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Vollständige Version anzeigen : Warum ich Tai Chi Chuan als Kulturgut übe



martin3
01-11-2014, 20:36
Kleiner Gedanke:

Die Tai Chi-Ecke: Kleiner Gedanke: Warum ich Tai Chi Chuan als Kulturgut übe. (http://taichi-ecke.blogspot.de/2014/11/kleiner-gedanke-warum-ich-tai-chi-chuan.html)

carstenm
02-11-2014, 12:15
Merci!

ebrenndouar
02-11-2014, 12:52
Kleiner Gedanke:

Die Tai Chi-Ecke: Kleiner Gedanke: Warum ich Tai Chi Chuan als Kulturgut übe. (http://taichi-ecke.blogspot.de/2014/11/kleiner-gedanke-warum-ich-tai-chi-chuan.html)

Ist mir irgendwie zu dünn.
Welche Kultur? Für was steht sie, welche Werte und Inhalte vertritt sie?
Oder ist es Folklore?

Klaus
02-11-2014, 14:15
Welche Werte vertritt Schuhplatteln ? Kulturgut. Ölmalerei ? Kulturgut. Er möchte Taijiquan der Familie Wu als Kulturgut praktizieren, ohne sich Gedanken zu machen ob das alles "richtig" im Sinne irgendeines Fritzen der Chen-Familie, oder ob es "am Besten" im Sinne von Atilla dem Hunnenkönig ist.

Kyra
02-11-2014, 16:23
Hallo Martin,

das sind ja fast schon philosophische Gedanken, aber dennoch banal.

Ich bin der Meinung, dass jeder sich so bewegen darf, wie er möchte.
Darum schätze ich auch die Vielfalt der Kampfkünste und Stilrichtungen. Da ist für jeden etwas dabei.

Eine kleine Einschränkung mache ich:
Lehrer und Trainer sollten potenziellen Schülern klar mitteilen, wofür ihr Stil und ihre Art der Ausübung stehen, um ihnen die Entscheidung zu überlassen, ob sie ihnen folgen möchten.

Körperbewußtsein und eine besondere Art der Achtsamkeit vermittelt jede mir bekannte Art der Kampfkunst.
Mir gefällt es, dass die meisten Kampfkünste ein Ziel haben, nämlich kämpfen lernen.
Das gibt mir eine Richtung, wie die Bewegung sinnvollerweise auszusehen hat.
Sonst könnte ich auch tanzen, klettern oder Artistik lernen – alles wunderschöne Arten, seinen Körper zu erfahren.

Das ist aber nur meine Ansicht und ich toleriere und respektiere selbstverständlich auch andere Ansichten.
Jeder sollte sich so bewegen, wie er mag.

Gruß Kyra

ebrenndouar
02-11-2014, 16:55
Er möchte Taijiquan der Familie Wu als Kulturgut praktizieren, ohne sich Gedanken zu machen ob das alles "richtig" im Sinne irgendeines Fritzen der Chen-Familie, oder ob es "am Besten" im Sinne von Atilla dem Hunnenkönig ist.

Jupp, habe ich gelesen.

Aber ein Ziel hat es doch:

Tai Chi Chuan beeinflusst in hohem Maße

- wie ich Aggression
- wie ich meinen Körper
- wie ich die Ästhetik von Bewegungen

wahrnehme und bewerte.

Was hat das mit Kulturgut zu tun, und warum ist es davon abhängig?
Macht Schuhplatteln oder Ölmalerei dasselbe, weil es auch Kulturgut ist?

Klaus
02-11-2014, 20:57
Ich glaube Du verstehst das Wort Kulturgut nicht. Er betreibt Taijiquan wie er es von Ma Jiangbao gelernt hat, ohne sich gross darüber Gedanken zu machen was daran alles falsch, richtig, gut oder nicht gut ist. So wie andere Leute halt Häkeln, was ja auch für nichts steht, nur für das was der Einzelne selbst damit verbindet.

gasts
02-11-2014, 21:59
Was hat das mit Kulturgut zu tun, und warum ist es davon abhängig?
Macht Schuhplatteln oder Ölmalerei dasselbe, weil es auch Kulturgut ist?

Eine Kultur, z.B. die christliche Kultur, enthält und transportiert auch Wertesysteme.
Ein Kulturgut ist ein Teilausdruck einer Kultur.
Schuhplatteln enstammt wohl einer bodenständigen Landwirtschafts-Kultur eines Bergvolkes.
Wenn ich in dieser Kultur aufgewachsen bin oder länger lebe, dann wurde ich auch bestimmte Wertmaßstäbe übernehmen.
Übe ich nur einen Teilausdruck, z.B. das Schuhplatteln, dann hängt das davon ab, inwieweit ich das Drumherum mitnehme.
Es ist wahrscheinlich, dass ich bestimmte Kleidung zum Schuhplatteln trage und vielleicht interessiere ich mich auch für bajuwarische Bierzeremonie (http://www.youtube.com/watch?v=VLDrsfS3mW0).
Die Kleidung ist auf bestimmte Ideale ausgelegt, stramme Wadeln und kräftige Unterarme gelten bei Männern als schön.
Bewegungen sollten kraftvoll und athletisch sein, das Männchen demonstiert seine Leistungsfähigkeit.
Agressionen werden zunächst ritualisiert ausgetragen, es besteht wenig Hemmung vor Körperkontakt.
Stampfübungen fördern die Entwicklung innerer Kraft.

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ebrenndouar
02-11-2014, 22:11
Ich glaube Du verstehst das Wort Kulturgut nicht. Er betreibt Taijiquan wie er es von Ma Jiangbao gelernt hat, ohne sich gross darüber Gedanken zu machen was daran alles falsch, richtig, gut oder nicht gut ist. So wie andere Leute halt Häkeln, was ja auch für nichts steht, nur für das was der Einzelne selbst damit verbindet.

Eine Kultur zeichnet sich u.a. dadurch aus, das ziemlich genau definiert ist, was alles falsch, richtig, gut, oder nicht gut ist, gerade in der chinesischen Kultur ist dies der Fall.
Ein Kulturgut als Bestandteil dieser Kultur repräsentiert dann auch bestimmte Werte dieser Kultur.
Beim Häkeln mag das anders sein. Wenn etwas für nichts steht, also auch für keine Kultur, kann es kein Kulturgut sein.

Eistee
02-11-2014, 23:26
Mir fällt immer auf, daß außerhalb unserer kleinen Ecke entweder gar kein Interesse oder gar recht starke Vorbehalte dagegen bestehen, sich auch nur ein wenig mit der chinesischen Kultur oder mit Tai Chi als Teil dieser Kultur zu beschäftigen. Die meisten haben offenbar eher Angst vor China (http://www.amazon.de/Angst-vor-China-Weltmacht-unsere/dp/354837476X/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1414970699&sr=8-1).

Zum Ausgleich ein versöhnlicher Beitrag aus China von Sarah Wiener:

6uIhFg8jDbs

Etwa der Bio-Bauer ab 5:30.
Ein bißchen Tai Chi gibt's ab 32:30. Die Damen machen das recht gut, finde ich, schön weich und fließend. Sieht nach Yang-Stil aus. Sarah Wiener kennt sich damit zwar nicht aus, aber sie scheint Spaß dabei gehabt zu haben.

fei li
03-11-2014, 04:35
Der Artikel klingt für mich ein bisschen wie ein bequeme Art sich aus allem herauszuhalten:

Man hinterfrägt nicht warum oder wozu man etwas tut, sondern folgt einer wie auch immer gearteten Tradition. Ist mir zu simpel, dann kann man ja jede Frage von Schülern mit derselben Antwort “So haben wir es immer schon gemacht” abbürsten…

Dann verkommt die Kunst zum Folkloretanz, von dem am Schluss keiner mehr weiss woher er kam, oder warum er so oder so aussieht.

carstenm
03-11-2014, 09:46
... ganz andere Gegend ... darum ein bißchen OT ... aber vielleicht doch gar nicht so weit weg ... weiß nicht ...

... jedenfalls ... mir kommt in den Sinn, daß in Japan das Tenshin shôden katori shintô ryû von der Japanischen Regierung ganz offiziell als unverletzliches, besonderes Kulturgutes ausgezeichnet wurde.
Und bei der Verbreitung des aikidô nach dem großen Pazifischen Krieg durch Ueshiba Kisshomaru, ging es ganz ausdrücklich darum, japanisches Kulturgut zu verbreiten als Kontrast zu japanischem Militarismus.

martin3
03-11-2014, 10:14
Danke für die Beiträge - freut mich, mit einem kleinen Gedanken eine rege Diskussion ausgelöst zu haben.

Die meisten kennen mich ja als jemanden, der sich daran versucht, traditionelles Tai Chi Chuan (auch als Kampfkunst) und seine gedanklichen Ursprünge (auch im philosophischen Bereich) aufzuspüren.

Dabei bin ich mir jedoch immer bewusst, dass ich ein Westler lebend im Westen der heutigen Zeit bin. Was also macht es mit mir, wenn ich versuche, eine mittelalterliche chin. Kampfkünst zu üben?

Ich glaube, es ist klar, dass es etwas ganz anderes mit mir macht, als bei einem chin. Offizier im alten China.

Dies gilt sowohl für die Kampfkunst (mit der er noch sein Leben verteidigte), als auch für das, was wir beide unter Gesundheit oder Kultur verstehen.

Nicht vergessen - es soll ein kleiner Gedanke - eine kleine Anregung sein und ich hoffe, er steht der Suche nach Qualität in der Kampfkunst nicht im Wege.

Gruß

Martin

Klaus
03-11-2014, 10:27
Dann verkommt die Kunst zum Folkloretanz, von dem am Schluss keiner mehr weiss woher er kam, oder warum er so oder so aussieht.

Das ist genau das worauf er keinen Bock mehr hat, und genau der Grund warum er es nicht als unglaublich überlegene Kampfmassakermethode praktiziert, sondern als Kulturgut einer Ecke der Welt. Ohne "Wertesystem", ohne Beurteilen, ohne Verdammen, ohne Missionieren. Genauso wie der eine oder andere bayrische Junge schuhplattelt, weil Vater, Mutter, Onkel, Tante das auch machen. Und der eine oder andere lebt damit einfach viel angenehmer. *

*) Meine Vermutung. ;)

ebrenndouar
03-11-2014, 10:35
Man tut einfach was man tut.
Statt dem Etikett "Kampfkunst" wird das Etikett "Kulturgut" draufgeklebt.
Ich sehe keinen Unterschied.
Für einen selbst ist völlig Wurst, wie andere das bewerten, dass werden sie nach dem Etikettenwechsel genauso tun.

Es geht doch darum wie man für sich selbst bewertet und einorndet was man tut, nicht wie man es nennt.

martin3
03-11-2014, 10:37
Yup, nach 40 Jahren Kampfkunst denke ich immer noch darüber nach, was ich da eigentlich tue.

Das kann angenehm, aber auch harte Arbeit sein.

Und ja Klaus, ups - da ist wohl etwas Altersmilde in meinen Post geschlüpft ;)

Gruß

Martin

fei li
03-11-2014, 10:40
Ich stoße mich nur daran, daß meiner Meinung nach sich viele Dinge im Taijiquan erst durch die Frage nach dem Warum erschliessen.
Wie führe ich eine Bewegung aus, wenn ich nicht weiss wozu sie dient? Oder warum soll ich sie überhaupt machen?

Konkret frage ich mich auch wie das “Als Kulturgut üben” konkret in der Praxis äussert? Wo ist der Unterschied zum Üben als Kampfkunst/Gymnastik/Tanz/etc.?

Ich kann dem Gedanken und der Problematik schon folgen, aber insgesamt etwas vage…

martin3
03-11-2014, 15:20
Hallo Fei Li,

ja, ein Beispiel ist bestimmt erhellend. Ich wähle hier extra einmal etwas sehr offensichtliches und hoffe, das es nicht zu banal ist:

Nehmen wir eine Bewegung aus unserer Säbelform. Im ursprünglichen TCC diente sie dazu, einen bewaffneten und berüsteten Gegner zu besiegen.

Um der Waffe, dem Schild und dem Brustpanzer des anderen auszuweichen, mache ich mit meinem Säbel eine runde, geschwungene Bewegung - erst nach unten - dann nach oben - in die Achselhöhle des Gegners und trenne beim zurückziehen des Säbels seinen rechten Arm ab, oder schneide zumindetstens tief in das Gelenk.

Das haben wir so auch mit (unberüsteten) Partnern in moderater Geschwindigkeit und nicht scharfen Waffen geübt und so ganz zielorientiert trad. chin. Kampfkunst praktiziert. Es hat wirklich viel Freude bereitet und es ist eine sehr effektive Technik des TCC.

Sie hat in dieser Form meine Wahrnehmung auf vielen Ebenen verändert, z.B. körperlich - erst mit dem richtigen Bogen funktioniert die Übung gut - und z.B. mental - der direkte Weg muss nicht immer der beste sein.

Diese Übung hat aber für mich auch weitere Aspekte. Das große Gewicht des Säbels (ich übe mit einem schweren Metallsäbel) verändert die Wahrnehmung für meinen Körper doch sehr. Da ich die Übung oft mache, stelle ich bei ihr sehr schnell fest: bewege ich mich rund und entspannt, oder bin ich z.B. (wie jetzt) durch zuviel sitzen am Computer eher gestresst und verkrampft.

Da ich die Übung oft als Ausgleichsgymnastik mache, ist das Feedback auf das eigene Handeln und meine mentale Situation sehr groß.

Auch hat gerade diese Form der runden, geschwungenen Bewegung mit einem schweren Gegenstand mir einen neues Gefühl für die Ästhetik von Bewegung gegeben: Mit einer schweren Waffe muss man nicht hacken, man kann auch sehr elegant schneiden. Richtig gemacht sieht es einfach toll aus. Hab dies auch mal mit einem Golfer diskutiert - gerade hier ist ja das Element des Schwungs von größter Bedeutung. Auch er war der Meinung - der gute Abschlag sieht auch gut aus.

Meine Bewertung von aggressiven Verhaltensweisen hat sich auch verschoben. Früher empfand ich den Umgang mit Säbeln eher als ein Spiel - heute bedenke ich doch eher auch mal die ursprüngliche Anwendung und dann graust es mir. Das schafft Respekt vor der Waffe und ein Gefühl des Glücks, dass ich heute dieser Anwendung nicht mehr bedarf.

So, ein paar kurze Einlassungen, die aber vielleicht das Thema ein wenig verdeutlichen.

Es geht mir hier nicht darum, gegen Qualität zu sprechen.

Es geht mir vielmehr darum, auf die Vielfalt der Anwendungsmöglichkeit von qualitativ hochwertigen Bewegungen, wie die des TCC hinzuweisen.

Nach meiner Erfahrung lohnt es sich, sein Ziel nicht nur in der Perfektionierung einer Technik zu finden, sondern die Technik auch als Mittel zur Selbstreflektion einzusetzen.

Was gibt es wertvolleres, als ein Feedback auf die eigenen Handlungen zu bekommen?

Gruß

Martin

Eistee
03-11-2014, 16:23
Das schafft Respekt vor der Waffe und ein Gefühl des Glücks, dass ich heute dieser Anwendung nicht mehr bedarf.
Ohne zu weit vom Thema abweichen zu wollen: Leider ist das Thema Krieg und Töten auch für Soldaten aus Mitteleuropa immer noch nicht erledigt.

Aguirre
03-11-2014, 19:04
Ohne zu weit vom Thema abweichen zu wollen: Leider ist das Thema Krieg und Töten auch für Soldaten aus Mitteleuropa immer noch nicht erledigt.

Dabei kommt der Säbel tendenziell aber eher selten zum Einsatz. ;-)