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Vollständige Version anzeigen : Rainer Landmann - Taijijuan. Konzepte und Prinzipien einer Bewegungskunst



ErSunWukong
03-05-2014, 14:28
Schriftenreihe des Instituts für bewegungswissenschaftliche Anthropologie e.V.. Band 3 (Softcover/2002)
ISBN 3-936212-02-3
375 Seiten

Die Idee, die Bewegungsprinzipien der drei bekannten Hauptlinien des Tajijuan mit einander zu vergleichen - und zwar auf der Grundlage der Schriften von Zhang San-feng und den Vertretern der Chen-, Yang- und Wu-Tradition - ist interessant und sicherlich auch löblich vor dem Hintergrund der zwischen diesen Traditionen immer wieder aufkommenden Streitigkeiten. Wobei die frühen Schriften und die aktuelle Umsetzung sicherlich ein wenig variieren dürften. Und nach neueren Betrachtungen - die allerdings erst nach dem Verfassen dieser Arbeit virulent wurden - auch die Schriften der Daoisten in Wudangshan hier einen gewissen Raum einnehmen müssten. Aber deren Unterlagen sind zum teil nicht zugänglich und auch noch nicht vollständig erfasst.

Bezug nehmend auf historische und etymologische Hintergründe – und auch die verschiedenen Bedeutungen homophoner aber bedeutungsverschiedener Zeichen innerhalb ein und derselben aber auch verschiedener Schriften - des Begriffs und der Praxis des Taijijuan werden zunächst die behandelten Autoren (Cheng Ling-xi, Xu Xuan-ping, Li Dao-zi, Yin Li-xiang, Wang Zong-yue und die verschiedenen Vertreter der Familienstiel) vorgestellt, sowie die praktischen und philosophischen Konzepte dieser Bewegungskunst - wobei Letztere für mich ein wenig zu knapp abgehandelt werden. Danach wird das schwierig zu fassende Konzept von qi und jin behandelt, für das es neben der Erfahrung wohl ziemlich wenig klare Vermittlungsmöglichkeiten gibt. Landmann lässt die Definition dann auch - bis auf eine mögliche Arbeitshypothese - weitestgehend offen, was sicherlich ein vernünftiger Weg ist.

Im vierten großen Abschnitt des Buchs werden dann die Prinzipien der Geist-Emotion-Körperverknüpfung der inneren Kampfkünste dargestellt, sowie die verbindend-dualistischen Prinzipien hinter den Bewegungen und Ruhezuständen des Taijijuan. Immer werden hierbei die grundlegenden kämpferischen Aspekte im Auge behalten, die in den frühen Schriften einen wesentlichen Teil der Betrachtungen einnehmen, weswegen auch Bewegungen und Energieflüsse immer im Zusammenhang mit einem Gegner gedacht werden können. Ein umfängliches Kapitel beschäftigt sich dann mit den einzelnen Körperbereichen, denen im Taijijuan - und in den anderen inneren Kampfkünsten - große Aufmerksamkeit gewidmet wird, und auch ihrer Verknüpfung untereinander. Hierbei werden - notgedrungen - identische Textpassagen aus den alten Schriften wieder und wieder zitiert, die auch teilweise schon in den vorhergehenden Kapiteln auftauchten. Dies macht das Lesen ein wenig mühsam, besonders, wenn sehr ähnliche oder identische Stellen unterschiedlicher Schriften aneinander gereiht stehen. Hier wäre die Löschung von Redundanzen oder Paraphrasen wirklich begrüßenswert gewesen.

Das Buch endet mit einer sehr hilfreichen zusammenfassenden Betrachtung, die Lehrende und Lernende sicherlich hilfreich finden werden und die neben der Sammlung der alten Schriften in chinesischer Schrift und in teils neuer Übersetzung eigentlich die Hauptattraktion des Buchs darstellen. Außerdem gibt es ein historisches Schriftenverzeichnis, ein Glossar, eine tabellarische Aussprachenhilfe und Zeitübersicht und vor dem umfangreichen Index noch ein ausgiebiges Literaturverzeichnis.



K.-G. Beck-Ewerhardy