Vollständige Version anzeigen : Kulturrevolution und Kung fu
Incognibro
21-07-2013, 22:33
Hallo Forum,
Beim Lesen des Gorin no Sho ist mir aufgefallen wie stark der gesellschaftliche Umbruch die Budo künste verändert (und beschnitten) hat. (und das der Kernspecht das Buch sicher auch gelesen hat).
Mich würde interessieren wie sich die Chinesischen Kampfkünste durch die "Kolonialisierung" und die Kulturrevolution verändert haben.
Trotz der Tendenz zum Verherrlichen und der Legendenbildung habe ich doch das Gefühl das da mal mehr gewesen sein muss als man heutzutage sieht (sehr viel kommerzialisierung und Traumtänzerei).
Bitte nicht die debatte lostreten warum Tai chi nicht gegen Mike Tyson hilft und so weiter.
PS:
Falls ihr User kennt die wirklich Ahnung haben könnt ihr die ja mal PNen oder so :)
PPS: Ich weiß das Musashi Japaner war und in einer anderen Epoche gelebt hat.
AkushonWasi
21-07-2013, 23:19
Also so viel ich weiß war ja die Kulturrevolution in China noch später. Kung fu wurde da verboten. Später wurde es von der Regierung durch das moderne wushu ersetzt.
Das ist jetzt erstmal ganz gro was ich weiß. Ich denke mal das meiste kann man genauso gut im Internet herausfinden. Ich würde ja meinen shifu Fragen, doch bin ich im Urlaub und er in China
Wie auch immer
Sportl. Grüße
Incognibro
21-07-2013, 23:37
Danke schön, das internet gibt weniger her als man meinen sollte. Oft findet man auch nur Websites von Schulen. Ich wollte die jetzt mal ausklammern.
PS: das "Kolonialisierung" und Kulturrevolution nicht zeitgleich stattfanden ist mir klar :)
Kulturrevolution ? Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Kulturrevolution)
Kampfkünste und Daoismus während der Kulturrevolution - MartialArtsBoard.de (http://www.martialartsboard.de/showthread.php?t=2139)
https://de.wikipedia.org/wiki/Chinesische_Kampfk%C3%BCnste#Situation_in_der_Volk srepublik_China
Der letzte Artikel ist wohl am treffendsten.
Auch nicht uninteressant:
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden die traditionellen chinesischen Kampfkünste in China als Volksschatz, Kulturerbe und Selbstverteidigungsmethode wiederentdeckt. Die militärische Schwäche des Kaiserreichs und der steigende Einfluss europäischer Großmächte, Japan und der USA (siehe auch Kanonenbootpolitik) veranlasste viele Chinesen, mithilfe traditioneller Kampfkünste gegen westliche Kolonisierung und chinesische Christen vorzugehen, beispielsweise während des Boxeraufstands. In dieser für viele Chinesen demütigenden Zeit wurden Kampfkünstler wie Huo Yuanjia und Wong Fei Hung wie Volkshelden verehrt und galten als Symbol für chinesische Selbstbehauptung in Zeiten der ungleichen Verträge.https://de.wikipedia.org/wiki/Wushu_%28Sport%29
Wir hattens ja schon in einem Nachbarthread: KK wurde im China des 19. Jh. als nationale Befreiungsideologie groß. Interessanterweise also zu einer Zeit, als sich auch in Europa Nationalismus und Historismus die Hand gaben, und in Japan der angeblich historische "Bushido-Ehrenkodex" als Kern japanischen Nationalgefühls etabliert wurde.
Ich habe den leisen Verdacht, dass der allergrößte Teil der "uralten Traditionen" in der Welt der KKs just in dieser Zeit und aus diesem Geiste heraus entstand. Auch in China. Und wie die Deutschen plötzlich Germanen- und Ritterromantik "entdeckten" (mit teils haarsträubenden historischen Fehlschlüssen), und die Japaner den "Samurai-Ehrenkodex", bediente man sich in China halt der Wuxia (https://de.wikipedia.org/wiki/Wuxia): Die dort beschriebenen besonderen Kräfte, die die Helden erlangen, klingen doch oft frappierend ähnlich zu dem, was so manche KK angeblich bewirken kann...
So, und jetzt dürft Ihr mich hassen. :)
Achja, zum Thema: Dass dann diese in China immer wohl schon etwas subversive, "rückwärtsgewandte" Ritterromantik in der Kulturrevolution unterdrückt wurde, bzw. ins System eingegliedert werden musste, darf einen ja nicht wundern. Das passte natürlich nicht in den Kram.
Umgekehrt in Japan, wo die ehemals nationalistisch-konservativen KKs in den 50ern plötzlich zu Horten der modernen Demokratie mutierten. ;)
Eigentlich ist KK gesellschaftspolitisch fast noch interessanter als kämpferisch.
Incognibro
22-07-2013, 01:42
Danke für eure Beiträge.
Ich denke schon dass diese Epochen das Bild auf die KKs verzerrt haben.
Eine weitere Frage die sich stellt ist natürlich: Was passiert mit Idee X wenn sie von Menschen weitergegeben wird die so starke Umbrüche durchleben und teilweise ihrer Traditionen beraubt werden.
Wenn man beispielsweise einen Stil aus einer Philosophie, einem Körperverständnis, einem Gesellschaftlichen Kontext etc entwickelt ( meiner meinung nach das langfristige Erbe der Inder) und dieser dann von Leuten weitergegeben werden soll die diese Elemente nicht mehr kennen.
Vielleicht sogar von Leuten die in der Partei gelernt haben dass es auf das Amt und den Stempel und das konform sein ankommt. Aber nicht was Dao, oder Buddha oder die Meridiane eigentlich bedeuten.
Wenn man nicht mehr die richtige Idee bei etwas hat dann muss doch ein Abklatsch rauskommen oder? (An alle die die Formen verändern^^)
Danke für eure Beiträge.
Ich denke schon dass diese Epochen das Bild auf die KKs verzerrt haben.
Eine weitere Frage die sich stellt ist natürlich: Was passiert mit Idee X wenn sie von Menschen weitergegeben wird die so starke Umbrüche durchleben und teilweise ihrer Traditionen beraubt werden.
Wenn man beispielsweise einen Stil aus einer Philosophie, einem Körperverständnis, einem Gesellschaftlichen Kontext etc entwickelt ( meiner meinung nach das langfristige Erbe der Inder) und dieser dann von Leuten weitergegeben werden soll die diese Elemente nicht mehr kennen.
Vielleicht sogar von Leuten die in der Partei gelernt haben dass es auf das Amt und den Stempel und das konform sein ankommt. Aber nicht was Dao, oder Buddha oder die Meridiane eigentlich bedeuten.
Wenn man nicht mehr die richtige Idee bei etwas hat dann muss doch ein Abklatsch rauskommen oder? (An alle die die Formen verändern^^)
Nun du sagt es doch schon "Idee". Es heute eine gängige Geflogenheit gewisse Dinge von früher als Idee zu bezeichnen. Das kommt Menschen die die Geschichte verdrehen wollen sehr gelegen.
Und das beste ist das Menschen die daran glauben das das eben eine Idee ist diese Menschen die die Geschichte verfälschen wollen unbewußt auch noch unterstützen, weil sie sagen werden: "Wer sagt mir denn das die andere Idee nicht verfälscht ist?"
Und darüber kann man hin und her diskutieren. Was dabei in der Zeit alles verloren geht läßt sich nur schwer erahnen.
Den diejenigen die die Geschichte verzerren wollen haben Zeit. Läßt man eine Generation sterben die man noch mit Angst in schach hält, die nächste die Angst und noch die Anfänge einer verdrehten Geschichte kennengelernt hat, bis zur nächsten Generation die schon etwa die hälfte der verdrehten Geschichte für fakt hält und soweiter.
Und während die einen diskutieren ob den nun überhaupt der nicht und man immer noch sagen kann, ja aber das ist ja deine Meinung. Sterben diejenigen die es sagen könnten.
Und dementsprechend können manche heute dieses behaupten oder jenes den wer weiß denn heute noch wer es wirklich weiß ?Und wer vertraut wem ?
Ich würde nämlich sagen das die die es Wissen nicht reden und die die es nicht Wissen reden. Und das aber nicht aus einem philosophischen Grundsatz heraus, sondern weil sie Wissen das sie Probleme bekommen würden.
Und wenn ich das schon sage können sich manche vor dem Kopf gestoßen fühlen da sie sagen werden das ihre Meister doch reden und sehr vieles erklären können bzw. tun.
Das müssen sie gar nicht, da es gar nicht als Beleidigung dient. Wir wissen nur oft gar nicht was ein Chinese weiß und nicht weiß, da es immer noch die Angst gibt auch wenn sie momentan nicht notwendig ist, steckt sie immer noch in den Knochen. Und da überlegt sich ein Chinese 100 Mal ob er wirklich sagt was er weiß und denkt.
Liebe Grüße,
Shin
Richard22
22-07-2013, 13:37
Das Bild ist viel komplexer.
Moderne Nationen, wie wir sie heute kennen, gibt es erst im 19. Jhd - und diese erschaffen sich eben ihre historischen Grundlagen selber. Frankreich die Gallier, D-Land die Germanen, China die Han/Tang usw. - das ging bis in die 1950'er, als die Amies sich auf Wikiinger und Iren bezogen. Selbst in der UDSSR gab es Bezüge zu Wikingern (Russ), obschon von der KP nicht gerne gesehen.
Historisch ist der gesamte Kram aber höchst unsicher, oft frei erfunden. Da geht es nur um Legitimation absoluter Macht (europäischer Adel) über möglichst lange Abstammungslinien - so geht das norwegische Königshaus in seiner Abstammung auf Odin zurück.
China ist da insofern negativer Rezipient der Kolonalisierung, als das es vom Westen klar domminiert wird. Das führt zu einem doppelten Druck - Mithalten mit dem Westen und gleichzeitiger Umbau der eigenen Kultur - ein krasser Spagat.
Was heute übersehen wird ist der massive Einfluß der Feuerschußwaffen auf die KK. Diesen Umbruch können wir ab dem 17. Jhd. beobachten, und die Auswirkungen sind kultureller und militärischer Art.
China ist in dieser Zeit - was bis heute andauert, Importeur westlicher Technologie.
Meiner Meinung nach hat sich dieser Import auch auf die KK erstreckt. Neben Waffen, Pferden, Schiffen, Feuerschußwaffen, Blankwaffen und Harnischen.
Schaut man sich die China KK im 17. Jhd. an, dann fällt auf, das sie sehr praktisch ist, keinen Blabal-Überhau hat und nicht Blumiges an ihr ist. Die Schnittmenge mit der KK im Westen zu dieser Zeit ist groß - was natürlich auch eine Parallelgentwicklung gewesen sein könnte.
Die Kulturrevolution kann man als einen Krieg der China-KP gegen die eigene Kultur bezeichnen, den die KP klar gewonnen hat. Büchern und Kultur des alten Chinas sind fast restlos vernichtet worden. Auch alle KKs.
Indien und China haben eine lange Geschichte kulturellen Austausches - es ist schwer zu sagen wer da wen beieinfllußt hat.
Fechtergruß
vBulletin v4.2.5, Copyright ©2000-2025, Jelsoft Enterprises Ltd.