibt ja auch keine richtige Fechtausbildung mehr.

Der Grund dürfte nicht Unvermögen sein, sondern möglicher Weise ein Abkommen oder ein Verbot durch die Behörden, vor einer oder zwei Generationen. Chen Xiaowang ist 1990 nach Australien "ausgewandert" - erst danach begann er im Westen Geld zu verdienen.

Fechtergruß

peep
30-05-2013, 13:53
Aber ohne Insider zu sein weiss man nicht, was die da zuhause alles trainieren, ob sie das andere gar nicht mehr kennen, wollen, oder können, und ob das nicht nur eine Entwicklung ist dass die sich für den Rest nicht mehr begeistern oder ihn nicht zeigen.

Es wird geübt, was bezahlt wird, was sich zeitlich auch lohnt, und woran überhaupt jemand ernsthaft interessiert ist.
Keine Schüler -> keine Lehre. Die allermeisten Leute wollen nur 2 bis 4 Stunden pro Woche Abendunterhaltung zur Entspannung machen und sind mit Formen und ein wenig PH völlig zufrieden.
[-]

Kampfkunst verkauft sich eben schlecht, und man kann es auch nicht mit Sammelbildchen und Technikbeschreibungen weitervermitteln. Ergo gibt es auch kein Forschungsmaterial und keine Schnellkochkurse.