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Vollständige Version anzeigen : Sanchin und Hangetsu



Gawan
10-09-2014, 10:12
Vor kurzem hatten wir im Karate-Training die Kata Hangetsu. Die hat mich an Videos der Kata Sanchin erinnert, die ich mir früher mal angesehen habe (wegen der teilweise langsamen Ausführung und der „speziellen“ Atmung).

Im Nachhinein habe ich mich über die Schritte in Hangetsu gewundert. Im Training waren die Schritte recht kurz, der vordere Fuß stark nach innen gedreht, die Knie etwas nach innen gedrückt. Das stimmt mit dem Bild überein, das hier (Hangetsu ? Wikipedia) (http://de.wikipedia.org/wiki/Hangetsu) zu finden ist.

Dann habe ich in „Karate-Do“ von Nakayama nachgelesen: Hangetsu-Dachi ist bei ihm fast so lang wie ein Zenkutsu-Dachi, der vordere Fuß nur leicht eingedreht, der Schwerpunkt eher mittig, die Knie etwas nach innen gedrückt.

Die Schritte, die wir für die Kata Hangetsu gelernt haben, heißen bei Nakayama Sanchin-Dachi.

Ich bin etwas verwirrt. Warum machen wir in der Kata Hangetsu keine Hangetsu-Dachi, sondern Sanchin-Dachi? Haben sich die Schritte/Namen im Shotokan seit Nakayama geändert?

SV_Tim
10-09-2014, 10:38
Wenn ich das richtig im Kopf habe, wird bei der Hangetsu auch ein Hangetsu-Dachi gemacht und kein Sanchin-Dachi.
Die Hangetsu ist auch keine Variante der Sanchin, sondern der Seisan. Guck dir doch von der mal verschiedene Varianten an. Gibt auch zwischen den Varianten ein paar Unterschiede, die Seisan ist jedoch in sehr vielen Stilen vertreten, letztens gab es in einem anderen Thread einen interessanten Link dazu.

Edit: Hier der Link zur Seisan: http://www.ikigaiway.com/2012/a-historical-walking-tour-of-seisan-kata/
Im übrigen, da auch Patrick McCarthy zu Wort kommt, die Seisan die im Koryu Uchinadi unterrichtet wird, ist die Aragaki Seisan.

Gawan
10-09-2014, 13:18
Kanazawa macht in seinem Hangetsu-Video die langen Schritte, die Nakayama als Hangetsu-Dachi bezeichnet hat (das Video hatte ich mir auch schon angesehen und mich über die langen Schritte gewundert). Meine Frage ist, warum wir im Training etwas anderes unter dem Namen Hangetsu-Dachi gelernt haben, nämlich den vergleichsweise kurzen Schritt (eine Schulterbreite), den Nakayama als Sanchin-Dachi bezeichnet. Macht man das heute generell im (JKA-) Shotokan so?

ThiS
10-09-2014, 13:37
Kanazawa macht in seinem Hangetsu-Video die langen Schritte, die Nakayama als Hangetsu-Dachi bezeichnet hat (das Video hatte ich mir auch schon angesehen und mich über die langen Schritte gewundert). Meine Frage ist, warum wir im Training etwas anderes unter dem Namen Hangetsu-Dachi gelernt haben, nämlich den vergleichsweise kurzen Schritt (eine Schulterbreite), den Nakayama als Sanchin-Dachi bezeichnet. Macht man das heute generell im (JKA-) Shotokan so?

Soweit ich weiß ja. Generell ist man in den letzten Jahren ein wenig von Nakayama abgerückt (technisch gesehen) und viele Dinge die in Nakayamas Büchern stehen werden heute anders gemacht.
Unter anderem der Hangetsu-Dachi vs. Sanchin-Dachi, auch wenn (meine ich) nach wie vor beides im Kanon existiert.

Was nicht in der JKA gemacht wird, aber trotzdem irgendwie gerade überall auftaucht ist die Pressatmung à la Goju-Ryu..

duoyang
10-09-2014, 15:49
soweit ich mich erinnern kann ist der Hangetsu Dachi eine Erfundung von Nakayama, der Name der Kata ist eher von der Bewegung des Schrittes abgeleitet, vielleicht kann ja einer der mehr Ahnung hat dazu was sagen. Als kleinen Tip kann ich nur geben, fragt euch selbst warum diese Stellung nur in dieser Kata vorkommt und auch nur im JKA Shotokan und welche Verbesserung oder Verschlechterung diese Position hat.

weitermachen

Gibukai
10-09-2014, 15:56
Hallo,

Hangetsu ist in der JKA-Linie überhaupt ein gutes Beispiel dafür, wie sich eine Kata von früheren Ausführweisen (um es mal so einfach zu schreiben) lösen kann und in einem neuen Lehrgebäude ganz eigene Veränderungen/Anpassungen erfährt. Schon die Frage, warum überhaupt so etwas wie ein Hangetsu-Dachi in der JKA Verwendung findet bzw. eingeführt worden ist, ist hinsichtlich der historischen Ausgangsversion dieser Kata interessant. Etwas mehr dazu schreibe ich hier, falls es von Interesse sein sollte:

Henning Wittwer und Karate-D?: Hangetsu (http://gibukai.blogspot.de/2010/10/hangetsu.html)

Grüße,

Henning Wittwer

duoyang
10-09-2014, 17:21
sehr interessant,danke.

Gawan
10-09-2014, 18:14
Vielen Dank für die Antworten! :)

Kurzer
10-09-2014, 18:45
Was soll man dazu sagen?

Wenn man sich die Bilder in G. Funakoshis "Karate-Do Kyohan", 1973, 144ff. zur Hangetsu ansieht, ist der vordere Fuß mit Uchi Uke eindeutig nach innen gedreht.

Dazu Fußnote 145,45: "... this frontstance is not like the frontstance in other forms ... it´s called the half-moon stance ..."

Macht anwendungstechnisch auch Sinn. Über die Weite und Breite kann man immer noch streiten ...

Der "Halbkreis" ist ja nicht nur in der Beinarbeit präsent. Eine sehr interessante Kata!

ThiS
10-09-2014, 20:05
Da würde ich aufpassen: Gerade die englische Ausgabe hat wenn ich mich recht erinnere Passagen die in der Originalausgabe nicht enthalten sind.. auf den Text würde ich mich daher nicht verlassen...

Schaut man sich diese Bilder hier an (http://www.google.de/imgres?imgurl=http%3A%2F%2Fwww.helldragon.eu%2Fmar cello%2Fefeso%2Fgichin%2Faltre-foto%2Fhn-1.jpg&imgrefurl=http%3A%2F%2Fwww.helldragon.eu%2Fmarcell o%2Fefeso%2Fgichin%2Fhn.html&h=268&w=156&tbnid=t-K97T7JApw3WM%3A&zoom=1&docid=eIhd4T-c3_3ECM&ei=3pEQVNiPO6v_ygPAnYHoBg&tbm=isch&iact=rc&uact=3&dur=685&page=1&start=0&ndsp=58&ved=0CCIQrQMwAA), sieht man auch wiederum, dass der Stand tatsächlich nur ein ZD ist..

Und in der japanischen Ausgabe (http://www.hawaii.edu/asiaref/okinawa/digital_archives/pdfs/funakoshi-kyohon1935.pdf) habe ich kein Bild von ihm mit eingetretem Knie gefunden

Gibukai
10-09-2014, 21:23
Hallo,

wie schon richtig angemerkt, entspricht die technische Darstellung von Hangetsu in der 1973er Übersetzung von T. Ōshima (geb. 1930) nicht der Ausführung von G. Funakoshi. T. Ōshima hat sein eigenes „Ding“ daraus gemacht, das technisch wiederum teilweise auf seiner anfänglichen JKA-Mitgliedschaft beruht. (Abgesehen davon halte ich seine ganze Interpretation des „Kyōhan“ für ungut.)

Jedenfalls kommt T. Ōshima aus dem Umfeld des Karate-Klubs der Waseda-Universität, in dem eigentlich kein „Hangetsu-Dachi“ genutzt wird. Das angefügte Foto stammt aus dem Lehrbuch eines Vertreters aus dem Waseda-Klub, T. Naitō (geb. 1938), und zeigt eine bekannte Geste aus Hangetsu. T. Naitō demonstriert auf dem Bild Zenkutsu-Dachi und beschreibt im Text zu Hangetsu ebenso den Zenkutsu-Dachi. T. Naitō ist im Waseda-Klub ein Junior von T. Ōshima.

Grüße,

Henning Wittwer

DojokunOss
11-09-2014, 08:53
Hallo,

Hangetsu ist in der JKA-Linie überhaupt ein gutes Beispiel dafür, wie sich eine Kata von früheren Ausführweisen (um es mal so einfach zu schreiben) lösen kann und in einem neuen Lehrgebäude ganz eigene Veränderungen/Anpassungen erfährt. Schon die Frage, warum überhaupt so etwas wie ein Hangetsu-Dachi in der JKA Verwendung findet bzw. eingeführt worden ist, ist hinsichtlich der historischen Ausgangsversion dieser Kata interessant. Etwas mehr dazu schreibe ich hier, falls es von Interesse sein sollte:

Henning Wittwer und Karate-D?: Hangetsu (http://gibukai.blogspot.de/2010/10/hangetsu.html)

Grüße,

Henning Wittwer

Deine Beschreibung der Stellung mit "Knie nach innen gedrückt" passt zwar optisch, jedoch findet im Inneren eine andere Kraftlinie statt. Als Vergleich bietet sich die Vorstellung einer Brücke an. Während die anderen "normalen" Stellungen sich wie eine "normale" Brücke verhalten, also zum Beispiel ein Bogen gebildet wird und das Gewicht auf den Pfeilern ruht, ist es beim Hangetsu-Dach wie eine Hängebrücke, d.h. oben am Pfeiler hängen die Tragseile. Wenn Du jetzt an genau diesen Punkten ziehst, spannt sich die Brücke. Übertragen auf den Hangetsu-Dach: Durch das Anklappen der Hüfte durch Anspannung im Hara (entspricht dem oben genannten Ziehen) wird der Stand fest. Man krallt sich förmlich in den Boden.

Bezüglich Deiner Ausführung zur Atmung: Du hast Recht, wenn Du keinen Unterschied zu anderen Katas hast und Du hast aber auch nicht Recht ;-) Es wird wie bei den anderen ausgeatmet, allerdings langsam über die gesamte Technik bis zum Endpunkt. Versuche mal meine obige Beschreibung des Einnehmens des Standes mit langsamer kraftvoller Atmung und einmal mit schneller (wie bei den anderen Katas) und Du wirst feststellen, das letzteres nicht so gut funzt. Die Atmung ist vergleichbar mit den langsamen Tate-Shuto-Uke in Bassai-Dai, Tekki-Shodan oder auch Heian-Godan, blos das im Hangetsu die Muskelspannung schon am Anfang der Technik einsetzt.

Oss

KeineRegeln
11-09-2014, 09:12
Ehrliche Neugier:

Warum will man, dass die Muskelspannung schon von Anfang an besteht?

Gruß
KeineRegeln

DojokunOss
11-09-2014, 10:16
Es gibt ja zwei Arten, um Kraft zu erzeugen. Zum einen aus Schnelligkeit und Bewegung und zum anderen durch Muskelarbeit bzw. die Anspannung des Körpers. Daher auch die Unterteilung der Kata in Shorin und Shorei, wobei natürlich in einer Shorin-Kata auch Shorei-Techniken enthalten sind und umgekehrt. Das eine soll uns schneller machen, das andere kräftiger.

Die erste Reihe der Hangetsu ist nichts weiter als die Extremform von Shorei und dient hauptsächlich dem Muskelaufbau und dem Zusammenspiel des ganzen Körpers auf einen extrem starken Stand und Endpunkt hin. Gerade die großen Muskelgruppen des Rückens, der Hüfte und der Beine werden dabei sehr gut trainiert. Außerdem werden die Muskeln trainiert, die bei den anderen Bewegungen/Stellungen wichtig sind, wie z.B. die Muskeln zum Zusammenziehen im Hara.

Der Rest von Hangetsu ist ja "normal", sprich locker bleiben und erst ganz am Schluß anspannen.

Vielleicht noch was zur Spannung. Der Hangetsu-Dach hat Innenspannung und man steht relativ kurz. Deshalb ist dieser geeignet, wenn man viel Kraft und wenig Platz hat, z.B. man hat ne Wand im Rücken und der Gegner bedrängt einen auf sehr naher Distanz. Dann kann man im Hangetsu-Dach sehr viel Kraft entwickeln und den Gegner evtl. von sich weg schieben um einen besseren Kampfabstand "für den Rest" zu schaffen.

ThiS
11-09-2014, 10:46
Übertragen auf den Hangetsu-Dach: Durch das Anklappen der Hüfte durch Anspannung im Hara (entspricht dem oben genannten Ziehen) wird der Stand fest. Man krallt sich förmlich in den Boden.


Ähm.. sorry.. kann sein, dass ich das falsch interpretiere, aber man krallt sich nicht fest. Ebenfalls weiß ich nicht, ob ich den Vergleich mit der Hängebrücke und der Brücke bei andern Ständen gut finden soll. Die Brücke schon.. die Hängebrücke weniger.

Ich versuch einfach mal zu beschreiben wie ich es kenne, vllt hab ich dich nur falsch verstanden, oder es gibt auch hier zwei Arten von Stand..

Ich kenne es so, dass man zuerst die Knie (und Füße) nach innen gedreht werden und, wie du schon schreibst, die Hüfte angeklappt wird. Dadurch rotieren die Oberschenkel nach außen. Um das zu verhindern wird eine extreme Innenspannung in den Oberschenkel aufgebaut. Das "Krallen" in den Boden resultiert daraus, dass die Füße weiter nach innen zeigen, als es durch die Kniestellung "natürlich" wäre (da die Knie mit dem sacken lassen des Steißbeins nach außen rotiert sind, aber die Füße noch in der Ausgangsposition sind). Dadurch wollen sich die Füße ständig drehen, bzw. werden ständig nach außen weggedrückt. Ähnlich wie bei einem Fachwerk mit zusätzlicher Verdrehung.
Dadurch entsteht das Gefühl, dass die Füße in den Boden gedrückt werden würden. Tatsächlich wird die Haftungsreibung des Bodens ausgenutzt.
Aber die Füße werden nicht gekrallt. Die Füße in den Boden zu krallen führt lustigerweise nämlich zum Gegenteil dessen was man erreichen möchte.. deshalb sollten die Füße auch im Hangetsu-Dachi entspannt bleiben (was durchaus erst einmal schwer ist).
So jedenfalls habe ich das in der JKA gelernt..

Der Witz ist: Man kann den Hangestu auch absolut entspannt stehen und steht genauso stabil.. das hab ich aber innerhalb der JKA noch nicht gesehen..

Dann ist der Hangetsu-Dachi, wie ich es gelernt habe (und meine Erfahrung bestätigt das), nicht stabiler als andere Stände (Ausnahme vielleicht Kb), sondern einfach auf einen breiteren "Stabilitätswinkel" ausgelegt. Soll heißen, man kann mit Druck aus mehreren Richtungen umgehen, im Vergleich zum Zk bei dem man schon in Probleme gerät, wenn der Druck leicht seitlich statt frontal kommt.

So, meine 2 cents..

DojokunOss
11-09-2014, 10:58
Du hast im Prinzip das gleiche mit anderen Worten ausgedrückt. Natürlich krallt man sich nicht in den Boden (es sei denn, man heißt "Boris die Bestie" :ups:). Es fühlt sich halt nur so an.

Auch Deine Aussage hinsichtlich "Stabilität aus mehreren Richtungen" ist korrekt.

ThiS
11-09-2014, 11:20
Gut, dann hab ich das falsch verstanden ;).
Dann komme ich zum nächsten Punkt (:p):


Es gibt ja zwei Arten, um Kraft zu erzeugen. Zum einen aus Schnelligkeit und Bewegung und zum anderen durch Muskelarbeit bzw. die Anspannung des Körpers. Daher auch die Unterteilung der Kata in Shorin und Shorei, wobei natürlich in einer Shorin-Kata auch Shorei-Techniken enthalten sind und umgekehrt. Das eine soll uns schneller machen, das andere kräftiger.


Versteh mich bitte nicht falsch, ich frage nur interessehalber, wo würdest du denn die Tekki einordnen?

DojokunOss
11-09-2014, 11:30
Tekki ist Shorei.

Und nur zur Info. ICH ordne die nicht ein, das haben andere getan.

ThiS
11-09-2014, 11:34
Tekki ist Shorei.

Und nur zur Info. ICH ordne die nicht ein, das haben andere getan.

Deswegen habe ich ja gefragt, wie du sie einordnest..
weil Tekki eigentlich ja die Kata im Shorin ist... wenn man sich die typischen Shorei-Stile anschaut findet man die Tekki da nämlich so oft..

EDIT: Deswegen halte ich die ganze Unterteilung in Shorin und Shorei für nicht zutreffend, jedenfalls für ganze Kata.. Funakoshi hatte ja auch schon Probleme mit der Zuordnung einzelner Kata zu diesen Strömungen. Weshalb ich auch nicht glaube, dass es jemals Shorin und Shorei Stile gab. Jeder Stil enthält beides (vielleicht mehr Fokus auf das eine als das andere), und hat das auch schon immer.
Btw. gibt es mEn auch noch eine weitere Art der Krafterzeugung, die ich aus der Tekki kenne. Auch wenn ich mittlerweile glaube, dass die JKA da viel von redet, aber auch nicht wirklich weiß, was damit gemeint ist (einzelne Individuen ausdrücklich ausgenommen).

DojokunOss
11-09-2014, 11:39
Shorin:
Alle Heian, Bassai-Dai, Bassei-Sho, Kanku-Dai, Kanku-Sho, Empi, Unsu

Shorei:
Alle Tekki, Hangetsu, Jion, Jitte, Jiin, Sochin, Gangaku, Nijushiho

Gibukai
11-09-2014, 12:31
Hallo,

„DojokunOSS“, es gibt da ein Verständnisproblem. In meinem Blog beschreibe ich mein Karate und das, was ich über die Atmung in meinem Karate schreibe, ist nur richtig. Es ist nicht auf Dein JKA-Karate übertragbar – nicht halb und schon gar nicht ganz. Daher ist Deine Anmerkung dazu falsch. Ebenso verhält es sich mit der „Spannung im Hara“ (oder wo auch immer) – die gibt es bei mir nicht.

Den Hangetsu-Dachi (mit einem ‚i‘ am Ende) beschreibe ich nur von der äußeren Form, damit der Leser weiß, was ich meine. Ich unterrichte ihn nicht. Ich lernte ihn vor vielen Jahren von verschiedenen JKA-Koryphäen und heute ist er für mich irrelevant. Ich übe einen (für mich) normalen Zenkutsu-Dachi, ähnlich wie T. Naitō einen für sich normalen Zenkutsu übt und G. Funakoshi einen für sich normalen Zenkutsu-Dachi lehrte, aber keineswegs einen Hangetsu-Dachi.

Ansonsten ist das historische Konzept von Shōrei-Ryū (zu dem Tekki und Hangetsu zählt) eine Art von körperlicher Kategorisierung, aber keine Schulrichtung im heutigen Sinn.

Grüße,

Henning Wittwer

ThiS
11-09-2014, 12:58
Ansonsten ist das historische Konzept von Shōrei-Ryū (zu dem Tekki und Hangetsu zählt) eine Art von körperlicher Kategorisierung, aber keine Schulrichtung im heutigen Sinn.


Trotzdem schwankt Funakoshi ja bei gewissen Kata in der Einteilung zwischen Shorin und Shorei. Was ja darauf hinweist, dass die Einteilung keineswegs so deutlich abgrenzbar wäre.

Zudem, was ich oben schon geschrieben habe, finde ich es immer noch sehr interessant, dass eine Kata, die zu den Hauptkata des Shorin-Ryu gehört (und nach Funakoshi ja die erste Kata war, die er lernte) ausgerechnet dem Shorei-Typus angehört. (Nicht missverstehen, wenn man der Einteilung Shorin, leicht und beweglich, nicht binden und Shorei, kräftig und stark, binden folgt ist die Tekki auch in meinen Augen auch eher Shorei)
Dass zudem die Pinan Serie, die ja Itosu zugeschrieben wird, eher in Richtung Shorin geht, obwohl Itosu ja für Shorin-Maßsstäbe eher als ein kraftbetonter Kämpfer bekannt war, fällt für mich ebenfalls in die Kategorie interessant.
(Und ich hätte die Gankaku eher als Shorin angeordnet, dass aber nur am Rande).

Wenn ich mir nun die Anwendungen sowohl in der Tekki, als auch in den Heian Kata anschaue (wohlgemerkt, die die ich kenne), erkenne ich eigentlich die gleichen Konzepte wieder. Zwar sind die Heian etwas direkter als die Tekki, die sich sehr viel um den Gegner herum bewegt, aber die zu Grunde liegende Kampfweise scheint mir doch dieselbe zu sein. Zumal die höheren Heian sich der Tekki auch annähern, und einige Konzepte gegen das gegriffen werden sind in der Tekki und der Heian ebenfalls exakt gleich.
Und ja, die Tekki nutzt (auch in der JKA) eine andere Art der Krafterzeugung. Die kann man aber im Prinzip auch überall nutzen..

Von daher frage ich mich, ob die Einteilung Shorin/Shorei wirklich vorhanden ist, oder ob es sich dabei nur um verschiedene Ausprägungen derselben Sache handelt und die Kata-Einteilung einfach nur darauf beruht, dass man eben verschiedene Schwerpunkte setzt, um sich auf jeweils eine Sache konzentrieren zu können.
Soll heißen: Man könnte, wenn man wollte auch die Heian-Reihe als Shorei ausführen, genauso wie die Tekki als Shorin, und die verbreitete Festlegung ist eher eine bewusste Entscheidung als in der Kata selbst immanent.

Ich hoffe, das ist jetzt einigermaßen verständlich..

DojokunOss
11-09-2014, 12:59
Schnipp ...
In meinem Blog beschreibe ich mein Karate ...
Schnapp ...
Es ist nicht auf Dein JKA-Karate übertragbar – nicht halb und schon gar nicht ganz.
... Schnippel


Ok. Kein Problem. Leider kam das weder in Deinem Beitrag noch in dem verlinkten Blogeintrag so rüber.

Nichtsdestotrotz finde ich es hilfreicher, über etwas zu schreiben, wie es (viele?) machen und was der physische Hintergrund ist, als etwas zu schreiben, was nur für einen Einzelnen (in diesem Falle Dich) zählt. Noch dazu schreibst Du, dass Du den Hangetsu-Dachi nicht unterrichtest. Ich hingegen schon und ich hoffe, den Fredersteller hiermit geholfen zu haben.

Sodele

DojokunOss
11-09-2014, 13:15
@This

Interessante Worte, was die Einteilung in Shorin und Shorei berifft.
Ich schrieb ja auch, dass es in den Shorin-Katas Shorei-Techniken gibt und andersrum. Und freilich kann man eine Shorin-Kata als Shorei laufen und andersrum.

Ein Grund, warum Tekki Shorei ist, könnte sein, dass dort die Hauptzahl der Techniken im Kiba-Dachi ausgeführt werden ohne eine Bewegung von einem Stand in den nächstens, sprich: ohne Körperverschiebung. Die Krafterzeugung erfolgt dort ausnahmslos durch Körpervibration. Weiterhin werden, zumindest in meinem Verband, einige Techniken davon nicht schnell hintereinander ausgeführt, sondern kraftvoll und bewusst Stück für Stück (also der Shorei-Gedanke). Als Beispiel sei hier gleich am Anfang der Tekki-Shodan der Empi+ Fauststapel + Gedan-Barei + Kake-Zuki genannt. Viele, dich ich getroffen habe, machen das so schnell hintereinander (für alles ca. 1 Sekunden), dass ich das Kime jeder Technik anzweifel. Ich kenne und lehre es so, dass wie gesagt jede Technik kraftvoll, einzeln und mit Kime auszuführen ist und die Krafterzeugung auch deutlich zu erkennen ist. Damit benötigt man für diese Kombi bei mir ca. 2,5 bis 3 Sekunden.
Ich hoffe, Du erkennst in meinen Worten den Shorei-Gedanken

Ansonsten. Sehr coole Diskussion bis jetzt

ThiS
11-09-2014, 13:41
Ein Grund, warum Tekki Shorei ist, könnte sein, dass dort die Hauptzahl der Techniken im Kiba-Dachi ausgeführt werden ohne eine Bewegung von einem Stand in den nächstens, sprich: ohne Körperverschiebung. Die Krafterzeugung erfolgt dort ausnahmslos durch Körpervibration.

Bin ich soweit bei dir.
Kiba Dachi wird ja oft als Markenzeichen für Shorei gesehen.
Aber das gilt auch nur für die Kata. In der Anwendung sieht das auch wieder anders aus.

Dann gibt's (z.B. Anfang der Heian Nidan) auch in den Heian stellen, bei denen keine Körperverschiebung genutzt wird.

Und ausschließlich Vibration ist auch nur in der JKA. Gibt andere Verbände, da wird z.B. im Sochin-Dachi gelaufen.
(Bei uns z.B. lernt man die Tekki anfänglich teilweise im Sochin-Dachi), da kommt dann auch in der Kata schon die Körperverschiebung zum Tragen. Wenn auch nur anfänglich als Stütze.

Und: Nicht nur in der Tekki kommt Vibration vor, die gibt's z.B. auch in den Heian, die ja wieder als Shorin gelten..

Und wenn man ganz ehrlich ist, gibt's in der Tekki auch noch das Pendeln und öffnen und schließen, und dann hat man drei der fünf Krafterzeugungsprinzipien des JKA-Shotokans schon wieder mit in der Tekki.

Wenn man sie dann noch teilweise im Sochin Dachi ausführt hat man gleich alle 5.. Das wird später dann zwar wieder alles in die Vibration geführt, aber der gleiche Prozess wäre eben auch bei allen anderen Kata möglich.

Im Endeffekt läuft's doch darauf hinaus, dass ich mich bewusst entscheide, wie ich eine Kata laufen will, sprich in welche Kategorie ich sie einteile, und nicht, dass die Kata mir das vorgibt.. Jedenfalls ist das über die letzten Jahre mein Eindruck "geworden"..



Weiterhin werden, zumindest in meinem Verband, einige Techniken davon nicht schnell hintereinander ausgeführt, sondern kraftvoll und bewusst Stück für Stück (also der Shorei-Gedanke). Als Beispiel sei hier gleich am Anfang der Tekki-Shodan der Empi+ Fauststapel + Gedan-Barei + Kake-Zuki genannt. Viele, dich ich getroffen habe, machen das so schnell hintereinander (für alles ca. 1 Sekunden), dass ich das Kime jeder Technik anzweifel. Ich kenne und lehre es so, dass wie gesagt jede Technik kraftvoll, einzeln und mit Kime auszuführen ist und die Krafterzeugung auch deutlich zu erkennen ist. Damit benötigt man für diese Kombi bei mir ca. 2,5 bis 3 Sekunden.

Kenne ich auch so.. jedenfalls, die Zeitdauer der einzelnen Bewegungen. Über Kime will ich hier nicht anfangen, das sprengt dann wieder den Thread ;).



Ich hoffe, Du erkennst in meinen Worten den Shorei-Gedanken
Ich denke schon, dass ich dich diesmal verstanden habe ;)


Ansonsten. Sehr coole Diskussion bis jetzt
:halbyeaha

Gibukai
11-09-2014, 14:26
Hallo nochmal,

nur ganz kurz: zur Shōrin-Shōrei-Einteilung veröffentlichte ich anhand von vielen japanischen Originalquellen jede Menge Stoff, den ich hier sicher nicht wiederholen möchte. Es ist „altes“ Wissen, hat sich im Gruppenunterrichtssystem (verallgemeinert) eigentlich aufgelöst, gilt für Kata und Kumite. Du schreibst, Tekki gehöre zum Shōrin, aber das stimmt nicht, G. Funakoshi ordnet sie dem Shōrei zu. Heian dagegen ist Shōrin. Dass A. Itosu (1831–1915) beide schuf/lehrte hängt unmittelbar mit dem Einsatz dieser Kategorisierung bei der Auswahl des Schülertypen zusammen (zumindest im Privattraining mit 1 bis 5 Leuten oder so).

G. Funakoshis „Schwanken“ bezüglich der Kata-Zuteilung hat mehr mit Druckfehlern in den ersten Büchern als mit inhaltlichen Unklarheiten zu tun …

„Vibrieren“ ist sicherlich nicht die „einzige“ Ausführart von Tekki …

Grüße,

Henning Wittwer

ThiS
11-09-2014, 15:06
@ Gibukai:
Hmm... hmm.. lies bitte meinen Beitrag nochmal. Ich ordne die Tekki nicht dem Shorin zu. Vielmehr finde ich es lustig, dass man wohl früher, als erste Kata in einem Shorin-Stil eine Kata lernte, die man innerhalb dieses Shorin-Stils dem Shorei zuordnet.
Das finde ich interessant. Mehr nicht.

Zur Tekki selbst habe ich mich nur dahingehend geäußert, dass man sich vielleicht mal überlegen könnte, ob man die Kata in Shorei-Art ausführt, weil die Kata dies immanent vorgibt, oder ob man die Kata nach Shorei-Art ausführt, weil es im Lehrgebäude so vorgesehen ist.

Und nochmal allgemein zu Shorin/ Shorei:

Es ist doch schon interessant, wenn man liest (jetzt mal aus deinem Buch zitiert, das ich kenne und schätze ;) )

[...], erkannte er, dass einige Kata besser zu großen, kräftigen Personen passen (Shorei-Ryu), während andere eher für kleine wendige Kämpfer geeignet sind (Shorin-Ryu).


und


Shorei

greifen, festhalten
Körpertreffer akzeptieren
[...]


Shorin

gegriffen werden vermeiden
Beweglichkeit, Variantenreichtum
Ausweichmanöver
[...]


und sich dann überlegt, dass der Fachmann für Shorei (zumindest nach obiger Kampfeinteilung), Itosu, eher "faßförmig" und untersetzt war, während der Fachmann für Shorin, Azato, groß und kräftig war.

Also ganz so klar abgegrenzt sind die beiden dann auch nicht. Und wohl auch nie gewesen.

Gawan
11-09-2014, 15:17
Ich hingegen schon und ich hoffe, den Fredersteller hiermit geholfen zu haben.


Ja, teilweise schon, aber jetzt bin ich hinsichtlich der Kata Hangetsu noch ein wenig verwirrter als vorher. ;)
Mir ging es eigentlich nur um den Hangetsu-Dachi und darum, wie man den prinzipiell korrekt ausführt. O.k., Nakayama ist Vergangenheit und „sein“ Hangetsu-Dachi und der heute (im JKA-Shotokan) unterrichtete Hangetsu-Dachi haben nur noch vom Namen her etwas miteinander zu tun; die heutige Fassung entspricht dem Sanchin-Dachi Nakayamas. Das ist die Antwort auf meine Frage.

Aber die darüber hinaus gehenden Beiträge sind ebenfalls sehr interessant. Zumindest weiß ich jetzt, dass es von der Kata Hangetsu und für den Hangetsu-Dachi verschiedene Varianten gibt.

Gibukai
11-09-2014, 15:46
Hallo,

ich lese immer noch „weil Tekki eigentlich ja die Kata im Shōrin ist“. Ich stehe also bezüglich Deiner Aussage auf dem Schlauch. Ich schreibe: Tekki = Shōrei; Du schreibst Tekki = Shōrin. Wo liegt mein Denkfehler?

Da es sich um eine Kategorisierung von Menschen handelt, die in nur zwei Lager getrennt werden (Shōrin-Typen und Shōrei-Typen), kann sie die beiden menschlichen Körpertypen nicht bis zum letzten Detail zufriedenstellend beschreiben. Ebenso sind einzelne technische Merkmale (Kiba-Dachi = Shōrei; Shutō-Uke = Shōrin) nicht in jedem Fall absolute Unterscheidungsmerkmale. Das erwähne ich aber auch („Band I“ S.125; „Band II“ S. 239).

A. Itosu war fett und stark, daher gehörte er zum Shōrei, A. Asato war schnell und schlagfertig sowie (wahrscheinlich) schlaksig groß, daher gehörte er zum Shōrin.

Die Einteilung hat aus meiner Sicht auch mit dem persönlichen Empfinden des Auswählenden zu tun und lässt sich vielleicht mit der persönlichen Vorliebe für einen bestimmten Frauentyp (oder Männertyp) vergleichen. Da gibt es die Gruppe, die für Person A super ist und die, die Person A unsuper findet. Trotzdem dürften die Frauen der ersten Gruppe einander nicht wie ein Ei dem anderen gleichen, auch wenn wahrscheinlich gewisse Tendenzen erkennbar sind …

Grüße,

Henning Wittwer

duoyang
11-09-2014, 15:47
jetzt müsst ihr mir nur nochmal erklären,warum der Nakyama Hangetsu Dachi (jetzt vielleicht Sanchin Dachi) überhaupt in dieser Kata geübt wird, welches Ziel wird verfolgt? Wenn er diese Stellung so wichtig fand warum hat er diese nur in dieser Kata eingeführt, warum nicht Zenkutzu Dachi gelassen, so wie ich es auch kenne? Ein Sanchin Dachi macht ja noch Sinn aber dann kann man ja auch die Sanchin laufen. Vielleicht entwirrt mich jemand, danke.

PS: Ich fand zu meiner Shotokanzeit die Stellung überflüssig da sie die Hüfte sperrte (Sanchin Dachi macht das nicht)

ThiS
11-09-2014, 16:06
Hallo,

ich lese immer noch „weil Tekki eigentlich ja die Kata im Shōrin ist“. Ich stehe also bezüglich Deiner Aussage auf dem Schlauch. Ich schreibe: Tekki = Shōrei; Du schreibst Tekki = Shōrin. Wo liegt mein Denkfehler?

Ah, jetzt verstehe ich wie du da drauf kommst.
Ich versuch das mal ein wenig ausführlicher darzulegen, war vielleicht etwas missverständlich ausgedrückt.

Shotokan an sich gilt ja als Shorin-Ströming. Matsumura wird ja auch als Begründer des Shorin-Ryu angesehen. (Jedenfalls soweit ich weiß)
So, und jetzt lehrt einer der größten Koryphäen des Shorin-Ryu eine "Shorei-Kata", und das auch noch als eine der Grundlagen-Kata im Shorin-Ryu.
Das finde ich sehr interessant.
Und dann lernt Funakoshi, der ja ebenfalls im Shorin-Zweig unterwegs war, auch noch als erste Kata überhaupt, eine Shorei-Variante.

Worum es mir geht: Ich gehe in Schule A um dort die Bewegungen der Schule A zu lernen, doch im ersten Jahr dort lerne ich erst einmal die Bewegungen der Schule B.
Das meine ich. Wieso lerne ich im Shorin-Zweig Kata der Shorei-Schule?
(Shotokan jetzt außen vor, Funakoshi schreibt ja, dass er beides vereint)

Das bringt mich zum Nachdenken..
Und dann gibt es noch die Diskussion zwischen Matsumura und Motobu (die ist glaub auch in einem deiner Bücher enthalten) über die Art und Weise wie viel Kraft man in die Tekki legen sollte, und das Itosu sie kräftiger ausführt, als sie in Matsumuras Zweig ausgeführt wird (trifft's nicht ganz, aber so ist's kürzer).

D.h. die Tekki muss nicht unbedingt immer ein "Shorei-Kata" gewesen sein. Möglich, dass sie das erst durch Itosu wurde, oder es einfach zwei mögliche Ausführungsarten gab.



Da es sich um eine Kategorisierung von Menschen handelt, die in nur zwei Lager getrennt werden (Shōrin-Typen und Shōrei-Typen), kann sie die beiden menschlichen Körpertypen nicht bis zum letzten Detail zufriedenstellend beschreiben. Ebenso sind einzelne technische Merkmale (Kiba-Dachi = Shōrei; Shutō-Uke = Shōrin) nicht in jedem Fall absolute Unterscheidungsmerkmale. Das erwähne ich aber auch („Band I“ S.125; „Band II“ S. 239).

Ich weiß, dass du in deinen Büchern schreibst, dass das keine absolute Einteilung sei, deshalb bin ich auch ein wenig erstaunt, dass du hier das hier als etwas recht eindeutiges darstellst.


A. Itosu war fett und stark, daher gehörte er zum Shōrei, A. Asato war schnell und schlagfertig sowie (wahrscheinlich) schlaksig groß, daher gehörte er zum Shōrin.

Azato war schlaksig? Ich meine, dass Funakoshi in seiner Biographie schreibt, dass Azato eine breite Brust besaß.. muss ich nochmal nachlesen..


Die Einteilung hat aus meiner Sicht auch mit dem persönlichen Empfinden des Auswählenden zu tun und lässt sich vielleicht mit der persönlichen Vorliebe für einen bestimmten Frauentyp (oder Männertyp) vergleichen. Da gibt es die Gruppe, die für Person A super ist und die, die Person A unsuper findet. Trotzdem dürften die Frauen der ersten Gruppe einander nicht wie ein Ei dem anderen gleichen, auch wenn wahrscheinlich gewisse Tendenzen erkennbar sind …

Genau darauf will ich ja hinaus. Deshalb finde ich die Einteilung ja etwas seltsam. Dass man zwei verschiedene Krafterzeugungsideen hat, ok, aber sie dann speziell einem Körperbautypus zuzuordnen finde ich etwas.. naja.. weiß auch nicht.. abenteuerlich...

Klaus
11-09-2014, 17:21
Diese stark verdrehten Gelenkstellungen sind irgendwann mal im Dunstkreis bzw. Umfeld von daoistischen Lehrern und Qigong-Bastlern entstanden, man findet sie z.B. viel in Bagua-Grundübungen. Die sind nicht dafür da, dass man das dann "im Kampf" so macht, ausser man kommt zufällig mal in so eine Position während man sich durch die Gegend bewegt. Im Prinzip ist es eine Art minimale Spannung die auf die Haltemuskulatur wirkt, man soll dabei bitte nicht die Muskeln "gezielt" anspannen.

kanken
11-09-2014, 17:36
Nun ja, im Bagua (jedenfalls so wie ich es lerne) haben diese Drehungen (vor allem der Beine) sehr wohl sehr konkrete kämpferische Anwendungen, das kommt u.a. aus den Chuojiao Sets.
Klaus hat jedoch absolut Recht wenn er sagt das da kein "Anspannen" ist. Locker, Locker, Locker und "Geist, Geist, Geist" sind die Grundregeln.

Grüße

Kanken

Klaus
11-09-2014, 17:57
Ich habe in meinem Leben ein einziges Mal einen Sliding-Step-Kick, und ein mal einen Piercing-Foot-Kick benutzt, mit "durchschlagendem Erfolg". Den Effekt den das auf die Knie und Stabilität der Füsse hat, merke ich aber ständig. Insofern ist das so viel wichtiger als irgendwelche exotischen Hebel die man mit Glück benutzen kann wenn jemand unvorsichtig in einen reinläuft. Bei anderen Gelenken fällt die Möglichkeit das "Einzusetzen" auch komplett raus, für die gibt es das Eindrehen aber auch.

Piercing-Foot-Kicks sind EXTREM gefährlich, wenn man die ständig und mit grosser Körperkraft verbunden einsetzt, geht ziemlich sicher mal jemand dabei drauf.

duoyang
11-09-2014, 17:58
also gibt es sowas wie den Hangetsu Dachi im Bagua und Nakayama war der Meinung der muss jetzt da rein, oder wie? Gibt es ein Beispiel aus dem Bagua wo man diese Stellung sieht?
Danke für die Antworten.

ky0han
11-09-2014, 18:26
Tach,

@This Das was heutzutage als Shorin Ryu gilt hatte früher nicht diese Bezeichnung. Wenn ich mich nicht irre war es Chibana der Shorin Ryu als Namen für seine Art des Karate wählte. Matsumura und Itosu haben kein Karate betrieben, welches sie so nannten.

Die körperliche Einteilung in Shorin und Shorei ist die ältere und darf nicht mit der geographischen Einteilung (Shorin Ryu = Karate aus Shuri, Tomari, Shorei = Karate aus Naha) verwechselt werden. Das kam erst später auf, führt aber immer wieder zu Verwirrungen und lässt auch Funakoshis Einteilung (die er auch nur von seinen Lehrern übernommen hat) merkwürdig erscheinen.

Gruß Holger

Klaus
11-09-2014, 19:04
http://www.shouyuliang.com/images/newsletter/v8n1/baguazhang-qigong-bow-turning-posture-1.jpg

http://dfbagua.typepad.com/photos/uncategorized/squarewalk_2.jpghttp://bucultureshock.com/wp-content/uploads/2012/05/baguzhang.jpg

duoyang
11-09-2014, 19:28
@Klaus: danke aber das ist für mich ein Sanchin Dachi, der wie gesagt Sinn macht. Der Hangetsu Dachi nach Nakayama macht meiner Meinung nach nur die Kniee kaputt da das Gewicht des Körpers durch die Länge der Stellung einfach ungesund ist und die Hüfte komplett sperrt.

DojokunOss
11-09-2014, 19:51
Also in den Bildern von Klaus erkenne ich nur in Figure 3-42 einen Hangetsu-Dachi.

Erklärungen, wie die Kraftwirkung dafür sind bzw. was der Sinn den ganzen ist, hatte ich schon in Post 12 (http://www.kampfkunst-board.info/forum/f7/sanchin-hangetsu-168350/#post3255966) und Post 14 (http://www.kampfkunst-board.info/forum/f7/sanchin-hangetsu-168350/#post3256005) gegeben.

duoyang
11-09-2014, 19:56
@dojukunoss: wenn das für dich ein Hangetsu Dachi ist, was ist denn dann für dich ein Sanchin Dachi? Ich glaube hier wird aneinader vorbeigeredet.

panzerknacker
11-09-2014, 20:16
ich erkenne auch Hangetsu Dachi
abgesehen davon hat Klaus es doch auf den Punkt gebracht
Kämpfen ist nicht stationär in einem Stand
Stände sind Transitionspunkte zwischen linearen und zirkulären Bewegungen
zufälligerweise kann man die Transitionspunkte als auch die Bewgungslinien, für Stöße, Schläge, Hebel, Würfe,.... nutzen

DojokunOss
11-09-2014, 20:27
@dojukunoss: wenn das für dich ein Hangetsu Dachi ist, was ist denn dann für dich ein Sanchin Dachi? Ich glaube hier wird aneinader vorbeigeredet.

Da gibt es keinen großen Unterschied. Der Sanchin-Dachi hat eine Schwerpunktverteilung von 50% zu 50% und Innenspannung. Der Hangetsu-Dachi hat eine Schwerpunktverteilung von 60% zu 40%, ebenfalls mit Innenspannung. Jedoch liegt der Körperschwerpunkt leicht nach vorn.

Die Fußstellung sollte bei beiden gleich sein, Unterschied macht nur die Lastverteilung

FireFlea
11-09-2014, 21:15
@This

Interessante Worte, was die Einteilung in Shorin und Shorei berifft.
Ich schrieb ja auch, dass es in den Shorin-Katas Shorei-Techniken gibt und andersrum. Und freilich kann man eine Shorin-Kata als Shorei laufen und andersrum.

Ein Grund, warum Tekki Shorei ist, könnte sein, dass dort die Hauptzahl der Techniken im Kiba-Dachi ausgeführt werden ohne eine Bewegung von einem Stand in den nächstens, sprich: ohne Körperverschiebung. Die Krafterzeugung erfolgt dort ausnahmslos durch Körpervibration. Weiterhin werden, zumindest in meinem Verband, einige Techniken davon nicht schnell hintereinander ausgeführt, sondern kraftvoll und bewusst Stück für Stück (also der Shorei-Gedanke). Als Beispiel sei hier gleich am Anfang der Tekki-Shodan der Empi+ Fauststapel + Gedan-Barei + Kake-Zuki genannt. Viele, dich ich getroffen habe, machen das so schnell hintereinander (für alles ca. 1 Sekunden), dass ich das Kime jeder Technik anzweifel. Ich kenne und lehre es so, dass wie gesagt jede Technik kraftvoll, einzeln und mit Kime auszuführen ist und die Krafterzeugung auch deutlich zu erkennen ist. Damit benötigt man für diese Kombi bei mir ca. 2,5 bis 3 Sekunden.
Ich hoffe, Du erkennst in meinen Worten den Shorei-Gedanken

Ansonsten. Sehr coole Diskussion bis jetzt

;)

76GmCifN5ds&index=9&list=PLDE3ABC14E27BE7C8

kanken
11-09-2014, 22:05
Es gibt keine "Stand" es gibt nur Bewegung. Hangetsu-dachi und Sanchin-dachi sind eigentlich das Gleiche, kann man aber eben nicht verstehen wenn man in Techniken denkt.
So wie es bei den Füßen ist, ist es auch mit den Händen und dem Körper. Die Bewegungen des Karate waren ursprünglich sehr viel anders gedacht als sie heute gelehrt werden. Ansätze davon gab es in dem Karate, das ich gelernt habe, zwar schon, aber auch das war noch nicht einmal die Spitze des Eisbergs.

Es geht um Bewegung und Visualisation, nicht um Technik oder Stand.

Grüße

Kanken

Gawan
12-09-2014, 08:30
Im Prinzip ist es eine Art minimale Spannung die auf die Haltemuskulatur wirkt, man soll dabei bitte nicht die Muskeln "gezielt" anspannen.

O.k., damit beantwortest du schon teilweise meine nächste Frage. :) Wenn ich das also richtig machen will im Karate, ist das nicht anders als im Taijiquan, wo es auch immer darum geht, locker zu bleiben. Und eher „langsame“ Kata wie Hangetsu sollten dann auch ohne extra Körperspannung ausgeführt werden.

Mich hat vor einiger Zeit ein Interview mit Higaonna (Goju-Ryu) ziemlich beeindruckt: Worlds Karate Legend MORIO HIGAONNA Goju-ryu Master 10th Dan (pt.3) - YouTube (http://www.youtube.com/watch?v=S9wODMKiHAA)

Dort ist etwa ab 5:35 zu sehen, wie sein Schüler Sanchin trainiert. Für mich sieht das alles andere als entspannt und locker aus. Sehe ich das falsch oder trainieren die das falsch?

Außerdem habe ich immer noch nicht richtig kapiert, wie man locker und gleichzeitig stark und stabil sein kann. Im Karate-Training heißt es, man soll die Bauchmuskeln anspannen, wenn man einen Bauchtreffer (z.B. durch Chudan-Zuki) kassiert. Ich möchte das nicht so gern mit entspannten Bauchmuskeln probieren. Geht das denn?

panzerknacker
12-09-2014, 08:59
O.....

Dort ist etwa ab 5:35 zu sehen, wie sein Schüler Sanchin trainiert. Für mich sieht das alles andere als entspannt und locker aus. Sehe ich das falsch oder trainieren die das falsch?
......das denn?

http://www.kampfkunst-board.info/forum/f7/sanchin-passiert-genau-160358/

Nick_Nick
12-09-2014, 09:37
Außerdem habe ich immer noch nicht richtig kapiert, wie man locker und gleichzeitig stark und stabil sein kann. Im Karate-Training heißt es, man soll die Bauchmuskeln anspannen, wenn man einen Bauchtreffer (z.B. durch Chudan-Zuki) kassiert. Ich möchte das nicht so gern mit entspannten Bauchmuskeln probieren. Geht das denn?

Finde jemanden, der die Art Übungen in den Links unten macht und erklären kann, und es ergibt sich von ganz alleine. Dann kannst du bspw. locker in Zenkutsu Dachi gehen, dich schiebt einer stark von der Seite und du gehst, als wäre da nichts. Dürfte eben "nur" einen qualifizierten Lehrer und immenses Üben erfordern.

Harte Schläge auf entspanntem Körper (Bauch) habe ich auch gesehen, ohne dass es den Getroffenen interessiert hätte. Wie´s funktioniert: keine Ahnung.

Minoru Akuzawa 1 (https://www.youtube.com/watch?v=MDoLKfxPXy4&index=5&list=PLDFCFDCBB85345B6D)
Minoru Akuzawa 2 (https://www.youtube.com/watch?v=PrzLp0o0oGk&list=PLDFCFDCBB85345B6D&index=6)

Grüße

ThiS
12-09-2014, 11:09
Tach,

@This Das was heutzutage als Shorin Ryu gilt hatte früher nicht diese Bezeichnung. Wenn ich mich nicht irre war es Chibana der Shorin Ryu als Namen für seine Art des Karate wählte. Matsumura und Itosu haben kein Karate betrieben, welches sie so nannten.

Die körperliche Einteilung in Shorin und Shorei ist die ältere und darf nicht mit der geographischen Einteilung (Shorin Ryu = Karate aus Shuri, Tomari, Shorei = Karate aus Naha) verwechselt werden. Das kam erst später auf, führt aber immer wieder zu Verwirrungen und lässt auch Funakoshis Einteilung (die er auch nur von seinen Lehrern übernommen hat) merkwürdig erscheinen.


Ok, das war mir dann doch neu, ich dachte bisher, dass Chibana einfach nur beschlossen hatte sein Karate so zu nennen, weil er es eben als Shorin wiedererkannt hatte, und dass das eben auch der Einteilung seiner Lehrer entspränge (wir Shorin, die Shorei). Aber gut, im Nachhinein frage ich mich auch, wie ich darauf kam.. Danke auf jeden Fall!

Ich bin aber immer noch nicht restlos überzeugt, dass die Einteilung besonders sinnvoll wäre. Da kommt ein krankes, schwaches Kind, was Funakoshi nach eigener Aussage ja war und lernt zuerst die Kata für starke Menschen.. Find ich immer noch seltsam..

Nur um Missverständnisse auszuschließen: Ich sage nicht, dass es diese Einteilung nicht gab, bzw. man nicht zwischen der Kampfweise tendentiell kleiner und großer Menschen unterscheiden kann. Nur glaube ich immer noch nicht, dass das in der Kata steckt, sondern in der Art und Weise wie man die Kata ausführt. Und die ist ja bekanntlich von Nase zu Nase verschieden..

ky0han
12-09-2014, 21:50
Tach,

na die Sache mit den ganzen kranken und schwachen Kindern ist wohl auch etwas übertrieben und und wurde damals gern erzählt um Werbung fürs Karate zu machen. Ich glaube Henning hatte dazu auch mal was geschrieben (weiß aber nicht mehr wo, ich meine im Karate-News Forum.)

Ich finde diese Einteilung sehr sinnvoll. Funakoshi war wohl auch der Meinung, dass es wichtig wäre sich beide Ansätze zu eigen zu machen. In meinen Augen ist es so, dass wenn man einem körperlich stark überlegenen Typen gegenübersteht also 2,10m und 130 kg (ich übertreibe etwas), dann sollte man versuchen wendig und flink zu sein um den Angriffen aus dem Weg zu gehen. Wenn jedoch einer mit 1,70 und 65kg da steht würde ich es mehr mit Kraft versuchen. Tut dann sicherlich auch nicht so weh, wenn man mal getroffen wird :o).

Gruß Holger

Gürteltier
13-09-2014, 21:46
Mich hat vor einiger Zeit ein Interview mit Higaonna (Goju-Ryu) ziemlich beeindruckt: Worlds Karate Legend MORIO HIGAONNA Goju-ryu Master 10th Dan (pt.3) - YouTube (http://www.youtube.com/watch?v=S9wODMKiHAA)

Dort ist etwa ab 5:35 zu sehen, wie sein Schüler Sanchin trainiert. Für mich sieht das alles andere als entspannt und locker aus. Sehe ich das falsch oder trainieren die das falsch?



Das machen wir nur für Terroruchi ( den m.E. schlechtesten Karatetrainer der IOGKF ) so.
Wenn der draussen ist, sind wir ganz relaxt.

Nee, Scherz. Wir machen es falsch.
Weil Dummheit oft überzeugt und ansteckt. Uns erzählt man, Sanchin bringt's so gemacht voll - wir würden das später verstehen. Erstmal fein üben.
Und dann " Können" wir sie so schön und wollen nicht mehr davon lassen.
Und erzählen den Anfängern... na, ihr ahnt es.
Funakoshi hat man diesen Shorin/Shorei Quatsch irgendwann eingetunkt.

Als würde es nicht für jeden in Form von Gegnerrelation groß und klein, stärker und wendiger geben, und als sollte man nicht, wie ThiS ja auch anmerkt, Bewegungen SO und SO füllen können.
(Aber wo Higaonna seine unterschiedlichen Bewegungsqualitäten trotz Sanchin her hat, sieht man ja auch im Inzterview.
Zusammen mit einem Gekkisai Dai Ichi Renzoku Bunkai zum im Boden versinken.
Hatte da einer von den beiden Knoblauch gegessen ? Oder warum machen die das als Fernkampf ?)

Die Bergriffstrennung über Katazuordnungen setzt also Kankens Dauervorwurf gegen das Karate noch die Krone auf.

Gibukai
14-09-2014, 18:35
Hallo,

ich stelle die Shōrin-Shōrei-Einteilung als „recht eindeutig“ dar, weil ich ihre Logik verstehe und durchaus sinnvoll finde. S. Matsumura benannte sein Karate nicht als XY-Ryū; diese Schulbezeichnungen stammen vom Anfang des 20. Jahrhunderts und die Shōrin-Shōrei-Einteilung muss getrennt von ihr betrachtet werden. Das ist nicht leicht verständlich, weil die Begriffe teilweise wiederkehrend sind.

In der Region Shuri galten Naihanchi (Tekki) und Seishan (Hangetsu) als Grundlagen-Kata bzw. Anfänger-Kata. D. h. die meisten Anfänger (Ausnahmen bestätigen in dem Fall die Regel) lernten Ende des 19. Jahrhunderts bei Lehrern aus dem Raum Shuri wenigstens eine dieser Kata am Anfang ihrer Ausbildungszeit. Das ist der erste Grund, weshalb G. Funakoshi als Anfänger unter A. Itosu zuerst Naihanchi lernte.

Der zweite Grund ist die Shōrin-Shōrei-Einteilung selbst. Shōrei ist u. a. zur Stärkung des Körpers gedacht. G. Funakoshi war nach eigener Aussage ein kränklicher Junge: sein Lehrer erkannte das und wendete das passende Gegenmittel an, nämlich die körperstärkende Kata Naihanchi (Shōrei-Kategorie). Das ist eine völlig logische Handlungsweise. Mit einem kränklichen (geschwächten) Körper sofort Shōrin-Konzepte (Kata) einüben zu wollen, führt zu substanzloser Technik oder bloßem „Herumgefuchtel“ ohne Wirksamkeit.

Unabhängig davon beginnt planvolles Training auch im westlichen Sport manchmal mit einer anfänglichen Begutachtung des jeweiligen Körpertyps. Im Bodybuilding werden u. a. diese drei Körpertypen unterschieden und an sie angepasst ein Trainingsplan empfohlen:

https://m-static.loox.com/_files/cms/f/d/2/fd251b5ef75e8853ceed14d60ad9a643ceb48824-926x-.jpeg

(https://www.loox.com/artikel/koerperbautypen)

Im Ballett, das kein Sport ist, ist es ebenfalls Usus, eine angehende Ballerina aufgrund ihres Körperbaus fürs Training auszuwählen oder die Anwärterin abzulehnen.

Im chinesischen Militär empfahl General C. K. Ch’i (1528–1588), dass jedem Soldaten seinen körperlichen und geistigen Eigenschaften entsprechend eine Waffe zugeteilt werden solle.

Ich selbst brauche oft nur ein, zwei Sätze von jemandem zu lesen oder zu hören bzw. ein, zwei Oi-Zuki (o. ä.) zu sehen, um tendenziell erkennen zu können, ob er die Fähigkeit hat, das, was ich unter Karate verstehe, aufnehmen zu können oder ob er diesbezüglich ein „hoffnungsloser Fall“ ist. (Das klingt übertrieben, ist aber so.) Diese vier Beispiele sind eng mit der Idee der Shōrin-Shōrei-Einteilung verwandt und helfen, hoffe ich, zu verstehen, warum ich sie durchaus sinnvoll finde …

Grüße,

Henning Wittwer

AkushonWasi
14-09-2014, 18:38
Oder warum machen die das als Fernkampf ?)



Das ist die Erfurcht!

Gawan
15-09-2014, 08:15
Ich selbst brauche oft nur ein, zwei Sätze von jemandem zu lesen oder zu hören bzw. ein, zwei Oi-Zuki (o. ä.) zu sehen, um tendenziell erkennen zu können, ob er die Fähigkeit hat, das, was ich unter Karate verstehe, aufnehmen zu können oder ob er diesbezüglich ein „hoffnungsloser Fall“ ist.

Kannst du das noch etwas näher erklären, insbesondere das „zu lesen oder zu hören“? Wie kannst da daran erkennen, ob jemand (in deinem Sinn) karatetauglich ist? Das mit dem Oi-Zuki nehme ich dir ja direkt ab, das kann ich mir noch gut vorstellen.

(Ich hoffe ja, dass ich kein „hoffnungsloser Fall“ bin.) ;)

Gürteltier
15-09-2014, 17:08
Hallo,

ich stelle die Shōrin-Shōrei-Einteilung als „recht eindeutig“ dar, weil ich ihre Logik verstehe und durchaus sinnvoll finde.

Danke für den recht ausführlichen Versuch einer Begründung.

Ich persönlich sehe Kämpfen als die universelle Sportart an, weil sich für jeden was findet.
Klar kann man genetisch bevorteilt sein.

Aber so gut kämpfen, wie er kann, kann jeder erreichen.
Und um mehr geht es nicht.
Dann kann man auch sagen " Hör auf zu atmen. Du wirst sowieso irgendwann sterben."

Wenn man es erreicht, im Kampf nur äußerlich zu verlieren und nicht innerlich, hat man das Ziel erreicht.
Karate als Kampf begriffen ist kein Bodybuilding oder Ballett, mit artifiziellen Massstäben.

Und bei der Ausdeutbarkeit von Katabewegungen an eine Spezialgymnastik für bestimmte Körpertypen glauben...

Ich halte nichts von Urteilen im Kampf überhaupt. Da sollte es nur Arbeitshypothesen geben.

Allerdings brauche ich auch nur einen Satz zu hören, um zu wissen, das jemand für Karate nicht geeignet ist.

Der Satz lautet " Das ist mir zu doof. "

SKA-Student
16-09-2014, 08:43
Ich selbst brauche oft nur ein, zwei Sätze von jemandem zu lesen oder zu hören bzw. ein, zwei Oi-Zuki (o. ä.) zu sehen, um tendenziell erkennen zu können, ob er die Fähigkeit hat, das, was ich unter Karate verstehe, aufnehmen zu können oder ob er diesbezüglich ein „hoffnungsloser Fall“ ist. (Das klingt übertrieben, ist aber so.)

Was ist das denn für eine Einstellung seitens eines Lehrers?
Klar, wenn man erkennt, dass der potentielle Schüler gar nicht den Willen hat zu
lernen - oder noch schwieiriger: gelerntes zu ändern - okay, aber auch darüber
kann man mit dem Schüler reden, und sollte ihm Zeit geben.
Aber gleich zu Beginn als "hoffnungslos" ablehnen? Finde ich nicht gut.

Ich habe Beispiele von beiden Seiten kennengelernt, JKA-Leute die zu uns gekommen sind:
- einige: nach einem halben Jahr war's immer noch JKA, nach 2 Jahren schon ganz anders
- andere: nach 3 Jahren war's immer noch JKA (einfach nur "mittrainiert")
- wieder andere: haben wenigstens gemerkt, dass es anders ist, ihnen nicht gefällt, und sich einen JKA-Club gesucht

Ich habe mich 2 Jahre erfolgreich gegen eine JKA-isierung meines Oi-Zukis gewehrt, als ich im DJKB-Club trainiert habe... :D

hashime
16-09-2014, 12:34
Unabhängig davon beginnt planvolles Training auch im westlichen Sport manchmal mit einer anfänglichen Begutachtung des jeweiligen Körpertyps. Im Bodybuilding werden u. a. diese drei Körpertypen unterschieden und an sie angepasst ein Trainingsplan empfohlen:

https://m-static.loox.com/_files/cms/f/d/2/fd251b5ef75e8853ceed14d60ad9a643ceb48824-926x-.jpeg

(https://www.loox.com/artikel/koerperbautypen)



Hallo Henning,
die Körperbautypen-Theorie ist aber leider schon wirklich lang widerlegt und veraltet: William Sheldon ? Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/William_Sheldon)
Körperbautyp ? Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Körperbautyp)
Die würde ich nicht unbedingt als Grundlage für irgendwas heranziehen.

Gawan
16-09-2014, 12:59
Gibukai hat als Beispiel die angehende Primaballerina aufgeführt. Da ist es durchaus so, dass außer den tänzerischen Fähigkeiten der Tänzerin auch der Körperbau oder die Proportionierung eine Rolle spielt. Es gibt also Kriterien, anhand derer auch Tänzerinnen ausscheiden, bloß weil sie diese idealen Proportionen nicht haben. Das heißt nicht, sie könnten keine guten Tänzerinnen sein, aber sie haben eben nicht den „Ballettkörper“, weshalb sie wahrscheinlich nie ein Engagenent als Primaballerina bekommen werden.

So wird Gibukai das gemeint haben. „Hoffnungslose Fälle“ können über einen bestimmten Stand in Karate nicht hinaus kommen, weil sie nicht den richtigen Körperbau dafür haben (?). Ich schätze aber, sie können trotzdem weit genug damit kommen und Nutzen aus dem Training ziehen.

Gibukai
16-09-2014, 13:10
Hallo,

erstmal danke für den Hinweis auf W. Sheldon! Ich kann leider nichts zu diesem Thema aus sportwissenschaftlicher oder medizinischer Sicht sagen – einfach weil ich keine Ahnung davon habe. Mein Punkt ist wie bei meinen drei anderen Beispielen, dass die Shōrin-Shōrei-Einteilung kein weltweiter Einzelfall ist und es auch auf anderen Gebieten manchmal vergleichbare Einteilungen gab und/oder gibt.

Zu der Nachfrage wie ich anhand von ein, zwei Sätzen tendenziell erkennen zu kann, ob jemand die Fähigkeit hat, das, was ich unter Karate verstehe, aufnehmen zu können. Dabei geht es um das von mir privat ausgeübte Karate. Einmal wird mir immer sehr schnell klar, ob derjenige Vorurteile/Vorbildung in eine bestimmte Richtung von Karate hat. Ganz grob – will er „Weltmeister im Sport-Karate“ werden, ist er bei mir an der falschen Adresse und würde seine (und meine) Zeit verschwenden. Der zweite Aspekt betrifft die Fähigkeit zu echter Kommunikation, die zum Erlernen meines (!) Karate an oberster Stelle steht. Wie schon geschrieben, es klingt sicher übertrieben, aber aus Erfahrung (nicht nur meiner eigenen) erkenne ich, ob mein Gegenüber verbal (und später noch wichtiger körperlich) aufnahmebereit kommunizieren kann oder ob er eher ein „Blocker“ ist. „Blocker“ sind die, die „hoffnungslose Fälle“ sind. Es ist leicht für mich, ihnen viele historische oder technische Punkte zum Karate zu vermitteln. Doch dafür muss ich mich ihrer Denkweise annähern und ihr bisheriges technisches Können stärken. D. h. in dem Fall geht es nicht um das Karate meiner Linie. Ich hoffe, das klingt nicht zu wirr …

Grüße,

Henning Wittwer

ebrenndouar
16-09-2014, 13:55
...aber sie haben eben nicht den „Ballettkörper“, weshalb sie wahrscheinlich nie ein Engagenent als Primaballerina bekommen werden.

So wird Gibukai das gemeint haben. „Hoffnungslose Fälle“ können über einen bestimmten Stand in Karate nicht hinaus kommen, weil sie nicht den richtigen Körperbau dafür haben (?).

Aha, dann vergleiche mal den Körperbau von Funakoshi, Higaonna, Oyama, Myagi oder Yamaguchi miteinander, vielleicht fällt dir dann auf das die alle völlig unterschiedliche Typen sind.
Weches Gremium hat denn da entschieden, dass die trotzdem ein Engagement bekommen?

Gürteltier
18-09-2014, 11:18
Aha, dann vergleiche mal den Körperbau von Funakoshi, Higaonna, Oyama, Myagi oder Yamaguchi miteinander, vielleicht fällt dir dann auf das die alle völlig unterschiedliche Typen sind.
Weches Gremium hat denn da entschieden, dass die trotzdem ein Engagement bekommen?

Die haben sich erstens die richtige Kata gesucht und sich zweitens dreist in den Vordergrund gespielt.

Sehr einsichtig von uns, diesen konstruierten, subjektiven ästhetischen Massstab immer weiter für die Karate-Parallele zu nutzen.

Findet auch, dass seine eigenen Vorurteile dabei helfen, die Vorurteile anderer zu erkennen :

Das Gürteltier


P.S. : Wie schreibt man " Parallele " ?
Ach, ich weiß : " Gleichniss "

ThiS
18-09-2014, 11:39
Also erstmal Danke an Gibukai, für die Darlegung!

Ich war jetzt leider längere Zeit beschäftigt, deshalb rolle ich das jetzt einfach noch mal auf:

Die Körperbautypen werden meines Wissens nach aber immer noch in der Sportwissenschaft eingesetzt. Es gibt zwar Studien, die darauf schließen lassen, dass wahrscheinlich wirklich nur 5% der Menschheit tatsächlich sportliche Höchstleistungen bringen können (und auch Methoden um zu bestimmen, ob man dazu gehört oder nicht), aber trotzdem dürften die noch weit verbreitet sein. Gerade für Trainingspläne soweit ich weiß.


S. Matsumura benannte sein Karate nicht als XY-Ryū; diese Schulbezeichnungen stammen vom Anfang des 20. Jahrhunderts und die Shōrin-Shōrei-Einteilung muss getrennt von ihr betrachtet werden. Das ist nicht leicht verständlich, weil die Begriffe teilweise wiederkehrend sind.
Das Puzzlestück hatte mir wie erwähnt gefehlt, so wirkt das schon etwas anders, aber der Schlüssel liegt mEn hier:


Der zweite Grund ist die Shōrin-Shōrei-Einteilung selbst. Shōrei ist u. a. zur Stärkung des Körpers gedacht. G. Funakoshi war nach eigener Aussage ein kränklicher Junge: sein Lehrer erkannte das und wendete das passende Gegenmittel an, nämlich die körperstärkende Kata Naihanchi (Shōrei-Kategorie). Das ist eine völlig logische Handlungsweise.
D.h. Shorei/ Shorin hat auch etwas mit dem Herausbilden von körperlichen Eigenschaften zu tun. Was bedeutet, die Kata eignet sich nicht unbedingt nur für Personen, die z.B. Groß und kräftig sind, sondern auch für Personen, die sich gerne einfach nur in die Richtung kräftig entwickeln wollen.
Das ergibt für mich wesentlich mehr Sinn, sprengt in meinen Augen aber auch ein wenig die übliche Einteilung. Dann wäre das mehr in der Richtung. Shorei fördert einen kräftigen Körper, hohe Griffkraft, usw. und bildet diese heraus, weil diese Eigenschaften für diese Methode für das Kämpfen essentiell sind. Und darauf aufbauend kommt dann Empfehlung, wer über diese Eigenschaften schon verfügt sollte am Besten mit dem anfangen, was er eh schon ganz gut beherrscht.
D.h. Shorin/ Shorei ist keine Einteilung, sondern ein Empfehlungssystem. Und je nachdem, wo ich körperliche Vorteile sehe trainiere ich das eine oder andere, oder wenn ich körperliche Nachteile sehe trainiere ich genau das entgegensetzte "System" um diese Nachteile auszugleichen.
Das klingt doch schon anders als dieses, du bist klein also machst du jetzt Shorin-Fu.
Wie sieht das denn dann aus, wenn man mehr Erfahrung hat. Wenn man jetzt z.B. klein ist, beweglich und wendig, aber eine gute Griffkraft hat. Kann man dann die Konzepte auch mischen? In der Kata? Also z.B. Tekki als Shorin ausführen, aber trotzdem zum Beispiel auf einen extrem festen Faustschluss achten, um die Griffkraft weiter zu trainieren (als absolutes blödes Beispiel jetzt)? Oder geht das deines Erachtens nach in die Hose?


Mit einem kränklichen (geschwächten) Körper sofort Shōrin-Konzepte (Kata) einüben zu wollen, führt zu substanzloser Technik oder bloßem „Herumgefuchtel“ ohne Wirksamkeit.
Das finde ich jetzt interessant. Wieso kann man denn mit einem geschwächten Körper Shorei ausüben, aber nicht Shorin?
Gerade wenn der Körper geschwächt ist, sollte man doch eher Konzepte die Kraft voraussetzen (Shorei) schwerer umsetzen können, oder nicht?


Der zweite Aspekt betrifft die Fähigkeit zu echter Kommunikation, die zum Erlernen meines (!) Karate an oberster Stelle steht. Wie schon geschrieben, es klingt sicher übertrieben, aber aus Erfahrung (nicht nur meiner eigenen) erkenne ich, ob mein Gegenüber verbal (und später noch wichtiger körperlich) aufnahmebereit kommunizieren kann oder ob er eher ein „Blocker“ ist. „Blocker“ sind die, die „hoffnungslose Fälle“ sind.
Hmm... kann man den generell irgendwas lernen, wenn man nicht kommunizieren kann oder will?
(Ohne jetzt damit andeuten zu wollen, dass ich das können würde)

DojokunOss
18-09-2014, 13:35
Das Puzzlestück hatte mir wie erwähnt gefehlt, so wirkt das schon etwas anders, aber der Schlüssel liegt mEn hier:


D.h. Shorei/ Shorin hat auch etwas mit dem Herausbilden von körperlichen Eigenschaften zu tun. Was bedeutet, die Kata eignet sich nicht unbedingt nur für Personen, die z.B. Groß und kräftig sind, sondern auch für Personen, die sich gerne einfach nur in die Richtung kräftig entwickeln wollen.
Das ergibt für mich wesentlich mehr Sinn, sprengt in meinen Augen aber auch ein wenig die übliche Einteilung. Dann wäre das mehr in der Richtung. Shorei fördert einen kräftigen Körper, hohe Griffkraft, usw. und bildet diese heraus, weil diese Eigenschaften für diese Methode für das Kämpfen essentiell sind. Und darauf aufbauend kommt dann Empfehlung, wer über diese Eigenschaften schon verfügt sollte am Besten mit dem anfangen, was er eh schon ganz gut beherrscht.
D.h. Shorin/ Shorei ist keine Einteilung, sondern ein Empfehlungssystem. Und je nachdem, wo ich körperliche Vorteile sehe trainiere ich das eine oder andere, oder wenn ich körperliche Nachteile sehe trainiere ich genau das entgegensetzte "System" um diese Nachteile auszugleichen.


Genau das hatte ich, zumindest auf Hangetsu und damit auf Shorei gemünzt, schon ziemlich weit vorne geschrieben. Ich zitiere mich mal selber:


Es gibt ja zwei Arten, um Kraft zu erzeugen. Zum einen aus Schnelligkeit und Bewegung und zum anderen durch Muskelarbeit bzw. die Anspannung des Körpers. Daher auch die Unterteilung der Kata in Shorin und Shorei, wobei natürlich in einer Shorin-Kata auch Shorei-Techniken enthalten sind und umgekehrt. Das eine soll uns schneller machen, das andere kräftiger.

Die erste Reihe der Hangetsu ist nichts weiter als die Extremform von Shorei und dient hauptsächlich dem Muskelaufbau und dem Zusammenspiel des ganzen Körpers auf einen extrem starken Stand und Endpunkt hin. Gerade die großen Muskelgruppen des Rückens, der Hüfte und der Beine werden dabei sehr gut trainiert. Außerdem werden die Muskeln trainiert, die bei den anderen Bewegungen/Stellungen wichtig sind, wie z.B. die Muskeln zum Zusammenziehen im Hara.

Gibukai
18-09-2014, 19:43
Hallo,

es ist beides, Kategorisierung (Einteilung) und „Empfehlungssystem“. Das geht eindeutig aus den frühen Texten hervor.

A. Itosu war gegen das Mischen; G. Funakoshi mischte; Y. Funakoshi hob das Mischen wieder auf. Wenn Du mich persönlich fragst, ist ein Vermischen kontraproduktiv.

Shōrei baut einen schwachen Körper auf, aber ein eher magerer, schlaksiger Typ wird durch Shōrei-Formen nicht plötzlich ein fetter Kraftprotz (eigene Erfahrung). Die Betonung lag bei G. Funakoshi also zunächst auf dem Kräftigen des Körpers, nicht dem unmittelbaren Beherrschen des Shōrei-Kampfkonzepts.

Die Nachfrage zum Kommunizieren klingt logisch, ist sie auch. Allerdings neigen viele mir bekannte Beispiele dazu, „kommunizieren“ mit „diskutieren“ zu verwechseln, was dann im Training zu dem negativen Ergebnis führt …

Grüße,

Henning Wittwer

Klaus
19-09-2014, 11:30
Nicht jeder Körpertyp taugt für jeden "Kampfstil", wenn ich nur die Hälfte von meinem Gegner wiege möchte ich mich nicht auf eine Materialschlacht einlassen und traden. Aber jeder Körpertyp ist für Training geeignet, man muss nur ggf. langsamer anfangen, und länger warten bis man Intensitäten hochschraubt oder mit Übungen anfängt die eine gewisse Stärke des Gelenks und der Haltemuskulatur erfordert. Ich kann manche Übungen auch nicht mehr machen, der Körpertyp ist aber noch der gleiche.

Am Ende kommt dann irgendwas heraus, und das wird je nach Grundlage variieren. Ein schlaksiger, leichter Typ wird weniger Kraft entwickeln als ein breiter, gewichtheberartiger. Dafür ist er schneller. Ausserdem gibt es keine "Gerechtigkeit", eventuell kann man einen gleich guten Typen nicht "besiegen" einfach weil der mehr Kraft hat und grösser ist. Dafür gibt es im Sport Gewichtsklassen. Es gibt aber gewisse Möglichkeiten, mit denen ein schneller Mann wenn er *genug* Kraft hat einen langsameren der wesentlich kräftiger ist schlagen kann. Die sind nur eventuell nichts für Sport und finden dort aus gutem Grund nicht statt.

DojokunOss
19-09-2014, 13:41
Ein schlaksiger, leichter Typ wird weniger Kraft entwickeln als ein breiter, gewichtheberartiger.

Sorry. Aber das ist Quatsch. Der schlaksige, leichte Typ ist schneller, wie doch auch schon selbst erkannt hast:



Dafür ist er schneller.

Und eben, weil er schneller ist, kann er seinen Körper, Arm usw. auf eine höhere Geschwindigkeit bringen bzw. mehr beschleunigen. Und Kraft ist nun mal Masse * Beschleunigung. Es ist also reine Physik, dass man einen Mangel an Masse mit höherer Beschleunigung ausgleichen kann.



Dafür gibt es im Sport Gewichtsklassen.

Im "Sport" schon, aber im Karate nicht. Den Grund dafür habe ich oben genannt.

Klaus
19-09-2014, 14:18
Ach so, deshalb drückt ein 1,90-78-Kilo-Typ auch auf der Bank genau das gleiche wie ein 1,90-145-Kilo-Kraftdreikämpfer. In der realen Welt sinkt die Beschleunigung nicht linear mit dem Anstieg der Muskelmasse, und darum ist das auch kein Nullsummenspiel. Ein Schwergewichtsboxer schlägt immer härter als ein Weltergewicht, auch wenn der zig mal schneller ist. Die Massenträgheit spielt da eine viel grössere Rolle, durch die der Schwere trotz grösserer Kraft und grösserem Impact überproportional langsamer wird. Das sind die Karten die verteilt sind, und so muss man die spielen. Nur weil man sich Karate auf die Stirn tätowiert, setzt das die für alle geltende Physik nicht ausser Kraft.

DojokunOss
19-09-2014, 15:18
Ach so, deshalb drückt ein 1,90-78-Kilo-Typ auch auf der Bank genau das gleiche wie ein 1,90-145-Kilo-Kraftdreikämpfer.

Anscheinend bist Du derjenige, der nichts von Physik versteht bzw. eine Milchmädchenrechnung aufmacht. Was zum Geier hat Bankdrücken damit zu tun. Aber ich erklär es Dir gerne mal mit einfachen Worten:

Beim Bankdrücken drückt das Menschlein (egal wie schwer und groß) nicht nur seinen Arm nach oben, sondern die Hantel noch dazu. Der Hänfling muß also mit weniger Muskelmasse ein prozentual höheres Gewicht stemmen. Er muß also bedeutend mehr Arbeit verrichten. Wir reden aber hier nicht von Arbeit, sondern von Kraft. Diese berechnet sich nun mal aus F = m * a
Wenn also ein 7,5kg schwerer Arm in 0,15 Sekunden den Meter von der Hüfte zu Deinem Gesicht zurücklegt, bekommst Du eine Kraft von 15 Newton auf die Lippe. Das gleiche passiert bei einem 10kg schweren Arm, der 0,2 Sekunden braucht (also nur fünf hundertstel langsamer, was realistisch ist).

ThiS
19-09-2014, 15:22
Hab nicht viel Zeit, aber vergesst bitte nicht, dass bei einem Schlag ein Kraftstoß auftritt, und nicht etwas geschoben wird.. und da spielt die beschleunigte Masse eine sehr große Rolle.. zumal der Geschwindigkeitsunterschied zwischen einem 100 Kilo und einem 70 Kilo Mensch nicht so groß ist. (Die Beschleunigung differiert stark, aber die Endgeschwindigkeit ist nahezu gleich)

panzerknacker
19-09-2014, 16:04
ich glaube, da geht jetzt so einiges durcheinander hier :D
sehr unterhaltsam

Klaus
19-09-2014, 16:15
Die Milchmädchenrechnung kommt eher von Dir. Wir haben es hier nicht mit einem Arm zu tun der geworfen wird oder der gar irgendwo runter fällt, mit einer schön konstanten Beschleunigung. Sondern mit einer komplexen Gesamtstruktur in einer zusammengesetzen Wurf-/Stossbewegung diverser Komponenten des Körpers. Allein schon die Masse auszurechnen die in der Kollision teilnimmt dürfte was für ausgewiesene Spezialisten sein, schliesslich wird da nicht nur die Hand beschleunigt, sondern ein grösserer Teil des Körpers. Nebenbei ist die Beschleunigung nicht konstant weil man nicht vor sich hin fällt, sondern wird von Muskulatur aufgebracht, die beim schweren Mann in deutlich höherem Maße vorhanden ist. Für einen Schlag ist die Formel F = m * a auch schlicht falsch, weil es darum geht einen Impuls zu berechnen. Wofür man wiederum komplexe Berechnungen braucht, weil man bei der Kollision von realen, nicht-starren Körpern immer eine Mischform von elastischem und unelastischem Stoss hat. Für die generierte Energie die maximal für die Verformungsarbeit zur Verfügung steht ist es natürlich irrelevant wieviel davon übertragen wird, da wird man dann ein komplexes Vektorensystem berechnen müssen, mit unterschiedlichen Teilmassen, Beschleunigungen anhand der Lage der Muskulatur und deren Dimensionen, und nicht zu vergessen der konkreten Bewegung. Wie man weiss führen mehrere Wege nach Rom, und mehr als eine Kurve von A nach B.

Beim Auftreffen versucht die Struktur möglichst viel Energie abzugeben, was von der stabilisierenden Muskulatur, den Winkeln der Gelenke, und der dynamischen Struktur die getroffen wird und deren Verhalten abhängt. Die eine Seite bringt Verformungsenergie auf, die andere versucht diese aufzunehmen oder durch eigene Energie zurückzuwerfen.

Wenn man sowohl die bereitgestellte Energie anhand eines idealen Modells des menschlichen Körpers und der gewählten Bewegung, als auch die Verformungsenergie die vom getroffenen Körper aufgenommen wird, korrekt berechnen kann, dürfte man daraus eine schöne Doktorarbeit formulieren können. Vielleicht reicht es auch für ne Habilitation. Mein Bruder hat seine Doktorarbeit über ein mathematisches Modell der Wirbelsäule und deren zusammengesetzte Bewegung geschrieben, und da war von der Muskulatur und deren dynamischem Einfluss noch nicht mal die Rede.


Wenn man alternativ noch Erfahrungswerte aus dem Hochleistungssport nimmt, ob Boxen, oder z.B. Diskuswurf oder Kugelstossen bei denen bekanntermassen auch die kleinen, leichten, schnellen Leute überragende Weiten erzielen und regelmässig Olympiasiege erringen, dann sollte einem klar werden dass die Formel F = m * a überhaupt nichts sagt, solange man weder a noch m kennt. Und dass die Erfahrungswerte nahelegen, dass der schwere, starke Mann auch weiter wirft und stösst. Mithin kann man annehmen, dass die Beschleunigung a eben nicht linear mit der Masse sinkt.

Ich hoffe, ich habe damit geholfen.

DojokunOss
19-09-2014, 16:19
Hab nicht viel Zeit, aber vergesst bitte nicht, dass bei einem Schlag ein Kraftstoß auftritt, und nicht etwas geschoben wird.. und da spielt die beschleunigte Masse eine sehr große Rolle.. zumal der Geschwindigkeitsunterschied zwischen einem 100 Kilo und einem 70 Kilo Mensch nicht so groß ist. (Die Beschleunigung differiert stark, aber die Endgeschwindigkeit ist nahezu gleich)

Mit dem Stoß haste recht, aber das fett geschriebene stimmt nicht.
Wenn Du davon ausgehst, dass mit zwei unterschiedlichen Beschleunigungen die gleiche Wegstrecke zurückgelegt wird, dann hast Du bei einer höheren Beschleunigung am Ende des Weges auch eine höhere Endgeschwindigkeit.

Wenn man das wieder auf den Stoß runterbricht, dann bedeutet das, dass mit der höheren Geschwindigkeit am Ende auch eine höhere kinetische Energie in der Faust steckt (oder gleich große kin. Energie wenn die Masse unterschiedlich ist). Im Moment des Auftreffens wird also die höhere kinetischen Energie in mehr Kraft im Stoß umgewandelt. Und so schließt sich der Kreis wieder.

KeineRegeln
19-09-2014, 18:04
Die Mathematiker hier an board hatten mal Versuch die übertragene Kraft aus zurechnen.

Letzten Endes haben sie es meiner Erinnerung nach, nicht geschafft. Aber schon nach paar Seiten war klar, dass man Mathematik studiert haben sollte, um auch nur annähernd einen brauchbaren Wert zu errechnen.

Ich konnte da schon nach ein paar Seiten nicht mehr folgen.

Die Formel, die DK nennt, ist nicht mal ansatzweise brauchbar.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand der auch nur ein bisschen VK Erfahrung hat, glaubt, ein Mensch könne mit Geschwindigkeit jeden Kraftunterschied ausgleichen....

Oder mal anders gefragt, DK:

Glaubst du, die Schwergewichtler im Boxen sind alles Memen im Vergleich zu den Fliegengewichtler? Oder wie erklärst du, dass die Fliegengewichtler, obwohl sie viel schneller als die Schwergewichtler zuschlagen und auch häufiger getroffen werden, deutlich seltener KO gehen, als Schwergewichtler??

Gruß

KeineRegeln

ThiS
19-09-2014, 18:08
Mit dem Stoß haste recht, aber das fett geschriebene stimmt nicht.
Wenn Du davon ausgehst, dass mit zwei unterschiedlichen Beschleunigungen die gleiche Wegstrecke zurückgelegt wird, dann hast Du bei einer höheren Beschleunigung am Ende des Weges auch eine höhere Endgeschwindigkeit.

Hmmhmm..
Das stimmt aber auch nur, wenn man davon ausgeht, tatsächlich dauerhauft Beschleunigen zu können. Geht man davon aus, dass die Beschleunigung beschränkt ist und zum Ende der Bewegung immer geringer wird nähern sich die Endgeschwindigkeiten nämlich auch wieder stark an.
Zudem gehe ich auch nicht unbedingt von der gleichen Wegstrecke aus, schließlich ist der Arm des Größeren auch länger..



Wenn man das wieder auf den Stoß runterbricht, dann bedeutet das, dass mit der höheren Geschwindigkeit am Ende auch eine höhere kinetische Energie in der Faust steckt (oder gleich große kin. Energie wenn die Masse unterschiedlich ist). Im Moment des Auftreffens wird also die höhere kinetischen Energie in mehr Kraft im Stoß umgewandelt. Und so schließt sich der Kreis wieder.
Vorsicht: Du wirfst gerade Impuls, Kraft und Energie durcheinander. Ganz so einfach ist dann doch auch nicht.
Du hast einen teilplastischen Kraftstoß, und da geht sogar ziemlich viel hin und her. Viel Energie ist toll, die Frage ist nur, auf wen oder was wirkt sie. Und die maximal mögliche Energieeinwirkung auf den Körper (im Sinne von Schaden machen) findet auch nur dann statt, wenn beide stehen bleiben. Fliegt einer weg verpufft da ziemlich viel. Und im Normalfall hat derjenige die schlechteren Karten, der verschoben wird. Und das ist eben häufig der leichtere
Zumal jemand leichteres nicht so viel schneller ist als jemand schweres (bei gleichem Trainingsgrad). Da ist die Massendifferenz um einiges wichtiger.
Trotz des v² innerhalb der kinetischen Energie.

Gürteltier
21-09-2014, 01:25
Könnt ihr mal ein paar Beispiele für konkrete Shorin und Shorei Bewegungselemente in Kata und ihre Wirkungen nennen ?

Vegeto
21-09-2014, 12:55
Is doch vollkommen egal ob das Schwergewicht oder das Leichtgewicht stärker zuschlägt. Um den Kampf zu entscheiden reicht es vollkommen schneller als der Gegner mit ausreichend Einschlag dessen Schwachstellen zu treffen. Bei Nukite oder Ippon-Ken ins Auge ist es vollkommen unerheblich ob derjenige 70kg oder 100kg wiegt oder auf der Bank drückt.

gunk
21-09-2014, 15:27
Anscheinend bist Du derjenige, der nichts von Physik versteht bzw. eine Milchmädchenrechnung aufmacht. Was zum Geier hat Bankdrücken damit zu tun. Aber ich erklär es Dir gerne mal mit einfachen Worten:

Beim Bankdrücken drückt das Menschlein (egal wie schwer und groß) nicht nur seinen Arm nach oben, sondern die Hantel noch dazu. Der Hänfling muß also mit weniger Muskelmasse ein prozentual höheres Gewicht stemmen. Er muß also bedeutend mehr Arbeit verrichten. Wir reden aber hier nicht von Arbeit, sondern von Kraft. Diese berechnet sich nun mal aus F = m * a
Wenn also ein 7,5kg schwerer Arm in 0,15 Sekunden den Meter von der Hüfte zu Deinem Gesicht zurücklegt, bekommst Du eine Kraft von 15 Newton auf die Lippe. Das gleiche passiert bei einem 10kg schweren Arm, der 0,2 Sekunden braucht (also nur fünf hundertstel langsamer, was realistisch ist).

Wenn die übertragene Kraft schon so (genauer: F=dp/dt) berechnet wird, ist zu beachten, dass nicht die Beschleunigung, mit der der Arm (oder was auch immer) auf seine Endgeschwindigkeit gebracht wird, relevant ist, sondern die Beschleunigung (mit negativem Vorzeichen), mit der der Arm (oder was auch immer) vom Ziel abgebremst wird. D.h. das Ziel bremst den Arm mit einer Kraft ab, und wegen actio = reactio wirkt diese auch auf das Ziel.

Gruß

Gunk

panzerknacker
21-09-2014, 18:27
ich empfehle ´mal einen Blick in dieses interessante Buch:
http://www.amazon.de/Taschenbuch-Physik-Horst-Kuchling/dp/3446424571/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1411316552&sr=8-1&keywords=taschenbuch+der+physik+horst+kuchling

schönes Grundlagenwerk der Physik für Doofe, bißchen mehr Mathematik
als F=m*a darf es dann aber schon sein
ich mein ja nur, bevor sich hier jemand allzu sehr der Lächerlichkeit preisgibt
:p

Kurzer
21-09-2014, 19:09
Ein "Leichtgewicht" hat es gegen ein "Schwergewicht" immer "schwerer".

Deshalb gibt es im "Sport" zurecht Gewichtsklassen.

Jenseits oder Diesseits des Sportes KANN das anders aussehen.

Ein richtiger kleiner Wadelbeißer wird einen Koloß im rechten Moment zu Boden bringen.

Gürteltier
22-09-2014, 02:07
Also, die Nahanchi/ Tekki, die is ja voll Shorei.

Was bringt die denn so nem leptosomen Kerlchen - außer ausdauernderen Beinmuskeln und Beckenbodengymnastik ?


Edit am 26.9.14 :

Ihr wisst es auch nicht !

Wußte DAS :

Das Gürteltier

Gürteltier
30-09-2014, 21:45
Also, nachdem wir uns einig sind, das diese Körperausbildungsfantasie über Shorei- Kata bloss Käse ist, hier noch ein Tip, wie Hangetsu im Sinne der Shorei Linie Chojun Miyagi - Anichi Miyagi - Morio Higaonna zu üben wäre, um deren Sanchin-Prinzipien aufzugreifen.

Der Grund, warum wir in der IOGKF Sanchin als Kraftmaschine benutzen, nennt sich Shime.
Grob " Hilfe ".
Lass Dir einfach bei allen langsamen Anfangsbewegungen von einem Partner an Deinen Armen Wiederstand entgegensetzten.
Auf dem GANZEN WEG.
DARUM sind die langsam.
Und Dein langer tiefer Atemzug signalisiert Deinem Partner, wann er mal nachgeben muss.
Damit Du nicht frustrierend im isometrischen Training strandest.
Aber gerade dieser Wechsel von isometrischen und isotonischen Muskelbeanspruchungen bringt nette Krafteffekte.


Wenn Du besser bist, können auch zwei Partner vor Dir stehen.
Beide nehmen sich einen Arm vor.
( Als würdest du beim Bankdrücken mehr Scheiben auflegen ... zu dem Bild unten noch mehr.)
Und dann könnte sich noch ein Dritter hinter Dich stellen.
Mal von hinten am Ellenbogen noch zusätzlich belasten, Deine Beine checken, den Rücken... und Du hast Sanchin=Dreigefechte.

Ich hab mal auf Video einen Matsubajashi Sensei um seinen Naifanchi machenden Schüler tänzeln sehen.
Und mal hier gegen die Endposition des Blockes schlagen und dort gegen den Fauststoß drücken sehen.
Dazu gab es noch hier und da einen Knuff.
Beim Bankdrückenbeispiel wäre das aber nur der Typ, der an Deinem Kopfende steht, die Hantel notfalls auffängt und Dir etwas bei der letzten Wiederholung hilft. Shime meint aber weniger diese Hifestellung, sondern ist eben mehr die Scheiben der Hantel.

Wenn jetzt noch einer bei Sanchin so keucht wie wir - aber nur so Knuff-Shime kriegt...
Dann ist das, als würde einer auf der Hantelbank liegen - OHNE Hantel, aber so zitternd und keuchend, als hätte er 100Kg.
Und am Kopfende steht der Sensei und macht die Bewegung, als wollte er die unsichtbare Hantel notfalls auffangen.

Entstanden ist das wohl mal, weil sie erst die lange verteilte Atmung und den Bewegungsablauf "nur mit der Hantelstange" geübt haben.

Die Leute sind bei Kanryo Higaonna und Miyagi nicht wegen der Sanchin, sondern wegen der Sanchin MIT SHIME bisweilen ohnmächtig geworden.