Vollständige Version anzeigen : Übersetzungsprobleme in Funakoshis Biografie
Hallo,
neues Jahr, neues Thema: viele hier kennen wahrscheinlich die Autobiografie von G. Funakoshi (1868–1957), die seit Jahrzehnten auf deutsch und englisch erhältlich ist. Ein wirkliches Problem dieses Buchs (und anderer Bücher) sind die auftretenden Falschübersetzungen und Textverfälschungen durch freie Interpretation. In einem kleinen Online-Artikel beleuchte ich fünf problematische Stellen. Ihr findet den Artikel hier:
GIBUKAI Übersetzungsprobleme in Funakoshis Biografie (http://www.gibukai.de/ubersetzungsprobleme-in-funakoshis-biografie/)
Grüße,
Henning Wittwer
PS: noch mehr Lesestoff bietet diese informative Rezension über meine beiden Shōtōkan-Bände: Karate Ky?han - Was die alten Meister wußten! | Buchrezension Sh?t?kan Band I und II von Henning Wittwer (http://www.karate-kyohan.de/buchrezension-shotokan-band-i-und-ii-von-henning-wittwer/)
Hallo Henning,
vielen Dank für den Artikel. Die Punkte 1 und 3 waren mir beim Lesen auch aufgefallen bzw. haben mich stutzig gemacht. Die anderen kannte ich bisher nicht.
Sind Dir weitere solcher Beispiele bekannt? Da bin ich jetzt neugierig geworden :). Ich nehme an, dass die von Dir erwähnten Beispiele die größten Schnitzer sind, die sich da geleistet wurden?
Gruß Holger
cross-over
07-01-2014, 13:07
Wieder einmal sehr interessant. Danke!
Sind Dir weitere solcher Beispiele bekannt? Da bin ich jetzt neugierig geworden :). Ich nehme an, dass die von Dir erwähnten Beispiele die größten Schnitzer sind, die sich da geleistet wurden?
Der Frage schließe ich mich an :D
SKA-Student
07-01-2014, 13:58
Nummer 3 ist ja richtig lustig! :)
Die anderen echte Mythen-Zerstörer! :ups:
Diese "Korrekturen" sollten als Einschreiben an jeden Karateka gehen.
Danke!
DerLenny
07-01-2014, 14:15
Danke sehr. Das war informativ!
Luce Bree
07-01-2014, 19:58
"Again what learned..." :D
Herzlichen Dank für die Infos!
Mein Favorit ist eindeutig die Nummer 5 der am meisten falsch verstandenen "Tatsachen" ;)
Hallo,
danke für die positiven Rückmeldungen! Diese fünf Beispiele gehören zu den Problemen/Fragen bezüglich der Funakoshi-Biografie, auf die ich in den vergangenen paar Jahren am häufigsten angesprochen bzw. angeschrieben worden bin. Es gäbe tatsächlich noch viel mehr dazu zu sagen, aber ich finde es produktiver meine eigenen Übersetzungen und Arbeiten zu veröffentlichen, anstatt Bücher anderer „nachzukorrigieren“.
Grüße,
Henning Wittwer
Hallo Henning,
danke für den Artikel und die Übersetzung. Ich finde Nummer 1 ganz klasse. Ich weiß schon warum ich deine Texte so mag :)
Na ja.
Warum "konnte" man das Karate aber in der "Öffentlichkeit" nicht trainieren?!
Wenn die Oberen das zu Funakoshis schon "förderten", ist diese Aussage doch auch widersprüchlich!?
Man macht doch etwas nur "geheim", wenn es öffentlich gerade nicht zuträglich ist!?
KeineRegeln
08-01-2014, 17:43
Na ja.
Warum "konnte" man das Karate aber in der "Öffentlichkeit" nicht trainieren?!
Wenn die Oberen das zu Funakoshis schon "förderten", ist diese Aussage doch auch widersprüchlich!?
Man macht doch etwas nur "geheim", wenn es öffentlich gerade nicht zuträglich ist!?
Etwas geheimes zu machen, ist nicht automatisch mit etwas verbotenes zu machen gleich zu setzen.
Gruß
KeineRegeln
Naniwonai
08-01-2014, 17:49
@Kurzer:
Mit "öffentlich" verbinde ich das jemand eine Schule aufmacht wo sich jeder gegen Bezahlung einschreiben kann und unterrichtet wird.
Mit "nicht öffentlich" verbinde ich das es bekannt war wer Karate unterrichtete, man sich aber "bewerben" musste um als Schüler angenommen zu werden und das der Unterricht privat geschah und man in der Öffentlichkeit nicht viel über die Feinheiten seines eigenen Trainings diskutierte bzw. sich eher ausschwieg. Das man keine Bücher dazu hatte usw usf.
Man konnte Karate nicht "öffentlich" trainieren weil bis zu einem gewissen Zeitraum kein Lehrer öffentlich unterrichtete ;) .
Trotzdem konnte Karate als Kunst ja gefördert und unterstützt werden.
Tach,
nicht öffentlich war es weil der Karateuntericht lange Zeit ein Privileg der Shizoku-Klasse war. Das bedeutet nur wer aus einem entsprechenden Elternhaus kam, hatte überhaupt die Chance dazu als Schüler angenommen zu werden.
Das es gefördert wurde, bedeutet nicht automatisch, dass es plötzlich für jedermann zugänglich war. Das o.g. Privileg weichte aber mit der Zeit auf, so dass die ersten Karateclubs an den Schulen entstanden und einige Jahre später Karate dann im Fach Leibeserziehung jedem Schüler, egal welchen Standes seine Familie vor der Abschaffung jener angehörte, unterrichtet wurde.
Gruß Holger
Hallo,
zu der Naja-Nachfrage: als erstes muss ganz logisch nachvollzogen werden, dass es inhaltlich einen Unterschied macht, wenn einerseits ausgesagt wird, „etwas sei von der Regierung verboten“, und andererseits „etwas könne nicht in der Öffentlichkeit getan werden“.
Dann ist „können“ hier im Sinne von „in der Lage sein“ zu verstehen (nicht aber als „dürfen“). D. h. man war nicht in der Lage, es öffentlich zu lernen. Der Satz enthält auch kein Verb, das mit „verbieten“ vergleichbar wäre. (Es ist eine eigentlich leicht zu verstehende und zu übersetzende Aussage.)
Jemand in einem heutigen deutschen Dorf kann z. B. zumeist nicht öffentlich U-Bahn-Fahren lernen. Das liegt aber nicht daran, dass „die Regierung“ den Bewohnern seines Dorfes das U-Bahn-Fahren „verboten“ hat. Es liegt daran, dass es in dem Dorf keine U-Bahn gibt. Ab dem Zeitpunkt, zu dem in seinem Dorf eine U-Bahn eingerichtet und eine Ausbildung zum U-Bahn-Fahrer angeboten wird, kann er in aller Öffentlichkeit das U-Bahn-Fahren lernen. Doch vielleicht handelt es sich bei den Dorfbewohnern um notorische U-Bahn-Unfallbauer. Dann „verbietet die Regierung“ ihnen vielleicht das U-Bahn-Fahren-Lernen. Ein anderes Beispiel: M. Mustermann kann einen Magier bitten, ihm öffentlich seinen Trick zu verraten. Dem Magier hat gewiss keine Regierung verboten, seine Tricks in der Öffentlichkeit zu erklären. Aber der Magier hält sich an den Kodex, dass ein guter Zauberer seine Tricks nicht verrät. Daher „kann“ M. Mustermann den Zaubertrick nicht „in der Öffentlichkeit lernen“. U. U. kann er den Magier dazu bringen, ihn als Zauberlehrling anzunehmen. Dann fordert der Magier von M. Mustermann eine große Summe Geld, seine älteste Tochter und einen Blutsschwur beim Leben von Maxens Mutter, das Gelernte nicht öffentlich zu machen. So viel zum rein sprachlichen Verständnis.
In der entsprechenden Textstelle beschreibt G. Funakoshi seinen Eintritt in die Lehre von A. Asato (1828–1906) und die damit einhergehenden Schwierigkeiten. A. Asato war zu dieser Zeit selbst Teil der „Regierung“ (von der im Original aber nicht die Rede ist), d. h. er hätte es sich selbst verbieten müssen. Die Geheimhaltung beruhte nicht auf „Verboten von Regierungen“, sondern auf:
(1) einem bis heute gültigen militärischen Grundsatz (d. h. der Feind sollte so wenig wie möglich wissen),
(2) einem immateriellen Privileg einer gesellschaftlichen Klasse,
(3) dem Eigenschutz vor Herausforderern bzw. unnötigen Kämpfen.
Die Förderung der Kampfkunstübung im ausgehenden Königreich Ryūkyū (das war vor G. Funakoshis Zeit) galt im Übrigen dem „öffentlichen Dienst“, nicht der Allgemeinheit. D. h. sie betraf mittlere und höhere Beamte des Königreichs.
Grüße,
Henning Wittwer
Es gilt die alte Philologenregel: "Je näher man ein Wort ansieht, desto ferner blickt es zurück".
Danke für die wertvolle und mühselige Arbeit des genauen Übersetzens, die so oft und von so Vielen so wenig geschätzt wird!!
AkushonWasi
11-01-2014, 22:57
Schön, dass mal so manch beliebtes Zitat richtig gestellt wird :)
Weiter so!
mfG
Es gilt die alte Philologenregel: "Je näher man ein Wort ansieht, desto ferner blickt es zurück".
Danke für die wertvolle und mühselige Arbeit des genauen Übersetzens, die so oft und von so Vielen so wenig geschätzt wird!!
:halbyeaha
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