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Vollständige Version anzeigen : Shu Ha Ri Wortbedeutung



Kurzer
05-07-2014, 14:39
Kann mir jemand etwas zur eigentlichen Grundbedeutung dieser drei Begriffe sagen?

Ist z. B. mit "Ha" dasselbe gemeint wie in etwa Ryu Ha? Bewegen wir uns da auch in einer "Fluß/Strommetaphorik"?

Danke für die Mühe und es geht mir wirklich "nur" um die sprachliche Bedeutung!

Inumeg
05-07-2014, 15:32
Für den Anfang sei auf die englische Wikipedia verwiesen: Klick (http://en.wikipedia.org/wiki/Shuhari).

ryoma
05-07-2014, 15:35
Tut mir leid, aber so was dauert ein paar Sekunden: Shuhari - Wikipedia, the free encyclopedia (http://en.wikipedia.org/wiki/Shuhari)

Und nein, dieses "ha" ist natürlich ein anderes "ha" wie z.B. in ryû-ha.
Es gibt viele verschiedene "ha" (jeweils andere Kanji): Zahn, Blatt, Schneide und noch einiges mehr...

Vegeto
05-07-2014, 15:40
Kann mir jemand etwas zur eigentlichen Grundbedeutung dieser drei Begriffe sagen?

Die "einfache" Standard Bedeutung finde ich schon gut genug,tiefer bin ich nie eingestiegen. Würde mich aber sehr freuen wenn es diese gäbe und sich daraus ein Thema ergibt.



Bewegen wir uns da auch in einer "Fluß/Strommetaphorik"?

Bitte was? :confused:

küken
05-07-2014, 15:47
http://www.judo-blog.de/wordpress/allgemein/shu-ha-ri-oder-die-weitergabe-des-feuers/

Nick_Nick
05-07-2014, 17:38
Hoffentlich nicht zu sehr OT:

Wäre mal interessant zu wissen, ob ShuHaRi wirklich auf Okinawa bekannt war, bevor das Karate nach Japan gekommen ist. Meines Wissens ist es strikt in den japanischen Kampfkünsten (Koryu) beheimatet (neben anderen Künsten) und basiert dort auf dem Konzept von verschiedenen Lehrinhalten von Partnerkata (Omote, Ura, Henka). Vielleicht haben die Japaner es erst eingebracht bzw. wurde es durch die Okinawaner von den Japanern übernommen.

Grüße

Kurzer
05-07-2014, 18:11
Ja. Das ist auch eine interessante Frage. Bzw.: Ab wann taucht das Begriffstrio im Karate literarisch belegt überhaupt auf? Daß es seit längerem zur "mündlichen Tradition", der "oral history", gehört, ist irgendwie nicht anzuzweifeln.

Und das mit dem "(Neben-)Fluß" (ha) und der "Strömung" (ryu): Das sind sprachliche "Bilder", die einem vielleicht kulturell Fremdes nahebringen.

Danke schon mal für die bisherigen hilfreichen Antworten!

douwa
06-07-2014, 00:17
Der Ursprung des shuhari wird meist mit dem noh in Verbindung gebracht, genauer mit dem berühmten zeami und der Konzeption des johakyu (http://db2.the-noh.com/edic/2009/06/johakyu_1.html).

Geht man sogar davon aus, dass diese Idee dem gagaku entlehnt sein könnte (also möglicherweise in etwa ab vielleicht schon dem 7. Jhdt. rum bekannt war, noch vor den ersten überlieferten ZEITGENÖSSISCHEN Überlieferungen), dass im verlinkten Artikel ja sogar am Rande erwähnt wird, spricht vieles für den originär japanischen Ursprung des shuhari.

Über eine gewisse Synonymitätt der Begriffe lässt sich auch anhand von Artikeln wie diesem hier (http://japancutters.blogspot.de/2010/12/johakyu-in-den-hassetsu-shichido-des.html) spekulieren. Über den Namen Boylan ist der eine oder andere vielleicht schon einmal gestolpert.

Gast
06-07-2014, 10:18
Ich hatte vor einiger Zeit einmal relativ oberflächlich im Internet zu dieser Begriffs-Trias recherchiert, ohne wirklich viel herauszubekommen. Zum einen war bzw. ist da der Karate- und der Aikido-Strang, wo mit den Begriffen operiert wird; zum anderen der Verweis auf die Noh-Tradition. In den älteren Texten zum Karate wie sie Gibukai und Heiko Bittmann veröffentlicht haben, sind mir die Begriffe noch nicht aufgefallen. V.a. habe ich sie in keinem der edo-zeitlichen Traktate zur Kampfkunst gefunden, von denen ich doch schon einige gesichtet habe. Wie es in meiji-zeitlichen-Texten aussieht kann ich nicht sagen. In den edo-zeitlichen Texten ist mir allerdings ein paar mal die Folge shin (真), gyô (行), sô (草) aufgefallen, welche ich als formale, halbfreie und freie Übung deute. (Die Trias ist wohl ursprünglich im Zusammenhang mit der Kalligraphie chinesicher Zeichen gebraucht), und welche - wie ich kürzlich gelesen habe, auch Formen der Verbeugung im Sitzen bezeichen (kann ich aber nichts zu sagen).
Ob diese Begriffe in der Koryu-Lehrdidaktik auftauchen oder dort eine Rolle spielen, weiß ich nicht. D.h. insgesamt vermute ich derzeit, dass es sich dabei um ein relativ modernes Konzept handelt (2. Hälfte 20.Jd.).

Kurzer
06-07-2014, 15:23
Danke für die bisherigen nur aufschlußreichen Beiträge!!

Eine laienhafte Bitte: Könnt Ihr, wenn Ihr Bezug auf ein Spezialgebiet nehmt, kurz eine zeitliche Einordnung bzw. eine kurze sprachliche oder bi(blio)graphische Erläuterung geben?

"gagaku" oder "Boylan" sagen mir leider leider nichts. (Der Mensch wird dumm geboren und dumm sterben.)

Nick_Nick
06-07-2014, 18:27
@ douwa

sehr interessante Info, danke.


...Ob diese Begriffe in der Koryu-Lehrdidaktik auftauchen oder dort eine Rolle spielen, weiß ich nicht. D.h. insgesamt vermute ich derzeit, dass es sich dabei um ein relativ modernes Konzept handelt (2. Hälfte 20.Jd.).

Ich zitiere mal aus einem Aufsatz über ShuHaRi der mir etwas bekannten Koryu:

"Shu-ha-ri" literally means embracing the kata, diverging from the kata and discarding the kata (Anmerkung: gemeint sind Partnerkata). The pursuit of training in a classical Japanese endeavor almost always follows this educational process. This unique approach to learning has existed for centuries in Japan and has been instrumental in the survival of many older Japanese knowledge traditions. These include such diverse pursuits as martial arts, flower arranging, puppetry, theater, poetry, painting, sculpture and weaving." (Quelle (http://www.shinyokai.com/Essays_TeachingShuHaRi.htm))

Ich denke schon, dass die Aussage stichhaltig ist. Aber vielleicht meldet sich noch jemand aus dem Koryu- oder altokinawanischen Lager.

Ansonsten ähnelt die Definition der in dem verlinkten Blogeintrag von "kanken", ist aber im Unterschied dazu (m. E.) eine schärfer definierte Vorgehensweise in der Koryu-Lehrdidaktik.

Grüße

Gast
06-07-2014, 19:50
Hy Nick-Nick,

danke für den Link.
Trotzdem bin ich noch nicht wirklich überzeugt - und das bitte nicht als Kritik oder Ablehnung missverstehen!
Dass die Idee eines zunächst exakten Lernens durch Nachahmen/Etablierung eines Fundaments, eines gründlichen Verstehen was man tut und schließlich einer gewissen Freiheit und Kreativität im Ausdruck in diversen Künsten schon lange gepflegt wird, da habe ich prinzipiell keine Zweifel dran. (So verstehe ich kurz gefasst shu-ha-ri).
Und natürlich ist kein schriftlicher Beleg in den Texten die ich kenne kein Beweis für die Nicht-Existenz des Konzepts mit diesen Begriffen.
Aber da ich zumindest viele (neo-)konfuzianische- und KK-Texte der Edo-Zeit gesichtet habe, ohne auch nur ein einziges Mal auf diese Trias zu stoßen, neige ich bislang noch eher zu "invented tradition" oder zu "im Prinzip vorhanden, aber nicht explizit ausformuliert".
Aber ich lass mich da gerne eines besseren belehren.

Gast
06-07-2014, 20:04
Da müsste man wohl auch mal schauen, ob und was es für Lehrbücher in den Bereichen KK, Blumenarrangement, Teezeremonie, Noh etc. aus früheren Zeiten gibt, und mal daraufhin durchgehen.
(Aber klar - oral tradition kann es natürlich davon unabhängig gegeben haben)

Nick_Nick
06-07-2014, 21:52
Trotzdem bin ich noch nicht wirklich überzeugt - und das bitte nicht als Kritik oder Ablehnung missverstehen!
...

Nichts gegen Kritik einzuwenden.

Offensichtlich gibt´s lt. Link auch einen Zusammenhang zwischen ShuHaRi und den häufig 3 Stufen der Ausbildung in den Koryu (in der SYR Shoden, Chuden, Joden). Musst du mal die Koryu-Leute ansprechen, ob in deren Densho was steht.

Übrigens bezeichnet Karl Friday in "Legacies of the Sword" Shu auch als "mamoru", Ha als "yabureru" und Ri als "hananeru". Er betreibt die Kashima-Shinryu.
In der Fußnote erwähnt er, dass Draeger in Anlehnung an die Kunst des "Blindschreibens" (habe nicht gewusst, dass die Japaner das als Kunst betrieben haben) ein vierstufige Einteilung vornimmt: gyo, shugyo, jutsu und do.

Vielleicht hilft das weiter.

Grüße

Inushishi
06-07-2014, 23:44
Offensichtlich gibt´s lt. Link auch einen Zusammenhang zwischen ShuHaRi und den häufig 3 Stufen der Ausbildung in den Koryu (in der SYR Shoden, Chuden, Joden). Musst du mal die Koryu-Leute ansprechen, ob in deren Densho was steht.

Solch einen Zusammenhang bin ich mir nicht bewusst. Ich kenne shuhari natürlich aus der Literatur. In meinem Trainingsumfeld(katori shintô ryû unter Sugino sensei) wird dieses Trias nicht verwendet. Jedenfalls ist es mir bis jetzt nicht im Unterricht zu Ohren gekommen.
Es hatte bisher immer den Charakter einer simplen theoretischen Metapher für die Entwicklung eines Schülers für mich.

https://www.youtube.com/watch?v=J0mo4CR7qJk
In diesen Video werden einige kuzushi, bzw. ura-Inhalte kurz erläutert(bei 8:20 und auch um 28:00 herum). Auch hier wird das Trias von Otake sensei und seinen Söhnen nicht erwähnt, was zu erwarten wäre wenn das Trias für die Didaktik der shintô ryû eine traditionelle Bedeutung hätte.

@Nick_Nick:
Zwei Fragen an dich:
1. In welchen Schulen außer der takamura-ha shindô yoshin ryû ist dir das Trias bekannt ?
2. Könntest du bitte aus 'Legacies of the Sword' einen Auszug über shuhari zitieren ? Ich besitze dieses Buch leider nicht(ja shame on me) und würde gern den genauen Kontext Wissen indem Dr. Friday das Trias genau erwähnt.

douwa
07-07-2014, 04:13
So, jetzt habe ich Zeit, meine recht kurz ausgefallene Antwort ein wenig zu ergänzen. :)



Danke für die bisherigen nur aufschlußreichen Beiträge!!

Eine laienhafte Bitte: Könnt Ihr, wenn Ihr Bezug auf ein Spezialgebiet nehmt, kurz eine zeitliche Einordnung bzw. eine kurze sprachliche oder bi(blio)graphische Erläuterung geben?

"gagaku" oder "Boylan" sagen mir leider leider nichts. (Der Mensch wird dumm geboren und dumm sterben.)Kein Problem.:)
Also Boylan ist jetzt nicht so wichtig und würde nur vom Thema ablenken, denke ich, die Namensnennung war einfach nur ein an sich unwichtiger Einwurf von mir.

gagaku ist die alte japanische Hofmusik, hier mal ein youtubelink (https://www.youtube.com/watch?v=5OA8HFUNfIk) zu einer Darbietung derselbigen.


@ douwa

sehr interessante Info, danke.
Gerne. Ich bedanke mich wiederum für das wohlwollende Lesen.:)



Und das mit dem "(Neben-)Fluß" (ha) und der "Strömung" (ryu): Das sind sprachliche "Bilder", die einem vielleicht kulturell Fremdes nahebringen.
In diesem Zusammenhang (nur mit entsprechenden kanji natürlich) vielleicht z.B. (hontai) yoshin-ryu als Hauptstrom oder -stamm und Schulen wie die Moto-ha yoshin-ryu (mal frei: "yoshin-ryu nach Art Moto") als einer der Seitenarme oder -äste (aus denen später wiederum erneut Abzweigungen abgehen können). Ha wird gemeinhin als Zweig oder Ableger verstanden, das Wort vor dem ha zeigt dann meist an, wessen Stil das ist. Leider kann ich gerade nicht herausfinden ob (was ich zumindestvermute) Moto in diesem Falle abkürzend für Yasumoto stehen soll, denn die moto-ha yoshin-ryu wurde kurz vor der Jahrtausendwende von Akiyoshi Yasumoto gegründet. Mir war so, als wäre ein Vertreter dieser Schule hier an Bord, dieser könnte natürlich genaueres sagen. Derzeit gibt es neben der Hauptlinie jedenfalls noch mehrere Seitenlinien.







Ich hatte vor einiger Zeit einmal relativ oberflächlich im Internet zu dieser Begriffs-Trias recherchiert, ohne wirklich viel herauszubekommen. [...] V.a. habe ich sie in keinem der edo-zeitlichen Traktate zur Kampfkunst gefunden, von denen ich doch schon einige gesichtet habe. Wie es in meiji-zeitlichen-Texten aussieht kann ich nicht sagen. In den edo-zeitlichen Texten ist mir allerdings ein paar mal die Folge shin (真), gyô (行), sô (草) aufgefallen, welche ich als formale, halbfreie und freie Übung deute. (Die Trias ist wohl ursprünglich im Zusammenhang mit der Kalligraphie chinesicher Zeichen gebraucht) [...]
Ob diese Begriffe in der Koryu-Lehrdidaktik auftauchen oder dort eine Rolle spielen, weiß ich nicht. D.h. insgesamt vermute ich derzeit, dass es sich dabei um ein relativ modernes Konzept handelt (2. Hälfte 20.Jd.).
+

Ich zitiere mal aus einem Aufsatz über ShuHaRi der mir etwas bekannten Koryu:

"Shu-ha-ri" literally means embracing the kata, diverging from the kata and discarding the kata (Anmerkung: gemeint sind Partnerkata). The pursuit of training in a classical Japanese endeavor almost always follows this educational process. This unique approach to learning has existed for centuries in Japan and has been instrumental in the survival of many older Japanese knowledge traditions. These include such diverse pursuits as martial arts, flower arranging, puppetry, theater, poetry, painting, sculpture and weaving." (Quelle (http://www.shinyokai.com/Essays_TeachingShuHaRi.htm))

Ich denke schon, dass die Aussage stichhaltig ist.
Danke für diese Einwürfe, aufgrund Zeitmangels konnte ich nämlich einen mir wichtig erscheinenden Punkt vorhin noch gar nicht ansprechen. Bevor ich anhand noch von mir zu zitierender Posts hier dazu komme, nur der Hinweis darauf, dass es niemals DIE koryu als große gleichgeschaltete Lehrtraditionen gab, sondern nur EINZELNE Traditionen, von denen man heute aufgrund gewisser Gemeinsamkeiten als den sogenannten koryu spricht (und selbst die Fachleute sind sich nicht immer 100%ig einig darüber, ob eine bestimmte Tradition noch als koryu gelten sollte oder nicht).
P.S.: Julian, mir ist klar, dass Du das schon weißt, also nicht angesprochen fühlen.;)

Shin gyo so gibt es übrigens zumindest schon einmal im jap. Bogenschießen kyudo, das Alter sei mal dahingestellt (nur falls Du nicht sowieso schon darüber gestolpert bist und vielleicht ja auch füer andere user interessant), ist auch nur mal eben ergoogelt.

Growth in kyudo has a natural progression. Instruction and practice must be in accord with this natural progression.

Growth in kyudo, as in anything, follows a natural progression from beginning to intermediate to advanced. While some may progress faster than others, the order of this process cannot be changed and everyone will inevitably follow it regardless of how much they may want to quickly achieve success. In kyudo this is expressed in the phrase "Shin Gyo So.Quelle: Seishinkan Kyudo Book - Sha and Rei, Shin Gyo So, Tradition, The Way (http://www.kyudo-geneve.ch/kk_en/articles/doc/Book4.html)





Dass die Idee eines zunächst exakten Lernens durch Nachahmen/Etablierung eines Fundaments, eines gründlichen Verstehen was man tut und schließlich einer gewissen Freiheit und Kreativität im Ausdruck in diversen Künsten schon lange gepflegt wird, da habe ich prinzipiell keine Zweifel dran. (So verstehe ich kurz gefasst shu-ha-ri).
Ohne es jetzt shuhari nennen zu wollen, stimme ich dieser Einschätzung des Erlernens/Erlangens von Kunstfertigkeiten prinzuipiell zu.



Und natürlich ist kein schriftlicher Beleg in den Texten die ich kenne kein Beweis für die Nicht-Existenz des Konzepts mit diesen Begriffen.
Aber da ich zumindest viele (neo-)konfuzianische- und KK-Texte der Edo-Zeit gesichtet habe, ohne auch nur ein einziges Mal auf diese Trias zu stoßen, neige ich bislang noch eher zu "invented tradition" oder zu "im Prinzip vorhanden, aber nicht explizit ausformuliert".
Aber ich lass mich da gerne eines besseren belehren.Bei der invented tradition bin ich nicht ganz bei Dir, bezüglich der Ausformulierungen etwas näher dran aber auch noch nicht ganz (siehe bitte den Folgeabsatz).




Offensichtlich gibt´s lt. Link auch einen Zusammenhang zwischen ShuHaRi und den häufig 3 Stufen der Ausbildung in den Koryu (in der SYR Shoden, Chuden, Joden). Musst du mal die Koryu-Leute ansprechen, ob in deren Densho was steht.

Übrigens bezeichnet Karl Friday in "Legacies of the Sword" Shu auch als "mamoru", Ha als "yabureru" und Ri als "hananeru". Er betreibt die Kashima-Shinryu.
In der Fußnote erwähnt er, dass Draeger in Anlehnung an die Kunst des "Blindschreibens" (habe nicht gewusst, dass die Japaner das als Kunst betrieben haben) ein vierstufige Einteilung vornimmt: gyo, shugyo, jutsu und do.
+

Ich kenne shuhari natürlich aus der Literatur. In meinem Trainingsumfeld(katori shintô ryû unter Sugino sensei) wird dieses Trias nicht verwendet. Jedenfalls ist es mir bis jetzt nicht im Unterricht zu Ohren gekommen.
Es hatte bisher immer den Charakter einer simplen theoretischen Metapher für die Entwicklung eines Schülers für mich.
Hätte ich genug Zeit gehabt, hätte ich schon in meinem vorigen Post die Problematik erwähnt mit der beliebten Einteilung von Leveln der koryu in jo chu und ge bzw. (und noch beliebter) shoden chuden und okuden. Gerade das Zweitere wird sehr häufig bemüht ohne zu berücksichtigen, dass es einerseits Schulen mit vielen oder auch nur wenigen benannten Leveln gibt (behelfsmäßig fasst man dann auch einfach mal mehrere Level unter z.B. chuden oder okuden zudammen, um die Sache doch noch irgendwie passend für DIESE gewollte Trias zu machen) und andererseits Schulen bzw. deren Vertreter ihre Schullevel nach eigenen Normen und eigenen Ideen folgend benennen (gleiche Level- oder Techniknamen in verschiedenen koryu wiederum können u.U. absolut gar nichts miteinander zu tun haben, deren vermittelte Prinzipien sich sogar widersprechen).

Diese Problematik hat mir schon heute Nachmittag (da für mich auf der Hand liegend) leichtes Kopfzerbrechen bereitet, weil sie einfach nicht angesprochen worden ist. Ich möchte nun aber nicht ei8nfach wild spekulieren oder einfach sagen, "Es ist nunmal so und so und basta." und bemühe daher einfach mal David. A. Hall (Encyclopedia of Japanese martial arts).

Kuroda Ichitaro (gestorben 2000 und seinerzeit ein wichtiger Schüler der Shindo Muso Ryu unter Shimizu Takaji) benennt die zu erklimmenden Entwicklungsstufen der klassischen Kampfkunstdisziplinen ebenfalls mit shu, ha und ri. Im erwähnten Buch sind als ALTERNATIVE LESARTEN derselben kanji angegeben mamoru bei shu, yaburu & yabureru bei ha und hanareru bei ri.
(wichtig, am Ende des Eintrages erfolgt ein Hinweis, dass nicht alle koryu diesem Paradigma folgen!!!)

Friday schreibt also offensichtlich (wie ja angedeutet wurde) tatsächlich vom shuhari und nicht einem anderen System (hätte ja auch sein können) und ich überlege mir gerade, ob man in der kashima shin-ryu die kanji möglicherweise anders ausspricht (Strategie heiho oder hyoho wird ja auch bei identischer jap. Schreibweise so ausgesprochen, wie der Vertreter einer koryu sich das denkt, auch wenn NORMALERWEISE beide Aussprachen denkbar sind).
P.S.: habe bei Friday nachgesehen, er spricht einfach nur von der Trias, so wie "wir" sie schon kennen und deutet an, dass diese eben unter shuhari oder X (alternative Aussprache) läuft, weiter nichts besonders, soweit ich es sehe.
P.P.S.: habe nun in diversen einschlägigen Büchern nachgeschlagen und bin entsetzt, wie wenig man eigentlich zum Thema shuhari findet. Ich bin ja immer noch davon überzeugt, dass es shuhari und dem ähnliche Konzepte schon länger in den koryu gibt und diese nicht plötzlich im letzten Jahrhundert aufgetaucht sind, gerade wo koryu und Veränderung sich nicht immer gut zu vertragen scheinen (Veränderungen durch Schul-Neugründungen meine ich damit nicht). Vielleicht ist eines der Probleme ja tatsächlich, dass shuhari nur in einigen Schulen wortwörtlich so auftaucht, ähnliche Konzepte in anderen Schulen aber eben unter vielen anderen SCHULSPEZIFISCHEN Namen laufen? Vielleicht kann ja doch noch jemand aus seiner koryu von solchen Konzepten berichten? Ich turne gerade schon am Ende meiner kleinen Fahnenstange herum.:o



https://www.youtube.com/watch?v=J0mo4CR7qJk
In diesen Video werden einige kuzushi, bzw. ura-Inhalte kurz erläutert(bei 8:20 und auch um 28:00 herum). Auch hier wird das Trias von Otake sensei und seinen Söhnen nicht erwähnt, was zu erwarten wäre wenn das Trias für die Didaktik der shintô ryû eine traditionelle Bedeutung hätte.
Wieso wäre unbedingt eine Erläuterung der Trias zu erwarten gewesen (sehe ich nämlich überhaupt nicht so) ???
Ist mir nichts entgangen, fehlte sogar die große Erleuchtungsgeschichte um den Stilgründer, dafür gab es aber alle paar Minuten den Hinweis darauf, dass nicht gekämpft werden darf, das Nichtkämpfen ist also möglicherweise das einzig Wichtige in der KSR. :D Ist natürlich nicht ganz ernst gemeint.

Otake macht mir immer noch (rein subjektiv gesprochen natürlich und daher keine echte Wertung aber um meine anschließende Frage zu verstehen) das überzeugendere Training, wenn ich an Dinge wie Kampf und Entwicklung von Kampfgeist denke (bei einer anderen Ausprägung hat es dafür mehr etwas Harmonisches vom aikido, wie ich finde). Du trainierst ja unter Sugino sensei, macht Ihr da ab und zu auch mal richtig knackig und "kriegerisch" oder ist das besonders Harmonische eine Art Leitgedanke? Ich frage, weil es ja nur eine Linie gibt sich aber zumindest optisch (vgl. etwa otake-/suginoschüler auf youtube) doch immer wieder größere Unterschiede in der Haltung beim Ausführen zu zeigen scheinen. Bezüglich ihres Könnens ziehe ich sowohl vor otake sensei als auch vor sugino sensei den Hut, nicht dass da ungewollt etwas falsch rüberkommt.:)

ryoma
07-07-2014, 08:36
Nette Diskussion. Aber warum sollten wohl Ura-Inhalte an Schulfremde/Nichtmitglieder weitergegeben werden, wenn es nicht mal innerhalb der Schulen selbst an alle weitergegeben wird?

Inushishi
07-07-2014, 08:50
Hätte ich genug Zeit gehabt, hätte ich schon in meinem vorigen Post die Problematik erwähnt mit der beliebten Einteilung von Leveln der koryu in jo chu und ge bzw. (und noch beliebter) shoden chuden und okuden.

In welchen Zusammenhang siehst du shuhari zu den Leveln ?
Setzt du shoden zum Beispiel mit shu gleich ?



Wieso wäre unbedingt eine Erläuterung der Trias zu erwarten gewesen (sehe ich nämlich überhaupt nicht so) ???
mea culpa.
Wahrscheinlich hätte ich es nur an diesen Stellen erwartet weil es sich dort angeboten hätte in meinen Augen, weil hier Oberflächlich Omote und Ura angeschnitten wird.


Otake macht mir immer noch (rein subjektiv gesprochen natürlich und daher keine echte Wertung aber um meine anschließende Frage zu verstehen) das überzeugendere Training, wenn ich an Dinge wie Kampf und Entwicklung von Kampfgeist denke (bei einer anderen Ausprägung hat es dafür mehr etwas Harmonisches vom aikido, wie ich finde). Du trainierst ja unter Sugino sensei, macht Ihr da ab und zu auch mal richtig knackig und "kriegerisch" oder ist das besonders Harmonische eine Art Leitgedanke?

Das harmonische ist besonders bei den mudansha ein Leitgedanke unter Sugino sensei. Er achtet darauf das sie die Kata korrekt und sauber ausführen, da bleibt das kriegerische zugegeben gern mal auf der Strecke. Umso erfahrener die Leute sind umso mehr wird aber von ihnen auch bei uns erwartet das sie die Kata kämpfen. Umso höher das eigene Level und das Level des Partners ist umso 'knackiger' wird das Training auch.

douwa
07-07-2014, 10:35
Hätte ich genug Zeit gehabt, hätte ich schon in meinem vorigen Post die Problematik erwähnt mit der beliebten Einteilung von Leveln der koryu in jo chu und ge bzw. (und noch beliebter) shoden chuden und okuden.
In welchen Zusammenhang siehst du shuhari zu den Leveln ?
Setzt du shoden zum Beispiel mit shu gleich ?Nein, ich hatte das vielleicht missverständlich formuliert. Egal was ich jetzt schreibe, man wird garantiert etwas finden, wo man widersprechen könnte aber ich wage mal trotzdem einen Versuch.

Shu ha und ri sind m.E. unabhängig irgendwelcher bestimmter Level konkreten Lerninhalts bzw. egal ob man nur zwei oder 30 Level hat (und das nicht zwingend nur kampfkunstbezogen, ginge auch bei der Pilotenausbildung) bestimmte Entwicklungsstufen, die man NATURGEMÄß beim Lernen durchläuft. Ähnliche Konzepte wie das von Draeger favorisierte vi8erstufige wären sicherlich ähnlich anwendbar.

Shoden, chuden okuden sind für mich einfach bestimmte Level konkreter Lehrinhalte in bestimmten Schulen mit nur diesen oder wahrscheinlich eher noch weiteren Leveln innerhalb derer sie erst einmal je nach Schule zu verorten sind. Ähnlich sehe ich es beim Keppan (man wird, früher oft mit blutiger Unterschrift, heute seltener, auf die Schule eingeschworen), ein Treue-Eid der in manchen Schulen früher als in anderen abgelegt werden muss und daher nicht einheitlich zu verorten ist sondern immer nur bezogen auf eine/mehrere ganz bestimmte Schulen.

Wie (wahrscheinlich) auch das vielzitierte shuhari krankt auch die "übliche" Einteilung shoden-chuden-okuden m.A.n. daran, dass es nicht IN GENAU DIESER FORM auch in jeder Schule auftaucht, was aber durch die ständige Erwähnung bei nicht gleichzeitg erfolgendem Hinweis auf die vielen anderen Möglichkeiten impliziert wird. Shuhari empfinde ich als weniger "schädlich" wenn auch möglicherweise zu ungenau, da dieses Grundkonzept, egal wie man es nennt, für jeden leicht nachvollziehbar sein wird (ich kann nunmal keine Statistikberechnung für Gebäude erstellen, wenn ich nicht einmal die Grundrechenarten behrrsche). Egal welche Schule ich nähme und ob diese vielleicht sogar eigentlich ein bestimmtes vier- oder fünfstufiges Konzept für sich beanspruchte, ich könnte problemlos das shuharikonzept zur beschreibung drüberstülpen. Etwas ähnliches hat ja Draeger gemacht, als er meinte, die "übliche" Trias durch eine Vierstufigkeit ersetzen zu müssen.

Wie soll ich aber abgesehen von direkten Vergleichen miteinander i.S.e. Gegenüberstellung nun bei Schulen shoden, chuden und okuden herbeizaubern, wenn deren Level völlig anders heißen und von ganz anderer Anzahl und Aufbau sind? Natürlich könnte man hier auch sagen, Level 2 von insgesamt 3 Leveln aus Schule A entspricht in etwa zweites Drittel von Level 7 bis einschließlich erste Hälfte von Level 14 von insgesamt 18 Leveln der Schule B. Mir stellt sich dann nur die Frage, wozu solch ein Vergleich überhaupt angestellt werden sollte. Shuhari hingegen setzt bei seiner bloßen Erwähnung nicht unbedingt voraus, dass man deren jeweiligen Beginn oder Ende möglichst schon im Vorfeld genau verortet, um über eine bestimmte Schule vernünftig reden zu können. Shu ha und ri sind m.E. fließend wie deren Übergänge ineinander, Level wie okuden usw. jedoch recht fest umrissene Bereiche (bitte jetzt keine Diskussion darüber, dass Leute wie Otake sensei auch weiterhin die Basis trainieren, sonst kommen wir vom 100stel zum 1000stel :D).

Falls mir jemand nicht folgen konnte, sorry, konnte nachts nicht schlafen und jetzt müsste ich eigentlich, habe aber kaum noch Zeit.:D

Nick_Nick
07-07-2014, 11:10
@Nick_Nick:
Zwei Fragen an dich:
1. In welchen Schulen außer der takamura-ha shindô yoshin ryû ist dir das Trias bekannt ?


Nur noch wie erwähnt offensichtlich der Kashima-Shinryu. Aber sowohl Takamura als auch Friday (gerade der ist ja über jeden Zweifel erhaben) schreiben das sehr selbstverständlich und allgemein. Friday bspw. schreibt es in seinem Kapitel "The Martial Path", in dem es nicht um seine Schule geht.

Ich könnte mir ebenfalls vorstellen, dass ShuHaRi ein Konzept ist, das allgemein passt und nicht explizit erwähnt werden muss bzw. die Schulen eigene Begriffe oder Vorgehensweisen synonym verwenden.

Unabhängig von Anzahl und Bezeichnung der Level in den verschiedenen Schulen vermute (!) ich aber trotzdem, dass es einen grundlegenden Zusammenhang gibt zwischen erreichtem Level und der Tatsache, ob man noch in der Katabox komplett gefangen ist, sich etwas bewegen darf oder völlig frei ist. Wird aber denke ich sicher nicht schwarz-weiß sein.



Könntest du bitte aus 'Legacies of the Sword' einen Auszuger shuhari zitieren ? Ich besitze dieses Buch leider nicht(ja shame on me) und würde gern den genauen Kontext Wissen indem Dr. Friday das Trias genau erwähnt.

"douwa" hat´s ja schon beantwortet, aber der Vollständigkeit halber:

"As he moves toward mastery of the ryuha´s teachings, the bugei student´s relationship with his school´s kata evolves through three stages, expressed by some authorities as Preserve, Break, and Separate ("mamoru, yabureru, hananeru," or "shu-ha-ri"). (S. 107)

Grüße

Inushishi
07-07-2014, 11:36
Nur noch wie erwähnt offensichtlich der Kashima-Shinryu.

So offensichtlich finde ich das eigentlich garnicht.


As he moves toward mastery of the ryuha´s teachings, the bugei student´s relationship with his school´s kata evolves through three stages, expressed by some authorities as Preserve, Break, and Separate ("mamoru, yabureru, hananeru," or "shu-ha-ri").
(Markierung von mir)

Das 'some authorities' macht mich halt ein wenig stutzig. Hätte Dr.Friday nicht schreiben können ' in kashima shin ryû this is called ...' so und so ? So wie es dort geschrieben steht gibt er meiner Meinung nach nur ein bereits Allgemein bekanntes Konzept wieder.
Natürlich kann man deine Schlußfolgerung aber nachvollziehen und ich zähl gerade Erbsen.

douwa schrieb:

Kuroda Ichitaro (gestorben 2000 und seinerzeit ein wichtiger Schüler der Shindo Muso Ryu unter Shimizu Takaji) benennt die zu erklimmenden Entwicklungsstufen der klassischen Kampfkunstdisziplinen ebenfalls mit shu, ha und ri. Im erwähnten Buch sind als ALTERNATIVE LESARTEN derselben kanji angegeben mamoru bei shu, yaburu & yabureru bei ha und hanareru bei ri.
(wichtig, am Ende des Eintrages erfolgt ein Hinweis, dass nicht alle koryu diesem Paradigma folgen!!!)

Kann es nicht sein das shuhari ursprünglich aus der shindô musô ryû stammt und durch die Anschließung an den Alljapanischen Kendô Verband und durch Draeger populär gemacht wurde ?(jetzt nur das Trias als Begriff an sich, das Konzept kann zugegeben älter sein)
Ansonsten scheint die Quellen Lage nach douwas Aussage wirklich mau zu sein.