Trainingsplan Ringer [Archiv] - Kampfkunst-Board

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Vollständige Version anzeigen : Trainingsplan Ringer



MitchBln
27-07-2014, 15:32
Hallo!

Ich habe hier in den letzten Monaten viele wertvolle Infos und Trainingstips gefunden. Heute nun möchte ich meinen aktuellen Trainingsplan vorstellen, an dem es sicherlich einiges zu verbessern und zu optimieren gibt.

Aktuelle Situation
52 Jahre, 170 cm, aktuelles Gewicht 69 kg.
Kampfsport Ringen seit 14 Jahren (ja, wirklich erst mit 38 begonnen). In den letzten zwei Jahren jedoch wegen eines magnetischen Sofas leider nur sehr sporadisch zum Training gegangen.

Im Dezember 2013 habe ich nach einem langen Blick in den Spiegel, auf die Waage (77 kg) und auch aus emotionalen Gründen wieder mit intensiverem Training begonnen: Ringertraining (2-3 x pro Woche, Freizeitsportverein) und reglmäßiges Krafttraining im Fitness-Studio. Dort habe ich die ersten Monate zunächst das typische Wiedereinsteiger-Grundkraft-Programm gemacht.

Seit 8 Wochen trainiere ich nun nach folgendem Plan (wohl so eine Art "entschärftes" Maximalkrafttraining):

Montag:
Modul A
Schrägbankdrücken 3 x 6 WH
Duale Bankdrückmaschine 3 x 6 WH
Dips 3 x 6 WH
Kreuzheben 3 x 6 WH
Trizeps (Kabel/Snapdown) 3 x 12 WH
Seitheben 3 x 8 WH

Dienstag:
Ringen (Technik)

Mittwoch:
Modul B
Klimmzüge 3 x 6 WH
Latziehen zur Brust 3 x 6 WH
Rudern Kabelzug 3 x 6 WH
Bizeps Kabelzug 3 x 12 WH
Knieheben hängend 3 x 16 WH

Donnerstag:
Ringen (WH-Technik und Sparring)

Freitag:
Modul A
anschließend
- HIIT: Laufband oder Ergometer 10 Durchgänge mit je 30 Sekunden max gefolgt von je 90 Sekunden slow
oder
- 1 Stunde Schwimmen (normal)

Samstag:
Ringen (mit Plyometrics, Functional Training, Technik und Sparring)

Sonntag: Pause

dann Montag: Modul B
etc.


Aufwärmen vor jeder Übung 14 x 40% des regulären Gewichts
Pausen zwischen den Sätzen: 2 Minuten


Ich weiß, dass das Ganze eigentlich ein bissele viel ist. Allerdings bin ich mit dem bisherigen Erfolg recht zufrieden: 8 kg Gewicht abgenommen, Kraft und Ausdauer beim Ringen sehr viel besser geworden und im Moment spielt mein Körper noch mit.

Ernährung: normal bis unausgewogen, d.h. wenig Obst, wenig Gemüse, viel Fleisch und Pasta.

Wo will ich hin?
Ich sehe Schwächen beim Heben (Single/Double Leg TD, High Crotch, Ausheben), bei der Koordination, beim Neu-Lernen komplexer Bewegungsabläufe und bei meiner Stabilität.
Natürlich will ich als Freizeitsportler keine Turniere bestreiten, aber verbessern möchte ich mich trotz meines Alters doch noch. Und als Ringer hat man halt immer den einen oder anderen Gegner in der Gruppe, der eine motivierende Herausforderung darstellt.

Wie weiter?
Wie ich die bisherigen FAQs verstanden habe, wäre es jetzt an der Zeit, die Trainingsart zu modifizieren, d.h. für einige Monate eher Schnellkraft oder Kraftausdauer (oder Hypertrophie?) zu trainieren. Gleichzeitig Schnellkraft und Maximalkraft zu trainieren, wie es Mars in einer FAQs seiner beschrieben hat, ist mir wegen der Gewichtsumbauerei ein wenig zu umständlich.


Für kritische Anmerkungen, Tips und Anregungen von euch bin ich sehr dankbar!

Mitch

period
28-07-2014, 13:45
Hi Mitch,

also erstmal find ichs super, dass Du wieder zum besten Sport von allen zurückgefunden hast ;) Ich bin überhaupt der Meinung, dass viele Ringer ihre aktive Teilnahme am Sport leider zu früh beenden – nach der Wettkampflaufbahn wäre bei vielen sicher noch ein Training 1-2x pro Woche möglich, so gehen uns leider viel zu viele erfahrene Leute zu früh flöten.

Also erstmal, Dein Ausdauertraining find ich prinzipiell recht gut, kann man erstmal so lassen.

Bezüglich der Kraftkomponente und den genannten Problemen: Diesbezüglich muss ich wohl erstmal anmerken, dass Du Dich vielleicht fragen solltest, ob es Dir in erster Linie darum geht, das Ringen als Teil vom Fitnesstraining zu bestreiten oder ob Du den für Dich effektivsten Ringstil finden willst; wenns ersteres ist, werden Ausheber und Co vermutlich einen größeren Stellenwert einnehmen. Wenns letzteres sein sollte, wirst Du Dich vielleicht schon mal mental drauf einstellen müssen, dass Du in den nächsten Jahren vermutlich vermehrt besser mit den Techniken fahren wirst, die kein Abheben erfordern (Runter- bzw. Abreißer, Schwunggriffe, Beinangriff außen, Nackenhebel, Hammerlocks etc).
Meine persönlichen Beobachtungen in meinem Umfeld gehen dahin, dass sich in erster Linie die Leute auch im Alter noch gut auf der Matte halten können, die ein gutes Gespür für Position entwickelt haben.

Dessen ungeachtet: die besten Kraftraumübungen direkt für Ausheber und ausgehobene Angriffe aller Art sind vermutlich:
- Umsetzen mit Lang- und Kurzhantel
- Umsetzen mit Sandsäcken (z.B. ein Seesack, der mit sandgefüllten Müllsäcken auf das gewünschte Gewicht gebracht wird – „sandbag training“ für Übungsmöglichkeiten googeln)
- Kniebeugen (sowohl Frontkniebeugen als auch Back Squats)
- Ausfallschritte mit Gewicht
- Vorgebeugtes und liegendes Rudern
- Klimmzüge mit Handflächen zum Ausführenden
Was die Periodisierung angeht, würde ich am Anfang dazu raten, je eine schwere und eine dynamische Übung für Beine und Zugmuskulatur zu machen, zum Beispiel Kniebeugen oder Ausfallschritte (schwer), Klimmzüge mit Zusatzgewicht (schwer) und Umsetzen mit Langhantel oder Kurzhanteln (dynamisch). Mit diesen drei Übungen sollte sich die Umbauerei erstmal in erträglichen Grenzen halten.
An Wiederholungszahlen würde ich bei Kniebeugen und Klimmzügen anfangs zu 3x5 bis 5x5 raten, beim Umsetzen eher zu 5x3 – 6x3.

Wenn Du allerdings in einen ausgefeilteren Periodisierungszyklus gehen willst, müsste ich zuerst wissen, was Du so an Gewichten bewegst, bevor ich eine fundierte Meinung oder Empfehlung dazu abgeben kann.

Allerdings kann es durchaus sein, dass ein Teil der Probleme in der ungenügenden Vorbereitung der Angriffe bedingt ist. Da wären aus dem Stehgreif zudem folgende Übungen zu empfehlen:
- Seilklettern (für alle Züge an Handgelenk und Oberarm)
- Schattenringen mit und ohne Gummiband
- Aufziehen mit Gummiband oder leichten Kurzhanteln über mehrere Minuten am Stück
- Bewegen in der Kampfstellung
- Kniebeugen mit Sprung

Koordination: da sind die einfachsten Mittel manchmal die besten; bewährt haben sich vor allem ein turnerisches Warm-up vor allen (!) Trainingseinheiten sowie die Teilnahme an koordinativ fordernden Spielen wie Handball, Basketball und Fußball. Zu bemerken ist leider, dass letztere auch ein nicht zu unterschätzendes Verletzungsrisiko mitbringen (wir hatten bei den Spielen immer mehr Verletzte als sonst im Ringertraining!).

Stabilität: Da geht meine Empfehlung zu ringerspezifischen Partnerübungen und Zweikampfspielen. Siehe dazu hier (Unterpunkt „100 Zweikampfspiele“): -Judo Materialien zum Download Free - samtecs Jimdo-Page! (http://samtec.jimdo.com/skripte/judo/judo-materialien-zum-download-free/)

Zum Neu-Lernen von Bewegungsabläufen: Hier ginge meine erste Empfehlung dahin, Dich in erster Linie an bereits gelernten Techniken zu orientieren und Ergänzungen von da aus schrittweise einzubauen (etwa ein neuer Eingang oder eine neue Angriffsweiterführung); abgesehen davon haben zumindest mir diesbezüglich immer sehr, sehr viele Wiederholungen geholfen, zum einen mit Partner, aber auch in Form von Schattenringen mit Gummiband, Spiegel oder ähnlichen Hilfsmitteln.

So, das wärs erstmal von mir… Abschließend kann ich nur noch einen Rat anbringen, den mir ein ehemaliger Senioren-Weltmeister mal mitgegeben hat:
Wenn Du willst, dass Deine Karriere lange dauert, dann meide alle Techniken, die Dir einen sehr hohen Kraftaufwand abfordern oder die Kraft und Gewicht Deines Gegners in hohem Maße gegen Dich arbeiten lassen. Und es ist gut, Maximalkraft zu haben, aber besonders, wenn man älter wird, wird Kraftausdauer und eine schlaue Taktik immer wichtiger ;)

In diesem Sinne würde ich dazu raten, den Ringstil vermehrt an die veränderten Gegebenheiten anzupassen und etwas mehr in Richtung Zirkeltraining (eventuell auch direkt nach dem empfohlenen Krafttraining, das ist kurz genug), verkürzte Pausen zwischen den Sätzen etc zu schauen.

Viel Glück und beste Grüße
Period.

MitchBln
28-07-2014, 21:40
Hallo Period,

vielen Dank für deine ausführliche und detaillierte Antwort. Sie enthält wirklich viele Dinge, die ich für beachtenswert halte.

Vielleicht als Einstieg und zur Erklärung, dass Ringen für mich die primäre Sportart ist, der Ringens wegen und nicht der Fitness wegen. Insofern ist das Kraft- und Ausdauertraining im Sportstudio ist im Grunde "nur" Mittel zum Zweck, um im Ringen kraft- und konditionsmäßig zu bestehen zu bestehen.


Wenns letzteres sein sollte, wirst Du Dich vielleicht schon mal mental drauf einstellen müssen, dass Du in den nächsten Jahren vermutlich vermehrt besser mit den Techniken fahren wirst, die kein Abheben erfordern (Runter- bzw. Abreißer, Schwunggriffe, Beinangriff außen, Nackenhebel, Hammerlocks etc).
Da stimme ich dir voll und ganz zu. Ich denke, es wird besser sein, an den vorhandenen Fähigkeiten zu arbeiten und sie weiterzuentwicklen, als jetzt noch großartig den Aufbau einer anderen Kampftechnik (Heben) anzufangen.



Dessen ungeachtet: die besten Kraftraumübungen direkt für Ausheber und ausgehobene Angriffe aller Art sind vermutlich:
- Umsetzen mit Lang- und Kurzhantel
- Umsetzen mit Sandsäcken (z.B. ein Seesack, der mit sandgefüllten Müllsäcken auf das gewünschte Gewicht gebracht wird – „sandbag training“ für Übungsmöglichkeiten googeln)
- Kniebeugen (sowohl Frontkniebeugen als auch Back Squats)
- Ausfallschritte mit Gewicht
- Vorgebeugtes und liegendes Rudern
- Klimmzüge mit Handflächen zum Ausführenden


Das mit dem Umsetzen mit Hantel würde ich jetzt noch nicht angehen wollen. Ich denke mal, da kann man als Unerfahrener viel falsch machen und die Trainer in meinem Studio machen mir nicht so den Eindruck, als würden sie einem die Freihantel-Übungen ausführlich erklären wollen/können.

Sandsäcke klingen interessant, das werde ich auf jeden Fall ausprobieren.

Kniebeugen und Ausfallschritte werde ich auch vorsichtig probieren. Klimmzüge mache ich schon, wenn auch nicht mit den Handflächen nach innen.


Ich hatte heute, noch vor dem Lesen deines Postings, meine bisherige auf Maximalkraft ausgerichtete Phase beendet und habe mit einer Art Hypertrophietraining (3 Sätze zu 10-12 WH) begonnen, gefolgt von 1 Probesatz Ausdauer mit 20 WH. Keine Ahnung ob das überhaupt sinnvoll ist. Aber es fühlt sich gut an :)




Was die Periodisierung angeht, würde ich am Anfang dazu raten, je eine schwere und eine dynamische Übung für Beine und Zugmuskulatur zu machen, zum Beispiel Kniebeugen oder Ausfallschritte (schwer), Klimmzüge mit Zusatzgewicht (schwer) und Umsetzen mit Langhantel oder Kurzhanteln (dynamisch). Mit diesen drei Übungen sollte sich die Umbauerei erstmal in erträglichen Grenzen halten.

Ok, das probiere ich.




Allerdings kann es durchaus sein, dass ein Teil der Probleme in der ungenügenden Vorbereitung der Angriffe bedingt ist. Da wären aus dem Stehgreif zudem folgende Übungen zu empfehlen:
- Seilklettern (für alle Züge an Handgelenk und Oberarm)
- Schattenringen mit und ohne Gummiband
- Aufziehen mit Gummiband oder leichten Kurzhanteln über mehrere Minuten am Stück
- Bewegen in der Kampfstellung
- Kniebeugen mit Sprung

Oh ja! Absolut ins Schwarze getroffen, vor allem was die Züge an Handgelenk, Oberarm aber auch Nacken betrifft. Zum Glück haben wir in unserer Trainingshalle Seile zum Klettern...

Aber...äh...was verstehst du unter "Aufziehen" ?



...sowie die Teilnahme an koordinativ fordernden Spielen wie Handball, Basketball und Fußball. Zu bemerken ist leider, dass letztere auch ein nicht zu unterschätzendes Verletzungsrisiko mitbringen (wir hatten bei den Spielen immer mehr Verletzte als sonst im Ringertraining!).

Das scheint sehr weit verbreitet zu sein... wir spielen "Ringer-Basketball" und auch bei uns fallen dabei mehr Verletzungen an als beim normalen Training oder Sparring.


Die Stabilitätsübungen schaue ich mir mal an und versuche sie in die Plyometrics und Functional Training Sessions einzubauen. Und das mit den Bewegunsabläufen vor dem Spiegel klingt einleuchtend... mal ausprobieren.




Und es ist gut, Maximalkraft zu haben, aber besonders, wenn man älter wird, wird Kraftausdauer und eine schlaue Taktik immer wichtiger ;)

Das werde ich mir zu Herzen nehmen ;-)


Noch einmal vielen herzlichen Dank. Ich werde hier mal ab und zu meinen Stand/Verlauf posten.

Ciao
Mitch

period
29-07-2014, 12:18
Hallo Mitch,

freut mich, wenns Dir weiterhilft :)

Du hast recht, umsetzen ist nicht die einfachste Übung; allerdings finde ich, dass sie sowohl mit zwei Kurzhanteln (da ist es dann eine Art unsauberer Curl mit Bein- und Hüfteinsatz vom Boden weg) als auch mit einem Sandsack deutlich einfacher zu lernen ist… und bei den zwei Varianten habe ich bisher noch von keinen dadurch entstandenen Verletzungen gehört.

Bezüglich dem 3x12 + 1x20: Sicher auch ein Ansatz, den man mit Erfolg betreiben kann. Was ich in erster Linie gemeint habe wäre eher, am Schluss des gesamten Trainings noch einen kurzen Zirkel (10-15 Minuten) anzuhängen, bei dem mit sehr kurzen Pausen (max. 30 Sekunden, besser weniger) von Übung zu Übung gegangen wird. Ein klassisches Beispiel wäre etwa dieser Zirkel hier, der in meinem aktuellen Verein häufig gemacht wird (2-3 Runden, 30 Sekunden je Übung, 15-30 Sekunden Pause zwischen den Übungen, 1-2 Minuten zwischen den Runden):

- Klimmzüge
- Gesprungene Kniebeugen
- Seilklettern (alternativ: Klimmzüge an um die Stange gewickeltem dicken Handtuch)
- Sit-ups
- Dips oder Liegestütze
- Beinangriff-Abwehr (eventuell auch stilisiert als Burpees)

Die Übungsausführung sollte nach Möglichkeit immer schnell sein; sofern die Erschöpfung vor den 30 Sekunden eintritt (bei unseren Jugendlichen manchmal bei Klimmzügen oder Seilklettern der Fall), soll zumindest die Stange / das Seil noch gehalten werden.



Aber...äh...was verstehst du unter "Aufziehen" ?


Oh – die Sprachverwirrung im deutschen Ringsport :D Also, zumindest im süddeutsch-österreichischen Raum bezeichnet „Aufziehen“ den Kampf darum, wer einen oder beide Arm(e) „unten“ hat, also in der Achselhöhle des Gegners (im englischen Sprachraum besser als „pummeling“ bekannt). Wie sagt man denn in Berlin dazu? ;)

Auf Updates wäre ich durchaus gespannt :)

Beste Grüße
Period.