Der Größen- und Gewichtsunterschied [Archiv] - Kampfkunst-Board

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Vollständige Version anzeigen : Der Größen- und Gewichtsunterschied



MAF88
24-08-2013, 13:08
War mir jetzt nicht sicher ob ich es hier reinstellen soll oder ins allgemeine Forum, hab einfach mal hier gewählt weil es mir primär beim Grappling aufgefallen ist (vielleicht käme das in anderen KKs ja nicht so zu trage?)...

Also, ich bin ein sehr kleiner, zierlicher mann - 1,60m mit 52kg - ja nicht wundern, ist unter uns Asiaten nicht ungewöhnlich :D . Die BJJ techniken werden ja immer angepriesen das man auch gegen einen viel größeren, schwereren, stärkeren gegner einsetzen kann - nicht zuletzt war auch Helio nicht grade ein Schrank von Mann. Aber gibt es da nicht grenzen? Bei manchen Techniken merke ich, da geht gar nix. Zum Beispiel bei der Befreihung aus der Mount, sobald mein Gegner mehr als 20kg schwerer als ich ist, krieg ich meine Hüfte keinen Millimeter mehr hoch (und ein trainer sagt, an der Technik hapert es definitiv nicht, die ist genau wie sie sein soll bei mir). Double leg ist auch ne schwierige Sache. Krieg wohl mal hin, aber definitiv keine meiner Techniken auf die ich mich blind verlassen kann.

Muss man einfach einsehen das ab einen gewissen Stärkenunterschied einfach irgendwann mal Schluss mit lustig ist? Wie sind da eure Erfahrungen?

period
24-08-2013, 16:04
Morgen,

ich kann mich mit deinem Problem zum Teil identifizieren, bin zwar Mittelgewichtler (ca. 80 kg in Friedenszeiten, <74 kg im Wettkampf, bei 1.86m), aber viele meiner Trainingspartner im Ringen haben 25-30kg mehr als ich. Ich werd mich im weiteren vor allem aufs Grappling im Stand beziehen, weil das bei euch vergleichbar ist wie bei uns - mit Guard usw kenn ich mich nur sehr bedingt aus, mach ich normal selber auch nicht, wenn ich mit Grapplern (v.a. Judo und Sambo bisher, gelegentlich auch ein BJJler dabei) sparre.

Also zuerst mal muss ich sagen, es stimmt schon, ein guter schwerer Mann wird in aller Regel einen guten leichten Mann schlagen (ein exzellenter leichter aber auch einen guten schweren, siehe z.B. Ricky Lundell). Gewicht ist in mehrerlei Hinsicht wichtig, da man durch Ausnutzen des Eigengewichtes viel Energie entwickeln kann, ohne dabei vorzeitig zu ermüden, weil die Muskeln alles machen müssen. Auch ein plus an Kraft ist nicht zu verachten - ganz besonders wenn man weiß, wie man es richtig einsetzt. Ohne jetzt zu weit vom Thema abweichen zu wollen, du machst doch zusätzlich auch kraft- und kondimäßig was, oder? Nicht, dass das alleine die Lösung ist, aber es kann nie schaden, den diesbezüglichen Vorsprung der Konkurrenz zu verringern. Dann kannst du nämlich deine Stärken auch besser ins Spiel bringen, etwa Schnelligkeit, Ausdauer, Körpergefühl o.ä.
Speziell für dein Problem mit der Guard würden sich sogenannte "hip brige-ups" anbieten, bei denen du mit angewinkelten Beinen auf dem Rücken liegst mit einer Langhantel oder einem Sandsack auf der Hüfte und selbige dann nach oben bringst.
Ich bin generell mit schweren Gegner eigentlich immer recht gut gefahren, allerdings hab ich auch schon welche erwischt, gegen die ich kein Land gesehen habe, insbesondere, wenns ein schnelles Schwergewicht ist.
Weiters weiß ich ja nicht, ob du mit oder ohne Gi trainierst oder beides; ich persönlich finde, dass der Gi tendentiell eher ein Vorteil für den leichteren ist, aber das ist natürlich subjektiv (Griffkraft ist eine meiner Stärken).

Im No-Gi Standkampf würde ich dir empfehlen, die sog. Tie-ups (aka clinch) zu vermeiden; eine mögliche Ausnahme bildet die Armklammer außen (aka two-on-one, Russian Tie / outside Russian), wenn sie dir liegt. Stattdessen geh ran, reiß an Nacken und Schultern, geh wieder raus - durch das Durchschütteln erarbeitest du dir Eingangsmöglichkeiten (set-ups), die sind besonders wichtig, wenn du nicht irre schnell bist. Wenn du merkst, er gibt sich Blößen, dann greif an.

Meiner Erfahrung nach funktionieren bestimmte Angriffe auch bei schwereren Gegnern recht gut. Generell sind das die Angriffe, bei denen du den Gegener eher von der Seite als gerade von vorne angehst.
Klassisch dabei ist der Beinangriff außen (outside single leg), bei dem der Körper außen ist und der Kopf innen vor dem Gegner, zumeist in die Rippen gedrückt. Der Vorteil bei dieser Form des Beinangriffes ist, dass wenn der Gegner per Sprawl linear abwehrt, er nicht voll auf dir zu liegen kommt, sondern nur auf deinem Nacken. Kopf zur Seite drehen, und du bist hinten auf ihm drauf in der Rear Mount. Wenn du schnell bist, kannst du auch gleich außen an ihm vorbeigehen und auf einen Double Leg von hinten wechseln (Griff am Unterschenkel, Schub mit der Schulter in sein Gesäß).
Meiner Erfahrung auch recht gut funktionieren der Tani Otoshi und der Kosoto Gari / Gake ausm Judo. Im Ringen laufen die meines Wissens als "Letun-Schleuder" bzw. "Einhakeln außen" / outside trip, würds aber nicht beschwören wollen. Aber mit den englischen bzw japanischen Namen müsstest du im Netz genug kostenlose (Video-) Instructionals finden.
Ich würd dir raten, gegen schwere Gegner mal mit diesen Angriffen zu experimentieren und zu schaun, wie sie dir liegen. Natürlich wirst du drillen müssen, bis sie automatisch kommen, empfohlen wird gern mindestens 25x pro Angriff (eine Seite, also 2x, wenn du beidhändig sein willst) in jedem Training.

Das wärs erstmal von mir, ein Hinweis noch: es gibt von Stephan Kesting von Grapplearts.com bisher nicht weniger als drei DVD-Sets in Zusammenarbeit mit bekannten BJJ Kämpfern (zwei mit Emily Kwok und eins mit Brandon Mullins), alle mit dem Übertitel "Defeating the Bigger, Stronger Opponent"; eins davon ist speziell für No-Gi. Die Sets sind nicht unbedingt billig, aber die Sachen von Kesting sind meiner Erfahrung nach immer sehr solide, vielleicht schaust du sie dir mal an.

Vielleicht hilft dir ja was davon weiter ;)

Period.

MAF88
24-08-2013, 16:51
Bin also doch nicht der einzigste :D ! Ich hab manchmal das Gefühl das das, grade im BJJ, ungerne gehört wird, wenn man sagt das eine Technik für einen nicht funktioniert aufgrund des Gewichtsunterschied.

Meine Ausdauer ist ziemlich gut, und für meine Schnelligkeit bin ich bei uns bekannt :D . Allerdings ist bei mir nicht viel mit Muskelmasse. Ich muss unglaublich viel Krafttraining machen um überhaupt minimal was zu erreichen. Muss wohl irgendwie genetisch verlangt sein. Intressanterweise habe ich, obwohl ich wirklich sehr dünn bin (Rippen teils sichtbar) an einigen Stellen sowas wie... Babyspeck??? Vor allen am Bauch (nein, das ist kein Bier, das trink ich nicht ^^)!

Björn Friedrich
24-08-2013, 17:04
Der Körper spielt defintiv eine große Rolle. Ich sage immer. Das Geheimnis liegt nicht in der Technik, sondern halt im Körper und der erste Entwicklungsschritt ist nun einmal Kraft und Schnelligkeit und wenn zwei Leute die gleichen Skills haben, dann ist der Stärkere im Vorteil.....

Wenn du aber wirklich viel Zeit investierst, Jahrzehnte, dann löst sich dieses Problem mehr und mehr auf.....

Tschüß
Björn Friedrich

Gast
24-08-2013, 17:13
Bin also doch nicht der einzigste :D ! Ich hab manchmal das Gefühl das das, grade im BJJ, ungerne gehört wird, wenn man sagt das eine Technik für einen nicht funktioniert aufgrund des Gewichtsunterschied.

Meine Ausdauer ist ziemlich gut, und für meine Schnelligkeit bin ich bei uns bekannt :D . Allerdings ist bei mir nicht viel mit Muskelmasse. Ich muss unglaublich viel Krafttraining machen um überhaupt minimal was zu erreichen. Muss wohl irgendwie genetisch verlangt sein. Intressanterweise habe ich, obwohl ich wirklich sehr dünn bin (Rippen teils sichtbar) an einigen Stellen sowas wie... Babyspeck??? Vor allen am Bauch (nein, das ist kein Bier, das trink ich nicht ^^)!
Schreib einfach in den Krafttrainingsbereich hier im Forum, was und wie du genau trainierst.
Oft ist es nämlich auch so, dass die Leute einfach falsch trainieren und sich kacke ernähren.

MAF88
24-08-2013, 19:31
Maddin, das werd ich echt mal tun!

Savateur73
24-08-2013, 21:18
Das Gewicht ist wirklich ein Vorteil im Bodenkampf.
Wir haben letztens im Gym ein Bodenkampfseminar gehabt und ich habe mit meinen 106 Kg Gewicht und eher wenig Bodenkampferfahrung mit jemanden Bodenkampf gemacht der 85Kg wog und 3 Jahre Jiu-Jitsu und Grappling Erfahrung hatte.
Er konnte mich nie submitten und ich wollte eine gogoplata machen, was meinem Sparringspartner fast überrascht hätte.:cool:
Gogoplata/Shin Choke: Submissions 101 - YouTube (http://www.youtube.com/watch?v=uTKDmjU88Jc)

Ich sage:
25-08-2013, 07:42
Das Gewicht ist wirklich ein Vorteil im Bodenkampf.
Wir haben letztens im Gym ein Bodenkampfseminar gehabt und ich habe mit meinen 106 Kg Gewicht und eher wenig Bodenkampferfahrung mit jemanden Bodenkampf gemacht der 85Kg wog und 3 Jahre Jiu-Jitsu und Grappling Erfahrung hatte.
Er konnte mich nie submitten und ich wollte eine gogoplata machen, was meinem Sparringspartner fast überrascht hätte.:cool:
Gogoplata/Shin Choke: Submissions 101 - YouTube (http://www.youtube.com/watch?v=uTKDmjU88Jc)
Wenn ihn nach 3 Jahren "Erfahrung" dein Gewicht noch stört, hat er wohl eher DJJV Erfahrung als Grappling.

period
25-08-2013, 09:37
Meiner Erfahrung nach würd ich das mit den Chancen bei Gewichtsunterschieden in etwa so ausdrücken:
+- 10kg ist Toleranzgewicht, da merkst du eher die Technik / Strategie als die Kraft und kannst üblicherweise ein breites Spektrum an Griffen anwenden.
+ 20 kg heißt in der Regel, dass du sehr selektiv werden musst mit dem, was du machst. Das bedeutet, du musst wahrscheinlich sehr gut sein in der Griffvorbereitung, weil du nicht davon ausgehen kannst, das sich alles einfach so ergibt. das bedeutet aber auch, dass es schwierig oder zumindest nicht optimal ist, mit so einem Partner viele neue Techniken zu lernen - am Anfang sollte man ja nicht mit extremer Kraftanwendung reingehen und hat den Dreh / die Feinheiten auch nicht so raus, und wenn sich der Schwere dann sperrt - es reichen da gefühlt oft 50% - dann ist schnell Ende Gelände.
+ 30 kg+ ist dann ein Fall für die Spezialisten, alle anderen haben fast nur eine reelle Chance, wenn der Gegner grobe Fehler macht oder sehr viel langsamer ist.

Das aber immer vom Mittel- / Weltergewicht ausgehend gerechnet, bei tieferen Gewichtsklassen ist der Unterschied ja prozentmäßig höher.

Kommt aber immer auch ein bisschen auf den individuellen Stil drauf an, manche haben da deutlich mehr Schwierigkeiten, sich umzustellen als andere.

Period.

Savateur73
25-08-2013, 22:59
Wenn ihn nach 3 Jahren "Erfahrung" dein Gewicht noch stört, hat er wohl eher DJJV Erfahrung als Grappling.

Er macht JJ und Grappling, aber ich bin auch ein schwerer Brocken!:cool:

Horrido
26-08-2013, 06:54
Schreib einfach in den Krafttrainingsbereich hier im Forum, was und wie du genau trainierst.
Oft ist es nämlich auch so, dass die Leute einfach falsch trainieren und sich kacke ernähren.

Genau das würde ich nicht machen :)
Da wird wieder eine Grundsatzdiskussion raus.

Nebenbei finde ich Period´s Beiträge immer sehr hilfreich :halbyeaha

period
26-08-2013, 11:10
Nebenbei finde ich Period´s Beiträge immer sehr hilfreich :halbyeaha

Danke für die Blumen ;)

Period.

MrDeifel
26-08-2013, 18:10
Jeff Glover fällt sicherlich unter die von period angesprochende Kategorie "Spezialisten", aber das Video passt dennoch sehr gut zum Thread.

ZXrFNv6qC58

Droom
26-08-2013, 20:38
Natürlich spielt das Gewicht und die Kraft immer eine Rolle, aber imho ist es beim Grappling eben deutlich weniger als woanders.

Hier wurde ja der Double-Leg angesprochen und ich (82kg) wurde damit auch schon von 60kg Zwergen zig mal in einer Runde durch die Gegend katapultiert (waren halt Ringer). Genauso habe ich schon Anfänger mit +25kg mehr durch den Doublke-Leg zu Boden gebracht. Je größer der Gewichtsunterschied um so größer muss aber eben auch der Skillunterschied sein, damit man nicht untergeht. Nur irgendwann ist halt immer Ende, und manche Sachen wie den Gegner ausheben geht wirklich nicht mehr.

Ansonsten sollte man sich halt immer an folgende Regel besondersn halten, wenn man der schwächere/leichtere ist:

1. Möglichst immer aus der Kraftlinie des Gegners raus (in Winkeln angreifen)
2. Möglichst oft seine eigene Kraft oder sein Momentum mit ausnutzen (z.B. in der Bottom-Guard erst den Kopf runter ziehen damit er nach oben will und genau dann wenn er sich selber nach oben richtet mit dem Hip-Bumb-Sweep angreifen)
3. Mit Großen Muskelpartien gegen kleine kämpfen. Mir egal ob der andere stärkere Arme hat, dann versuche ich mit meinem Bein oder meiner Hüfte dagegen zu arbeiten.
4. Dem Gegner taktisch 1-2 Schritte vorraus sein um ihm das eigene Game aufzuzwingen