PDA

Vollständige Version anzeigen : Historische Kampfkünste - jemals komplex und Schlachtfeld erprobt ?



Gürteltier
04-06-2013, 14:11
Kürzlich habe ich in einem thread wieder die Theorie gelesen, es hätte mal über Generationen von Kämpfern erprobte, hochgeschmiedete "richtige" KKs gegeben.

Ich frage mich, ob das jemals so war.

Welche Schlachtfelder haben über Einheitentaktiken, Grobmotorik und Ausdauer hinaus einen bestimmten Technikkanon herausgebildet - der in mehr als ein paar Jahren eigentlich fertig gebacken, weil letztlich sehr begrenzt war ?

Wie gut haben die Leute damals nachverfolgen können, was klappt ? Haben die nicht auch viel im Nachhinein theoretisiert ?

Hat sich nicht auch früher meist im entschärften Training viel an Techniktheorie gebildet ?

Ja, es war rauer damals.
Aber gerade wegen mangelnder medizinischer Möglichkeiten wird man im Training doch versucht haben, nicht erwerbsunfähig zu werden.

Informationsaustausch war doch früher viel schlechter, Legendenbildung noch viel wahrscheinlicher ?


Dankbar für andere Gedanken dazu

Das Gürteltier

duoyang
04-06-2013, 14:20
siehe bubishi

Terao
04-06-2013, 14:25
Fast alle komplexeren Kampfkünste, die bis heute überlebt haben, bzw. von denen wir Kenntnis haben, kommen aus weitgehenden Friedenszeiten und haben für Massenschlachten denkbar ungeeignete und wenig relevante Inhalte. Wird gerne verleugnet, ist aber so.


Das hier wäre aus meiner Sicht so ein Kandidat, an dem man noch sehen kann, wie man Leute auf Kriege vorbereitete:
Nodachi Jigen-ryu Kenjutsu - YouTube (http://www.youtube.com/watch?v=YVSONNESfyE)

Ähnlichkeiten sind natürlich rein zufällig:
British Army Bayonet Training - YouTube (http://www.youtube.com/watch?v=_Op1zjd7KKE)


Alles, was wesentlich technischer/komplexer ist, ist aus meiner Sicht Duell- und Zivilkunst.

mrx085
04-06-2013, 14:31
Deine Logik ist die eines Menschen des frühen 21 Jahrhunderts, was du ja auch bist.

Nur meiner Meinung nach, gibt es in deiner Logik ein paar Lücken.

Das Hobby Kampfkunst wird es früher kaum gegeben haben. Früher war Kampfkunst eine Sache des Militärs und was nicht funktioniert hat, blieb meistens mit dem samt dem Anwender auf der Strecke.

Die Leute gelehrt haben müssten, ihr Zeug auch schon im Ernstfall anwenden.

Da kann man schon davon ausgehen, dass man nur handfestes weitergegeben hat..

Oder gab es schon im Mittelalter eine ausgiebige Breitensportkultur mit eigenen Breitensportverbanden und Prüfungsprogrammen?

Das wäre eine historische Sensation, wenn man so etwas finden würde.

Und warum soll es früher leichter gewesen sein Legenden zu bilden? Legenden kann man doch nur bilden, wenn man nicht mehr in die Verlegenheit gerät, das Gelernte anwenden zu müssen.

Und vor der Zeit des Breitensportes waren Kampfkünste nur die praktische Anwendung gedacht.

Und wie alt ist der Breitensport? Hunderte von Jahren?

ps: ich habe nichts gegen Breitensportler, bin ja selbst nur einer..

Und was genau verstehst du hinter historischen Kampfkünsten? Das ist ein ziemlich weiter Begriff, das alles Mögliche sein kann.

Eine weitere Frage wäre auch ob es so etwas wie historische Kampfkünste überhaupt noch gibt..

Wer kann von sich wirklich behaupten, dass er eine alte Kampfkunst mit der Intention übt, einen Gegner mit einem Schwert wirklich zu töten? Es wird oft als Hobby geübt, als Ausgleich für den Alltag usw. Aber niemals mit dem ursprünglichen Zweck der KK..

Terao
04-06-2013, 14:50
Oh, vielleicht noch passend dazu: http://www.kampfkunst-board.info/forum/f33/milit-risches-waffentraining-156902/

Nicht alles, was aus dem Militär kommt, dient dem möglichst effektiven Töten auf dem Schlachtfeld. Warum sollte das früher anders gewesen sein? Die Gurkha von heute sind doch auch keine Spielzeugsoldaten.

mrx085
04-06-2013, 14:57
Oh, vielleicht noch passend dazu: http://www.kampfkunst-board.info/forum/f33/milit-risches-waffentraining-156902/

Nicht alles, was aus dem Militär kommt, dient dem möglichst effektiven Töten. Warum sollte das früher anders gewesen sein? Die Gurkha von heute sind doch auch keine Spielzeugsoldaten.


Nein, aber wenn es ums Töten geht, dann verwenden die Gurkha die L85A1 oder ein vergleichbares Sturmgewehr und keine Klingenwaffen.

Abgesehen vom Exerzieren fällt keine spielerische Anwendung eines Sturmgewehres im heutigen Militär ein. Das Gewehr ist primär zum schießen da.

Vielleicht gab es früher auch so Schwertspiele, aber zu Zeiten als das Schwert mehr war als nur ein Accessoire an der Paradeuniform eines Offiziers, wir man da sicher mehr Anwendung trainiert haben, als nur für Show Zwecke.

Die Preisfrage ist überhaupt, kann man die Massenheere von Heute wirklich mit den Streitkräften frühere Zeiten vergleichen?

Gab es auch früher schon so prunkvolle Paraden zum Angeben? Und wie hat man die Soldaten/Krieger früher trainiert?

Gab es früher schon so etwas wie die Allgemeine Grundausbildung so wie bei den heutigen Streitkräften? Falls ja, wie lang wurde geübt? Und gehörte ein prunkvolles Auftreten schon damals zu den kriegerischen Tugenden ?

Terao
04-06-2013, 15:04
Abgesehen vom Exerzieren fällt keine spielerische Anwendung eines Sturmgewehres im heutigen Militär ein. Das Gewehr ist primär zum schießen da.Old Guard, US Army Rifle Team performs at Spirit of America (in HD) - YouTube (http://www.youtube.com/watch?v=WLi9SayY4AY)


Und gehörte ein prunkvolles Auftreten schon damals zu den kriegerischen Tugenden ?Immer und überall.
Militär ist immer auch Macht-, Droh- und Prestigemittel. In Friedenszeiten sogar größtenteils.


Ich will hier gar nicht zu apodiktisch werden. Bloß: Dieses zwingende "kommt aus dem Militärischen, haben Krieger gemacht, also ist es fürs Schlachtfeld" ist es halt auch nicht.

Und übrigens: Ein Duell ist auch ein Kampf auf Leben und Tod, für den zu trainieren sich lohnt(e). Nur ist es halt kein Schlachtfeld, und hat andere Erfordernisse.

peep
04-06-2013, 15:48
Nein, aber wenn es ums Töten geht, dann verwenden die Gurkha die L85A1 oder ein vergleichbares Sturmgewehr und keine Klingenwaffen.


Doch, doch, die benutzen ihre Klingen durchaus noch zum Töten. Sie schießen nur nicht damit. Und sie zeigen sicher nicht als Unterhaltungsshow bei Familienfesten, wie man jemanden aufschneidet und ausbluten läßt.

Quizfrage übrigens:
Wann fand der letzte dokumentierte (und erfolgreiche) Bayonettangriff einer kompletten Einheit in einem Feuergefecht statt?

Im Irakkrieg. Eine britische Einheit war in einem Hinterhalt Aufständischer geraten und hat das Gefecht dann mit aufgesetzter Klinge im Nahkampf entschieden. Der Offizier wurde ausgezeichnet.




Vielleicht gab es früher auch so Schwertspiele, aber zu Zeiten als das Schwert mehr war als nur ein Accessoire an der Paradeuniform eines Offiziers, wir man da sicher mehr Anwendung trainiert haben, als nur für Show Zwecke.


Zum reinen Angeben gab es Prunkschwerter. Kunststückchen hat es bei Gauklern und anderen Unterhaltungskünstler sicher auch gegeben. Hat aber mit Kata nur insofern zu tun, als man auch Theaterfechten am sichersten mit vorgegebenen Übungen lernt.




Die Preisfrage ist überhaupt, kann man die Massenheere von Heute wirklich mit den Streitkräften frühere Zeiten vergleichen?


Ja. Es gab immer wieder Massenheere, es gab immer wieder Wehrpflicht, und es gab auch immer wieder kleine Berufsheere und Söldnergruppen und Teilzeitkrieger...



Gab es auch früher schon so prunkvolle Paraden zum Angeben?


Ja. Man hat in Rom sogar extra teure Triumphbögen dafür gebaut und sich erbittert darum gestritten, wer wann einen solchen Prunkzug abhalten darf.



Und wie hat man die Soldaten/Krieger früher trainiert?


Manchmal lebenslang, manchmal gar nicht. Je nach dem.
Ein ordentlicher Teil unserer heutigen Sportarten geht auf militärisches Training zurück. Manchmal sieht man das den Sachen gar nicht mehr an: Springreiten und Kunstreiten beispielsweise haben ihren Ursprung in Jagd und Kavallerie. Speerwerfen, Biathlon (Patrouillenlauf), Weitwurf, Fechten, Ringen, Orientierungslauf, Bogenschießen, etc. zeigen ihre Herkunft etwas deutlicher.
Wer in Formation kämpfen will, muß das üben -> da kommt das heutige Exerzieren her. Die haben da Jahrhunderte lang von der alten Phalanx bis zur flächendeckenden Einführung der Maschinengewehre geübt, wie man auf dem Schlachtfeld und unter Beschuß möglichst reibungslos verschiedene taktische Formationen und Manöver ausführt.
Heutige zur Aufruhrbekämpfung gedachte Polizeieinheiten könnten wahrscheinlich einiges von den alten römischen Legionen lernen, wenn deren Wissen nicht ausgestorben wäre.
Ok, es gibt Texte (Edda, glaube ich), die behaupten, irgendwelche Germanen hätten das Formations-Exerzieren wegrationalisiert, indem sie sich einfach mit Stricken in der Formation festgebunden hätten. Keine Ahnung.
Ansonsten gibt es in Asien einige überlieferte Schulen, die aber wohl meistens nicht für Massenunterricht sondern als Familienunternehmen von gut bezahlten Profis gedacht waren.



Gab es früher schon so etwas wie die Allgemeine Grundausbildung so wie bei den heutigen Streitkräften?
Falls ja, wie lang wurde geübt?


Wenn man eine Ausbildung macht, dann kristallisiert sich immer eine Grundausbildung mit Basics heraus.
Für Massenheere heißt das
- Strammstehen, Durchzählen, Kraftaufbau, Beißhemmung abbauen, wo ist bei der Waffe das Aua versteckt
- die wichtigsten taktischen Manöver, also bis zum Ende des amerikanischen Bürgerkrieges beim Fußvolk Linien, Karrees, Kolonnen bilden, Marsch- und Kampfrichtungen wechseln, Front und Reserve austauschen, Tempowechsel zwischen Stand, Schritt und Lauf, Sturmangriff mit Gebrüll, dann ab WKI vor allem in den Dreck schmeißen, robben, aufspringen, rennen, Tarnung und Feinderkennung, spezielle Tätigkeiten der jeweiligen Waffengattung und Einheit.

Bei asiatischen Profischulen gibt es verschiedene Ansätze zur Grundausbildung, die sich auch über die Zeit verändert haben.
Bei einem Interview zu einer Schwert-Koryu, das ich jetzt leider gerade nicht finde, sagte der Chef in etwa, der traditionelle Weg seiner Linie sei es gewesen, dem Anfänger sofort ein Schwert in die Hand zu geben. Ein bißchen grundlegender Umgang, Ziehen, Zurückstecken, ein Stich, ein ungehobelter Hieb und ein Ausweichschritt wären dann das, was der Anfänger nach dem ersten Trainingstag bereits soweit können müsse, damit er seine Überlebenschancen bzw. seinen Nutzen für den Dienstherren deutlich gesteigert habe, falls unglücklicherweise genau an diesem Abend eine feindliche Truppe die Dorfstraße heraufgestürmt käme. Mit dem, was heute die wohl meisten "Budo"-Trainer unter verantwortungsvollem Heranführen an gefährliche Gegenstände und Techniken verstehen und mit Waffen dienen der Vervollkommnung des Charakters - nicht dem ungehobelten Draufhauen, hat das natürlich nur entfernt zu tun.
Aber bei einer echten Bedrohungslage ist "Wir machen jahrelang entschärftes Curriculum als Alltagsausgleich und nur, wer wirklich 10 Jahre durchhält und ganz doll verantwortungsvoll ist, und fleißig alle 20 Prüfungsprogramme lernt, bekommt dann auch mal gezeigt, wie man haut und sticht" vermutlich eher als verantwortungslos einzustufen.

In einigen CMA hat man lange Zeit brachial anstrengende Körperarbeit betrieben, und dann die Schüler verprügelt, bis sie mit Gewalt und Angst zurechtkamen. "Klebende Hände" übt man vermutlich ganz anders als heute üblich, wenn man ständig davon ausgehen muß, daß ein unkontrollierter gegnerischer Arm plötzlich zuschlägt.
In Japan werden in einigen Judo-Dojo heute noch die Anfänger von den fortgeschrittenen Schülern monatelang verprügelt und getriezt. (Es gab auch vor ein paar Jahren einen Riesenskandal in Japan, weil dabei im Schulsport ein paar Kinder schwer verletzt wurden.)
Aus der Geschichte des Aikido, dessen Verbindung zur militärischen Ausbildung schon zu Uechibas Zeiten ziemlich stark gedehnt war, wird dasselbe berichtet: In der Grundausbildung wurden die Leute monatelang auf den Boden gedroschen, ehe sie mal selber einen Wurf lernen durften.
In der Jigen Ryu macht man eine Kamae, einen Schnitt, einen Schrei und einen Sturmangriff bis zur Perfektion.
Angeblich wurden täglich früh vor der Arbeit und abends nach der Arbeit jeweils mehrere Tausend Schnitte geübt.
Aus dem Chen-TJQ hab ich am Rande eines Seminars gehört, daß es in der Vergangenheit spezielle Kindervarianten der Formen/Figuren gab, die bis zur Jugendzeit geübt wurden, um Kraft und Flexibilität aufzubauen.
Ab der Jugend kam dann das eigentliche Kampfkunsttraining mit Formen und Partnerübungen.

Unterschiedliche Bedrohungslagen, unterschiedliche Zeiten und Konventionen, unterschiedliche Auffassungen des jeweiligen Lehrers und so weiter haben zu unterschiedlichen Lehrplanstrukturen geführt. Eine Lehrlinie passt sich an oder sie stirbt.



Und gehörte ein prunkvolles Auftreten schon damals zu den kriegerischen Tugenden ?


Machtdemonstrationen und Imponierversuche haben schon immer dazu gehört.

gion toji
04-06-2013, 16:18
Kürzlich habe ich in einem thread wieder die Theorie gelesen, es hätte mal über Generationen von Kämpfern erprobte, hochgeschmiedete "richtige" KKs gegeben.Das ist mehr ein Wahrnehmungsproblem. Wir wissen ziemlich genau, wie die KK-Landschaft heute aussieht: ein paar herausragende Persönlichkeiten und gaaanz viele Pfeifen.
Von der KK-Landschaft damals haben wir dagegen nur die Namen der Stars: Musashi, Ittosai, Liechtenauer. Von den Pfeifen wurde nichts überliefert, deswegen projeziert man gerne den Schein der Stars auf die Gesamtheit und dichtet sich dann hintenrum die entsprechenden BS-Erklärungen: das eigene Leben hinge auf dem Schlachtfeld von der KK ab; es gab irgendwelches verlorengegangene Geheimwissen, etc

peep
04-06-2013, 17:26
Welche Schlachtfelder haben über Einheitentaktiken, Grobmotorik und Ausdauer hinaus einen bestimmten Technikkanon herausgebildet - der in mehr als ein paar Jahren eigentlich fertig gebacken, weil letztlich sehr begrenzt war ?


Alle. Bogenschießen zu Pferde, wie es die asiatischen Steppenvölker von der Antike bis ins Mittelalter gemacht haben, geht mit "Grobmotorik" überhaupt nicht. Das scheitert ohne gründliches intensives Lernen schon am zügellosen Reiten.
Und nein, heutige Gewehre, Flugzeuge und Geschütze zielen und laden auch nicht von alleine. Da muß immer noch jemand mit viel Gefühl, klarem Kopf und ganz viel Training dafür sorgen.



Wie gut haben die Leute damals nachverfolgen können, was klappt ?
Haben die nicht auch viel im Nachhinein theoretisiert ?


Tote reden nicht. Schon gar nicht im Nachhinein.



Hat sich nicht auch früher meist im entschärften Training viel an Techniktheorie gebildet ?


Nein. Die Theorie kam lange nach dem Training, wenn Senioren ihr Wissen aufgeschrieben haben, um Nachfolgern eine Gedächtnisstütze zu hinterlassen. Wenn Du Dir mal wirklich ein paar traditionelle "Theoriewerke" in der KK anschaust, siehst Du, daß die ganz anders aussehen als heutige Theorien und Systeme in der Branche.
Die alten Schriften sind extrem knappe Skizzen und Eselsbrücken, manchmal Merkverse zum Auswendiglernen oder allgemeine pädagogische Aufsätze, aber niemals richtige Anleitungen oder Systeme.
Und das entschärfte Training damals würde heute in den meisten westliche geprägten Ländern Entsetzen und Proteststürme auslösen.



Aber gerade wegen mangelnder medizinischer Möglichkeiten wird man im Training doch versucht haben, nicht erwerbsunfähig zu werden.


Kommt drauf an. Den Sohnemann des Dienstherren will man sicher nicht zum Krüppel machen. Aber nicht jede zahlende Familie hat tatsächlich auch Macht. Und das Risiko liegt hauptsächlich bei offenen Wunden (Infektionen). Knochenbrüche sind was anderes.

Robb
04-06-2013, 17:37
Im Feudalismus wurden gerne italienische Fechtmeister für eine unterweisung im Schwertkampf zu Hof eingeladen.
Stahl ist härter wie Muskel und Knochen. Wozu willst dann irgendwelche Meister ehren mit der Weitergabe deren Griffart.
Taktik von mittelalterlichen schlachten oder Bewegungen von Haufen. Das ist etwas interessant. Der Reinhard von Demen hatte einige Schriften hinterlassen. Aber im Net ist nichts darüber zu finden.

Terao
04-06-2013, 17:47
Ich denke, im Allgemeinen haben wir das Thema damit ziemlich erschlagen. Wenns genauer sein soll, müssten wir jetzt anfangen, das nach Zeiten, Kulturen und Kampfkunsttraditionen aufzudröseln und reichlich Quellen anzuschleppen. Wir reden ja hier von Jahrhunderten, und auch die Zeit zwischen (mutmaßlicher) Gründung und heute ist sehr bedeutsam (auch da galt ja "anpassen oder untergehen"... wenn auch meist nicht auf dem Schlachtfeld). Wird dann enorm umfangreich, aber sicher sehr interessant. Ich mach gerne mit.

Was sagt denn unser Threadersteller? Präferenzen für ne bestimmte Richtung?

Robb
04-06-2013, 18:03
Ich denke, im Allgemeinen haben wir das Thema damit ziemlich erschlagen. Wenns genauer sein soll, müssten wir jetzt anfangen, das nach Zeiten, Kulturen und Kampfkunsttraditionen aufzudröseln und reichlich Quellen anzuschleppen. Wir reden ja hier von Jahrhunderten, und auch die Zeit zwischen (mutmaßlicher) Gründung und heute ist sehr bedeutsam (auch da galt ja "anpassen oder untergehen"... wenn auch meist nicht auf dem Schlachtfeld). Wird dann enorm umfangreich, aber sicher sehr interessant. Ich mach gerne mit.

Was sagt denn unser Threadersteller? Präferenzen für ne bestimmte Richtung?

Wozu willst da etwas Zeitlich einschränken? Wenn jeder etwas Wissenswertes schreibt kommt bestimmt ne Menge interessantes zusammen.

Eventuell ist es in 200 Jahren modern wie die Wehrmacht zu trainieren? Und dann weiß auch keiner ob es ein einheitliches Trainigsprogramm gab. Sondern nur die Archivierten Ergebnisse.

Terao
04-06-2013, 18:09
Wozu willst da etwas Zeitlich einschränken? Wenn jeder etwas Wissenswertes schreibt kommt bestimmt ne Menge interessantes zusammen.Weil man sonst, je mehr man ins Detail geht, Äpfel mit Birnen vergleicht. Kann man auch machen, aber dann bleibt man halt an der Oberfläche und (re)produziert fast so viele Mythen, wie man widerlegt (oder sogar mehr).



Eventuell ist es in 200 Jahren modern wie die Wehrmacht zu trainieren?Eventuell entdecken sie in 500 Jahren einen Rambofilm und gründen Vereine, in denen man "wie damals im 20. Jh." Bogenschießen auf Hubschrauberattrappen übt? ;)

Robb
04-06-2013, 18:15
Weil man sonst, je mehr man ins Detail geht, Äpfel mit Birnen vergleicht. Kann man auch machen, aber dann bleibt man halt an der Oberfläche und (re)produziert fast so viele Mythen, wie man widerlegt (oder sogar mehr).

Eventuell entdecken sie in 500 Jahren einen Rambofilm und gründen Vereine, in denen man "wie damals im 20. Jh." Bogenschießen auf Hubschrauberattrappen übt? ;)

Ich will aber heute Mythen auf klären.:D

Hubschrauberatrappe geile Idee dat spart nicht nur geld. Sondern dat schießt auch nicht zurück:-)

Vagabund
04-06-2013, 18:45
Die ältesten Videos, die wir von Kampfkünstlern (ob mit oder ohne Waffen) haben, machen mir eher den Eindruck, als wären wir heute viel weiter. Vor allem, was die individuelle Klasse, Fitness und Trainingsmethodik angeht.

Ich stelle mir das in etwa so vor, wie die Entwicklung in Ballsportarten. Der durchschnittliche heutige Bundesligaspieler wäre vor 50 Jahren wahrscheinlich einsame Spitze gewesen.

mrx085
04-06-2013, 18:55
Die ältesten Videos, die wir von Kampfkünstlern (ob mit oder ohne Waffen) haben, machen mir eher den Eindruck, als wären wir heute viel weiter. Vor allem, was die individuelle Klasse, Fitness und Trainingsmethodik angeht.

Ich stelle mir das in etwa so vor, wie die Entwicklung in Ballsportarten. Der durchschnittliche heutige Bundesligaspieler wäre vor 50 Jahren wahrscheinlich einsame Spitze gewesen.


Darf man fragen von welchen Videos im Kontext historischer Kampfkünste du genau sprichst?

peep Danke für deine fundierte Antwort.

die Chisau
04-06-2013, 19:20
Kürzlich habe ich in einem thread wieder die Theorie gelesen, es hätte mal über Generationen von Kämpfern erprobte, hochgeschmiedete "richtige" KKs gegeben.

Ich frage mich, ob das jemals so war.

Welche Schlachtfelder haben über Einheitentaktiken, Grobmotorik und Ausdauer hinaus einen bestimmten Technikkanon herausgebildet - der in mehr als ein paar Jahren eigentlich fertig gebacken, weil letztlich sehr begrenzt war ?

Wie gut haben die Leute damals nachverfolgen können, was klappt ? Haben die nicht auch viel im Nachhinein theoretisiert ?

Hat sich nicht auch früher meist im entschärften Training viel an Techniktheorie gebildet ?



Das Gürteltier

Schau dir die Geschichte der FMA an. Natürlich sind viele Stile mittlerweile kommerzialisiert und damit degeneriert, weil Unterhaltungsprogramm für den Breitensport mehr Geld bringt als mit ein paar wenigen realitätsnahe zu trainieren.
Aber es gibt auch andere die bis vor kurzem noch im Einsatz "getestet" wurden bzw. immer noch werden.
ZB. Giron Escrima - gegen die Japaner im WW2....

Es ist doch ganz einfach, solange es um das Überleben ging, wurde kein Schwachfug trainiert, oder sagen wir nicht lange. Die nicht effektiv genug trainiert haben, haben nicht lange überlebt.

So sind in die FMA (oder sicherheitshalber auf Escrima eingeschränkt) verschiedene europäische Fechtrichtungen eingeflossen in denen einheimische Söldnertruppen trainiert wurden, dazu kamen im Laufe der Zeit einheimische Einflüsse. Wurzel waren aber europäische militärische Grundlagen.

Man kann durchaus hart trainieren ohne Weltklasse medizinische Versorgung zu benötigen. Tote im Training gehören ja auch noch heute dazu (Z.B. Fremdenlegion...) und solange deren Zahl im "Rahmen" bleibt ist es (ich bin mir bewusst, dass das menschenverachtend klingt- ist von mir nicht so gemeint) unter dem Strich sinnvoller für die Kampfkraft der Truppe, als eine Einheit von nicht entsprechend hart trainierten Leuten.


https://www.youtube.com/watch?v=aphzZLBNcwg Sanatan Shastarvidiya trainiert nur mit rasiermesserscharfen Waffen - ein Fehler und es gibt Tote und Verstümmelte.., das passiert aber offensichtlich so selten, dass sie immer noch so trainieren. Und nicht nur die Sikh trainieren so...

https://www.youtube.com/watch?v=AhXtmjH1v5Q Hier Demo mit scharfen Waffen.

Phelan
04-06-2013, 20:59
Viele Silat-Stile stammen ähnlich wie bei den Filipinos auch von Kampfkünsten ab, die auf dem Schlachtfeld eingesetzt wurden. Ob diesen ja meist mündlichen Überlieferungen geglaubt wird, muss jeder für sich entscheiden. Wenn Maul bei uns von "the oldern days" erzählt halte ich das aber für sehr realistisch und wahrheitsgetreu. Und das ist bei anderen Stilen ebenso der Fall.

Gruß,
Phelan

Terao
05-06-2013, 11:15
Hier Demo mit scharfen Waffen.Zumindest die Sichel ist nicht scharf. Sonst hätte er ihm bei 2:35 den Bart rasiert. Und sie passen auch ordentlich auf, einander nicht zu verletzen (stumpfes Metall ist ja auch kein Spielzeug).

itto_ryu
05-06-2013, 13:42
Techniktraining/-vorführungen mit scharfem Stahl sind jetzt nicht so zum Niederknien, das machen viele.

Aber allgemein zum Thema, ich kan hauptsächlich von Europa sprechen, aber bisschen auch von Asien, speziell Japan: Kampfschulen und Stile entwickelten sich im Laufe der Jahrhunderte weltweit. Einige haben bsi heute überdauert, aber wer glaubt, diese seien völlig unverändert noch Original ist auf dem Holzweg. Aber das ist auch nicht schlimm, manche Kampfstile haben sich so sehr verändert, dass sie heute als moderner Wettkampfsport nur noch im kleinen Kern an das Original erinnern. Damals schon hatten die Leute dieselben Probleme wie wir heute, sie konnten im Vorfeld einen Kampf nur simulieren und theoretisieren, doch sie hatten oft Leute auf deren Realerfahrungen sie zurückgreifen konnten. Aber auch damals schon gab es in Europa wie Asien Aufschneider, Maulhelden und Scharlatane oder zumindest Fechtmeister, die rein auf Theorie zurückgreifen konnten. Und natürlich gab es auch echt erfahrene Kämpfer. Will man das heute beurteilen, muss man wie im Fall der europäischen KKs eben akademische Forschung machen und dann kämpferisch erproben, es ist experimentelle Archäologie gepaart mit anwendungsbezogener Kampfkunst.

Damals schon kann man je nach Quelle unterscheiden, war es eine militärische Schule, war es eine zivile Schule und wenn ja, war dies für SV oder Duell, ja gar rein für den Sport? Man kann einige Quellen eindeutig zuordnen, andere überschneiden sich thematisch und manche sind Rundum-Sorglos-Pakete.

Beim Militärfechten steht eindeutig Drill und Formationskampf im Vordergrund, aber auch schon beim Schildwall der Angelsachsen oder der Phalanx der Makedonen, dem Formationskampf der Römer, dem Gevierthaufen, Pikenwall, Kolonnen- oder Linienformationen mit Muskete und Bajonett, Drill, Taktik und Organisation waren da das Thema. Individualkampf kam vor allem im Bereich Duell zum Tragen, dann natürlich eindeutige SV-Bezogenheit (z.B. mittelalterliche Quellen zum Dolch in Zivil). Nimmt man Quellen zum Harnischkampf des Mittelalters, können diese Techniken z.T. dem Gerichtszweikampf zugeordnet werden, aber vieles funktioniert natürlich auch auf dem Schlachtfeld bzw. war dafür gedacht.

Nehmen wir mal speziell die Quellen des 18. und 19. Jhds., die ich besonders kenne: Die Broadsword-Mansuskripte sind vornehmlich aus dem militärischen Umfeld und wir finden darin die grobmotorischen, leicht zu merkenden Bewegungsdrills, die immer wieder gepaukt wurden, womit man einfache Rekruten leicht für das Schlachtfeld vorbereiten konnte. Hinzu kommen handgemeine Nahkampftechniken für das Schlachtfeld und den Duellkampf. Wir finden darin aber auch viele komplexere Techniken, die entweder nur für ein Duell taugen oder aber im Bezug auf die benutzte Waffe sogar ziemlich blödsinnig sind. Warum? Weil schon damals viel Material von anderswo einfloss, beim Broadsword hat man Offizeire ausgebildet, sich halbwegs mit dem Säbel udrchs Schlachtfeld zu hacken, gleichzeitig flossen aber auch Aspekte aus dem zviilen Duell ein, die vermehrt vom Stoßfechten mit dem Smallsword ("höfischer Degen") kamen. Diese sind manchmal bedingt mit einer schweren Militärklinge anwendbar, manchmal sind sie nur dumm oder maximal im sportlichen Rahmen anwendbar.

Aber so ist es eben, auch damals schon gab es irrtümliche Ansichten über den Kampf, über einige Fechtmeister hätte damals wohl der gemeine Soldat, der viele drekcige Schlachten gesehen hat, nur hämisch grinsen können und das als "Salonfechten" tituliert. Es gibt sogar ein paar Quellen, die man heute als "Fake" einkategorisieren kann, sprich da hat einer quasi nur abgekupfert oder Schrott geschrieben (plump ausgedrückt).

Eintwicklungen gingen oft auch mit der Mode einher, man nehme die Waffen und Taktiken der Sengokujidai, davon hatte im späteren japan doch keiner mehr einen blassen Schimmer. In Europa kam das Rapier immer mehr in Mode, von der eigentlich noch militärischen leichteren Hiebschwertversion irgendwann hin zum aus dem duellwesen entsprungenen sehr schlanken Zivilrapier. Schon damals maulten andere Fechtmeister rum, siehe George Silver, der um 1600 herum mehrfach gerne italienische Rapiermeister verhaute, um zu beweisen, dass es sinnvoller war mit dem älteren Backsword und Buckler zu kämpfen, weil dies seiner Meinung nach auch dem Militärdienst nutzte und er Rapierfechten für "Duell-Gestochere" hielt. Andererseits gab es Soldaten wie Donald McBane, der im frühen 18. Jhd. mit dem Smallsword beides konnte, Schlachten überstehen und zahrleiche Duelle ausfechten.

Man muss also genau forschen und kann sich dabei halbwegs daran halten, ob ein Stil:

- traduiert ist, sprich eine gewisse ungebrochene Linie überdauert hat, wenn auch ggf. nicht unverändert
- rekonstruiert ist, also anhand von akademischer Forschung und kämpferischer Praxis, wenn auch immer bis zu einem gewissen Punkt ob er Interpretation der Quellen spekulativ
- selten eine Mischung aus beidem ist.



Kurz gesagt:

Gürteltier
05-06-2013, 23:32
Schau dir die Geschichte der FMA an. Natürlich sind viele Stile mittlerweile kommerzialisiert und damit degeneriert, weil Unterhaltungsprogramm für den Breitensport mehr Geld bringt als mit ein paar wenigen realitätsnahe zu trainieren.
Aber es gibt auch andere die bis vor kurzem noch im Einsatz "getestet" wurden bzw. immer noch werden.
ZB. Giron Escrima - gegen die Japaner im WW2....


Wann, wie oft? Bei der Wachenbeseitigung niederstechen ? Wenn im Nahkampf : Ein Eskrima Meister sticht wie ne Nähmaschine - alles Training bis auf die geistige Einstellung außen vor - und wird dann halt "sein Eskrima" kriegserprobt nennen ??



Es ist doch ganz einfach, solange es um das Überleben ging, wurde kein Schwachfug trainiert, oder sagen wir nicht lange. Die nicht effektiv genug trainiert haben, haben nicht lange überlebt.

Konnten aber auch nicht mehr über ihren miesen Nahkampfausbilder meckern...
Gerade wenn technisches Training keine echte große Rolle spielte, wie in meiner Theorie, würde es auch keinen Selektionseffekt haben.
Aber... die Überlebenden mögen abergläubisch ihr Training weiterverfolgen.




https://www.youtube.com/watch?v=aphzZLBNcwg Sanatan Shastarvidiya trainiert nur mit rasiermesserscharfen Waffen - ein Fehler und es gibt Tote und Verstümmelte.., das passiert aber offensichtlich so selten, dass sie immer noch so trainieren. Und nicht nur die Sikh trainieren so...

https://www.youtube.com/watch?v=AhXtmjH1v5Q Hier Demo mit scharfen Waffen.

Ist für mich ein typisches Beispiel für teils überzeugendes ( mit nem Schwert ist jeder überzeugend) und von da aus in Machtphantsien schwelgen und zunehmend zaubern.
Druckpunkt am Arm ...

Gürteltier
05-06-2013, 23:39
Das ist mehr ein Wahrnehmungsproblem. Wir wissen ziemlich genau, wie die KK-Landschaft heute aussieht: ein paar herausragende Persönlichkeiten und gaaanz viele Pfeifen.
Von der KK-Landschaft damals haben wir dagegen nur die Namen der Stars: Musashi, Ittosai, Liechtenauer. Von den Pfeifen wurde nichts überliefert, deswegen projeziert man gerne den Schein der Stars auf die Gesamtheit und dichtet sich dann hintenrum die entsprechenden BS-Erklärungen: das eigene Leben hinge auf dem Schlachtfeld von der KK ab; es gab irgendwelches verlorengegangene Geheimwissen, etc

Wobei die Stars gute Duellanten waren, wir aber nicht wissen, warum genau.
Animal Mac Young spekulierte ja mal nett, das in dem festen Holzschwert von Musashi mit gutem Blockwinkel so manches Stahlschwert stecken bleiben würde... wenn Musashi ja dann noch auch das gleichzeitige Nutzen eines Kurzschwertes propagierte... hm.

Wäre schlau, erfahren - und schnell vermittelbar.

Phelan
05-06-2013, 23:42
Gürteltier, warst du schon auf einem Seminar von ihm (sikh)? Nein? Dann würd ich dir mal raten es einfach zu machen und schauen wie du so den "Druckpunkt am Arm" findest.. mach einfach mal.

Gruß
Phelan

Gürteltier
05-06-2013, 23:50
Alle.

Schrieb er und ließ EIN Beispiel folgen das sich wie der Jetpilot zum Infantristen verhält :


Bogenschießen zu Pferde,... :
Und nein, heutige Gewehre, Flugzeuge und Geschütze zielen und laden auch nicht von alleine. Da muß immer noch jemand mit viel Gefühl, klarem Kopf und ganz viel Training dafür sorgen.

Steitwagenfahren und Panzerfahren auch nicht. Ist aber nicht meine thematische Baustelle.


Tote reden nicht. Schon gar nicht im Nachhinein.


Viel lustiger ist ja, das Überlebende und Sieger im Überschwang um so mehr reden ... und ausschmücken was sie eh oft schon falsch attribuieren.




Die alten Schriften sind extrem knappe Skizzen und Eselsbrücken, manchmal Merkverse zum Auswendiglernen oder allgemeine pädagogische Aufsätze, aber niemals richtige Anleitungen oder Systeme.

Eben.

Gürteltier
05-06-2013, 23:55
Gürteltier, warst du schon auf einem Seminar von ihm (sikh)? Nein? Dann würd ich dir mal raten es einfach zu machen und schauen wie du so den "Druckpunkt am Arm" findest.. mach einfach mal.

Gruß
Phelan

Der Druckpunkt wurde bei mir schon viel benutzt. U.a. mein Goju Trainer steht da voll drauf. Bin da auch sehr empfndlich.Bei Vorfühungen.

Im Sparring is es mir wurscht wie nur was.

Bei IHM war ich noch nie. Bei IHNEN in den letzten 35 Jahren schon oft. SIE sind sich letztlich sehr ähnlich.
WIR sind ja auch SIE.

Gürteltier
06-06-2013, 00:10
Ich denke, im Allgemeinen haben wir das Thema damit ziemlich erschlagen. Wenns genauer sein soll, müssten wir jetzt anfangen, das nach Zeiten, Kulturen und Kampfkunsttraditionen aufzudröseln und reichlich Quellen anzuschleppen. Wir reden ja hier von Jahrhunderten, und auch die Zeit zwischen (mutmaßlicher) Gründung und heute ist sehr bedeutsam (auch da galt ja "anpassen oder untergehen"... wenn auch meist nicht auf dem Schlachtfeld). Wird dann enorm umfangreich, aber sicher sehr interessant. Ich mach gerne mit.

Was sagt denn unser Threadersteller? Präferenzen für ne bestimmte Richtung?

Mir sind alle historischen Kontexte recht.

Mein grundsätzlicher Ansatz ist eher, das Sparring das Lernfeld von Kampfkünsten ist.
Struktur und Auswertung des Sparring bringen die Entwicklung.
Einschränkungen bestimmen die Richtung dieser Entwicklung.

Heutige Militärerfahrungen im Nahkampf sind m.E. wertlos.
Viele Systeme einfach nur Marketingerfolge des Ausbilders, der das Militär motivieren konnte, ihn anzustellen.

Früher war das anders, aber auch begrenzt. Es war meiner Idee nach nie relevant für die Paralellentwicklung eines Duellstils der gleichen Zeit.
Der wurde halt im Sparring entwickelt.

Auch blutige, tödliche Duelle sind kein Garant für Expertise. Wenn beide dem gleichen Lehrblödsinn verhaftet wären... brächten sie sich damit zu Tode.
Oder fielen beide irgendwann auf instinktives zurück.
Oder nur der Sieger - und der vergäße vielleicht, wodurch er letztlich siegte.

Ein Beispiel, wenn ich französisch schreiben könnte ... Coup de Jarnac ?

Einer blutet aus ner Beinarterie zu Tode, weil er sich nicht verbinden lassen will, und andere lassen das als geheime Technik des Siegers und ÜBERLEBENDEN gelten....

Terao
06-06-2013, 00:51
Auch blutige, tödliche Duelle sind kein Garant für Expertise. Wenn beide dem gleichen Lehrblödsinn verhaftet wären... brächten sie sich damit zu Tode.
Oder fielen beide irgendwann auf instinktives zurück.
Oder nur der Sieger - und der vergäße vielleicht, wodurch er letztlich siegte.Gefällt mir eigentlich ganz gut, der Ansatz. Ich denke auch, dass man nicht unbedingt davon ausgehen muss, dass nach einem Duell (in ner Schlacht gibt es m.E.n. viel zu viele Störgrößen, als dass der einzelne Beteiligte tatsächlich bis auf Technikenebene die Effektivität seiner Vorgehensweise hätte prüfen können. Schon gar nicht systematisch. Wird von Gruppentaktiken fast vollständig überlagert) tatsächlich eine so systematische Auswertung stattfand, wie sie heute etwa nach einem Boxkampf stattfindet. Zumal, wenn diese sehr schnell vorbei waren.
Mir scheint aber auch (und das würde eher für die Möglichkeit einer vernünftigen Auswertung bzw. eines Lernprozesses sprechen) dass zumindest in Japan Duelle oft gar nicht so tödlich waren, wie man annehmen würde: Es gibt überraschend viele Geschichten davon, dass sich der Verlierer dem Sieger als neuer Schüler anschloss. Was nur möglich ist, wenn beide im Großen und Ganzen unverletzt blieben. Bereits Mitte des 16. Jh. (also noch in Sengoku) wurden (Fukuro-)Shinai nicht nur zum Training, sondern auch schon für "offizielle" Duelle benutzt. Und erst um diese Zeit herum, bzw. später, ist die Mehrzahl der heute existierenden Koryu entstanden. Anfang 17. Jh. kam dann als begünstigender Faktor ein Verbot von Duellen zwischen Schulen hinzu (wenn sie auch natürlich trotzdem immer noch stattfanden), was aber für Shinaiduelle nicht galt. Ungefähr um diese Zeit herum wurden auch erste Schutzausrüstungen entwickelt, wohl im Austausch mit sich parallel entwickelnder Schutzkleidung fürs Sojutsu.
Ich denke, dass diese "harmloseren" Duellkämpfe das Ansammeln von Erfahrung wesentlich mehr begünstigt haben als Schlachten.

itto_ryu
06-06-2013, 11:34
Richtig, auch bei Duellen kann man sich überlegen, wussten die Leute, was sie da taten? Kann sein, dass sie vorher bei einem Fechtlehrer zur Vorbereitung waren, dass sie vielleicht sogar gute Fechter waren oder sogar die ein oder andere Schlacht überlebt haben. Oftmals waren Duelle so, dass sich vielleicht zwei ehrendurchsuppte Großmäuler am Tag des Duells zitternd gegenüberstanden und haben aufgrund des sozialen Drucks sich gegenseitig zerstochert. Es gibt auch viele Beschreibungen von Duellen, die zeigen, dass die Kämpfer wussten, was sie tun hier zwei davon:

http://www.thearma.org/essays/DOTC.htm
http://www.thearma.org/essays/DOTC.htm

Für den Duellkampf waren Zweikämpfe bei denen die Kontrahenten überlebten (es gab oft ausgemachte Kämpfe, die "nur" bis "zum ersten Blut" gingen) sicherlich in der Nachbetrachtung auch technisch interessant. Ebenso aber auch die Erfahrungen und Auswertungen nach Schlachten, was sich aber vor allem in den Theorien von Militärexperten der damaligen Zeit niedergeschlagen haben wird, was dann letztlich wieder im Drill des einzelnen Soldaten einfloss. In Epochen und Kulturen, die ihre Kriegerliten ins Feld schickten, wird sich auch der einzelne Überlebende aufgrund der Erfahrungen seine Gedanken gemacht haben in der Nachbetrachtung.

Klar ist doch, dass jemand der damals erstmalig in den ernsten Kampf zog, vor teils identischen, teils anderen Problemen stand wie wir heute, psychologische Einflüssen mögen sich gleichen, soziale Hintergründe widerum weniger, aber die Angst vor Tod und Verwundung, die Hemmschwelle des Tötens überschreiten, der Schrecken des Krieges oder auch "nur" des Duells usw. Im Vorfeld blieb ihm nicht viel technishc zu simulieren, so wie wir, aber man kann davon ausgehen, wenn er einen guten Lehrer hatte, konnte er auf jemandem mit Realerfahrung zurückgreifen. Heute geht das im Kampfsport natürlich auch, ebenso im Militärbereich und der SV, wenn es dort Trainer mit "Einsatzerfahrungen" in ihrem Spektrum gibt. Doch einen kompetenten Lehrmeister zu haben ist das eine, dieses auch umsetzen zu können für sich selbst, das andere. Dies war damals so, dies ist heute so.

Der Denkansatz von Gürteltier ist somit berechtigt, historisch verankert oder im Einsatz getestet, heißt nicht gleich, es funktioniert bzw. für jeden. Wenn jemand einmal einen Terroristen dessen Uzi mit einem dreifach eingesprungenen FLughighdrehkick entwaffnet hat, heißt das nicht, dass dies die effektivste Entwaffnungstechnik für jedermann ist. Doch damals wie heute gilt, jeder muss so trainieren, wie er denkt, es sei richtig, man bereitet sich für was auch immer vor. Sportler haben den Vorteil, sie haben ein echtes Testfeld, in der SV bleibt vieles praktische Theorie, aber auch da kann man ab und an testen, ebenso im Militär. Schauen wir uns die historischen Kampfkünste an, sieht man aber schnell, auch damals schon machte es immer Entwicklungen durch, die nicht immer positiv sein mussten, manchmal der Zeit und Mode unterlegen waren usw.

Die Beurteilung dieser Thematik ist sehr komplex und lässt sich nicht auf ein feststehendes Muster einschießen.

Robb
06-06-2013, 12:05
Interessanter Beitrag nur schade das die Links nicht in Deutsch im Net sind.

ryoma
06-06-2013, 12:23
Immer diese Schlachtfeld-Frage....
Ich bin ganz zufrieden mit meiner "Duell"-Schule. ;)

Bezogen auf Japan ist es eben tatsächlich so, dass sich der grosse Technik-Kanon erst einige Jahrzehnte nach Sekigahara begann zu entfalten und seinen Niederschlag in den vielen verschiedenen Ryûha fand.

itto_ryu
06-06-2013, 14:51
Immer diese Schlachtfeld-Frage....
Ich bin ganz zufrieden mit meiner "Duell"-Schule. ;)

Das ist auch super so :halbyeaha Jede Schule/Fokussierung hatte ja ihre berechtigte Grundlage, einen Sinn und Zweck. Wenn ich z.B. italienisches Rapier nach Capo Ferro lernen möchte, lerne ich eine ganz bestimmte Waffe und einen ganz bestimmten Stil, der damals für einen ganz bestimmten Zweck gedacht war. Suche ich mir einen Milizstil wie die Bologneser Schule nach Marozzo aus, finde ich Aspekte des Militärs, des Duells und der SV und finde eben auch viele Milizwaffen speziell für das Schlachtfeld. Im Fall des Broadsword finde ich diese drei Aspekte ebenfalls und kann noch die Unterscheidung setzen zwischen pre-Culloden "Clan-System" und post-Culloden "Regiments-System". Interessant ist dieser historische Kontext bei der Beurteilung der Fechtquellen bzw. ist er sogar immens wichtig bei der Interpretation der darin enthaltenen Techniken und Konzepte.

Nehme ich z.B. die persischen Quellen, beziehen sich diese auf verschiedene Waffen, die einen bestimmten Zweck hatten im Umfeld der Schlacht und des Zweikampfes mit dem wichtigen Hintergrund immer in Rüstung. Innerhalb dieser Tradition finde ich aber auch mit Qame und Qaddare (Kurzschwerter) Waffen die vornehmlich dem Duell in Zivil dienten und ab einem bestimmten Zeitraum Verwendung fanden. Die Unterscheidung also welches Mittel/Technik/Werkzeug welchem Zweck in welchem Umfeld diente, ist also nützlich für das historische Verständnis der Quellen. Man kann zwar ohne weiteres wenn man sich Mühe gibt effektiv einn Kavalleriesäbel in Mailänder Vollplatte mit römischem Scutum schwingen, aber eine Antwort auf Fachfragen zu den echten Quellen bietet mir das nicht.

Ich finde es ist wichtig, wenn man diese historischen Fakten akademisch und sachlich betrachtet und nicht krampfhaft nach einem "was ist besser" sucht, was leider oft der Fall ist (also nicht in diesem Topic, welches ich recht spannend finde).

Gürteltier
06-06-2013, 16:46
Danke, schön umfangreiche Quelle zum Coup.

Ja, nicht tödliche Duelle führen vielleicht zu besseren Lernkurven.

Wobei da dann wieder die Balance ins Spiel kommt, inwieweit "Ersatzziele" entwickelt werden, die sozusagen sportlich sind.

Ums erste Blut zu kämpfen etwa läßt sich ja viel an den Armen abhandeln.


Ich würde wie Vagabund meinen, das wir uns vielleicht in einer viel günstigeren Zeit der KK Entwicklung befinden.
Und so wie wir damit zu kämpfen haben, realistisch und möglichst verletzungsarm zu trainieren, hatten das frühere Kämpfer eben auch.
Ihre Möglichkeiten der Dokumentation und des Austausches waren aber ungleich bescheidener.

Wobei bei Ihnen oft auch noch mehr auf dem Spiel stand.
Nicht nur in der Schlacht.

Ich denke, Methoden ein starkes Mindset zu entwickeln, hatten die Veteranen defintiv.
Kenntnisse auch.

Aber verlorengangene Wissensschätze, die sich nicht recht schnell wiedererfinden oder gar übertreffen lassen, vermute ich eigentlich nicht.

Ich kam durch einen der jüngeren Messerthreads drauf, in dem man eine wohl echte Messersituation auf Video recht gut behandelte.
Fast nur einer der Disskutanden konnte sich nicht in die leichte "Hast" mit denen man in Ernstfällen agiert und das ewig experimentelle - selbst bei viel Erfahrung mit der Art eines solchen Kampfes hineinversetzen.

Weil er m.E. im Training für sich zu wenig Druck erzeugen ließ.

Über seine Technikphantasie kam dann die Phantasie von erprobteren Stilen gegenüber der Marke Eigenbau ins Spiel.

Ich würde meine Phantasie dagegen setzen, das es eigentlich die Art des Trainings und Sparrings ist, die dafür sorgt, das manche Stile sich immer wieder erneuern.
Kampfwissen bleibt nur durch ständiges Wiedererfinden und Selbsterfahren am Leben, würde ich behaupten.

Was man an Vorerfahrungen übernehmen kann, ist begrenzt.
"Mein" Karate etwa tendiert eher dazu, auszutrocknen durch Übersymbolisierung.

die Chisau
06-06-2013, 21:51
1.Wann, wie oft? Bei der Wachenbeseitigung niederstechen ? Wenn im Nahkampf : Ein Eskrima Meister sticht wie ne Nähmaschine - alles Training bis auf die geistige Einstellung außen vor - und wird dann halt "sein Eskrima" kriegserprobt nennen ??


2.Ist für mich ein typisches Beispiel für teils überzeugendes ( mit nem Schwert ist jeder überzeugend) und von da aus in Machtphantsien schwelgen und zunehmend zaubern.
Druckpunkt am Arm ...

1.Ich war nicht dabei.
2. Ich sehe das gänzlich anders. So viel Waffensparringserfahrung habe ich.
Druckpunkt am Arm? Natürlich funktioniert das und wie. Bernd Schubert von der ETF Zum Beispiel verwendet die auch und da kann keiner behaupten er hätte keine Praxiserfahrung. Wie man es macht, wann man es macht, muss man natürlich verinnerlicht und unter vollem Druck trainiert haben, sonst geht gar nichts klar.


Zumindest die Sichel ist nicht scharf. Sonst hätte er ihm bei 2:35 den Bart rasiert. Und sie passen auch ordentlich auf, einander nicht zu verletzen (stumpfes Metall ist ja auch kein Spielzeug).

Es gibt ein Video von einer öffentlichen Vorführung, wo einer ein paar Barthaare verliert. Kein Trick. Ob das nun sehr verantwortungsvoll ist oder nicht, kann man durchaus diskutieren. Aber wenn einer gegen 4 Leute antritt und alle scharfe Waffen haben, muss man schon eine verdammt gute Übersicht haben um im Chaos nicht irgendwo versehendlich reinzurennen, da war auch nichts choreographiert.

https://www.youtube.com/watch?v=Bz664EzQ6Xw bei einem dieser Clips ist es passiert..ab 5:10

Gürteltier
08-06-2013, 15:59
[QUOTE=die Chisau;3020295]1.Ich war nicht dabei.
2. Ich sehe das gänzlich anders. So viel Waffensparringserfahrung habe ich.
Druckpunkt am Arm? Natürlich funktioniert das und wie. Bernd Schubert von der ETF Zum Beispiel verwendet die auch und da kann keiner behaupten er hätte keine Praxiserfahrung. Wie man es macht, wann man es macht, muss man natürlich verinnerlicht und unter vollem Druck trainiert haben, sonst geht gar nichts klar.

Ich nehm mal den guten Sikh raus der Sache.
Den kenn ich nicht und es war nur der typtsche Eindruck von mir, den ich wohl auch gern getriggert sehe.

Ist so ne FMA Krankheit, finde ich. 20 % guter Kram, 80 % verliebtes Weiterspinnen des Gefunden ins immer mehr coole Spiel.
Wobei mir das bei den FMA gegnüber anderen KKs wesentlich mehr Spaß macht.

Ich meine mal allgemein : Wenn jemand viel schlägert, schützt das nicht davor, dass er u.a. vielleicht auch Kokolores im Training macht - der kommt dann im Fahrwasser umso unbescholtener mit.
Er nutzt vielleicht sein Prioritätstechniken, und denkt von den anderen auch nur "Ach , das müßte dann ja auch gehen."

Generell fand ich immer Leute effektiver, die Haut- und Muskelgriffe an mir praktizierten, als die Druckpunkte.
Gerade auch im Sparring - Auuua.

Und ja, wir waren nicht dabei.
Die können uns ja viel erzählen, WANN sie ihre FMA anbrignen konnten im WW2.
Tun sie meist nicht mal. Nur das sie es konnten, erzählen sie.

Willi von der Heide
08-06-2013, 17:37
Edit

Terao
08-06-2013, 21:16
Wie dem auch sei, mit dem Thema hats wohl nichts zu tun. Wir werden uns ja alle einig sein, dass noch nie in der Geschichte eine Schlacht wegen überlegener Druckpunktkenntnisse der einen Seite entschieden wurde, oder?

Gürteltier
09-06-2013, 22:56
Druckpunkt ist nur ein Synonym für " Ich erschieß ihn und mein Eskrima is erprobt " - Pikiti Tirsa bei L.G. würde genau das tun.
Geht auch Dich an. Scheinbar is Kendo ja voll abgestunken im Pazifik Krieg.

Phelan
09-06-2013, 23:06
Ach je...

fujikomma
09-06-2013, 23:19
Im Krieg wie auch in der Vorbereitung geht es darum einen Soldaten auf dem Schlachtfeld mit einem Verletzungs(Verstümmelungs)- und Tötungstraining/Potential auszustatten.Denn zum Töten gehört zum Krieg! Wer sich Z.b. mit dem 2.Wk Combatives-Training beschäftigt wird feststellen das nach `45 der Syllabus entschärft wurde-speziell in Grossbritannien! Oder als Modeerscheinung in den USA in den Fieldmanual 21-150 der hohe Bjj-anteil ab !992..Und was Töten bei Duellen angeht oder auch sonst ne saubere! Blutvergiftung hat das meistens erledigt.

Und nicht vergessen der Sieger schreibt die Geschichte:D

Terao
09-06-2013, 23:28
Scheinbar is Kendo ja voll abgestunken im Pazifik Krieg.Zugegeben, gegen Flugzeugträger hat sichs nicht so recht bewährt. War wohl schon damals zu versportlicht :D

Nee, ernsthaft: Auch wenn man so die Schlachten der Geschichte revue passieren lässt, die noch (großenteils) mit Handwaffen ausgetragen wurden, sind die Gründe für den Ausgang eigentlich immer in waffentechnischer oder zahlenmäßiger Überlegenheit, guter Taktik, Aufstellung, Gruppenzusammenarbeit, Geländevor- oder -nachteilen und Kampfmoral zu suchen. Erst irgendwo ganz weit hinten kommt dann vielleicht noch das fechterische Können. Die bedeutsameren Aspekte bestimmen auch (meistens), auf welcher Seite es mehr Überlebende gibt.
Kurz: Für das Überleben einer Schlacht ist es wichtiger, wo man steht und was der Rest macht, ob man die richtige Rüstung trägt und ob der Feldherr halbwegs weiß, was er tut, als das individuelle Können. Wir KKler haben da glaub ich oft eine völlig verzerrte Wahrnehmung.

Ein schönes Negativbeispiel für diese Perspektivenverzerrung hab ich neulich in einem grottigen wikipedia-Artikel gefunden:
Im Nahkampf gebrauchten die Konquistadoren das Rapier, einen Degen.

Da viele der Männer Hidalgos waren, übten sie mit dieser Waffe seit ihrer Kindheit. Der tägliche Drill hatte sie zu erfahrenen Kämpfern gemacht. Mit ihren sehr scharfen, jedoch viel schwereren Waffen aus Holz und Stein waren die Indianer den Konquistadoren mit ihren gut ausbalancierten Degen hoffnungslos unterlegen, denn die Indianer nutzten ihre Obsidianschwerter oder Keulen immer als Hiebwaffen. Durch die lange Ausholbewegung ist der Hieb stets langsamer als der Stoß. Zudem hatten die Konquistadoren mit dem geringen Gewicht ihres Degens einen weiteren Vorteil: Sie ermüdeten nicht so schnell und der niedrige Schwerpunkt ihrer Waffe ermöglichte ihnen im Nahkampf durch Parade und Riposte sofortige Gegenangriffe.Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Konquistador

Ich mag mir gar nicht vorstellen, was der gute Hans Delbrück zu diesem Abschnitt geschrieben hätte...

itto_ryu
09-06-2013, 23:50
Druckpunkt ist nur ein Synonym für " Ich erschieß ihn und mein Eskrima is erprobt " - Pikiti Tirsa bei L.G. würde genau das tun.
Geht auch Dich an. Scheinbar is Kendo ja voll abgestunken im Pazifik Krieg.

Na wenn wir jetzt schon lustig herumfrotzeln: Der Spaßvogel könnte fragen, als wie effektiv die FMA denn eigentlich einzuschätzen sind, wenn man bedenkt, dass die Philippinen ewig unter europäischer bzw. westlicher Fremdherrschaft waren? Und da komm keiner mit Lapu Lapu und Magellan ;)

Willi von der Heide
09-06-2013, 23:52
Edit

itto_ryu
09-06-2013, 23:54
Soweit ich weiß ist der BJJ-Anteil auch reingenommen worden, weil man eingesehen hat, dass viele Soldaten erstmal das kontrollierte Rauf lernen müssen und das geht am sichersten am Boden.

Nite
10-06-2013, 00:08
Wobei Combatives (FM 21-150) eine US Army-Geschichte ist, während LINE und MCMAP (Marine Corps Martial Arts Program) Programme des USMC sind.
Bei den Amerikanern kocht da jeder so sein eigenes Süppchen.

Terao
10-06-2013, 00:18
Und da komm keiner mit Lapu Lapu und Magellan ;)Wobei gerade DIESE Schlacht ein sehr schönes Beispiel ist für Schlachten, in denen sich KKs angeblich "bewährten": Battle of Mactan - Wikipedia, the free encyclopedia (http://en.wikipedia.org/wiki/Battle_of_Mactan)

Glaubt man der zitierten Originalquelle, muss man sich das wohl eher als ein langandauerndes Scharmützel vorstellen, in dem beide Seiten einander lange beschossen, bzw. mit Speeren und Steinen bewarfen, ohne dass es eine Seite gewagt hätte, sich in Nahkampfweite anzunähern. Dann sei Magellan wohl durch einen Speerwurf verwundet worden und habe einen Rückzug angeordnet, der aber zu einer Massenflucht wurde. Worauf die Gegner mit vereinten Kräften über ihn und eine Handvoll bei ihm gebliebene Getreue herfielen und sie durch pure zahlenmäßige Überlegenheit überwältigten und massakrierten, bevor Magellan auch nur seine Handwaffe ziehen konnte.
Wie wenig entschlossen diese "Schlacht" offensichtlich durchgefochten wurde, kann man auch daran erkennen, dass es trotz eines Zahlenverhältnisses von 1.500 zu 60 auf spanischer Seite (einschließlich Magellan) lediglich eine Handvoll Tote zu beklagen gab (der Chronist spricht von drei).

Absolutely no KK involved.

Robb
10-06-2013, 06:42
Habe ein schönes vid auf tupe gefunden. Kann es nur nicht verlinkten.

"Classical European Swords and Stick Fighter Technique"

Willi von der Heide
10-06-2013, 11:14
Edit

Shugyo
10-06-2013, 11:35
"Classical European Swords and Stick Fighter Technique"

Habe es mal verlinkt:

pF5yyfBa2wI

Nite
10-06-2013, 11:57
zu den FMA im 2. Weltkrieg. Ich vermute mal, daß eher grobmotorisch gekämpft und trainiert wurde.
Ich vermute ehrlich gesagt eher dass die Rolle von Kampfkünsten hier mal wieder maßlos überschätzt wird, und diese (Fehl-)Einschätzung von dem ein oder anderen Meister noch gefördert wird.
Die Hauptwaffen der phillippinischen Rebellen dürften wie in jedem Guerilla-Krieg Handfeuerwaffen und vor allem Sprengstoff gewesen sein.

Terao
10-06-2013, 12:12
Übrigens, es gibt auf der Tube auch einige Videos von französischen (damals natürlich bereits illegalen) Duellen von Anfang des 20. Jh. aufs erste Blut. Sehen so aus, wie es oben schon beschrieben wurde: Stochern aus maximaler Entfernung, in der Hoffnung, den anderen am vorgestreckten Waffenarm zu erwischen. Auch nicht das, was man als KKler vielleicht erwarten würde. Liegt nicht daran, dass die so ungeübt sind, sondern daran, dass das für beide unter diesen Bedingungen die rationalste Vorgehensweise ist.

Ein Beispiel:
1911 Epee Duel: Pierre Mortier vs Gustave Tery - YouTube (http://www.youtube.com/watch?v=rElNQuBvFeQ)



Muss da auch immer an "Rashomon" denken (m.E.n. einer der genialsten Filme aller Zeiten, gibts auch auf der Tube): Wie schildern die Kämpfer selber ihren Kampf, wie schildert es ein außenstehender Dritter? Muss nicht viel miteinander zu tun haben ;)

Nite
10-06-2013, 12:20
Das letzte Duell fand in Frankreich übrigens 1967 zwischen einem gaullistischen und einem sozialistischen Parlamentsabgeordneten statt. Gekämpft wurde ebenfalls bis zum ersten Blut, der Sozialist konnte das Duell für sich entscheiden nachdem er seinem Gegner einen Schnitt am Arm verpasst hatte.

Terao
10-06-2013, 12:27
Das letzte Duell fand in Frankreich übrigens 1967 zwischen einem gaullistischen und einem sozialistischen Parlamentsabgeordneten statt.Jo, da haben wirs: 1967 Epee Duel Deffere vs. Ribiere - YouTube (http://www.youtube.com/watch?v=e68nuAcSuWQ)

Selbes Bild.


Ich könnte mir immer wieder in den A*** beißen, dass man die Kamera nicht schon im Mittelalter erfunden hat. Wo sind die Lumieres, wenn man sie braucht?

mrx085
10-06-2013, 12:41
@Gürteltier was bezweckst du eigentlich mit dem Thread?

Eine Kampfkunst die sich Jahrhunderten bewahrt hat, gibt es nicht. Woher hast du diesen Unsinn eigentlich gelesen?

Und geht es hier um was anderes, als über die historischen KKs zu scherzen? :ups:

Terao
10-06-2013, 12:49
Eine Kampfkunst die sich Jahrhunderten bewahrt hat, gibt es nicht. Woher hast du diesen Unsinn eigentlich gelesen?"Diese KK hat sich jahrhundertelang auf den Schlachtfeldern bewährt..." hast Du echt noch nie irgendwo gelesen oder gehört?
:ups:

Gefühlt jeder zweite Waffen-KKler behauptet das über seinen Kram. Vorsichtig geschätzt.

mrx085
10-06-2013, 12:58
Ja die Leute die auf Leben und Tod gekämpft haben, konnten gut damit umgehen. Das ist ja auch alles richtig. Nur hat das Wissen bis heute bewahrt?

Wohl kaum, denn heute trainiert niemand mehr für die Schlacht. Kein Waffen KKler hat jemanden getötet und wird auch wohl kaum in die Verlegenheit kommen es jemals tun zu müssen. Die Zeiten haben sich zum Glück geändert.

Unter einer bewährten KK verstehe ich etwas anders. Darunter verstehe ich, dass man sich bis Heute die Effizienz bewahrt hat..

Und das hat man nicht. Es gibt schon seit hunderten von Jahren keine richtigen Schwertkämpfer mehr.

Selbst wenn man die Bewegungen eines Lichtenauers, oder Tallhofers, versucht nachzuahmen, wird man wohl kaum so effizient sein, wie diese Leute. Die Rahmenbedingungen dafür haben sich einfach geändert.

Oder ganz einfach ausgedrückt: Es kann jeder lernen, wie man ein Sniper Gewehr abfeuert, aber das macht einem noch nicht zu einem Carlos Hathcock oder zu einem anderen berühmten Scharfschützen.

Dazu gehört mehr dazu. Viel mehr. Und das alles lernt man in einer 0815 Waffenschule heute nicht mehr.

itto_ryu
10-06-2013, 13:46
Ein interessantes Beispiel für Kampfkunst, deren Geschichte und die individuell damit verknüpfte Lebensgeschichte ist das Werk von Donald McBane. Vorausgesetzt es ist alles so gewesen, wie er es selbst schreibt, kann man sich ein gutes Bild machen über eine bestimmte Waffe, Fechtweise, Anwendung auf dem Schlachtfeld und im Duell etc. Hier ein Überblick:
The Expert Swordsman, The True Art of Self Defence, Donald McBane, 1728 (http://www.aboutscotland.com/theroyalscots/histmcbane.html)


Es gibt schon seit hunderten von Jahren keine richtigen Schwertkämpfer mehr.
Würde ich so nicht formulieren ;)

ryoma
10-06-2013, 14:07
...Es gibt schon seit hunderten von Jahren keine richtigen Schwertkämpfer mehr...

Hmmm.... Beziehst du das nun lediglich auf Europa? Zumindest legt deine Erwähnung von Lichtenauer und Tallhofer es nahe.

Robb
10-06-2013, 17:29
Hmmm.... Beziehst du das nun lediglich auf Europa? Zumindest legt deine Erwähnung von Lichtenauer und Tallhofer es nahe.

Als letztens die Hochzeit in Holland statt fand, haben sich die Monarchen Europas mit Degen an der Seite präsentiert. Ich könnt mir schon vorstellen das diese Privat damit "trainieren".

Das KKB hat auch Monarchische Strukturen wenn die Daten nicht ausspioniert werden könnten.

Doc Norris
10-06-2013, 17:50
@TE

bin mir zwar nicht sicher, aber ist nicht Jiu Jitsu eine "sammlung" aus techniken die "schlachtfeld" bewährt sind / ist.(?)

:)

Robb
10-06-2013, 18:06
@TE

bin mir zwar nicht sicher, aber ist nicht Jiu Jitsu eine "sammlung" aus techniken die "schlachtfeld" bewährt sind / ist.(?)

:)

Eher Polizei. Der Vorgänger war es, hat aber ein schwierigen Namen. Dort ging es um Ringen und den Gegner in Rüstung umzuwerfen. Mit oder ohne Waffen.

Doc Norris
10-06-2013, 18:13
Eher Polizei. Der Vorgänger war es, hat aber ein schwierigen Namen. Dort ging es um Ringen und den Gegner in Rüstung umzuwerfen. Mit oder ohne Waffen.

meinst du jetzt zufällig im bezug auf die polizei JU Jutsu.?
& mit dem vorgänger JIU Jitsu.? :D

Terao
10-06-2013, 18:17
Polizei? In Rüstung? Berittene Gebirgsmarine?
Man lernt doch nicht aus in der Wunderwelt des JuJu.:D

Doc Norris
10-06-2013, 18:18
Polizei? In Rüstung? Berittene Gebirgsmarine?
Man lernt doch nicht aus in der Wunderwelt des JuJu.:D

:biglaugh:

Robb
10-06-2013, 18:20
meinst du jetzt zufällig im bezug auf die polizei JU Jutsu.?
& mit dem vorgänger JIU Jitsu.? :D

Ich glaub es war die Mittelalterliche Japanische Polizei. Jiu Jitzu:D mit Befragung und allem drum und dran. Es gab in Vergangenheit schon Nächtelange Diskussionen ob Jitsu oder Jitzu

Doc Norris
10-06-2013, 18:25
Ich glaub es war die Mittelalterliche Japanische Polizei. Jiu Jitzu:D mit Befragung und allem drum und dran. Es gab in Vergangenheit schon Nächtelange Diskussionen ob Jitsu oder Jitzu

:D alles klar.

:)

Gürteltier
13-06-2013, 00:12
Ja die Leute die auf Leben und Tod gekämpft haben, konnten gut damit umgehen. Das ist ja auch alles richtig. Nur hat das Wissen bis heute bewahrt?

Wohl kaum, denn heute trainiert niemand mehr für die Schlacht. Kein Waffen KKler hat jemanden getötet und wird auch wohl kaum in die Verlegenheit kommen es jemals tun zu müssen. Die Zeiten haben sich zum Glück geändert.

Unter einer bewährten KK verstehe ich etwas anders. Darunter verstehe ich, dass man sich bis Heute die Effizienz bewahrt hat..

Und das hat man nicht. Es gibt schon seit hunderten von Jahren keine richtigen Schwertkämpfer mehr.

...
Dazu gehört mehr dazu. Viel mehr. Und das alles lernt man in einer 0815 Waffenschule heute nicht mehr.

Hier habe ich so was zum Beispiel das letzte Mal gelesen.