Vollständige Version anzeigen : Sammler und Mixer
jkdberlin
22-05-2004, 08:54
Im neuen Grappling Magazin ist ein interessantes Statement von Matt Furey ins einer Grappling Kolumne. Furey schreibt, dass einige seiner besten Schüler aus dem Jeet Kune Do kommen; dass aber auch einige seiner schlechtesten Schüler aus dem JKD stammen.
Die schlechten Schüler definiert er so: so lernen eine neue Technik und nach 2 -3 maligem Ausprobieren wollen sie die nächste. Sie beschäftigen sich nie intensiv mit dem Erlernten, sondern sammeln. Sie "wissen", aber sie "können" nicht.
Wo ist das "knowing is not enough, you must apply" hin? Warum versuchen viele JKD'ler ein enormes Technikwissen anzusammeln anstatt das angebotene zu sortieren und für sich ihre Ausdrucksform zu finden? Stattdessen lehnen sie sich frugal zurück und halten sich auch noch in allen "Distanzen" für gut und wissend.
In die gleiche Kerbe schlägt das "Mischen" von Kampfkünsten. Jau, auch ich trainiere noch andere Kampfkünste neben dem JKD. Diese trainiere ich aber unter dem Einfluss meiner JKD-Matrix, d.h. ich lerne und übe in anderen Kampfkünsten Techniken, Methodik und Konzepte, die ich dann in meine JKD Struktur einbinde. Ich benutze nicht diverse Strukturen nebeneinander, sondern siebe mir das aus, was in eine bestehende Struktur passt. Das Nebeneinander diverser Kampfkünste mit unterschiedlicher Struktur ist nur sehr schwer zu erlernen und führt letztendlich bei vielen nur zu Verwirrung.
Wohin entwickelt sich diese Art des Trainings? Werden die Leute dabei tatsächlich besser im Sinne von Anwendung und Kampf? Oder schleppt man nicht einfach nur einen Kropf von Wissen mit sich rum, der den Kämpfer die Realität vernebelt und ihn in eine Art Unbesiegbarkeitsmythos hüllt, obwohl kaum was anwendbares dahinter ist?
Grüsse
zunächst mal finde ich, dass das mit dem "Unbesiegbarkeitsmythos" und der(Selbst-)Vernebelung eher eine Frage der individuellen Reife und Gelassenheit bzw. realistischen Sicht der Dinge ist, denn eine naiv-gedankenlose oder von Wunschdenken motivierte Überschätzung der Anwendbarkeit von Techniken kann einem doch in allen Stilen begegnen, das ist IMO gänzlich unabhängig von Kampfstil und Trainingsphilosophie und hauptsächlich eine Frage des Einzelnen und seiner Selbstreflexion.
Wohin entwickelt sich diese Art des Trainings? Werden die Leute dabei tatsächlich besser im Sinne von Anwendung und Kampf? Oder schleppt man nicht einfach nur einen Kropf von Wissen mit sich rum, der den Kämpfer die Realität vernebelt und ihn in eine Art Unbesiegbarkeitsmythos hüllt, obwohl kaum was anwendbares dahinter ist?ich denke beides ist möglich, es kommt eben auf die eigene Haltung an, aber auch auf die "formale Toleranz" (Offenheit) der Stile (oder des Trainers) und natürlich darauf, wie weit und inwiefern die jeweils "gemixten" Stile sich überschneiden und in Kernelementen organisch verschmelzen lassen. Soll heißen: Wenn ich zum Beispiel - also ich selber jetzt, als momentaner Parallel-Lerner von MT, BBT und Ringen - im BBT (Ninjutsu) anfange, alle Katas formal perfekt zu drechseln, auf jeden Standardangriff die Standardbewegung auswendig zu lernen und dabei stets im Geiste fleißig im Budo-Japanisch-Wörterbüchlein zu kramen, dann wird mir das nicht viel bringen auf dem Wege der Entwicklung eines kompakten, fließenden, quasi "handschriftlich" persönlichen Kampfstils. Aber so muss mans ja nicht machen.
==> Gegenentwurf : Die Offenheit des Freistilringens zwingt einen dazu, stets variabel und wachsam zu sein und auf alle möglichen Bewegungen des Gegners flexibel zu reagieren, wobei das Anbringen einstudierter Techniken nur einen kleinen Teil des Kampfgeschehens ausmacht, der weitaus größere Teil ist intuitives Reagieren, Spüren, Probieren etc. Diese offene Haltung, und das allmählich zwangsläufig resultierende "Gefühl" für die Funktionalität des eigenen Körpers ist auch im Ninjutsu nützlich und scheint mir durchaus auch mit der "Realität" zu tun zu haben. Natürlich schleppt man einen Kropf von untauglichem Wissen (Formen, Regeln) mit sich, zum Beispiel ist die typische Kampfstellung beim BBT weder im Ringen noch im Boxen hilfreich, ganz im Gegenteil, und auch im Ninjutsu-Freikampf selber finde ich sie sehr sperrig, wie überhaupt das Einnehemen klassischer Haltungen und Formen im Kampf wohl eher Quatsch mit Soße ist. Aber darauf muss man sich ja nicht versteifen. Man kann die Aufmerksamkeit eben auch auf das fließende, improvisatorische Geschehen in den Momenten des Ausprobierens, Reagierens und Kombinierens lenken, und an diesem (Nicht-)Ort, in diesem virtuellen Brennpunkt schießen sämtliche effektivitätsorientierte Kampfküntse zu einem übergreifenden Gefühl, einem ganzheitlichen Denken zusammen. Dass es Makulatur gibt, nimmt man dabei halt in Kauf, z.B. dass weder der Thaiclinch im Ringen viel bringt, noch der Ringerclinch unmittelbar ins Thaiboxen übertragen werden kann... oder dass das "Schultern" als Ziel des Bodenkampfs im Ringen fast ausschließlich eine Sportregelung ist und einem nirgendwo sonst direkt hilfreich ist...oder die bereits erwähnte Grundstellung im BBT mit dem weit vorgestellten Spielbein, die für einen Freistilringer wie ein dargebotenes Geschenk ist...Wie gesagt, man kann diesen "Ausschuss" betrachten (obwohl ich denke, dass man zumindest indirekt auch aus diesen Ungereimtheiten einiges mitnehmen kann, an Koordination, Bewegungsgefühl etc.), oder man kann sich eben positiv auf das Wesentliche, das Organisch-Intuitive, das Ganzheitliche, das Gefühl (das den Körper einschliesst und die Regeln nur als das nimmt was sie sind, als Spielregeln) konzentrieren.
P.S.: Ich kenne keine "Matrix" und keine "Struktur", braucht man sowas ? Meine Matrix sind mein Körper und die Erinnerung, meine Struktur die Schwerkraft. Formulierungen wie "besser werden in Anwendung und Kampf", "Realität" und "Unbesiegbarkeit" finde ich problematisch. Ich verstehe zwar was gemeint ist, aber... das ist ein Schwert das in beide Richtungen schneidet, oder ? :cool:
Grüße
neutral
jkdberlin
22-05-2004, 17:24
Hmm, eigentlich reden wir fast vom Selben, wir benutzen nur andere Begriffe. Der im JKD sog. "Flow" ist sicherlich ein Haupttrainingsziel, nur schiessen einfach viele daran vorbei. Sie fliessen nicht, sie versuchen, auswendig zu lernen, sie improviseren nicht, sondern versuchen feste Bewegungsabläufe abzuspulen, sie wenden nicht an, sondern sie funktionieren in festen Bahnen. Alles eigentlich "Todsünden" im JKD ;)
Problematisch wird dann die entwickelte Arroganz dabei, die einige Aufgrund ihres aufgeblähten Wissensballon entwickeln. Diese Arroganz verschliesst sie vor Dingen, die man vielleicht mehr als drei- oder viermal trainieren sollte, der Basis. Sie rasen von einer Technik zur anderen, ohne eine Basis zu entwickeln. Sie kennen vieles und können wenig.
PS: deinen letzten Satz verstehe ich nicht.
Grüsse
chris1979
22-05-2004, 21:29
hi,
deine aussagen sind mir alle sehr einleuchten. im unserem jkd training sollen wir oft "fliessen" lassen, was für einen anfänger noch realitiv schwer ist. was aber nicht heisst das es kein erstrebenswertes ziel ist:-) denn gut ding braucht weil!
"Jau, auch ich trainiere noch andere Kampfkünste neben dem JKD. Diese trainiere ich aber unter dem Einfluss meiner JKD-Matrix, d.h. ich lerne und übe in anderen Kampfkünsten Techniken, Methodik und Konzepte, die ich dann in meine JKD Struktur einbinde. Ich benutze nicht diverse Strukturen nebeneinander, sondern siebe mir das aus, was in eine bestehende Struktur passt. Das Nebeneinander diverser Kampfkünste mit unterschiedlicher Struktur ist nur sehr schwer zu erlernen und führt letztendlich bei vielen nur zu Verwirrung. "
zu diesem teil deines statements habe ich eine frage. du bist sicherlich auf einem sehr hohen level des könnens und verständnis von JKD. Dadurch fällt es dir "leicht" andere Kampfkünste zu verstehen bzw. zu analisieren und dir Strukturen daraus anzueignen. Für mich persönlich ist das relativ schwer, da ich JKD noch nicht in seiner Einheit verstanden und mir zu eigen gemacht habe. Mir fehlen also die Mittel andere Kampfkünste so zu analisieren, wie jemand auf deinem Level. Wäre es also für meine JKD Entwicklung von Nachteil andere Kampkünste zu erlernen und zu studieren? Denn ich habe grossen Interesse an anderen Kampfkünsten wie z.B. FMA oder Grappling.
Mir persönlich ist aufgefallen, dass wenn ich auf einem Seminar eine andere Kampfkunst "erleben" durfte mir bestimmte Sachen an ihnen aufgefallen ist, wie z.b. warum wird der Konter nicht direkter gemacht ,also sie auf das Prinzip "simple + direct" untersucht habe. ich hoffe meine Gedanken werden zu diesem Thema klar.
viele grüsse
chris
jkdberlin
22-05-2004, 21:41
Ich kann mich selber leider kaum evaluieren, daher kenne ich mein Level auch nicht ;) Letztendlich ist auch das "Einschätzen" ein Entwicklungsprozess, man passt halt immer mehr "rein", bis es rund und weich läuft. Ich persönlich denke aufgrund meiner eigenen Erfahrungen, dass es gut ist, auf diverse Seminare zu gehen, solange man
a) offen ist
b) sich nicht verwirren lässt
und c) eine gute Basis hat, um nicht bei jedem neuen komplett aus seiner Struktur zu fallen.
Grüsse
Werden die Leute dabei tatsächlich besser im Sinne von Anwendung und Kampf? Oder schleppt man nicht einfach nur einen Kropf von Wissen mit sich rum, der den Kämpfer die Realität vernebelt und ihn in eine Art Unbesiegbarkeitsmythos hüllt
Formulierungen wie "besser werden in Anwendung und Kampf", "Realität" und "Unbesiegbarkeit" finde ich problematisch. Ich verstehe zwar was gemeint ist, aber... das ist ein Schwert das in beide Richtungen schneidet
deinen letzten Satz verstehe ich nicht@Frank
naja, ich wollte das eigentlich auch nicht weiter ausführen, weil das auf ein völlig anderes Thema, und ein vielleicht zu fundamentales, führen würde - nicht nur, aber auch in Bezug auf das, was vielleicht manche mit JKD assoziieren... :rolleyes: ... ich meine, selbst wenn ich JKD noch so "richtig" trainiere, bleibt mein Blick auf die "Realität" (...was ist das ? Die Straße ?) vielleicht vernebelt, und ich weiß nicht und möchte nicht wissen, ob ich in diesem Sinne besser in Anwendung und Kampf werde, ganz gleich ob ich jetzt richtig oder falsch trainiere. Ich glaube nämlich einfach nicht, dass es dafür eine andere Schule gäbe als die Straße selber. Auch der "Unbesiegbarkeitsmythos" ist IMO im Zusammenhang mit JKD so ein Unwort des Jahres, aber wie gesagt, das wäre eine ganz andere und sehr fundamentale Diskussion, die vielleicht auch eher Glaubensfragen oder Fragen der Selbstwahrnehmung und -definition berühren würde bzw. auf keinen harten, objektiven Grund stoßen könnte. :confused:
jkdberlin
22-05-2004, 21:53
Nun, ich denke, dass Realität was ganz individuelles ist. Meine "Realität" ist der ultimative Grund für mein Training, meine Motivation. Ob das die Strasse, die Tür, der Ring, der Käfig oder sonstwas ist, bleibt dem jeweiligen Individuum überlassen. Ich für mich kann aufgrund meiner Erfahrung schliessen, dass ich durch mein Training in meiner Realität besser geworden bin. Hierbei kann ich mich sehr gut selbst evaluieren ;)
Objektivität findet hier wahrscheinlich nur im Subjekt statt...
Grüsse
nichtinsgesicht!
23-05-2004, 00:44
Objektivität findet hier wahrscheinlich nur im Subjekt statt...
Hier einen auf intellektuell machen... willst du Schläge, oder was?
jkdberlin
23-05-2004, 08:21
Hier einen auf intellektuell machen... willst du Schläge, oder was?
Und wo warst du gestern beim Sparring?
Grüsse
nichtinsgesicht!
23-05-2004, 13:11
Mein Schwesterlein hatte Geburtstag
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