Vollständige Version anzeigen : Kanarischer Stock- und Ringkampf
itto_ryu
17-03-2014, 20:00
Hatten wir hier ab und an mal, aber nach aktuellen zweiten Kanaren-Aufenthalt habe ich hier mal Lust ein Video-Topic zu eröffnen, neben den italienischen Sachen und dem portugisischen Jogo do Pau ist das Juego del Palo und andere Stockkampfstile der Kanaren ein interessantes Thema für alle, die gerne in der Kampfkunstgeschichte Europas buddeln. Ganz dahinter gestiegen, welche Stilrichtungen nun was bevorzugen und was auf welcher Kanareninsel betrieben wird, bin ich noch nicht, aber grundsätzlich sieht man unter Juego del Palo/Palo Canario vornehmlich einen kürzeren Stock, ein- und zweihändig geführt und beim Lucha Garotte/Garotte Canario einen langen Stock (Bo, Quarterstaff etc.). Von den Wurzeln des Stockkampfes werden gern die Ureinwohner der Kanaren angegeben, u.a. die Guanchen auf Teneriffa. Auch werden oft Zusammenhänge zum Säbelfechten gezogen. Zwar wird meist gesagt, das kanarische Stockspiel sei reines Spiel, aber einige Stile praktizieren nun wohl auch Sparringskämpfe. Manche zeigen auch SV-artige Sachen, andere sogar waffenlosen Kampf. Wobei ich keine Ahnung habe, was davon traditionell verbürgt ist (die Frage der Effektivität im Kampf mal außen vor, ich finde das erst einmal rein von der Tradition her interessant). Stockkampfstile/-spiele gibt es ja weltweit viele, auch in europäischen Traditionen, daher ein nettes Spielfeld für Informationen.
Schön ist, dass ich ein Video gefunden habe, bei dem diverse Stilrichtungen vorgestellt werden.
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Hier ein noch ein paar andere Videos dazu:
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Interessant finde ich noch diese beiden Videos, einmal eine Art SV-Vorführung eines älteren Herrn in Arona und danach auch eine Spielart, die Juego del Mano genannt wird, ergo waffenlos:
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Interessant wäre auch zu erfahren, wie weit dies mit dem Juego de Garotte in Venezuela genannten Stockspiel zusammenhängt:
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Häufiger im kanarischen TV auch zu sehen ist das traditionelle Ringen der Kanaren, Lucha Canaria, das sich von selbst schnell erklärt, hier einige Videos:
lucha canaria - YouTube (http://www.youtube.com/results?search_query=lucha+canaria&sm=3)
Stixandmore
17-03-2014, 20:24
Benutz mal die SuFu- der User KM Münster hat zu dem Thema auch irgendwann schon mal Sachen/ Erlebnissberichte gepostet
itto_ryu
17-03-2014, 20:35
Benutz mal die SuFu- der User KM Münster hat zu dem Thema auch irgendwann schon mal Sachen/ Erlebnissberichte gepostet
Ja danke, die kenne ich auch schon, auch zu den Balearen. Hier können wir mal mehr zum Thema noch sammeln. Ordnungsgemäß der Hinweis auf die KKB-Bibliothek:
http://www.kampfkunst-board.info/forum/f84/lucha-canaria-kunst-kanarischen-ringen-63509/
Stixandmore
17-03-2014, 20:37
Ja danke, die kenne ich auch schon, auch zu den Balearen. Hier können wir mal mehr zum Thema noch sammeln.
Meine Antwort war auch nicht in dem Sinne von "gab es schonmal, brauchen wir nicht nochmal" sondern eher als ergänzender Hinweis gedacht;)
itto_ryu
17-03-2014, 22:11
Meine Antwort war auch nicht in dem Sinne von "gab es schonmal, brauchen wir nicht nochmal" sondern eher als ergänzender Hinweis gedacht;)
Hatte ich auch so verstanden :)
krav maga münster
18-03-2014, 04:29
Guter Thread!
Der Stock wird je nach Familienstil, zu unterschiedlichen Zwecken genutzt.
Für das Duellspiel eher den "Quarterstaff", für die Selbstverteidigung (speziell auch gegen Klingenwaffen) einen etwas kürzeren Stock und dann gibt es ja noch den "überlangen" Stock, dessen Wurzeln wohl beim "Salto del Garotte" (Sprung mit dem Stock) bzw. dem "Salto del Pastor" (Hirtensprung) zu finden ist.
Das Juego de Garotte in Venezuela, hat soviel ich weiß neben den Einflüßen von den Kanaren, auch die "Destreza" der spanischen Fechtschule in ihren Wurzeln.
Ich habe mich bis letztes Jahr noch, sehr viel mit dem spanischen Zeug beschäftigt, kam dieses Jahr noch nicht dazu.
So wie ich mich erinnern kann, ist der waffenlose Teil noch nicht so alt, stammt eher aus dem Karate, was einige dort trainieren/trainierten.
Gruß Markus
itto_ryu
18-03-2014, 20:32
Interessanter Input, danke.
Antikörper
18-03-2014, 22:14
Interessant, danke!
MichaelII
19-03-2014, 12:06
Schöne Sammlung. Weiß jemand, warum sich das dort gehalten hat? Ich meine wenn ich einen Schafshirten noch hier sehe, hat der auch immer noch einen Stock in der Hand, aber sicherlich keine dazugehrige KK-Tradition.
Beim Quersehen der oberen Videos glaube ich zu erkennen, daß der Stock nach dem Schlagen oder Stechen mit dem einem Ende manchmal auch durch die Hand gezogen wird um dann mit dem anderen Ende anzugreifen, ähnlich dem Jo. Das würde einer Herkunft der Techniken vom Gebrauch von Klingenwaffen widersprechen.
Grüße
Ich wusste der Herr im zweiten clip kam mir bekannt vor.
Im Internet findet man wirklich alles wieder :D
2004 saß ich mal an einem Bahnhof fest und hab aus langeweile in einer "Kampfkust international" geblättert.
Da gabs einen Artikel zu Acosta und die Vorstellung einer DVD
hier gibts den Artikel online (http://www.palocanario.com/Articulo%20ALEMAN.htm)
und die DVD kann man anscheinend immernoch kaufen (http://www.ebay.com/itm/Palo-Canario-Canarian-Stick-DVD-Marino-Acosta-ACOSTA-/221088363419)
Willi von der Heide
19-03-2014, 17:56
Schöne Sammlung. Weiß jemand, warum sich das dort gehalten hat?
Würde mich auch sehr interessieren ! Und warum gibt es eigentlich in einem Land wie Griechenland nichts überliefertes ? Bis heute prägen Hirten da doch das Landschaftsbild ?
Ich meine wenn ich einen Schafshirten noch hier sehe, hat der auch immer noch einen Stock in der Hand, aber sicherlich keine dazugehrige KK-Tradition.
Wundert mich auch. Das es da so gar nichts überliefertes gibt.
Ist aber wie in Südosteuropa, es ist einfach zuviel ausgestorben oder nur noch in Bruchstücken vorhanden.
Cachorrolouco
19-03-2014, 17:58
Schöne Sammlung. Weiß jemand, warum sich das dort gehalten hat?
Grüße
Naja, ich denke das hat einfach viel damit zu tun, dass es ersteinmal lange Zeit nicht sooo viele Einflüsse von Ausserhalb kamen, und es zum anderen auch nicht so viele Dinge auf den Inseln zu tun gab. So hat man die wenigen Traditionen halt über die Jahre bewahrt. Heute gibt es sogar zahlreiche Initiativen von den Cabildos (Inselregierungen), um eben diese Traditionen jungen Kanariern zu vermitteln (z.B. in den Schulen und auf Dorffesten) und auf grösseren Veranstaltung werden gerne Vorführungen gezeigt.
itto_ryu
19-03-2014, 18:11
Naja, ich denke das hat einfach viel damit zu tun, dass es ersteinmal lange Zeit nicht sooo viele Einflüsse von Ausserhalb kamen, und es zum anderen auch nicht so viele Dinge auf den Inseln zu tun gab. So hat man die wenigen Traditionen halt über die Jahre bewahrt. Heute gibt es sogar zahlreiche Initiativen von den Cabildos (Inselregierungen), um eben diese Traditionen jungen Kanariern zu vermitteln (z.B. in den Schulen und auf Dorffesten) und auf grösseren Veranstaltung werden gerne Vorführungen gezeigt.
Liegt u.a. auch daran, dass nach dem Tode Francos mehr und mehr regionale Gepflogenheiten wieder aufkamen in Spanien, seien es das Spielen der Gaita (Dudelsack) in Galicien und Asturien, regionale Sprachen/Dialekte, aber auch die größere Identifizierung mit speziellen Geschichtsanteilen einer Region. So besann man sich nach und nach mehr auf die Geschichte der kanarischen Ureinwohner, forschte mehr in diesem vernachlässigten Thema und heute identifizeiren sich die Kanarenbewohner eben auch mehr als Kanarenbewohner mit auch Wurzeln nicht nur in Spanien, sondern auch bei denen der Ureinwohner. Ein Indiz ist z.B. dass Vornahmen in Herkunft von Guanchen-Königen auf Teneriffa immer beliebter geworden sind. Man bildet sich quasi eine eigene kanarische Identität aus anhand der Wurzeln.
Dass die Kanaren nicht so sehr von außen beeinflusst gewesen wären, finde ich allerdings nicht. Sie waren mit Beginn ihrer Eroberung quasi rasch das Sprungbrett Spaniens in die Neue Welt. Und viele kulturelle Einflüsse gingen von dort nach Übersee und auch wieder zurück. Z.B. ist der Karneval auf den Kanaren stark und schon früh durch Einwanderer oder Rückwanderer aus den südamerkanischen Gebieten geprägt worden. Es gab viele zurückgekehrte Auswanderer, die viele Traditionen mitgebracht haben, die nach Kuba oder Hispaniola gegangen waren, um ihre Familien auf den Kanaren ernähren zu können. Über 500 Jahre bis in die fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts gab es einen immer währenden Strom an Auswanderern von den Kanarischen Inseln nach Lateinamerika. Die Hauptziele waren Venezuela, Kuba und Hispaniola. Gründe dafür waren die zahlreichen Piratenangriffe, Naturkatastrophen und Hungersnöte auf den Kanaren. Und so versuchten viele Menschen ihr Glück jenseits des Atlantiks. Die Rückwanderer wiederrum brachten die u.a. Tradition des Zigarrenrollens und- rauchens auf die Kanarischen Inseln.
Übrigens ist es ein Trugschluss, in Griechenland gab es bis ins 20. Jhd. Stockkampf und das sogar als Unterricht für Schulklassen, zumindest wenn ich Kosta Dervenis da richtig verstehe:
PAMMACHON SEMINAR2 on Vimeo (http://vimeo.com/8515191)
Nur hat in nicht in allen Regionen Europas das überlebt, in Deutschland fehlt es trotz kriegerischer und Kampfkunstreicher Geschichte auch an einer alten traditionellen Kampfkunst (gemessen an der Fülle von Quellen müsste hier Ringen und Fechten Nationalsport sein), in Irland war der irische Stockkampf nicht mehr wirklich bekannt oder das Folk-Wrestling, in Schottland hingegen hat es überdauert usw. usw. usw. Baton francaise, La Canne und Savate haben sich gar als Sportarten ethabliert. In Portugal wurde Jogo do Pau wiederbelebt, in Italien finden sich ja die verschiedenen Stock- und Messersysteme. Die Gründe für ein Überleben oder eben nicht oder auch das Wiederaufleben sind da immer sehr vielfältig (z.B. hätte "schottische Kultur" nicht überlebt, wenn es nicht einen so großen "Boom" vor allem im Viktoriansichen Zeitalter gegeben hätte).
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