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Vollständige Version anzeigen : Kampfsportschule nicht zwingend umsatzsteuerpflichtig



MaxTSD
09-10-2014, 17:43
Ich möchte hier folgenden Themenstrang aus dem Archiv wieder aufgreifen:
Umsatzsteuer-Kampfsportschule kann keine Umsatzsteuerbefreiung nutzen (http://www.kampfkunst-board.info/forum/f8/umsatzsteuer-kampfsportschule-keine-umsatzsteuerbefreiung-nutzen-146684/)

Das FG entschied, dass die Umsätze des Schulbetreibers umsatzsteuerpflichtig sind. Auch beim Vorliegen einer "Bescheinigung des Kultusministeriums" muss geprüft werden, ob die Schule überhaupt als berufsbildende Einrichtung i. S. des § 4 Nr. 21 a) UStG anzuerkennen ist. Denn die Bescheinigung entbindet die Finanzämter lediglich von der Prüfung, ob die von der Schule erbrachten Leistungen auf einen Beruf vorbereiten.

Die Kampfsportschule stellt keine berufsbildende Einrichtung dar, da der erteilte Unterricht nicht auf eine spätere Berufsausübung vorbereitet. Denn spezielle Kampfkunsttechniken nach Art des „Wing-Tsun“ sind nicht für die Ausübung eines bestimmten Berufs erforderlich. Dieser berufsabgewandte Charakter der Kurse wird auch dadurch deutlich, dass die Schule unter anderem Kurse zur Fettverbrennung und Kurse für Kinder anbot. Die Mehrzahl der Schüler nahm laut Auskunft des Schulbetreibers aus privaten Gründen am Unterricht teil. Unerheblich war für das Gericht, dass einige Kursteilnehmer sich zum „Wing-Tsun“-Lehrer ausbilden lassen wollten, denn die Lehrgänge waren nicht Teil einer gesetzlich geregelten Fortbildung. Ebenso unberücksichtigt ließ das FG, dass auch Polizisten und Soldaten die Kurse für ihre Berufsausübung genutzt hatten. Das Gericht begründete dies damit, dass Kampfkunst keine unabdingbare Voraussetzung für die Ausübung dieser Berufe ist.

(FG des Saarlandes, Urteil v. 1.6.2012, 2 K 1127/09)

Der Kläger ging allerdings in Revision und der Bundesfinanzhof gab dem Kläger Recht:

Mit Urteil vom 28. Mai 2013 XI R 35/11 hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass die Umsätze aus dem Betrieb einer Kampfsportschule nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei sind, soweit die erbrachten Leistungen nicht lediglich den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben und vergleichbare Leistungen in Schulen oder Hochschulen erbracht werden.

Der Kläger betrieb eine Schule für WingTsun. Bei dieser Sportart handelt es sich nach einer vom Kläger herausgegebenen Werbebroschüre um „Kampf- und Bewegungskunst“.

Unter Vorlage einer Bescheinigung des zuständigen Ministeriums für Bildung, Kultur und Wissenschaft, wonach die vom Kläger erbrachten Unterrichtsleistungen zur Vorbereitung auf den Beruf des Kampfkunstlehrers WingTsun steuerfreie Leistungen im Sinne des § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG darstellten, beantragte dieser, die zunächst als steuerpflichtig erklärten Umsätze nunmehr als umsatzsteuerfrei zu behandeln. Das Finanzamt behandelte die Umsätze hingegen weiterhin als steuerpflichtig.

Das FG wies die Klage ab, weil die WingTsun-Schule des Klägers keine berufsbildende Einrichtung i.S. von § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG sei und die Umsätze ebenso wenig nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG - nunmehr Art. 132 Abs. 1 Buchst. i der MwStSystRL - von der Umsatzsteuer befreit seien.

Demgegenüber entschied der BFH, dass eine Steuerfreiheit der streitigen Leistungen nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG in Betracht kommt. Für die erforderliche Anerkennung i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG genüge die vom Kläger vorgelegte Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde, die sowohl die Finanzbehörden als auch die Finanzgerichte dahingehend binde, dass es sich bei der anerkannten Einrichtung um eine solche mit vergleichbarer Zielsetzung handele. Der Begriff „Schul- und Hochschulunterricht“ in Art. 13 Teil A Abs. 1 Nr. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG beschränke sich nicht auf Unterricht, der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führe oder eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittle, sondern er schließe andere Tätigkeiten ein, bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt werde, um die Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler oder Studenten zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung hätten.

Der BFH verwies die Sache an das FG zurück, damit es Feststellungen dazu trifft, ob und ggf. welche der vom Kläger in seiner Schule angebotenen Unterweisungen den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben und ob vergleichbare Leistungen in Schulen oder Hochschulen, gleich ob öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich organisiert, erbracht werden.

Steuerfinder.de kommentiert das Urteil wie folgt:

Dieses Urteil lässt Raum für Gestaltung: Wann gilt eine Unterrichtseinheit als Freizeitgestaltung und wann ist es schon berufsbildend? Welche Kriterien sind zu erfüllen, um eine entsprechende Bescheinigung zu erhalten? Und wie müssen die Unterrichtseinheiten ausgestaltet werden, um der Umsatzbesteuerung zu entgehen? Kampfsportschulen, aber auch andere Schulen, sollten die Umsatzbesteuerung in ihrem Fall genau prüfen. Denn die steuerliche Auswirkung ist hoch.

Ich hoffe damit vorangegangenen Themenstrang richtiggestellt zu haben.