Vollständige Version anzeigen : Angst vor dem Schwert
Hallo Leute,
ich habe einen Trainingskollegen der sehr große Angst vor dem getroffen werden hat. Das zeigt sich insbesondere, indem er immer wieder zusammenzuckt wenn ein Schlag auf ihn zukommt und das selbst im kontrollieren Technik/Kata Training. Somit wird er kurz quasi handlungsunfähig und kann auch die nötige Abwehr/Kontertechnik nicht einsetzen, die ihn eigentlich vor dem Schlag schützen soll.
Hat von euch wer Erfahrung wie man in so einem Fall helfen kann? Habe das in so einer Ausprägung noch nie gehabt. Bei den meisten Anfängern legt sich das mit der Zeit. Er ist jetzt schon mehr als ein halbes Jahr bei uns. Ich befürchte, dass er langsam den Spaß am Kendo verliert.
Er ist allgemein ein sehr schüchterner und zurückhaltender Typ.
LG Suriage
Willi von der Heide
01-04-2014, 23:15
:ups:
Ach du liebes Lottchen !
Was ist, wenn ihr die Bewegungen betont langsam mit ihm ausführt. Hat er irgend eine Art von Erkrankung oder Behinderung ? Wir hatten beim Judo mal jemanden mit einer geistigen Behinderung, der zuckte auch sehr häufig zusammen. Wir haben ihn dann regelrecht in Watte gepackt. Irgendwann aber kam er nicht mehr zum Training.
Ganz ehrlich, ich leide auch ein Stück weit unter diesem " Helfer-Syndrom ". Der tut mit irgendwie leid. Und Kendo ist doch eher etwas " harmloses ". Viele andere Systeme, kämen für den gar nicht in Frage.
Hmm ... vielleicht in der Kata nicht nur kontrolliert, sondern erstmal übertrieben langsam, so dass er wirklich nicht zucken muss. Und dann, nach einigen Durchgängen minimal schneller usw. - klassische Desensibilisierung in der Verhaltenstherapie.
Alternative: Er hat kein Shinai, aber du haust ihm fortwährend auf die Rüstung, dass es kracht. Nach einiger Zeit müsste er merken, dass es gar nicht so schlimm ist, getroffen zu werden. - das ist das klassische "Flooding" in der Verhaltenstherapie.
Problem Nr. 1: Er ist noch kein Rüstungsträger. Also die Schlag-Therapie ist leider nicht drin. Er muss zunächst mal ohne Rüstung angstfrei werden.
Das mit der langsamen Variante hätt ich zumindest für ein-zwei Runden probiert aber sobald man dann wieder schneller macht ist alles wieder weg.
Man merkt es auch an seinem Kiai. Der klingt wie ein lauter Seufzer. Kein Druck, keine Entschlossenheit.
Er wäre motorisch ja gar nicht so schlecht, darum will ich ihn nicht gleich aufgeben.
Da hilft nur extrem viel Geduld.
Solange langsam üben bis er verinnerlicht hat das ihm nicht wirklich was passiert.
Im Laufe der Zeit wird unter Garantie auch sein Kiai stärker.
Als ich angefangen hab war ich auch eher leise, später braucht man dann einen Gehörschutz und starke Nerven...:D (Dazu zwei Zenter mit zornigen fumiashi im Anflug ...Jipeeeeeeee )
Huangshan
02-04-2014, 07:51
Bin nicht aus dem Kendo aber im Kung Fu wird auch mit Waffen hantiert! ;)
Nun ein Kumpel von mir hatte das gleiche beim waffenlosen Freikampf und beim Waffenkampf.
Er ist Eingefrohen oder hat sich Eingeigelt .
Da hilft vielleicht nur eine langsame,geduldige Herangehensweise vom Halbkontakt zum Vollkontakt.
Das Einstecken,Abwehren... von Schlägen,Hieben mit einem gepolsteten Stock üben.
Oder waffeloses Sparring mit Handschuhen im Halbkontakt.
Wenn nichts hilft , ein wechsel zu einem Stil wo vermehrt Kata gelaufen werden? Iaido,Aikido....
Alephthau
02-04-2014, 08:21
Problem Nr. 1: Er ist noch kein Rüstungsträger. Also die Schlag-Therapie ist leider nicht drin. Er muss zunächst mal ohne Rüstung angstfrei werden.
Das mit der langsamen Variante hätt ich zumindest für ein-zwei Runden probiert aber sobald man dann wieder schneller macht ist alles wieder weg.
Man merkt es auch an seinem Kiai. Der klingt wie ein lauter Seufzer. Kein Druck, keine Entschlossenheit.
Er wäre motorisch ja gar nicht so schlecht, darum will ich ihn nicht gleich aufgeben.
Eine schwere Situation, ist wahrscheinlich sowohl in der Erziehung als auch in seiner bisherigen (Lebens)-Erfahrung begründet und um das wieder raus zubekommen bedarf harter Arbeit.
Was das "brüllen" betrifft, mir war das beim Kendo als 13 jähriger damals auch megapeinlich und eherv piepsig. Heute, wo ich älter bin, kann ich den ganzen Tag rumbrüllen, obwohl bzw auch wenn ich kein Kendo mehr mache. :D
Was seine Angst angeht, kannst Du bzw könnt Ihr nur unterstützen, der Hauptteil der Arbeit liegt bei ihm und geht im Grunde den Weg, dass er sich zwingen muss entgegen gesetzt zu dem zu agieren als er im Moment konditioniert ist.
Fangt mit einfachen Dingen an, wie z.B. einem plötzlichen auf ihn zu gehen, wobei er dann ebenfalls nach vorne "In euch rein" gehen soll. Dabei soll er sich genau vorstellen wie er sich fühlt, wenn das Shinai auf ihn zukommt und wenn die "Lähmung" einsetzt sich zwingen nach vorne zu gehen.
Zusätzlich kann er sich auch damit konditionieren, dass er sich sagt "Nicht (mehr) mit mir/Das lass ich mir nicht (mehr) gefallen!", oder eben auch das Bild eines "Ernstfalles".
Später dann das Gleiche mit dem Shinai, einfache Bewegung nach vorne, wobei beide Shinais aufeinander gedrückt werden/aufeinander prallen.
Bei all diesen Übungen soll er laut hörbar ausatmen, sozusagen als Vorstufe zum Kiai!
Bei den richtigen Übungen soll er sich, beim langsamen ausführen dieser, ebenfalls seine Angst vorstellen, inkl natürlich des neuen "Konditionierungsbildes die er beim schnellen ausführen hat und dann die Abwehren/Angriffe etc machen.
Es geht alles in allem weniger um Technik, als viel mehr um die mentale Konditionierung, die entgegen der bisherigen aufbaut, wo er gelernt hat, man ist nicht laut und es tut weh getroffen zu werden.
Das Ganze wird seine Zeit dauern und nicht nach einem Training soweit sein... :D
Ich hoffe ich habe es verständlich rüber gebracht was ich meine! :)
Gruß
Alef
Alle möglichen Varianten sind ja gut und recht... was man aber auch nie vergessen darf: Kampfkunst muss nicht für jeden was sein (und kann es auch nicht, wenn es noch KK bleiben will).
Vielleicht ein hartes Statement, aber zumindest ehrlich.
P.S. Auch innerhalb der Kampfkünste muss nicht alles für jeden sein. Ich z.B. weiss, dass mir alle Grappling-Sachen nicht liegen (auch wenn es viele interessante Koryû dazu gibt). Der Waffenbereich (insb. Schwert) ist es, wo ich mich wohlfühle.
Hallo Leute,
ich habe einen Trainingskollegen der sehr große Angst vor dem getroffen werden hat. Das zeigt sich insbesondere, indem er immer wieder zusammenzuckt wenn ein Schlag auf ihn zukommt und das selbst im kontrollieren Technik/Kata Training. Somit wird er kurz quasi handlungsunfähig und kann auch die nötige Abwehr/Kontertechnik nicht einsetzen, die ihn eigentlich vor dem Schlag schützen soll.
Hat von euch wer Erfahrung wie man in so einem Fall helfen kann? Habe das in so einer Ausprägung noch nie gehabt. Bei den meisten Anfängern legt sich das mit der Zeit. Er ist jetzt schon mehr als ein halbes Jahr bei uns. Ich befürchte, dass er langsam den Spaß am Kendo verliert.
Er ist allgemein ein sehr schüchterner und zurückhaltender Typ.
LG SuriageIch hab die Erfahrung gemacht, dass ein starkes Kiai da mitunter Wunder wirkt. Bring ihn dazu, richtig zu brüllen, das Kiai wie eine Welle vor sich herzuschieben. Tob ihn aus, mach ihn konditionell ein bißchen fertig (ohne Rüstung etwa mit Kakarigeiko), auch das lenkt ihn von seiner Angst ab. Erstes Etappenziel auf dem Weg zum offensiven Geist ist eigentlich eine Trotzreaktion. Man ist angepisst, kaputt, man wills ihm zeigen, man will treffen. Dann kommt das Kiai von selbst. Das saugt die Angst auf und wandelt sie in Aggression. Kaltblütigkeit ist dann erst der nächste Schritt.
Nähren und aufbauen muss man das bei allen. Ist halt bei manchen mühsamer als bei anderen. Und, ja, bei manchen klappts auch nie. Aber das müssen sie selbst entscheiden. Wir können nur anbieten und uns bemühen.
Und sorry, ohne Rüstung sind Kontertechniken doch Quatsch. Erstmal nur angreifen (und Shinai hinhalten, damit andere angreifen können).
Stimmt, gezielte Atemübungen sind für ein kraftvolles Kiai schon sinnvoll.
Es geht ja nicht darum nur mega laut rumzublöcken (Sonst hat man kein kiai sondern einen dojo-Marktschreier ), das Ding kommt von innen, baut sich wie ein Tsunami auf und bricht vernichtend über dem Gegner mit der Wucht des Schlages zusammen.
Mir hat jedenfalls das Kopfkino in der Art ganz gut geholfen um zu verstehen worum es geht.
gion toji
02-04-2014, 09:43
Problem Nr. 1: Er ist noch kein Rüstungsträger.Ich verstehe das Problem nicht. Leih ihm doch eine Rüstung aus
Ich habe ein ähnliches, wenn auch nicht so stark ausgeprägtes Problem bei mir: enges Blocken. Wenn man Angst vor dem Schlag hat, ist die natürliche Reaktion möglichst weit und ausladend zu blocken. Das Problem damit ist, dass man dadurch extrem Fake-anfällig wird.
Wir arbeiten daran, indem einer den WEKAF-Helm und Handschuhe anzieht und der andere mit Rattan schlägt. Anfangs hält der Angreifer den Stock ganz locker, evtl. sogar nur mit Fingerspitzen, so dass nur minimal Schlagkraft dahinter ist. Man kann aber rel. schnell die Schlagkraft steigern.
Wichtig ist, dass der Angreifer ehrlich angreift und jedes mal versucht den Blocker zu treffen und dass der Blocker ihn ab und zu testet und gar nichts macht. Dann muss es scheppern
Ich bin so in einer Trainingsstunde weiter gekommen, als in mehreren Monaten davor
Und sorry, ohne Rüstung sind Kontertechniken doch Quatsch. Erstmal nur angreifen (und Shinai hinhalten, damit andere angreifen können).
Nicht in der Kata.
Aber ich denke, ich werd's wirklich über den Kiai versuchen. Mit dem Gedanken habe ich schon gespielt. Ich muss es nur schaffen, dass er richtig sauer wird ohne, dass er sich vorher zurückzieht.
Alephthau
02-04-2014, 10:01
Ich muss es nur schaffen, dass er richtig sauer wird ohne, dass er sich vorher zurückzieht.
Nicht DU, ER muss daran arbeiten/es schaffen! ;)
Du kannst Ihn nur dabei helfend zur Hand gehen! :)
Gruß
Alef
Nicht in der Kata.Ist m.E.n. einer der Gründe, warum Kata nicht allzuviel Sinn ergibt, solange die Leute nicht in Rüstung stecken. Die Gefahr ist einfach zu groß, dass sie bei Oji und Nuki tatsächlich ans Abwehren denken, obwohl das doch eigentlich ebenfalls "geistig offensive" Techniken sind. Aber das begreift doch kein Mensch, wenn er den "offensiven Geist" nicht tatsächlich schon ein Stückweit entwickelt hat. Auch wenn mans ihm noch so oft sagt.
Ist m.E.n. einer der Gründe, warum Kata nicht allzuviel Sinn ergibt, solange die Leute nicht in Rüstung stecken. Die Gefahr ist einfach zu groß, dass sie bei Oji und Nuki tatsächlich ans Abwehren denken, obwohl das doch eigentlich ebenfalls "geistig offensive" Techniken sind. Aber das begreift doch kein Mensch, wenn er den "offensiven Geist" nicht tatsächlich schon ein Stückweit entwickelt hat. Auch wenn mans ihm noch so oft sagt.
Das wäre eig. ein Thema für einen eigenen Thread.
itto_ryu
02-04-2014, 18:21
Gib ihm etwas Zeit, lass ihn Kiai machen und wenn er dann in der Rüstung steckt jigeiko, jigeiko, jigeiko. Im Eifer des Gefechts verwächst sich sowas im Laufe der Zeit.
Ist m.E.n. einer der Gründe, warum Kata nicht allzuviel Sinn ergibt, solange die Leute nicht in Rüstung stecken. Die Gefahr ist einfach zu groß, dass sie bei Oji und Nuki tatsächlich ans Abwehren denken, obwohl das doch eigentlich ebenfalls "geistig offensive" Techniken sind. Aber das begreift doch kein Mensch, wenn er den "offensiven Geist" nicht tatsächlich schon ein Stückweit entwickelt hat. Auch wenn mans ihm noch so oft sagt.
Oh Tiefe und Sinn der Nihon-Kendo-Kata, da würde ich gerne mal wieder intensiv drüber diskutieren.
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