PDA

Vollständige Version anzeigen : Kennt jemand Polizeistatistiken zu Straßenkämpfen?



The little Dragon
03-01-2014, 23:21
Hi,

ich bin immer neugierig wenn es um echte Zahlen im Bezug zur SV und "echten" Kämpfen gibt.

Als Beispiel:
Wie oft sind Waffen mit im Spiel (/welche)?
Wie oft enden solche SV-Situationen tödlich/mit Schwerverletzten?
Wird überwiegend von Gruppen angegriffen oder von Einzelpersonen?
usw usw

Bitte keine persönlichen Schätzungen sondern tatsächliche Statistiken (ja, die Dunkelziffer ist immer ein Problem, damit muss man halt leben)

Wenn jemand Informationen dazu hat, oder sogar Quellen im Internet, bitte hier zusammentragen ;)

Grüße,
Dragon

Tori
03-01-2014, 23:29
Deutschland:

BKA Polizeiliche Kriminalstatistik (http://www.bka.de/DE/Publikationen/PolizeilicheKriminalstatistik/pks__node.html)

UK:

Violent and Sexual Crime: UK National Statistics Publication Hub (http://www.statistics.gov.uk/hub/crime-justice/crime/violent-and-sexual-crime/index.html)

US:

FBI — Crime Statistics (http://www.fbi.gov/stats-services/crimestats)

The little Dragon
04-01-2014, 00:03
Das sieht auf den ersten Blick schon mal ziemlich nützlich aus, danke ;)

Shinobu
04-01-2014, 00:34
Diese Dissertationen sind auch recht interessant was Statistiken, Täterprofil, verwendete Tatwaffen, etc. angeht. Sind nicht die aktuellsten, geben aber nützliche Hintergrundanalysen. Hab das mal für eine Seminararbeit zum Thema Messer-SV quergelesen:

Decker, Matthias: Analyse von Tötungsdelikten durch Stichwaffengebrauch
aus demSektionsgut der Rechtsmedizin Münster im Zeitraum von 1993 bis
1999. Münster: Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Dissertation
2006.
http://miami.uni-muenster.de/servlets/DerivateServlet/Derivate-3543/diss_decker.pdf
(Letzter Zugriff: 04. Januar 2014).

Kühne, Olivia-Cathleen Eva-Maria: Gewaltbedingte Verletzungen in der
chirurgischen Notaufnahme des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf.
Hamburg: Universität Hamburg, Dissertation 2007.
http://ediss.sub.uni-hamburg.de/volltexte/2007/3454/pdf/Dissertation.pdf
(Letzter Zugriff: 04. Januar 2014).

StaySafe
04-01-2014, 00:34
Die Unterscheidungen die du suchst, gibt die deutsche PKS leider nicht her.
Insgesamt gesehen ist die PKS leider ziemlich schlecht aufgeschlüsselt.

Ich habe mir mal den Spaß erlaubt und 2 Jahre lang jeden Tag alle Polizeipressemeldungen, die eine gewisse SV Relevanz hatten, gesammelt.

Ausgeklammert habe ich dabei Gewalttaten unter Obdachlosen und Beziehungstaten bzw. häusliche Gewalt.

Das Problem ist halt, dass in den Pressemeldungen längst nicht alle Fälle auftauchen. Sei es weil (angeblich) kein öffentliches Interesse besteht, sei es weil es eine Order von Oben gibt bestimmte Delikte nicht zu veröffentlichen um die Bevölkerung nicht zu beunruhigen oder sei es weil schlichtweg keiner da war der ne Meldung getippt hat.

The little Dragon
04-01-2014, 01:51
Ich habe mir mal den Spaß erlaubt und 2 Jahre lang jeden Tag alle Polizeipressemeldungen, die eine gewisse SV Relevanz hatten, gesammelt.

Ausgeklammert habe ich dabei Gewalttaten unter Obdachlosen und Beziehungstaten bzw. häusliche Gewalt.

Das Problem ist halt, dass in den Pressemeldungen längst nicht alle Fälle auftauchen. Sei es weil (angeblich) kein öffentliches Interesse besteht, sei es weil es eine Order von Oben gibt bestimmte Delikte nicht zu veröffentlichen um die Bevölkerung nicht zu beunruhigen oder sei es weil schlichtweg keiner da war der ne Meldung getippt hat.

Hat sich die Arbeit denn wenigstens am Ende gelohnt, ist irgendwas bei raus gekommen ?^^

StaySafe
04-01-2014, 01:56
Hat sich die Arbeit denn wenigstens am Ende gelohnt, ist irgendwas bei raus gekommen ?^^

Sagen wir mal so:
Das Bild das sich bei mir über Jahre, auch durch berufliche Erfahrung, gebildet hat, wurde verfestigt ;)

The little Dragon
04-01-2014, 02:05
Sagen wir mal so:
Das Bild das sich bei mir über Jahre, auch durch berufliche Erfahrung, gebildet hat, wurde verfestigt ;)

Und so das ich auch etwas damit anfangen kann: ?

StaySafe
04-01-2014, 02:12
Und so das ich auch etwas damit anfangen kann: ?

Ob du was damit anfangen kannst weiß ich nicht.
Grob lässt sich sagen, dass sich die meisten Fälle immer noch an den Wochenenden zutragen, Alkoholeinfluss oft aber nicht ausschließlich eine Rolle spielt.

Zeitrahmen ist häufig zwischen 23 - 03 Uhr.

Mehrheitlich sind es 2 - 3 Täter. Die häufigsten Waffen sind Messer. Gefolgt von Teleskopschlagstöcken und Pfefferspray.

Zu bestimmten "Mustern" beim Waffengebrauch im Rahmen von Raubdelikten schreib ich hier nichts. Ich möchte nur ungern jemanden auf Ideen bringen.

The little Dragon
04-01-2014, 02:19
Danke ;)

TeamGreen
01-02-2014, 15:24
Ich glaube, da kann ich etwas aushelfen. Ich habe aus persönlichem Interesse im Rahmen meiner dienstlichen Tätigkeit (bin Polizeibeamter) über eine Zeitraum von einigen Monaten mal spaßeshalber (mehr oder weniger systematisch) ein paar Daten zu allen Rohheitsdelikten im öffentlichen Raum gesammelt und analysiert, die mir zur Kenntnis gelangten und folgendes (auf mich persönlich zugeschnittenes) Raster erfüllten:

- Opfer männliche Erwachsene
- keine vorangegangene Bekanntschaft zwischen Täter und Opfer
- keine alkoholbedingten wechselseitigen Streitigkeiten
- keine durch Opfer klar provozierte Auseinandersetzungen
- keine club-/discobezogenen Vorkommnisse
- keine milieutypischen Vorkommnisse innerhalb irgendeiner randständigen/kriminellen Subkultur

Im Grunde habe ich bei jedem einzelnen Fall die Frage "Könnte dir das unter den normalen Umständen deines privaten Alltagslebens theoretisch auch passieren?" als Maßstab genommen. Herausgekommen ist dabei eine recht umfangreiche Sammlung, die sich vornehmlich aus Straßenraub und unprovozierten Körperverletzungen zusammensetzt.

Die verwendeten Rohdaten setzen sich aus den täglichen polizeilichen Lagemeldungen (nicht zu verwechseln mit den öffentlichen Pressemeldungen!) von zwei Großstädten und einigen Landkreisen mit diversen mittleren und kleinen Städten zusammen und bieten damit wahrscheinlich einen ganz guten Mittelwert für die verschiedenen in Deutschland vertretenen Siedlungsdichten.

Da ich nähere Einblicke in die jeweiligen einzelnen Sachverhalte hatte, konnte ich die Daten relativ gut nach verschiedenen Kategorien und Risikofaktoren (Täteranzahl, Art der Tathandlung, ggf. Bewaffnung) sortieren. Ich habe von diesem Rechner aus gerade keinen Zugriff auf die Ergebnisse, aber ich werde sie bei nächster Gelegenheit mal hier posten.

Selbstverständlich kann ich damit keinen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erheben, aber als Orientierungshilfe taugt der Kram ganz gut, denke ich. Viele Annahmen, die ich vorher hatte, wurden bestätigt, andere hingegen aber auch nicht.

Sven K.
02-02-2014, 11:43
@TeamGreen

Und? Wo sind deine Statistiken? Gerne auch als PDF. :p

TeamGreen
02-02-2014, 11:50
So, ich habe mal mit OpenOffice rumgespielt und ein paar Diagramme produziert (siehe Anhang). Insgesamt bin ich während der Datenerhebung auf 186 Fälle gekommen, die meinen o.g. Kriterien entsprachen.

Diese Kriterien habe ich gewählt, weil sie mein persönliches Risikoprofil

- männlich Ü30
- berufstätig mit ordentlichem Einkommen
- Mittelschicht mit "zivilisiertem" Freundeskreis
- kein Discogänger
- keine Besäufnisse in der Öffentlichkeit
- keine Neigung zu Streitigkeiten

wiederspiegeln. Je nachdem, wie man seine Freizeit verbringt und seinen Bekanntenkreis gestaltet, mag das im Einzelfall anders aussehen.

Was mich persönlich überrascht hat, war die geringe Anzahl von Auseinandersetzungen, die auf dem Boden geendet sind. Andererseits darf man natürlich nicht außer Acht lassen, daß der größte Teil der Opfer wie auch der Täter vermutlich kein irgendwie geartetes Training in irgendeiner Richtung genossen hat. Es zeigt aber zumindest, daß die gerne geäußerte Weisheit, daß viele Kämpfe automatisch irgendwann am Boden enden, durch die Zahlen nicht gestützt wird.

Erstaunt hat mich auch die insgesamt relativ geringe Anwendung von Reizstoffsprays.

Wie gesagt, die Datenmenge ist begrenzt und eine wissenschaftlich saubere Methodik und Dokumentation sieht natürlich anders aus, aber schlußendlich bin ich mit dem persönlichen Erkenntnisgewinn aus diesem kleinen Zahlenspielchen ganz zufrieden.

Tiju
04-02-2014, 10:20
Finde ich sehr interessant. Die "Opferbeschreibung" trifft auch auf mich zu. :D

Hast du noch weitere Auswertungen gemacht, z.B. eine Relation zwischen "Erfolg" des Angriffs und des eingesetzten Mittels bzw. der Täterzahl, von Verletzungswahrscheinlichkeiten je Mittel oder so was? Ist eine Auswertung von Verteidigungshandlungen und deren Erfolgsquote möglich?

Aus den USA kennt man solche Daten, leider ermöglicht die deutsche Statistik da keine entsprechenden Auswertungen. Problem ist natürlich, daß deine Daten eine extrem kleine Untersuchungsbasis bilden.

angHell
04-02-2014, 11:10
Hatte bisher nicht reingeguckt, weil solche threads meist zu nichts führen, gut das ich es nun doch getan habe, danke Leute, war sehr interessant. Und 186 Fälle sind schon ne ordentliche Stichprobe!

Nur mit den Obdachlosen verstehe ich nicht, ist das ins Gewicht gefallen?...

TeamGreen
04-02-2014, 12:18
Ja, ich habe die Daten noch weiter aufgeschlüsselt, z.B. nach Verletzungsgrad und bekannter Gegenwehr.

Letzteres hat sich leider als wenig aufschlußreich herausgestellt, zumal sich aus den Grunddaten nicht immer einwandfrei ablesen ließ, ob und ab welchem Punkt des Geschehens Gegenwehr geleistet wurde.

Wenn man die Verletzungsrate beider Gruppen (Notwehrende und Nichtnotwehrende) miteinander vergleicht, schneidet Gegenwehr je nach Standpunkt entweder besser oder schlechter ab, da laut meiner Auswertung eine Gegenwehr zwar zu weniger Schwerverletzten, aber insgesamt zu mehr Verletzten führt. Allerdings läßt diese eindimensionale Betrachtungsweise einige wichtige Faktoren unberücksichtigt:

- die Angegriffenen haben womöglich eine unterschiedliche hohe Schwelle zur Gegenwehr

- die Vergleichsgruppe dürfte wie gesagt überwiegend aus Personen ohne einschlägiges Training bestehen

Insofern halte ich diesen Teil der Auswertung für nur bedingt aussagekräftig.

Die Relation zwischen Tatmittel und Verletzungsrisiko habe ich nicht weiter beleuchtet (und kann das auf Grundlage meiner vorliegenden Zahlen leider auch im Nachhinein nicht mehr), weil die Datenerhebung ohnehin einen nicht ganz unerheblichen Zeitaufwand im täglichen Dienst bedeutet hat. Ich hatte damals das "Glück", wegen einer Verletzung einige Monate Innendienst zu verrichten und etwas mehr Ruhe zu haben, ansonsten hätte ich das nicht hingekriegt.

TeamGreen
05-02-2014, 09:07
Und hier nochmal in Prozentangaben, damit sich das etwas einfacher liest...

angHell
05-02-2014, 10:28
Danke nochmals!

Tiju
05-02-2014, 11:07
Ja, auch von mir noch mal danke. Eine tolle Idee, so eine Auswertung zu machen und sehr nett, sie hier zugänglich zu machen. Jeder Tropfen Wirklichkeit tut dem Forum enorm gut.

Interessant ist ein Vergleich mit den US-Zahlen (wobei dort die Basis sehr viel breiter ist): danach besteht zunehmende Verletzungsgefahr bei Opferverhalten in folgender Reihenfolge:
- Gegenwehr mit Schußwaffen
- keine Gegenwehr
- Gegenwehr mit anderen Waffen
- waffenlose Gegenwehr

Es wird allerdings nicht nach Schwere der Verletzungen unterschieden, bzw. ich kenne die Daten nicht.

Nohands
05-02-2014, 15:32
Was mich persönlich überrascht hat, war die geringe Anzahl von Auseinandersetzungen, die auf dem Boden geendet sind...

Hi TeamGreen,
deine Analyse untermauert somit auch die WT-These,
dass die meisten Kämpfe im Stand beendet werden.

Danke für deine Analyse. :halbyeaha

Gruß Nohands
.

TeamGreen
05-02-2014, 17:14
Ja, auch von mir noch mal danke. Eine tolle Idee, so eine Auswertung zu machen und sehr nett, sie hier zugänglich zu machen. Jeder Tropfen Wirklichkeit tut dem Forum enorm gut.

Interessant ist ein Vergleich mit den US-Zahlen (wobei dort die Basis sehr viel breiter ist): danach besteht zunehmende Verletzungsgefahr bei Opferverhalten in folgender Reihenfolge:
- Gegenwehr mit Schußwaffen
- keine Gegenwehr
- Gegenwehr mit anderen Waffen
- waffenlose Gegenwehr

Es wird allerdings nicht nach Schwere der Verletzungen unterschieden, bzw. ich kenne die Daten nicht.

Wie gesagt, ich halte die bloße Differenzierung nach Verletzungen und Gegenwehr für nur für begrenzt aussagefähig, weil dabei völlig ausgeklammert wird, bei welcher Eskalations- bzw. Risikostufe der Angegriffene zu welchem Notwehrmittel greift und welche ihm überhaupt realistischerweise zur Verfügung stehen.

Ich könnte mir z.B. vorstellen, daß die relativ hohe Rate an Unverletzten, die in meiner Statistik aus unterlassener Gegenwehr resultiert, damit zu tun hat, daß die entsprechenden Angriffshandlungen, die zu keinen Verletzungen geführt haben, eher niedrigschwellig waren und für den jeweils Angegriffenen erstmal keine Notwendigkeit einer Gegenwehr indiziert haben.



deine Analyse untermauert somit auch die WT-These,
dass die meisten Kämpfe im Stand beendet werden.

Obacht :-) In erster Linie untermauert sie bloß die Aussage, daß untrainierte Personen in der Regel nicht zum Bodenkampf neigen bzw. sich Auseinandersetzungen zwischen solchen seltenst automatisch am Boden landen.

Ich würde daraus nicht unbedingt gleich eine Aussage über den Grad der Nutzbarkeit von Bodenkampfverfahren im Selbstschutz ableiten wollen, weil Takedowns und Bodenkampf ja situationsabhängig auch als Offensivkapazität angesehen werden können.

StaySafe
06-02-2014, 22:32
Sehr schöne und durchaus ergiebige Auswertung. Vielen Dank dafür! :halbyeaha

Auf welche Großstädte und Landkreise hast du deine Beobachtungen gerichtet ?

TeamGreen
07-02-2014, 12:22
Hast 'ne PN... :)

angHell
07-02-2014, 12:33
Hmmm, hätte mich auch interessiert...

WT-Sympathisant
07-02-2014, 19:52
Deutschland:

BKA Polizeiliche Kriminalstatistik (http://www.bka.de/DE/Publikationen/PolizeilicheKriminalstatistik/pks__node.html)

UK:

Violent and Sexual Crime: UK National Statistics Publication Hub (http://www.statistics.gov.uk/hub/crime-justice/crime/violent-and-sexual-crime/index.html)

US:

FBI — Crime Statistics (http://www.fbi.gov/stats-services/crimestats)

Bei der Bevölkerungsstatistik des BKA kann man wohl kaum von Frauenüberschuss reden ... :ups:.