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Vollständige Version anzeigen : Wolf Singer & Matthieu Ricard - Hirnforschung und Meditation. Ein Dialog



ErSunWukong
03-05-2014, 14:41
edition unseld (broschiert/2008)
ISBN 978-3-518-26004-3
134 Seiten
€ 10,00

Vor einigen Jahren wurden unter der Ägide des Dalai Lama die Frage untersucht, was sich in den Gehirnen von geübten Meditierern durch und während der Meditation verändert. Die Ergebnisse dieser Studie hat einige erstaunliche Tatsachen aufgezeigt und gleichzeitig eine Menge neue Fragen aufgeworfen, die Folgestudien bedingten, wie sie zum Beispiel von dem Leiter des Max Plack-Instituts in Frankfurt am Main, Wolf Singer, durchgeführt und betreut werden. Einer der Meditierer, der in solcher Art untersucht wurde ist der ehemalige Mikrobio-loge Matthieu Ricard, der seit 35 Jahren als buddhistischer Mönch in Katmandu lebt.

In diesem kleinen Bändchen bringt der „reine“ Naturwissenschaftler seine Art der Fragestel-lung dem ehemaligen Kollegen und jetzigen Vertreter der anderen Art zu lernen entgegen und so entsteht ein Gespräch, als dessen Zeugen die Leserinnen und Leser eine Idee davon be-kommen können, was Neurobiologen eigentlich den ganzen Tag tun und inwiefern dies nutz-bare Erkenntnisse zum menschlichen Denken und Handeln erbringt.

Schnell fällt dabei eine interessante Diskrepanz auf. Die „Geisteswissenschaft“ des Buddhis-mus – und vieler anderer meditativ arbeitender Denklehren – ist um einen großen Faktor älter als die modernen Wissenschaften und viele Erkenntnisse der Neurologie und Psychologie der letzten Jahrzehnte sind – wie zuvor schon in der Physik und der Quantenmechanik – durchaus in anders formulierter Form in Traditionstexten dieser Denk- und Forschungsformen wieder zu finden. Und so ist der meditierende Ex-Naturwissenschaftler keineswegs durch die neues-ten Überlegungen und Fragen seines Gegenübers zu irritieren – Fragen, die dieser übrigens mit einer erstaunlichen Bescheidenheit vorträgt.

Diese Art des Dialoges hat natürlich didaktischen Wert, denn durch Herr Singers Fragen – und auch durch die eher wenigen, aber sehr pointierten Fragen Herr Ricards – werden die Leserinnen und Leser immer mehr in diese doch sehr komplexe Thematik eingeführt. Und auch grundlegende Fragen, wie „Ist der Mensch von Natur aus gut oder schlecht“ werden dabei kurz noch einmal angerissen.

Das Buch hat ein erstaunliches thematisches Spektrum auf vergleichsweise wenigen Seiten und muss dabei notwendigerweise einige Thesen eher nur andiskutiert im Raum stehen lassen (z.B. das Altruismus im buddhistischen Sinne eine intelligente Form des Egoismus darstellt, da altruistisches Handeln im Handelnden positive Wirkungen hervorruft, ein Aspekt über den De Sade bereits Einiges zu sagen hatte), was aber folgerichtig ist, denn die Forschungen sind bei Weitem noch nicht abgeschlossen und entsprechend wird der Dialog zu diesen Themen noch lange weitergehen. Und dieses Buch gibt Neueinsteigern eine gute Möglichkeit, an dieser Diskussion teilzunehmen.



K.-G. Beck-Ewerhardy