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Vollständige Version anzeigen : Optimaler Tai Chi- und Qigong-Unterricht?



martin3
27-11-2014, 11:47
Ich hoffe, diese Frage ist nicht nur für den Lehrer oder die Lehrerin, sondern auch für den Schüler spannend, da er ja auch den Unterricht erhält.

Mich beschäftigt diese Frage schon sehr lange (war ja auch lange genug Schüler, Lehrer und Ausbilder für Tai Chi- und Qigong-Lehrer).

Deswegen habe ich dazu auch ein kleines Taschenbuch geschrieben (Optimaler Tai Chi- und Qigong-Unterricht: Amazon.de: Martin Bödicker: Bücher (http://www.amazon.de/Optimaler-Chi--Qigong-Unterricht-Martin-Bödicker/dp/1503356000)) und möchte mit einem Aspekt aus diesem Buch hier gleich voll einsteigen.

Eine erste Frage zum Unterricht von Tai Chi- und Qigong wird in der Regel schon bezüglich der Lehr- und Lernmethode gefällt. Hier bieten sich z.B. zwei Möglichkeiten an:

1. Die analytisch-synthetische Methode
Hier werden einzelne Teile der Gesamtbewegung isoliert geübt. Nach dem Beherrschen der Teilbewegungen werden diese zur Gesamtbewegung zusammengesetzt.

Der Vorteil der analytisch-synthetischen Methode besteht in der Vereinfachung durch Zerlegung. Es besteht aber die Gefahr, dass es zu Schwierigkeiten bei der Synthese der Gesamtbewegung kommt.

2. Die Ganzheitsmethode
Hier wird die Gesamtbewegung von Anfang an ganzheitlich unterrichtet. Dies hat den Vorteil, dass sie schon früh realisiert und im Bewegungsfluss geübt wird.

Bei komplexen Bewegungen kann die Ganzheitsmethode jedoch zu Schwierigkeiten führen, da Schüler oft nicht alle Teilbewegungen gleichzeitig richtig realisieren können. Dies führt schnell zu Überforderung und es besteht die Gefahr, dass sie sie sich Bewegungen falsch einprägen. Daher eignet sich diese Methode eher für einfache Bewegungen.

Was denkt ihr darüber? Was ist vorzuziehen? Welche Erfahrungen habt ihr damit?

Gruß

Martin

Gawan
27-11-2014, 13:07
Ich denke mit der analytisch-synthetisch-ganzheitlichen Methode fährt man am besten. ;)
In meiner Gruppe (ich bin als Schüler dabei) lernen die Anfänger die Bewegungen im Fluss, allerdings zunächst etwas vereinfacht. Wenn das einigermaßen klappt, wird auch analysiert und synthetisiert. Das ist ein „ewiger“ Prozess, der immer weiter verfeinert wird, über die Jahre hinweg.

Ich kann mir kaum vorstellen, dass sich jemand (als Lehrer) ausschließlich für eine der beiden Methoden entscheidet und das dann auch konsequent durchzieht.

Ein guter Lehrer muss ein gutes Auge haben, um Fehler zu erkennen; er muss die Bewegungen (und Anwendungen) zeigen und erklären können und seine Schüler entsprechend ihrer Fähigkeiten und Einschränkungen angemessen begleiten. Kann man überhaupt allgemeine Aussagen über die Unterrichtsmethode machen? Ich denke das hängt ganz an den Einzelpersönlichkeiten, ob ein Unterricht optimal ist.

martin3
27-11-2014, 14:08
Hallo Gawan,

du hast natürlich recht, es hängt viel von den Einzelpersönlichkeiten ab.

Das ist ja gerade auch die Kunst des Lehrers, der eine Gruppe führt - auf die Einzelpersönlichkeiten einzugehen und trotzdem einen Gruppenfortschritt zu erzielen.

An dem Beispiel oben: Verschieden Schüler kommen aus meiner Erfahrung recht unterschiedlich mit verschiedenen Lehrmethoden zurecht.

Soll ich mich nun als Lehrer für eine Lehrmethode, vielleicht die, die mir am meisten liegt konzentrieren (so bin ich als Lehrer für die Schüler sehr berechenbar, aber vielleicht nicht zu allen Schülern kompatibel), oder einen Kompromiss für alle suchen (ein Kompromiss kann die Gruppe stärken, aber auch ein fauler Kompromiss sein), oder in Gruppenunterricht verschiedene Lehrmethoden bei verschiedenen Untergruppen etablieren (teilt halt die Gruppe in verschieden Erfahrungsgruppen, kann aber das Lernen sehr fördern)?

Gruß

Martin

Klaus
27-11-2014, 15:28
Bei ner Form mit 108 Bewegungen sollte man wohl zumindest Sequenzen bilden, weil man sich das nicht wirklich merken kann. Was ich nicht leiden kann ist, bei Einzelbewegungen gleich zu überanalysieren "wofür das gut ist", und sich unsinnige "Anwendungen" einfallen zu lassen.

Mir ist aber schon aufgefallen, wie schwer es vielen Nicht-Sportlern fällt, eine Bewegung so zu machen wie der der sie vormacht. Da machen manche Leute wirklich was völlig anderes, ohne es zu merken. Da muss man schon im Einzelnen hinsehen was genau der Einzelne macht, und das zumindest so ändern dass es annähernd korrekt ist. Völlig falsche Bewegungen würde ich nicht so lassen, über Wochen.

T. Stoeppler
27-11-2014, 16:32
Ich halte beides für sinnvoll. Es gibt sehr unterschiedliche Lerntypen. Ich persönlich bevorzuge etwas ganz anderes - meines Erachtens nach sollten die Kernmechaniken - die Bewegungselemente, die immer wieder kommen - zuerst geübt werden. Dadurch bildet sich quasi das Grundvokabular aus, man hat mit dem Übenden zusammen eine eigene Sprache auf dieser Basis man dann Stück für Stück weiterarbeiten kann. Das funktioniert meiner Erfahrung nach sehr gut, wenn man Leute etwas länger an der Hand hat.

Gruss, Thomas

martin3
27-11-2014, 16:52
Hey Thomas,

das klingt sehr spannend. An Welche Bewegungselemente denkst du?

Gruß

Martin

Eistee
27-11-2014, 16:56
Wenn man nur eine der Bewegungen immer wiederholt, ist die Belastung immer die gleiche und verstärkt sich dadurch. Bei meiner ersten Begegnung mit Tai Chi, in einem Kurs, hatte ich deshalb etwas Knieschmerzen, so daß ich gleich nicht mehr hingegangen bin.
Das ist ja das Schöne an der Form, daß die Bewegungen und auch die Belastungen sich abwechseln.
Später, allein, hab' ich erstmal die "18 Bewegungen" gemacht, die zum Teil vereinfachte Einzelbewegungen der Yang-Form enthalten. Von dort bin ich dann langsam zur Yang-Form übergegangen. Dabei hab' ich jeweils die Form gemacht, so weit ich sie konnte. Plus jeweils eine neue Figur. Und den Rest der Zeit mit den "18 Bewegungen" aufgefüllt. Bei täglicher Übung konnte ich so 3 Figuren der Form pro Woche lernen, die ganze Form in 6 Monaten. Allerdings ohne Druck, es wäre mir auch egal gewesen, wenn das ein oder zwei Jahre gedauert hätte. Am Ende waren es dann eben 6 Monate. Ist ja egal, weil dann ja die Idee ist, das sein Leben lang zu machen.
Ich hab' also möglichst vermieden, immer nur eine Figur intensiv zu machen. Stattdessen immer jeweils den Formablauf, soweit ich ihn konnte.

Eine Ausnahme war "Das Knie streifen": Da reichte am Anfang die Koordinationsfähigkeit nicht, um das überhaupt einmal zu machen. Das mußte dann erst ein paarmal einzeln geübt werden. Kann man ja ganz gut in Bahnen laufen. Sobald das aber ging, auch das wieder im Rahmen der Form.

Klaus
27-11-2014, 17:47
Vorübungen halte ich für sinnvoll. Ich würde auch von Anfang an mal Reaktionsübungen mit Ballsport einbauen, weil es so viele Leute gibt deren koordinative Fähigkeiten schon beim Ball fangen versagen. So lernt man seinen Körper mal "normal" einzusetzen, ohne gleich jemanden hauen zu müssen.

martin3
27-11-2014, 18:08
Hallo Klaus,

yup, Vorübungen und Grundübungen sind prima, aber auch hier die Frage, zerlegen oder ganz üben.

Bei uns wurden z.B. erst die Füße, dann die Hände, dann die Synthese geübt.

Kannte aber auch Lehrer, die haben erst eine Weile die ganze Übung geübt (war ja nicht so schwer) und sind dann später auf Details eingegangen.

Gruß

Martin

ErSunWukong
27-11-2014, 19:26
Mmh, ich denke, dass ein Schwergewicht auf Basisübungen, die zu den Einzelbewegungen hinführen und den Körper konditionieren eine große Rolle spielen, die man vielleicht zu Beginn der Einheit mit allen zusammen machen kann, wobei man individuelle Korrekturen geben kann, so sie notwendig erscheinen.

Im nächsten Teil der Einheit könnte man dann tatsächlich Einzelgruppen für bestimmte individuelle Schwerpunkte bilden (oder auch ganz einzeln, falls gegeben), so dass jeder die Möglichkeit bekommt, an seinen besonderen Problemen zu arbeiten. In dieser Phase kann man an den verschiedenen Station entsprechend der Situation und der Teilnehmenden die Lehrmethoden variieren - zumindest beim Kindertraining ist das ganz gut (wobei es dann auch gut ist, mindestens zwei Trainer im Raum zu haben).

Formen und Anwendungen würde ich dann an das Ende der Einheit stellen - oder auch ein wenig Yangsheng-Pushen.

Das für eine Einzelstunde/Standard. Daneben sollte man aber auch immer wieder Einheiten mit Schwerpunkten machen: Entwicklung und Vertiefung der Form, Anwendungen, Pushen, Schwerpunkt Konditionierung (auch mit längeren Stehübungen, oder Basisbewegungen in hoher Wiederholungszahl).

Die Sache mit dem geschlossenen Üben oder dem Zerlegen ist auch interessant. Ich kenne es in der Regel so, dass man zunächst einmal intensiv die Bewegungen miteinander verknüpft lernt um dann später die Arm-, Fuß- und Körperarbeit je nach Bedarf zu isolieren und zu erforschen um dann wieder zusammenzusetzen. Das hat mit bisher am Meisten gebracht. Für mich selbst gehe ich ganz gerne mal das reine Bufa einer Form oder ich konzentriere mich nur auf die Verbindung von Arm- und Rückenbewegungen.

Das mit dem Ballfangen ist auch prima, wobei ich auch Varianten mit Bohnensäcken oder großen Sitzkissen kenne, was auch sehr viel Spaß macht.

T. Stoeppler
27-11-2014, 19:26
Hallo Martin,


Hey Thomas,

das klingt sehr spannend. An Welche Bewegungselemente denkst du?


Das ist stilspezifisch; ich habe z.B. für den Unterricht in historischen Fechten eine kurze Übungsfolge zusammengestellt, die alle grundlegenden Bewegungen enthält. Für das Taijiquan kann man das auch machen; also wenn man "seine" Kernelemente auf vielleicht 7-10 einfache Bewegungen eindampft und die für eine Weile ohne ausgesprochene Korrekturwut übt, ist das komplexere Lernen danach sehr simpel, also auch in der Anwendung.

Das ist zumindest meine Erfahrung, ich mache das seit ca 10 Jahren so.

Gruss, Thomas

martin3
28-11-2014, 08:31
Hallo Thomas,

vielleicht können wir noch etwas mehr differenzieren.

Du beschreibst die die Idee vom "Leichten zum Schweren" oder vom "Einfachen zum Komplexen" für die Gesamtheit der Bewegungen.

Ich denke, die analytisch-synthetische Methode und die Ganzheitsmethode kann man auch gut auf eine Bewegung anwenden, sagen wir "Wolkenhände".

1.analytisch-synthetische Methode:

- zuerst die eine Hand
- dann die andere Hand
- dann beide Hände zusammen
- dann nur die Füße
- dann alles zusammen

2. Ganzheitsmethode

- die Bewegung "Wolkenhände" wird von Anfang an als Ganzes geübt und Schrittweise korrigiert.

Wie machst du das bei deinen Kernelementen?

Gruß

Martin

Gawan
28-11-2014, 08:41
Soll ich mich nun als Lehrer für eine Lehrmethode, vielleicht die, die mir am meisten liegt konzentrieren (so bin ich als Lehrer für die Schüler sehr berechenbar, aber vielleicht nicht zu allen Schülern kompatibel), oder einen Kompromiss für alle suchen (ein Kompromiss kann die Gruppe stärken, aber auch ein fauler Kompromiss sein), oder in Gruppenunterricht verschiedene Lehrmethoden bei verschiedenen Untergruppen etablieren (teilt halt die Gruppe in verschieden Erfahrungsgruppen, kann aber das Lernen sehr fördern)?


Ich glaube das kann man auch wieder schlecht pauschal beantworten. Als Schüler mag ich es etwa so: Nach dem Aufwärmen erst einmal die bekannten Sachen am Stück durchgehen (die Form, jeder soweit er kann), dann Einzelkorrekturen zu einer bestimmten Sequenz. Wenn man neue Stücke lernt, sollte das ein überschaubarer Teil sein, den man so oft unter Anleitung wiederholt, bis der Ablauf einigermaßen sitzt (den man dann auch zu Hause üben kann). Hier kann der Anleiter ein erfahrenerer Schüler sein.

Da ich kein großes Bewegungstalent bin, genügen mir relativ kurze neue Stücke (3-5 Bewegungen oder 2-3 Bilder). Ich habe aber auch schon andere Schüler erlebt, die sich einen wesentlich längeren Abschnitt viel besser merken konnten. Die hatten dann eine kurze Taiji-Form in wenigen Monaten drauf (nicht perfekt, aber vom Ablauf her), ich habe etwa ein Jahr dafür gebraucht. Vieles hängt auch von den Vorerfahrungen ab, etwa ob jemand schon mal irgendeine Sportart wie Tanzen, Ringen oder Karate betrieben hat.

Letzten Endes hängt auch sehr viel von der Gruppe ab. Die eine Gruppe kannst du ganz nach deinen Vorstellungen unterrichten, bei einer anderen Gruppe musst du dich anstrengen und dir etwas anderes überlegen.

martin3
28-11-2014, 08:43
Hey Gawan,

danke für die Schülersicht und den Satz

"… und du musst die etwas anderes überlegen."

Gerade das ist, glaube ich, das spannende am Lehrer-Dasein. Es gibt Routinen, aber sie werden immer wieder durchbrochen …


… und um auf das Neue reagieren zu können, ist es von Vorteil, einen großen Schatz an Methoden des Unterrichts zu beherrschen.

Gruß

Martin

pilger
28-11-2014, 09:21
Hallo Thomas,

vielleicht können wir noch etwas mehr differenzieren.

Du beschreibst die die Idee vom "Leichten zum Schweren" oder vom "Einfachen zum Komplexen" für die Gesamtheit der Bewegungen.

Ich denke, die analytisch-synthetische Methode und die Ganzheitsmethode kann man auch gut auf eine Bewegung anwenden, sagen wir "Wolkenhände".

1.analytisch-synthetische Methode:

- zuerst die eine Hand
- dann die andere Hand
- dann beide Hände zusammen
- dann nur die Füße
- dann alles zusammen

2. Ganzheitsmethode

- die Bewegung "Wolkenhände" wird von Anfang an als Ganzes geübt und Schrittweise korrigiert.

Wie machst du das bei deinen Kernelementen?

Gruß

Martin

Hallo Martin,

auch wenn du Thomas mit der Frage angesprochen hast, nur eine kurze Bemerkung von mir dazu. Ich würde die Reihenfolge bei der analytisch synthetischen Methode ändern (Grundsätzlich, egal in welchem Bild einer Taichi-Form):

-erst die Füße (unter Einbeziehung Hüft- und Beckenbereich)
-dann die Hände
-dann alles zusammen

Einfach aus dem Grund, weil ich gemerkt habe, dass Menschen ansonsten dazu neigen, die Bewegungen der Hände evtl zu sehr zu isolieren. Sie spüren dann evtl nicht den "Pfad" von den Füßen über die Hüfte bis in die Hände bzw es dauert länger bis sie diesen spüren (denn die meisten sind ja sowieso in ihren Alltagsbewegungen auf ihre Arme und Hände fixiert und bewegen diese oft isoliert, und das ist ja das, was wir im Taichi gerade nicht wollen)
Daher finde ich es besser, mit den Bewegungen der Füße zu beginnen, den Hüft-/Beckenbereich stark mit einbeziehen und dann die Hände, bevor alles zusammengesetzt wird.

Grüße
Pilger

martin3
28-11-2014, 09:33
Hallo Pilger,

klingt gut.

Die Idee oben war, "vom Einfachem zum Schweren".

Viele Menschen erlernen, nach meiner Erfahrung, die Bewegungen von Hände und Arme leichter, da sie sie besser sehen können.

Aber du hast natürlich recht, das Spüren ist von größter Bedeutung.

Gruß

Martin

Klaus
28-11-2014, 11:15
Gibt es da keine traditionelle Vorgehensweise, aus dem Wu-Stil ? Ich würde es nicht in die Körpersegmente unterteilen, sondern immer gleich den ganzen Körper nehmen. Aber dafür immer nur ein Bild, und das für einige Zeit hintereinander weg üben, mit Korrektur der grundlegenden Fehler. Erst ein paar mal "normal schnell", um sich das einzuprägen, und dann für längere Zeit (Wochen) SEHR langsam.

Dazu Vorübungen, die nicht unbedingt die Formelemente zerlegt sind. T-Stance, Square-Walk und ein paar Standübungen würden sich da anbieten. :p

va+an
28-11-2014, 14:21
Stehen, Seidenübungen.
Braucht man mehr?

T. Stoeppler
28-11-2014, 15:53
Hallo Martin


... sagen wir "Wolkenhände".

1.analytisch-synthetische Methode:

- zuerst die eine Hand
- dann die andere Hand
- dann beide Hände zusammen
- dann nur die Füße
- dann alles zusammen

2. Ganzheitsmethode

- die Bewegung "Wolkenhände" wird von Anfang an als Ganzes geübt und Schrittweise korrigiert.

Wie machst du das bei deinen Kernelementen?


Also ich habe da die ganze Form im Blick. Aus den Wolkenhänden würde ich ein Proto-Wolkenhände machen - etwas, das das Eindrehen des Körpers mit dem Handwechsel übt, eine kleine Anwendung daraus. Dann ist die Bewegung "bekannt". Das mit noch einigen anderen Kernmustern - für den Yangstil wären das für mich (ich nehme mal die englischen Namen)

Opening
Grasping Birds Tail
Brush Knee Twist Step
Single Whip
Slant Flying
Cloud Hands

Im Grunde genommen erstmal ganz simple (vor)Formen daraus extrahieren, üben, anwenden und auf dieser Basis dann weiterarbeiten Ganz bewusst - da keine "Kurzform" draus bauen sondern nur Einzelübungen. Allgemein funktioniert motorisches Lernen über Abstraktion nicht sehr gut, da ist es immer besser wenn man direkt etwas nützliches (Anwendung) mit einfachen aber grundlegenden Bewegungen assoziiert.

@Va+an
Vielleicht nicht, das ist aber schon eher reduktionistisch...

Gruss, Thomas

Hongmen
28-11-2014, 22:20
Ich Unterrichte seit 35 Jahren u.a. Tai Chi und Qi Gong. Seit Anfang an habe ich mir nie im geringsten darüber Gedanken gemacht "Wie" ich unterrichte. Ich habe einfach weiter gegeben was ich gelernt habe und daraus Entwickelt habe. Und das Funktioniert bis heute!

rudongshe
29-11-2014, 06:58
Soweit man kann, sollte man sich dem Lerntyp des Schülers anpassen.

Gute Erfahrungen habe ich mit einfachen - reflketierten, begleiteten! Tuishoueinheiten gemacht ... das gibt noch mal eine andere Körperwahrnehmung.

Grundmechanik in den Anfangsübungen ist super, aber auch eher fürs Körpergefühl.

Grüße

martin3
29-11-2014, 09:20
Hey Klaus,

bei Ma Jiangbao im Wu-Stil geht es bei komplexeren Bewegungen eigentlich immer nach der analytisch-synthetische Methode und dabei zuerst die Hände, dann die Füße und dann die Gesamtbewegung.

Dabei wird auch auf Zusammenhänge unter den Bewegungen hingewiesen, so kann z.B. die Bewegung der linken Hand bei der einen Bewegung, auch in einer anderen Bewegung gefunden werden.

Hey Hongmen,

"Ich habe einfach weiter gegeben was ich gelernt habe und daraus Entwickelt habe."

Du hast also "Entwickelt", ohne über das "Wie" nachzudenken? Wie geht denn das?

Sehr verwunderte Grüße

Martin

felicidy
29-11-2014, 10:02
Im Titel steckt das Wort Unterricht. Zum Unterricht möchte ich gerne was schreiben. Unterricht letztendlich auf zwei Methoden zu reduzieren, passt mir nicht.

Für einen optimalen Unterricht braucht man erstmal eine Auftragsklärung:
Was will der Schüler lernen, was will und kann der Meister lehren, worauf kann man sich gemeinsam einigen?
Das ist für optimalen Unterricht wichtig, da Taiji mit ganz unterschiedlichen Leuten, mit unterschiedlichen Zielsetzungen wie z.B. Gymnastik für Rentner, Stressabbau für Manager, ergänzendes oder alleiniges Kampfkunstsystem etc... praktiziert wird. Diskussionen um "richtiges" oder "falsches" Taiji haben hier dabei keinen Platz.

Optimaler Unterricht ist dann am Schüler und der Lerngruppe orientiert. Ich glaube, die meisten Taijipraktizierenden in Deutschland machen dies als Hobby bzw. maximal mit Breitensportambitionen. Optimaler Unterricht berücksichtigt also, dass die Trainingszeit auf einige Wochenstunden + "Hausaufgaben" begrenzt ist.

Optimaler Unterricht unterstützt seine Schüler beim Selbstständigen Lernen ("Hausaufgaben") und bietet zugleich Möglichkeiten, die einem beim Einzeltraining fehlen.
Ein guter Unterricht vermittelt und korrigiert also wichtige Vorübungen, die immer wieder zuhause gemacht werden können. Selbstverständlich zeigt er auch mal "ganzheitlich" Stücke der Formen. Und unbedingt beinhaltet er Partnerübungen. Man kann sicherlich nicht alles in eine Unterrichtsstunde pressen, damit alle gleichviel davon haben. Da Menschen unterschiedlich lernen und unterschiedliche Lerninteressen und Lernzugänge haben, sollten auch viele Lernzugänge geschaffen werden.

Ich bin lange Zeit inhaltslos Formen nachgelaufen und fühlte mich wenig betreut und wenig korrigiert. Ich war demotiviert und desillusioniert.
Dann kamen erstmal nur isolierte Übungen mit viel Theorie und viel Korrektur, wieder auf Kosten der Motivation.
Ein Training vermischte beides und hat die isolierten Übungen ganz ohne Theorie aber dafür mit moderner Musik aufgepeppt. Ich war und bin motiviert.
Im Selbststudium als Breitensportler ohne irgendwelche Ambitionen mache ich meine Grundübungen und versuche die Formen immer besser auf die Reihe zu kriegen. Nur das Eine üben.... kein optimaler Unterricht.

Dao
30-11-2014, 13:26
Hallo Martin,

in meiner Praxis hat sich bewährt, erst einmal Vorübungen zu machen und diese ganzheitlich zu unterrichten, mit wenig Anmerkungen dazu.
In der Formarbeit zeige ich ganzheitlich, nach mehrmahligen Üben bringe ich wichtige Eckpunkte mit ein.
Zu viel Überfrachtung an Reden mit Inhalt stört den Unterricht und befördert nur, dass was wir in jahrelanger Schularbeit bereits super ausgeprägt haben - analytisch zu denken und alles mit unserem Geist zu erfassen.

martin3
01-12-2014, 08:55
Hallo Dao,

du hast wohl recht - zeigt ja auch deine Erfahrung.

Meine zeigt jedoch auch anderes.

Die analytisch-synthetische Methode muss nicht durch "zu viel Überfrachtung an Reden mit Inhalt den Unterricht stören".

Man braucht nicht viel reden - ganz im Gegenteil.

Da steht z.B. bis heute ein Bild in meinem Kopf:

Mein Lehrer Ma Jiangbao bei einem Seminar (ca. 30 Leute - keine Tai Chi-Vorerfahrung) zeigt die rechte Hand von Louxiaobu. Eine zyklische Bewegung. Er macht sie mehrere Runden - immer wieder ohne Kommentar - absolute und hoch konzentrierte Stille (man konnte eine Nadel fallen hören) - dann ein kurzer Hinweis, worauf zu achten war und dann alle gemeinsam und dann die Gruppe alleine mit persönlicher Korrektur durch ihn.

Alle waren total begeistert und vollkommen überrascht, wie spannend es sein kann, nur eine Hand bzw. Arm zu bewegen - wieviel man schon an dieser Teilbewegung arbeiten kann und wie entspannend es sein kann, sie immer wieder zu machen.

Gruß

Martin

kanken
01-12-2014, 09:16
Und warum hat er nicht einfach die Anwendung für die Bewegung gezeigt und dann durch die Details erklärt wie es effektiver läuft?

martin3
01-12-2014, 10:40
Hallo Kanken,

danke für den Einwandung - und er eröffnet ja eine neue Diskussion.

Bisher war das Thema "Didaktische Reduktion", soll ich aus didaktischen Gründen eine schwierige Bewegung vereinfachen, oder in Teile zerlegen und diese einzeln unterrichten?

Jetzt wirfst du die generelle Frage auf, die sicherlich alle Tai Chi'ler irgendwann beschäftigt:

Soll DIE ANWENDUNG gleich mit der Bewegung gezeigt werden, oder soll dies später geschehen?

Hier die Antwort aus Sicht des Ma Jiangbao Wu-Stil Tai Chi Chuan.

Obige erwähnte Bewegung der rechten Hand ist zyklisch und besteht aus drei Teilbewegungen. Jede dieser Teilbewegungen hat Anwendungen in Angriff und Abwehr. Je nachdem z.B. womit der anderen angreift, - Finger, Handfläche, Faust, Unterarm, Ellenbogen, Schulter, Rücken, Hüfte, Knie oder Fuß und ob es ein Ein-, Zwei oder Dreipunktangriffe, mit z.B. Kontaktsuche, Greifen, Pressen, Hebeln oder Schlagen ist, wird die Teilbewegung leicht modifiziert, angepasst und durch andere Körperteile unterstützt. Der Variationen sind hier keine Grenzen gesetzt - sie werden im Unterricht nach Erlernen der Grundbewegung exemplarisch vorgestellt und geübt, danach beginnt das ausprobieren und selber erkunden.

Es gibt also bei ihm nicht DIE ANWENDUNG, sondern sehr viele mögliche Anwendungen mit leichten Modifizierungen.

Also wird zuerst die grundlegende Bewegung gelehrt und anschließend an den Partner und seinen Angriff angepasst.

Es ist wie beim Erlernen eines Instruments - zuerst die Noten, dann Solospielen, dann in der Gruppe.

Dies schließt andere Wege natürlich nicht aus - siehe Gitarre (man kann einfach mal rumklopfen und sich dann langsam entwickeln - hat schon zu super Musikern geführt), aber bei der Geige wird das meines Erachtens schon schwieriger.

Aber wie gesagt, es gibt viele Wege den Berg hinauf und die Diskussion ist hier sicherlich offen.

Gruß

Martin

kanken
01-12-2014, 10:59
Es gibt also nicht DIE ANWENDUNG, sondern sehr viele mögliche Anwendungen mit leichten Modifizierungen.


Das ist im Bagua ja nicht anders, ändert aber doch nichts daran direkt eine einfache Anwendung dieser Bewegung zu zeigen.
Ich schrieb ja auch das dann diverse Details folgen. Diese kann man dann mit anderen Anwendungen dieser Bewegung zeigen und erklären, was wiederum die Bewegung verbessert (weil z.B. die Fußarbeit detaillierter wird oder andere Teile des Körpers bewußter bewegt werden) etc.

Bewegungen ohne Anwendungen zu zeigen ist tanzen. Wenn ich mich ohne Partner in der Form bewege, dann nutze ich die Visualisierungen um meine Bewegung zu verbessern, am besten die, die ich auch in der Anwendung am Partner brauche (muss aber nicht zwangsläufig sein, zumal einige Dinge am Anfang am Partner zu komplex sind, da sind einfache Bilder am Anfang dtl. besser geeignet).

Soloformelaufen sollte doch eh nur ein (kleinerer) Teil des Trainings sein, da verstehe ich nicht wieso man da so viel reinverkopfen muss?

Bewegung sehen, machen, dann zeigen warum man es macht, dann wieder machen (diesmal mit konkreter Anwendung vor Augen). Wenn die Bewegung grob sitzt, Visualisierungen dazu nehmen, und die am Partner und alleine üben, bis man ein körperliches Gefühl dafür bekommt. Zwischendurch, wenn die erste Bewegung besser sitzt und die Anwendung klappt, die nächste Bewegung zeigen und dafür die Anwendung. Alternativ kann man dann auch die nächste Anwendung für die erste Bewegung zeigen (falls man nicht sofort mit mehr als einer Anwendung dafür anfängt, was ich persönlich besser finde).

Grüße

Kanken

martin3
01-12-2014, 11:10
Hallo Kanken,

danke für die schnelle Antwort.

Tja, so ist das mit den verschiedenen Lerntypen - verschieden Menschen lernen unterschiedlich - die einen eher visuell, die anderen eher habtisch, manche mehr über den Kopf und andere eher über den Bauch und so auch die unterschiedlichsten Methoden des Unterrichts.

Spannend ist doch an dieser Stelle, dass diese Vielfalt nicht als Chance zum Austausch und zur gemeinsamen Entwicklung gesehen wird, sondern dass oft davon ausgegangen wird, mein Weg ist der einzig richtige und was andere machen ist falsch und definitiv abzuwerten. Spannend, oder?

Eine Diskussion über Vor- und Nachteile wird so eine Diskussion über Richtig oder Falsch.

Gruß

Martin

martin3
01-12-2014, 11:13
Ach ja,

und zu Tanzen:

Wikipedia hat da eine schöne Definition:

Tanzen ist die Umsetzung von Inspiration (meist Musik und oder Rhythmus) in Bewegung.

Sollte die Inspiration aus der Kampfkunst stammen -mensch tolle Sache.

Gruß

kanken
01-12-2014, 11:29
Hallo Kanken,

danke für die schnelle Antwort.

Tja, so ist das mit den verschiedenen Lerntypen - verschieden Menschen lernen unterschiedlich - die einen eher visuell, die anderen eher habtisch, manche mehr über den Kopf und andere eher über den Bauch und so auch die unterschiedlichsten Methoden des Unterrichts.


Stimmt, es kommt eben drauf an was man will.
Wenn ich lernen will zu kämpfen, dann muss ich das üben, wenn ich mich an der Bewegung erfreuen will, dann kann ich da auf viele Arten rangehen, muss aber dann auch nicht erwarten mit der Bewegung kämpfen zu können.

Ein solches Üben kann dann gut für den Körper und/oder den Geist sein, man sollte es dann aber bitte auch als Gesundheitsbewegung oder Meditation verkaufen und den "Kampf" weglassen.

Das Problem besteht nämlich darin das ich nur das im Kampf abrufen kann, was ich im richtigen Kontext geübt habe und man kann eben nicht "mal eben" aus Gesundheitsbewegung Kampfanwendungen machen.

Tänzer haben eine tolle Körperbeherrschung, können aber dennoch nicht so ohne weiteres kämpfen.

Wie gesagt, es kommt auf das Ziel an was ich den Leuten wie beibringen will...

Grüße

Kanken

martin3
01-12-2014, 11:55
Hallo Kanken,

sehe ich genauso - wer Kampf will, muss Kämpfen üben.

Wie übe ich Kämpfen?

Da sehe ich halt verschiedene Wege, dies zu erreichen und das diese Wege ihre Berechtigung haben.

Du siehst da weniger Spielraum - ist OK für mich.

Gruß

Martin

T. Stoeppler
01-12-2014, 17:57
Es ist quasi eine typische Eigenschaft in der Didaktik des modernen Taijiquan, dass die Bewegungen der Form erst geübt werden, bis sie dem jeweiligen Standard genau entsprechen. Ob das jetzt eine geeignete Kampschule ist oder nicht ist da gar nicht die Frage. Viele TJQ Meister sind jedenfalls ultrapräzise bei der Vermittlung der Bewegungen und das hat eben eine Tradition. Meines Erachtens dauert die Vermittlung nur extra lange, wenn die Vorübungen und Vorformen (soweit vorhanden) sich zu sehr vom Bewegungskern des Stiles entfernen.´

Für das Wu-Taiji gibt es auch ein paar Vorübungen (ich habe davon vor zig Jahren ein paar gelernt. Fand ich sinnvoll. Die Chens und Yangs haben extra für die Westler "Kurzformen" entwickelt - finde ich persönlich eher schädlich als nützlich. Einzelübungen sind ganz gut, wenn sie eben das notwendige stilspezifische Bewegungsspektrum abdecken und dann noch mit jeweils einer schmissigen Anwendung verknüpft sind.

Gruss, Thomas

martin3
01-12-2014, 18:42
Hallo Thomas,

kann ich alles nachvollziehen und genau das war auch ein Grund, das Buch zu schreiben.

"Extra lange" ist ja relativ. In China hat Ma Jiangbao jeden Tag (auch am Wochenende) zweimal mit seinen Schülern geübt. So hat er 1986 auch für ein Jahr in Deutschland unterrichtet und Fortschritt war kein Problem.

Dann kamen die Abendkurse mit 1-2 Stunden einmal die Woche.

Das erfordert natürlich ein Umdenken in der Unterrichtsmethodik.

Für einige mag es auch gar keinen Sinn machen, solche Kurse anzubieten, aber es ist doch eher die Regel geworden und für die Lehrer, die es doch versuchen, ist Hilfe, so denke ich, sehr hilfreich (schöner Satz, oder).

Gruß

Martin

Dao
01-12-2014, 22:23
Hallo Martin,

du wirst mir Recht geben dürfen, dass bei dieser Aktion und Unterrichtsmethode von Ma lauter alte Hasen on tour waren und keine Anfänger.
Und meine Herangehensweise bezog sich bildlich immer auf blutige Anfänger!
Mir geht es dabei nicht um Recht haben sondern, dass ist ein wichtiger Bestandteil der Diskussion, an wen wende ich mich. Geht es um Leute, die seit 15 Jahren bei mir trainieren, oder machen diese Leute den 4 Kursabend mit?!
Das ist ein wichtiges Merkmal, IMHO!

martin3
02-12-2014, 00:34
Hallo Dao,

leider kann ich dir da nur halb Recht geben. Ma hat Anfänger immer und gerade sie mit die analytisch-synthetische Methode unterrichtet und das Seminar, auf das ich mich bezog, war für totale Anfänger. Sorry.

Deswegen würde ich aber nicht sagen, dass das immer so sein muss.

Und man kann hier natürlich auch differenzieren:

Wie unterrichte ich Anfänger und wie Fortgeschrittene.

Vielleicht gibt es dazu ja noch spannende Vorschläge.

Gruß

Martin

martin3
04-12-2014, 13:09
Mal eine andere Frage in die Runde.

Wie wichtig ist Kleidung - die des Lehrers und die des Schülers:

Eher westlich-sportlich oder westlich-leger.

Oder doch

eher östlich-sportlich oder östlich-leger.

Uniform, also für alle das gleiche

oder

jeder wie er will.

Ich denke, das hat schon etwas mit der Unterrichtsplanung zu tun, denn es beeinflusst die Unterrichtsatmosphäre doch sehr. Oder gehört der Gedanke gar nicht dazu?

Gruß

Martin

Gawan
04-12-2014, 14:12
Was ist östlich-sportlich? Ein Adidas-Trainingsanzug? ;)

Im Taijiquan finde ich die Frage nach Trainingskleidung eher unwichtig. Die Sachen sollten so bequem sein, dass man sich gut darin bewegen kann. Diese Seidenanzüge (oder Schlafanzüge) sind vielleicht für Vorführungen gut, aber sonst für nichts.

Ganz persönlich finde ich es gut, barfuß zu trainieren (besonders seit ich auch Karate lerne), weil man da einen besseren Bodenkontakt hat. Allerdings trägt man traditionell doch eher Schuhe.

Eistee
04-12-2014, 21:19
Wie wichtig ist Kleidung - die des Lehrers und die des Schülers:
Eher westlich-sportlich oder westlich-leger.
Oder doch
eher östlich-sportlich oder östlich-leger.
Uniform, also für alle das gleiche
oder
jeder wie er will.
Die Frage scheint mir ebenfalls wichtiger als man denkt. Beim Judo oder Karate z.B. ist man als Schüler schon irgendwie ein bißchen stolz, wenn man den Anzug trägt und von allen akzeptiert wird, daß man nun, während des Unterrichts, Judoka, bzw. Karateka ist, selbst wenn man noch keinen anderen als den weißen Gürtel hat.
Im Tai Chi ist das wohl weniger geregelt. Ich persönlich finde aber, daß eine Gruppe, die einheitlich gekleidet ist, bei einer Tai Chi-Form wesentlich ansprechender und eleganter aussieht. Natürlich ist es mehr Aufwand.
Vielleicht schwarze Sporthose und helles Sweatshirt, das dürfte für alle zu machen sein (oder T-Shirt; ich fröstele leicht und trage beim Tai Chi lieber Sweatshirt; ist mir auch wichtig, daß mir nicht zu kalt wird).
Seidenanzüge, wenn sie denn warm genug sind, wären bei Vorführungen schön. Im normalen Training vielleicht zu viel des Guten. Die chinesische Trainingsgruppe hier (http://www.youtube.com/watch?v=6uIhFg8jDbs#t=1953) hat ebenfalls einheitliche, aber verschiedenfarbige Anzüge. Ich finde, das sieht sehr schön aus. Viel besser, als wäre der eine in einer Jacke und der andere in einem Schlafanzug dabei.

Kamenraida
05-12-2014, 16:32
Hi Martin,

Taichi-Didaktik, wichtiges Thema und viel zu selten angesprochen/reflektiert. Klasse, dass du es machst. Danke.

Ich habe so manchen Lehrer erlebt, nach dessen Unterricht ich vor allem eine Übung gut beherrschte: verwundertes Kopfschütteln. Unterricht, in dem nichts unterrichtet wird. Esoterische Seifenblasen. Vermeiden von Überprüfbarkeit ... ich denke, das kennt man.

Einer meiner Schlüsse: Wichtgste Unterrichts-Voraussetzung ist, dass Lehrer ihr Selbstverständnis klären. Zugespitzt: Sind sie Kämpfer, Tänzer, Esoteriker, Gesundheitsfreaks. Und was davon können sie so vermitteln, dass sie sich selbst dabei wohl fühlen ...

Zu der Unterschiedung, die du eingangs triffst (ganzheitlich vs synthetisch) – es wird wohl in der Regel eine Mischung sein. Wurde ja auch schon gesagt. Aber unabhängig davon, das betrifft ja in erster Linie das Vermitteln der äußeren Choreographien.

Das bildet natürlich für die meisten Lehrer den größten Teil ihres Berufsalltags. Insofern zweifelllos wichtig.

Wirklich spannender finde ich, wie man das Innere im Taichi vermitteln kann. Da wird’s komplizierter, zumal es dann noch viel mehr darauf ankommt, wieviel und wie klar man es selbst verstanden hat. Bilder /Vorstellungen können helfen, Körperkorrekturen, die in die Tiefe gehen, energetische Modelle/Bilder/Anwendungsübungen mit Feedback, etc ...

Wie siehst du das?

martin3
05-12-2014, 23:14
Hallo Kamenraida,

in der Schule in der ich gelernt habe galt beim Formtraining das Motto: Außen Bewegung - innen Ruhe.

So hat sich auch der Lehrer ganz auf die Bewegung konzentriert. Klar gab es dabei auch persönliche Körperkorrrekturen - es wurde aber nicht mit Visualisierungen gearbeitet.

Beim Pushhands standen die jin-Kräfte im Zentrum. Hier kam es sehr stark darauf an, den Lehrer zu sehen und, bzw. vor allen Dingen zu fühlen. Es sah doch manchmal anders aus, als es sich dann anfühlte.

Der Lehrer nahm sich also viel Zeit jede Technik mit jedem Schüler zu üben - sowohl als Angreifer, wie auch als Verteidiger und sie auch im Detail zu erklären - wo, wie wie stark Kräfte fließen - wo ist voll - wo ist leer. Wie kann man es fühlen und immer wieder den Geist leeren und sich ganz auf den Partner, dann meist ein anderer Schüler, einlassen.

Diese Methode hat mir sehr gut gefallen - ich denke aber, hier in der Runde werden wir bestimmt noch andere Methoden vorgestellt bekommen.

Gruß

Martin

martin3
09-12-2014, 09:47
Hey,

wir haben hier ja nun viel darüber diskutiert, im Unterricht das Material zu reduzieren, bzw. zu vereinfachen, um dem Schüler das Lernen besser zu ermöglich.

Da kommt doch die Frage auf, macht das überhaupt Sinn?

Langfristig ist Tai Chi Chuan eine komplexe und schwierige Kunst.

Ist es nicht vielleicht besser, dies von Anfang an so anzubieten und so Schüler zu begeistern, sich auch mit diesen Schwierigkeiten auseinanderzusetzen?

Wie heißt es doch bei Menzius:

"Yi, der Meisterbogenschütze, würde für einen unbegabten Bogenschützen die Regeln des Bogenspannes nicht ändern."

Oder ist gerade der Ansatz "Tai Chi Chuan für alle" das, was das Tai Chi Chuan auszeichnet?

Gruß

Martin

Glückskind
09-12-2014, 11:10
Hallo Martin,



"Yi, der Meisterbogenschütze, würde für einen unbegabten Bogenschützen die Regeln des Bogenspannes nicht ändern."


Die Regeln des Bogenspannes würde er nicht ändern. Gut.

Würde er - wenn er den Unbegabten warum auch immer unterrichten
möchte - sich dann nicht Vorübungen, Hilfestellungen o.ä. ausdenken?
Ihn mit einem leichter spannbaren Bogen üben lassen?

Man sollte die Menschen meiner Ansicht nach nach Möglichkeit
schon dort abholen wo sie stehen um sie dorthin zu bringen wo
man sich gemeinsam hinbewegen möchte. Die Regeln für Tai Chi
bleiben davon doch unberührt?

Schöne Grüße

Glückskind

martin3
09-12-2014, 11:23
Hallo Glückskind,

ja und nein.

Ja, ich bin deiner Meinung.

Nein, man muss leider die Regeln ändern (zumindest in unserem Tai Chi Chuan)
So lernen wir z.B. sehr früh im Pushhands Würfe und Falltechniken. Das ist leider nicht mehr etwas für jedermann.

So wurde die Regel geändert: Die ist nur für Leute, die es körperlich verkraften.

Hier wurde etwas der Schüler wegen verändert, auch wenn es das System ganz anders ausrichtet.

Gruß

Martin

Huangshan
09-12-2014, 11:31
Wenn ich lernen will zu kämpfen, dann muss ich das üben, wenn ich mich an der Bewegung erfreuen will, dann kann ich da auf viele Arten rangehen, muss aber dann auch nicht erwarten mit der Bewegung kämpfen zu können.

Ein solches Üben kann dann gut für den Körper und/oder den Geist sein, man sollte es dann aber bitte auch als Gesundheitsbewegung oder Meditation verkaufen und den "Kampf" weglassen.

Das Problem besteht nämlich darin das ich nur das im Kampf abrufen kann, was ich im richtigen Kontext geübt habe und man kann eben nicht "mal eben" aus Gesundheitsbewegung Kampfanwendungen machen.

Tänzer haben eine tolle Körperbeherrschung, können aber dennoch nicht so ohne weiteres kämpfen.

Wie gesagt, es kommt auf das Ziel an was ich den Leuten wie beibringen will...
kanken:
Sehe ich auch so!

Leider ist Taijiquan über die Jahrzehnte im Westen und Asien von Einigen zu einem Bewegungstanz degeneriert worden.

Aus einer Kampfkunst wird Krankenkassen Gesudheitsgymnastik mit einwenig China- Esoterik Gefühl oder eine Formentanz beim Wushu Wettkampf.

Gruss
Huangshan

karate_Fan
09-12-2014, 11:45
kanken:
Sehe ich auch so!

Leider ist Taijiquan über die Jahrzehnte im Westen und Asien von Einigen zu einem Bewegungstanz degeneriert worden.

Aus einer Kampfkunst wird Krankenkassen Gesudheitsgymnastik mit einwenig China- Esoterik Gefühl .


Dieses Problem haben ja viele KK, aber irgendwie kommt es mir so vor, das dieser Umstand beim Tai Chi extrem zu Tage kommt. Während es bei anderen KK zumindest noch "Legenden" über die Effektivität gibt, scheint es ja beim TC so zu sein, das man den kämpferischen Background komplett vergessen ist, und es immer nur als Gesundheitssystem gesehen wird.

Schon seltsam, wenn man sich mit der Historie des Tai Chi beschäftigt.

Gawan
09-12-2014, 11:49
Naja, die großen Meister haben alle (?) auch kurze Formen geschaffen. Ich kenne die genauen Gründe dafür nicht, aber ein Grund wird sicherlich auch der gewesen sein, etwas einfacheres für Anfänger, Alte oder sonstwie Bewegungseingeschränkte zu haben.

Die Prinzipien bleiben davon unangetastet. Man braucht für Taijiquan nicht unbedingt Sprünge und mehr oder weniger hohe Tritte, man kann sich auch nur auf die Grundlagen beschränken. Das ist immer noch schwierig genug (wenn ich da allein an die Seidenübungen (http://www.chenstyle.de/downloads/seidenuebungen.pdf) denke…).

Ich habe Taijiquan auch mit einer Kurzform begonnen, die man als eigenständige (oder alleinige) Form üben kann oder als Vorbereitung auf die traditionelle lange Form betrachten kann.

Für Anfänger ist vieles schwer; ich glaube die meisten wären überfordert und würden bald aufgeben, wenn sie von Anfang an Taijiquan „unvereinfacht“ lernen müssten. Oft fehlt nicht nur das nötige Gefühl für den eigenen Körper, sondern es ist auch unmöglich, bestimmte Bewegungen zu machen, die für einen Fortgeschrittenen kein Problem mehr sind.

Huangshan
09-12-2014, 11:56
Dieses Problem haben ja viele KK, aber irgendwie kommt es mir so vor, das dieser Umstand beim Tai Chi extrem zu Tage kommt. Während es bei anderen KK zumindest noch "Legenden" über die Effektivität gibt, scheint es ja beim TC so zu sein, das man den kämpferischen Background komplett vergessen ist, und es immer nur als Gesundheitssystem gesehen wird.

Schon seltsam, wenn man sich mit der Historie des Tai Chi beschäftigt.

Viele haben vergessen das Taijiquan ein kampfbetonter Laungfaust Stil war,ist !

Es gibt noch einige Lehrer in China,Asien im Westen die das noch so lehren.


PS:
Andere innere KK:
Aikido kann man z.B. auch kampfbetont unterrichten siehe z.B. Yoshinkan-Aikidō von Shioda Gōzō !

Gruss
Huangshan

martin3
09-12-2014, 12:01
Hallo Huangshan,

so einfach ist es glaube ich nicht.

Es erzählen uns z.B. viele Geschichten von den Vergleichskämpfen der alten Meister - Kämpfe mit ernsthaften Verletzungen und manchmal auch Toten. Das war durchaus Bestandteil des Trainings - wird heute aber kaum noch gemacht.

(Kommentar von Ma Jiangbao zu einem Brustschutz, den er in einer KK-Schule sah: Was ist denn das? Zum Schwimmen?)

Oder:

Wenn man z.B. Chen Tai Chi Chuan als Kampfkunst betreibt, übt man es doch in der Regel nicht in Rüstung (denke ich).

Ich kann mir aber nicht vorstellen, wie der Armee-Offizier Chen Wangting ohne Rüstung auf dem Schlachtfeld erschien oder sein Dorf gegen marodierende Räuberbanden verteidigte.

Da hat sich sicherlich etwas verändert - eine Reduktion, auch innerhalb der kämpfenden Freunde des Tai Chi Chuan.

Für mich ist die Linie nicht so klar, was ist zu reduzieren und was ist ein zu viel der Reduktion?

Gruß

Martin

Huangshan
09-12-2014, 12:42
Es ist klar das Kampfkünste auf dem Schlachtfeld,Strasse nicht wie vor hunderten Jahren angewendet werden!(Keiner rennt mit einer Rüstung rum und piekst seine Gegner mit dem Speer)

Im Zweiten Weltkrieg wurde z.B. aus dem Speer das Bajonett und Da Dao,Pu Dao und Dolche wurden in einigen Einheiten im Nahkampf eingesetzt .

http://chinesemartialstudies.files.wordpress.com/2012/11/dadao-long.png?w=511&h=264

http://chinesemartialstudies.files.wordpress.com/2012/11/railway-guard-with-dadao.jpg


Reduktion,Anpassung an die Moderne ist zwangsläufig gegeben und ok !

Degeneration zur Eso. Gymnastik , Wushu Tanz ???

Übungskette:
Grundlagen---Formen---Anwendungen---Freikampf---realer Kampf?

martin3
09-12-2014, 13:51
Yup, das meinte ich.

Realer Kampf?

Es wäre zu diskutieren, was damit heute gemeint sein könnte und wer dies wie unterrichten kann.

Frage z.B.: Muss ein Lehrer, der Kampfkunst unterrichten will, auch schon in diversen Kämpfen (ich meine nicht Wettkämpfe) seinen Mann, bzw. Frau, gestanden habe?

Gruß

Martin

gast
09-12-2014, 14:21
Worin seht ihr eigentlich den Sinn der Formen und Choreographien?

Didaktisch liegt doch ein sehr großes Problem darin, dass viele Anfänger mit den komplexen Bewegungsabfolgen der Formen sehr überfordert sind, sie oft nicht die Zeit haben dauerhaft jede Woche bis zum erlernen der Form in den Unterricht zu gehen, oder aber auf halber Strecke aussteigen.
Aus einem Box-, Thaibox-, Judo-, Juijutsutraining usw bilden Fitness, Technik und Anwendung von Anfang an eine Ganzheit, die nicht in komplexen Formen gelernt werden müssen und es so jedem erlauben sich aus dem Training etwas mitzunehmen ---- eine Woche, ein Monat, ein Jahr --- hört man auf, steht man nicht nur mit einer halben Form da.
Und hat man denn wirklich soviel mehr "Inneres" gelernt, wenn man beim Formentraining ständig Finger, Ellbogen, Hüfte, Beine und alle möglichen Einzelteile des Körpers korrigiert bekommt?

Wäre es unter diesem Gesichtspunkt nicht vielleicht auch einmal interessant das Formentraining in Hinsicht auf die praktische Umsetzung im Kampf (wenn man Kampfkunst mit diesem Anspruch betreibt und nicht einfach aus Freude an der Bewegung) zu hinterfagen? Denn in der Realität bleibt oft das was man mit großem Zeitaufwand in's Formentraining steckt in der Anwendung mehr oder weniger ganz auf der Strecke. Damit will ich sagen, dass man im Ring oder beim Sparring gar kein Xingyi, Taiji Bagua o.ä. mehr erkennen kann und man sich auch nicht anders als ein Boxer, Thaiboxer, Sanda, Ringer, Judoka etc verhält.
Ist es was die Gesundheit, Pflege des Lebens, angeht nicht ähnlich? Wieviele haben sich beim nachahmen komplexer Bewegungen aufgrund einer Überforderung und Selbstüberschätzung nicht schon verletzt und ihrer Gesundheit oft Dauerhaft mehr geschadet als geholfen?

Ich bin jedenfalls der Meinung, dass was Gesundheit und Kampf angeht, das erlernen von Formen zum erreichen des angestrebten Ziels weniger ertragreich sind, als das benötigte Handwerkszeug direkt zu trainieren. Lediglich vom Standpunkt der Kunst, also einer Performancekunst, finde ich das Studium der Formen sehr Sinnvoll und erstrebenswert. Derjenige der sich dafür entscheidet wird jedoch auch die entsprechende Motivation mitbringen. Hier finde ich verschiedene didaktische Ansätze dann auch sehr Sinnvoll zu besprechen.

Grundlegen sollte man sich also immer im klaren was das didaktische Ziel ist: Kampf? Performance? oder Gesundheit? Ich denke die didaktische Herangehensweise ist bei jeder Zielsteckung eine grundlegend andere und sollte nicht in einen Topf geschmissen werden. Gerade die Existenz der vielen Formen bringt da oft ein ziemlich undifferenziertes Chaos mit rein.

Sind es also vielleicht nicht die Formen, die, wenn gemessen an der Zielsetzung, ein didaktisches Grundproblem darstellen?

kanken
09-12-2014, 14:34
Das Problem sind nicht die Formen, sondern das nicht gewußt wird wozu sie da sind und was dort geübt wird.
Kampf und Form sind eins. Form ist Bewegung die zu Kampf wird. Alleine übt man seinen Körper zu bewegen und wahrzunehmen, mit dem Partner werden die gleichen Bewegungen zu Kampf.
Ohne Kampf ist Form nur Tanz oder leere Gymanstik, da aber sich die wenigsten mit richtigem Kampf beschäftigen wollen sieht man halt gut aus und fühlt sich toll...

Grüße

Kanken

gast
09-12-2014, 15:13
Das Problem sind nicht die Formen, sondern das nicht gewußt wird wozu sie da sind und was dort geübt wird.

Das würde mich wirklich mal interessieren, wofür sie denn da sind die Formen -- in Bezug auf Kampf? Vielleicht magst du das anhand von Bagua (??) einmal klären.

Es sind schon sehr schöne Worte, die du gewählt hast, aber


Kampf und Form sind eins.Form ist Bewegung die zu Kampf wird.

Wie kann Kampf und Form eins sein? Kampf ist immer etwas unvorhersehbares dem ich mich mit Grundfertigkeiten entgegenstelle. Eine Hausfrau putzt ihr Haus entsprechend dem Schmutz den Sie sieht und geht nicht jedes Mal nach einer festen Form vor.


Alleine übt man seinen Körper zu bewegen und wahrzunehmen, mit dem Partner werden die gleichen Bewegungen zu Kampf.

Ich würde das eher als Kampfchoreographie bezeichnen, was auch sehr spannend und Anspruchsvoll ist. Aber vom Kämpfen ist das weit entfernt. Das war ja auch der logische Grund, warum Sanda entwickelt wurde und warum bis heute keiner der chinesischen Kampfkünstler auf irgendeiner internationalen Kampfbühne erfolgreich mitmischt. Nicht einmal Sanda hat da wirklich gute Leute hervorgebracht, geschweige denn die traditionellen IMA.


Ohne Kampf ist Form nur Tanz oder leere Gymanstik, da aber sich die wenigsten mit richtigem Kampf beschäftigen wollen sieht man halt gut aus und fühlt sich toll...


Ich denke das ist es auch, unter Vorbehalt, was unter dem Aspekt Kampf in den traditionellen IMA bis heute übriggeblieben ist. Das will ich jedoch nicht pauschal behauptet haben!!! Jedoch sind die Leute, die ihre IMA-Formen im Kampf auch umsetzen können und nicht einfach nur ins Boxen, Kickboxen, Sanda oder Ringen abrutschen so rar wie das Wasser in der Wüste.;)

kanken
09-12-2014, 15:33
Es geht um Bewegungsprinzipien und die Bilder die man nutzt um sich entsprechend bewegen zu können. Diese Bewegungsprinzipien (z.B. die 8 grundlegenden Handhaltungen im Bagua) können genutzt werden um Kampfanwendungen auszuführen. Die Clinchwürfe aus dem Bären oder eben auch die Handgelenksbrüche aus dem Bären etc. Jede Bewegung hat sehr viele Anwendungsmöglichkeiten, die sich aber alle aus dem gleichen Bewegungsprinzip (eben Bär) ergeben.
Es gibt Visualisationen die man braucht die Interozeption/Propriozeption zu verbessern, es gibt Visualisationen die man braucht um sich besser bewegen zu können und es gibt Visualisationen die man braucht um Bedrohung aufbauen zu können. Bewegung und Visualisationen übe ich zunächst alleine um sie dann am Partner umzusetzen und dafür brauche ich dann die Anwendungen aus den Bewegungen.

Eben weil Kampf unvorhersehbar ist muss ich grundlegende Prinzipien üben und diese lernen frei anzuwenden, das macht ja auch (oder sollte es machen) einen großen Teil des Trainings aus. Bei uns im Bagua baut sich das stufenweise von festgelegten Ablauf im Stehen über in Bewegung bis hin zu freier Anwendung auf.
Die Mechanik der Schulterstöße im "Big Bird" brauche ich genauso auch um den Armdrag zu verbessern den ich z.B. im "Lion" übe.

Das Wissen um die Anwendungen ist schon rar gesät, das Wissen und die Anwendungen um die Visualisationen erst recht. Es gibt Leute in China die das können und die sind dort auch in den richtigen Kreisen sehr bekannt, aber die unterrichten eben kaum und wenn dann nur hinter verschlossener Tür.

Es ist kein Wunder das man so etwas im Westen normalerweise nicht sieht, selbst in China sieht man so etwas normalerweise nicht und zwar weil die Leute schlicht und ergreifend kein Interesse daran haben das zu zeigen, KK bedeutet dort halt noch einmal etwas anderes. Es gibt zwar den ein oder anderen der das Wissen hat, es aber westlichen Langnasen nur unvollständig gibt und damit Geld verdient.

Wenn man mal jemanden gespürt hat der das kann und bereit ist es einem zu zeigen und spüren zu lassen (gerade letzteres kommt nicht oft vor), dann versteht man den Unterschied. Vorher ist es theoretisches Gerede.

Grüße

Kanken

Eistee
09-12-2014, 16:00
So lernen wir z.B. sehr früh im Pushhands Würfe und Falltechniken. Das ist leider nicht mehr etwas für jedermann.
Nanu? Ok, kann man machen, dann braucht man aber eben die Fallschule wie beim Judo (Fallübung links, Fallübung rechts, Fallübung vorwärts), mindestens für ein paar Monate, und natürlich mit Matte.
Für die Tai Chi-Form braucht man ja keine Matte. Habt ihr denn einen mit Matten ausgestatteten Übungsraum?

Aus einer Kampfkunst wird Krankenkassen Gesudheitsgymnastik mit einwenig China- Esoterik Gefühl oder eine Formentanz beim Wushu Wettkampf.
Das gibt es. Aber wir sind uns doch hier eigentlich einig, daß wir nicht so üben möchten. Tai Chi ist, was man draus macht. ;)

Oft fehlt nicht nur das nötige Gefühl für den eigenen Körper, sondern es ist auch unmöglich, bestimmte Bewegungen zu machen, die für einen Fortgeschrittenen kein Problem mehr sind.
Das kennzeichnet doch eher Kung-Fu oder Karate (Sprünge, hohe Tritte). In der Yang-Form kann jeder durchschnittlich Gesunde alle Bewegungen von der körperlichen Schwierigkeit her (nicht vom Behalten her) entweder sofort oder sehr bald mitmachen. Darum geht es ja auch.
Im Chen-Stil ist es anders. Das konnte ich nicht einfach so nachmachen. Für mich der Hauptgrund, bei der Yang-Form zu bleiben. Das genügt mir.

Didaktisch liegt doch ein sehr großes Problem darin, dass viele Anfänger mit den komplexen Bewegungsabfolgen der Formen sehr überfordert sind, sie oft nicht die Zeit haben dauerhaft jede Woche bis zum erlernen der Form in den Unterricht zu gehen, oder aber auf halber Strecke aussteigen.
... hört man auf, steht man nicht nur mit einer halben Form da.
Wegen dieses Problems wurden erst die kürzeren Formen entwickelt (Peking-Form, Cheng-Manching-Form), und dann auch die "18 Bewegungen", die man praktisch sofort mitmachen kann und trotzdem noch ein ganz klein wenig Tai Chi mitbekommt.
So kann man einsteigen. Wenn man das Niveau dann erhöhen will (und sich zutraut, mehr zu behalten), kann man zur Langform übergehen. Einige üben aber auch sehr intensiv mit den Kurzformen. Geht auch. Die muß man dann eben sehr oft wiederholen.

Und hat man denn wirklich soviel mehr "Inneres" gelernt, wenn man beim Formentraining ständig Finger, Ellbogen, Hüfte, Beine und alle möglichen Einzelteile des Körpers korrigiert bekommt?
Ein Lehrer, der dauernd an mir rummäkelt und rumkorrigiert, würde mich auch eher nerven. Mein Ansatz ist, erst muß ich ungefähr wissen, wie ich mich überhaupt bewegen will. Dann kann ich schonmal machen. Wenn's nicht "korrekt" ist, ist es nicht schlimm. Irgendwann, nach 50, 100 oder vielleicht auch erst nach 300 mal habe ich eine bessere Vorstellung von der Bewegung. Dann kann ich mich um die Einzelheiten kümmern und auch versuchen zu begreifen, wie die Bewegung eigentlich gemeint ist. In diesem Stadium bin ich dann vielleicht auch für Hinweise eines Lehrers dankbar.

Das geht aber nur deshalb, weil die Yang-Form so sanft ist. Bei Stilen mit höherer Verletzungsgefahr und intensiveren Übungen (Pferdestellung, usw.), also z.B. bei Kung-Fu oder Karate, muß man umgekehrt darauf achten, daß die Grundlagen von vornherein richtig gelernt werden. Sonst schleift man sich falsche Bewegungen ein und verletzt sich. Diese Gefahr ist bei der Yang-Form dagegen eher gering. Yang Zhenduo sagte mal, wahrscheinlich werde man sich bei den Bewegungen der Yang-Form nicht verletzen, solange man nur die Absicht habe, sie richtig auszuführen.

martin3
09-12-2014, 16:55
Hallo Eistee,

eh, wozu Matten? Wollen wir nicht kämpfen lernen? Schon wieder so eine Reduktion der echten Situation. :)

Aber Spaß bei Seite - ich denke, ist es äußerst sinnvoll, als Kämpfer fallen zu lernen. In unserem Tai Chi heißt das paidifa. Zuerst übt man mit dicken Decken, dann auf weichem Boden, dann auf normalen Boden.

Auch hier wieder der Weg: vom leichten zum schweren.

Und wie gesagt - haben bei uns auch nicht viele trainiert - war aber früher in China absoluter Standart.

Gruß

Martin

karate_Fan
09-12-2014, 16:58
@Huangshan Thx für die Infos.

Ja wirklich interessant wie sich das Bild des Tai Chi mit der Zeit gewandelt hat.

TC ist ja generell ein sehr spannendes Bestätigungsfeld, wobei man als Laie nur schwer den Überblick kriegen kann bei den ganzen Stilen die es da gibt, Yang Stil, und Chen Stil z.B. unterscheiden kann.

Ich hoffe ja, das ist nicht zu sehr OT, aber gibt eine TC Linie die sich mehr dem kämpferischen Tai Chi verschrieben hat, oder hängt es mehr vom Lehrer ab?

Als das die guten Lehrer quasi quer durch den Gemüsegarten zu finden sind?

Huangshan
09-12-2014, 17:32
eh, wozu Matten? Wollen wir nicht kämpfen lernen? Schon wieder so eine Reduktion der echten Situation.


https://www.youtube.com/watch?v=JjeCNXyVvR0&feature=related&hl=de&gl=DE

Fallübungen Boden, Partnerform aus dem Meihuazhuang Chengquan. ;)


Realer Kampf? Es wäre zu diskutieren, was damit heute gemeint sein könnte und wer dies wie unterrichten kann.

Auf den Realen Kampf(SV) sollten Gerätearbeit ,Anwendungen/Szenarien Übungen und der Freikampf u.a. vorberreiten.

Eine Garantie das man aus wirklichen Gefahren Situationen heil herauskommt ???

Erfahrungen in, mit realen Kampfsituationen Beruflich oder als Person können dabei hilfreich sein .(Erfahrungswerte)

Gruss
Huangshan

Kamenraida
09-12-2014, 19:59
Das schlittert hier bald in die gute alte altbekannte Diskussion nach dem wahren echten einzigen Taichi.

Ausgangspunkt war aber die Frage danach, wie man es unterrichtet.

Und ich finde, wie gesagt, guter Unterricht muss Schüler UND Lehrer im Blick haben, sprich, es muss beiden Spaß machen und befriedigend sein.

Ich zum Beispiel habe, nachdem ich deutliche Defizite in meiner (damals bereits langjährigen) Taichi-Ausbildung und Praxis gemerkt habe, das Unterrichten erst einmal wieder aufgegeben. Kein leichter Schritt, aber einer in Richtung Ehrlichkeit. Es hat sich gelohnt. Jetztz weiß ich, was ich damals alles nicht geben konnte.

Aber zurück zum Thema: Klar, für diejenigen, für die Taichi ausschließlich Kampfkunst ist, und die dementsprechend ein recht funktionelles Verständnis von Formen und taichi insgesamt haben, sollten das auch entsprechend unterrichten. (Sprich, wenn sie sich für „Gesundheits-Taichi“ innerlich verbiegen müssen ...)

Ich kann für mich sagen, dass ich es gut und legitim finde, Taichi in der ganzen Vielfalt zu vermitteln – als Bewegungskunst, als Körperschulung, UND als Kampfkunst. Imho gehören alle Aspekte zum Wesenskern des Taichi.

Wichtiger finde ich, den Schülern klar zu sagen, was sie machen und welche Ziele sie mit dem jeweiligen Input erreichen können. Und dass man eben mit 1 x Woche 1 Stunde zweifellos zum unbesiegbaren Fighter wird, nur dass es etwa 10.000 Jahre dauert ;-)

Erfahrungsgemäß erwacht bei einigen ganz von selbst das Interesse, sie trainieren mehr, vertiefen ihr Verständnis, etc. Andere sind mit „Exotischer Gymnastik“ zufrieden, was auch okay ist.

Aber warum auf einen Aspekt unnötig verzichten? Schließt sich doch überhaupt nicht aus. Abgeshen davon möchte ich die Schule sehen, die wirtschaftlich überlebt mit reinem "Kampf-Taichi".

(Kurze Anmerkung zu Beniwitt: Die Funktionalität von Formen erschließt sich nicht, wenn man sie als äußere Bewegungsmuster oder „Schattenkampf“ sieht. Das muskuläre Finetuning, Rooting, innere Zusammenschlüsse, etc – all das, was letztlich die kämpferischen Fähigkeiten ausmacht wird in der Form geübt. Oder noch besser: Eigentlich lässt es sich nur in der Form üben ... )

martin3
09-12-2014, 20:31
Yup Kamenraida,

zurück zum Unterricht - dazu hier ein kleiner Artikel von mir:

Tai Chi- und Qigong-Unterricht und westliche Pädagogik (http://www.taiji-europa.de/tai-chi/lehrerausbildung/tai-chi-und-qigong-unterricht-und-westliche-paedagogik/)

Gruß

Martin

gast
09-12-2014, 20:57
Das Wissen um die Anwendungen ist schon rar gesät, das Wissen und die Anwendungen um die Visualisationen erst recht. Es gibt Leute in China die das können und die sind dort auch in den richtigen Kreisen sehr bekannt, aber die unterrichten eben kaum und wenn dann nur hinter verschlossener Tür.

Hallo Kanken. Ich denke du kannst dich Glücklich schätzen bei einem guten Lehrer gute Sachen zu lernen. Doch solltest du nicht vergessen, wo die Grundlagen deines Lehrers herkommen. Ich denke es ist weniger das Bagua und die Formen womit er gut geworden ist und in denen er gelernt hat, sondern vielmehr Grundlegende Trainings- und Bewegungsprinzipien die er vermittelt bekommen hat, die sich dann auch in den Bagua, Taiji bzw Xingyi Formen gut umsetzen lassen.
So wie wenn jemand einem deutlich schwächeren Gegner gegenübersteht, dann kann man so ziemlich machen was man will und es funktioniert fast alles. So ist es auch wenn man seine kämpferischen Fähigkeiten entwickelt hat. Dann kann ich auch Taiji, Xingyi oder Baguabewegungen machen und es funktioniert alles. Aber im Kampf auf gleicher Augenhöhe lassen sich die Sachen schwer umsetzen. Da wird man dann wirklich auf seine Grundlegenden Fähigkeiten zurückgeworfen wie Schnelligkeit, Kraft, Schlagtechnik und Durchschlagkraft, sowie Taktik, da geht es um die Grundlegenden Bewegungsrichtungen, langsame ringende Kräfte, abrupte Richtungswechsel und schnelle schlagende Kräfte, die viel effektiver unabhängig der Formen durch Methoden trainiert werden, wie du sie ja auch oben schon benannt hast. ----- Das Formlose kann eben jede Form annehmen. Es ist die Qualität und das Handwerk was trainiert wird.




Es ist kein Wunder das man so etwas im Westen normalerweise nicht sieht, selbst in China sieht man so etwas normalerweise nicht und zwar weil die Leute schlicht und ergreifend kein Interesse daran haben das zu zeigen, KK bedeutet dort halt noch einmal etwas anderes. Es gibt zwar den ein oder anderen der das Wissen hat, es aber westlichen Langnasen nur unvollständig gibt und damit Geld verdient.

Abgesehen davon, dass Formen eine schöne Performance sein können, denke ich dienen Sie auch unter guten Lehrern mehr dazu den Unterricht auszufüllen als didaktisch Sinnvolle Beiträge zu leisten. Das hat sich ja sogar schon teilweise beim Yiquan so entwickelt. Von der Kampfkunst zu leben ist eben ein hartes und mageres Brot. Da überlegt man es sich schon wie man etwas mehr Belag drauf bekommt…. Jedenfalls unter dem Gesichtspunkt das Handwerk des Kämpfens zu erlernen gibt es meiner Meinung nach weit bessere didaktische Methoden als das ganze verpackt in Formen zu lernen (Ich hoffe jetzt hat mich hier niemand falsch verstanden. Damit will ich nicht gesagt haben, dass man durch Formentraining nicht kämpfen lernen kann, sondern halte es lediglich für eine didaktisch nicht sehr gute Herangehensweise --- meiner Meinung nach:verbeug:

Liebe Grüße

Kamenraida
09-12-2014, 21:23
Ich erlebe auch immer wieder Taichiler, bei denen ich mich frage, warum sie Form laufen. Und in der Tat, die sollten lieber Partnertraining machen.

Es liegt nur nicht an der Form, sondern am mangelnden Verständnis.

Wie ein Boxer, der aus seinem Springseil Figuren knotet, anstatt zu springen.

gast
09-12-2014, 22:09
Es liegt nur nicht an der Form, sondern am mangelnden Verständnis.



Da der Thread ja unter dem Motto Didaktik steht, frage ich mich eben wirklich ob unter der Zielsetzung effektiv kämpfen zu lernen (ich würde hier sogar noch Lebenspflege mit rein nehmen) es wirklich eine didaktisch gute Weise ist dies über Formen zu tun. Oder ob es da nicht viel direktere und effektivere Methoden gibt. Zumal, wie ja schon gesagt, wenn es dann wirklich mal zum Schlagabtausch im Ring oder Sparring kommt, von den zeitintensiv eingeübten Formen und Bewegungen der IMA Stile oft nichts mehr zu sehen ist und man mehr oder weniger komplett in's Boxen, Thaiboxen, Sanda, Ringen etc zurückfällt.

Das Beispiel mit dem Seilhüpfen würde ich eher so verstehen: Wenn ein Boxer sein Training nur noch auf Seilhüpfen reduziert und lernt alle möglichen schönen Formen und Figuren zu springen, dann wird er im Kampf nicht mehr bestehen können. Die Formen im Seilhüpfen sind mehr oder weniger nicht förderlich und sehr zeitintensiv sie zu erlernen und einzustudieren. Das Seilhüpfen dient hier eben zum Konditionstrainnig und evtl noch für Beinarbeit, leichtfüßigkeit. Der Boxer wird aber wenn er im Ring bestehen will nicht ohne Kraft und Schlagtraining auskommen, sowie Sparring und Taktik etc….
Beim "traditionellen" IMA heute ist es eben auch so, dass man sich mehr oder weniger komplett im Jungel der Formen verliert und darüber meistens vergisst ein wirkliches Kampftraining zu betreiben. Jedenfalls glaube ich nicht mehr daran dass man nur lang genug Stehen, Formen und Meditation machen muß dass sich dann die Kanäle öffnen, Qi im Dantian ansammelt und man plötzlich super kämpfen kann;). In meiner Erfahrung habe ich immer mehr gelernt wie sehr das Kämpfen ein Handwerk ist und es didaktisch meinem Erfahrungshorizont entsprechend viel direktere und effektivere Wege gibt sich diesem Ziel zu nähern (Wie gesagt will ich hier nicht das moderne Wushu oder den Breitensportler der nur Freude an der Bewegung hat angesprochen wissen. Denn das hat alles seine Daseinsberechtigung. Es geht mir hier um die Zielsetzung des effektiven Kämpfens)

kanken
10-12-2014, 06:42
Es ist die Qualität und das Handwerk was trainiert wird.

Eben, und dafür sind die Formen eben die Grundlage, so wie Pratze, Sandsack, Boxbirne, Seil, Gymnastica, Cardiotraining etc. die Grundlage in anderen KK ist.

ZZ und Kreislaufen am Anfang des Trainings und dann den Großteil eben am Partner.

Grüße

Kanken

Gawan
10-12-2014, 08:00
In der Yang-Form kann jeder durchschnittlich Gesunde alle Bewegungen von der körperlichen Schwierigkeit her (nicht vom Behalten her) entweder sofort oder sehr bald mitmachen.


Gut, ich habe gleich mit Chen-Xiaojia (http://www.chinafrominside.com/ma/taiji/xiaojia.html) angefangen und weiß nichts über die Details in anderen Stilen. In der traditionellen (1.) Form gibt es tatsächlich Sprünge und (soweit ich es gelernt habe) auch etwa hüfthohe Tritte, möglicherweise gibt es auch noch etwas akrobatischere Sachen (auf einem Youtube-Video habe ich sogar einen Handstand gesehen) je nach Lehrer. Man kann die Form allerdings auch ohne Sprünge machen, ich denke das ist schon eine Vereinfachung, um es den (oft älteren) Schülern leichter zu machen.

Ist es im Yang-Stil wirklich so, dass man die Form sehr bald (korrekt?) machen kann? Ich meine, gibt es da keine Feinheiten, für die man länger üben muss, um sie überhaupt korrekt zu bewältigen? Wenn ich allein an die Gewichtsverlagerung denke (etwa im Mabu von links nach rechts) — selbst bei einer so einfachen Bewegung brauche ich gelegentlich noch Korrekturen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es im Yang-Stil da wesentlich anders ist.

Wenn ich mich nicht irre, ist der Yang-Stil bereits eine Vereinfachung des Chen-Stils (ich wage kaum, das so pauschal zu schreiben, weil es genau genommen weder den Yang- noch den Chen-Stil gibt, sondern jeweils unterschiedliche Varianten). Auf dem Weg von einer Kampf- zu einer Bewegungs- und Gesundheitskunst hat man offenbar überflüssige Dinge weggelassen und macht dies wohl auch oft innerhalb einer Schule aus didaktischen Gründen (oder um auf Einschränkungen der Schüler Rücksicht zu nehmen).

Zur Didaktik/Methodik in den IMA hat auch Bruce Frantzis viel geschrieben (Amazon.de: Die Kraft der inneren Kampfkünste und des Chi: Kampf- und Energietechniken im Ba Gua, Tai Chi und Hsing-I (http://www.amazon.de/Die-Kraft-inneren-Kampfkünste-Energietechniken/dp/3893856404/ref=sr_1_2)). Das ist schon ein recht anspruchsvolles Programm. Z.B. empfielt er Standübungen (ZZ) als Grundlage, dann soll man die Form erst ganz langsam üben und nach und nach die Neija-Prinzipien einbauen, nach einigen Jahren soll man die Form auch seitenverkehrt (neu) lernen, wieder nach einigen Jahren die Form in beiden Richtungen üben, dann kommt Tuishou hinzu, schließlich Sparring (mehr oder weniger abgesprochene Übungskämpfe) und Freikampf (mit mehr oder weniger Regeln). Ich hoffe das war jetzt nicht ganz falsch, was ich da versucht habe, aus dem Gedächtnis zusammenzufassen.

Huangshan
10-12-2014, 09:19
Da der Thread ja unter dem Motto Didaktik steht, frage ich mich eben wirklich ob unter der Zielsetzung effektiv kämpfen zu lernen (ich würde hier sogar noch Lebenspflege mit rein nehmen) es wirklich eine didaktisch gute Weise ist dies über Formen zu tun. Oder ob es da nicht viel direktere und effektivere Methoden gibt.
beniwitt:


Andere Methoden: Drills/Kombinationen/Situations--Szenario Übungen /Sparring/Freikampf...


Einzelformen wurden als Methode erdacht um für sich Techniken,Prinzipien,Taktiken,Bewegungen.. usw. nochmal zu verinnerlichen(Bilder), dass Erlernte wenn kein Partner vorhanden ist zu üben,visualisieren,einzuschleifen usw. .(im Boxen wird z.B. Schattenboxen als Übungsmethode verwendet neben Gerätearbeit,Kraftraining,Koditionstraining, Sparring.....

Das Problem ist das einige nur Grundlagen---Formen unterrichten und das Partnertrainig( Anwendungen/Sparring/ Freikampf ....weggelassen wird. (Trockenschwimmen)
Taijiquan wird z.B. von einigen nicht mehr als Kampfhandwerk gelehrt sondern nur als Bewegungs/Gesundheits/Showsystem.
Diese Reduzierung ist auch in einigen anderen Kampfkünsten zu beobachten.

Es gibt genügend Qigong/Daoyin Arten die als Gesundheits/Bewegungssysteme .... angewendet werden und die dafür gedacht sind.


Glückskeks Weisheit 58:

Eine Kampfkunst ohne Kämpfen ist eine leere Hülle.

karate_Fan
10-12-2014, 13:53
Ich hoffe ja, das ist nicht zu sehr OT, aber gibt eine TC Linie die sich mehr dem kämpferischen Tai Chi verschrieben hat, oder hängt es mehr vom Lehrer ab?

Als das die guten Lehrer quasi quer durch den Gemüsegarten zu finden sind?


Zitiere mich ja nur ungern selbst, aber da man auf meine möglicherweise blöde Frage:o:o, keine Antwort bekommen habe, möchte ich es gerne nochmal versuchen, sofern es sich überhaupt beantworten lässt. Würde mich nur eben wirklich interessieren, ob die Entwicklung in die gesundheitliche Richtung bei allen TC Linien gleich verlaufen ist, oder ob sich manche Linien mehr dagegen gestemmt haben als andere.

Sorry fürs nerven.:cool:

Esse quam videri
10-12-2014, 14:22
Sorry für OT:
Macht ihr denn auch zusätzlich Pratzen- bzw. Schlagtraining und auch VK- Sparring?
Ich habe von der ganzen Materie Null Ahnung, finde es aber "theoretisch" hochinteressant. Theoretisch daher weil ich leider bei YT keine praktische, vernünftige Umsetzung im Freikampf finden konnte.

Wenn zu OT, Mods bitte löschen.

gruss

Gawan
10-12-2014, 14:24
Würde mich nur eben wirklich interessieren, ob die Entwicklung in die gesundheitliche Richtung bei allen TC Linien gleich verlaufen ist, oder ob sich manche Linien mehr dagegen gestemmt haben als andere.

Ich würde sagen, das hängt vor allem vom Lehrer und weniger von der Linie ab. Soweit ich das mit meinem beschränkten Horizont sagen kann, ist das Taijiquan der Chen-Familie das ursprünglichste und vermutlich noch am ehesten am Kämpfen dran. Was nicht heißen soll, dass man mit einem anderen TC-Stil nicht gut kämpfen könnte.

Ich denke auch, je weiter ein Stil verbreitet ist, umso mehr geht er in tendenziell Richtung Gesundheitssport und verliert viel von den kämpferischen Aspekten. Mit echter Kampfkunst füllt man eher eine kleine Nische, und die Mehrheit derer, die sich dafür interessiert zeigt, ist tatsächlich eher an Sport/Fitness/Gesundheit/Wellness interessiert. Weil echtes Kampftraining für die Mehrheit (zu der ich mich in diesem Fall zähle) zu hart, zu anstrengend, zu zeitaufwändig und letztlich auch zu gefährlich ist (zumindest muss man gelegentlich mit Blessuren rechnen).

Wenn es in den Breitensport-Bereich geht, ist mit Kämpfen ganz schnell Schluss. Im Karate ist es auch nicht grundsätzlich anders. Obwohl Karate im Westen ursprünglich als harter Kampfsport eingeführt wurde und TC bereits in China eine Entwicklung zum Gesundheitssport durchgemacht hat, bevor es bei uns bekannt wurde.

kanken
10-12-2014, 15:48
Macht ihr denn auch zusätzlich Pratzen- bzw. Schlagtraining und auch VK- Sparring?


Sicher, wie sonst sollte man sonst kämpfen lernen?
All diese Dinge gehörten doch auch immer dazu, in unterschiedlichen Ausprägungen und Varianten, da es ja nicht "das VK-Training" gibt, sondern eben nur unterschiedliche Arten des freien Kämpfens mit unterschiedlichen Freiheitsgraden was Schläge und Kontakt angeht. Da steigert man sich mit wachsenden Fortschritt auch in Kontakt und "Freiheit" bis hin zu den freien "schlagenden Händen".

Grüße

Kanken

T. Stoeppler
10-12-2014, 15:55
Der Thread kommt hier langsam zu weit vom Kurs ab. Wenn jemand einen Sachverhalt gesondert diskutieren möchte, bitte einen neuen Thread eröffnen.

Gruss, Thomas

Eistee
11-12-2014, 00:50
Ist es im Yang-Stil wirklich so, dass man die Form sehr bald (korrekt?) machen kann?
Es gibt keine Bewegungen, die man körperlich nicht bald ausführen kann. Das heißt, wenn man als Untrainierter z.B. versucht, diesen Karate-High-Kick (http://img.webme.com/pic/k/karate-kickboxing/clip_karate.jpg) zu machen, wird man scheitern. Der Gleichgewichtssinn reicht nicht, die Kraft nicht und die Dehnbarkeit im Hüftgelenk auch nicht. Man muß es üben (bis man fast (oder ganz) Spagat kann, z.B.). Im Yang-Tai-Chi gibt es im Prinzip nur einen Kick, und der ist so (http://www.yangchengfu.org/pics/ycf_separation_left.jpg). Das schafft man nach ein paar Trainingseinheiten.
Es dauert lange, die Form zu lernen, weil man so viele Bewegungen nicht gleich behalten kann. Aber die körperlichen Anforderungen sind nicht so hoch.

Ich meine, gibt es da keine Feinheiten, für die man länger üben muss, um sie überhaupt korrekt zu bewältigen?
Also, Frieder Anders redet noch was von "Beinspiralen". Das ist so'n innerer Kram, in meinen Augen Schnick-Schnack. Die Figur sieht dadurch nicht wesentlich anders aus.

Ah, vielleicht meinst Du ja sowas wie das Tai Chi-Prinzip im Chen-Stil (http://www.youtube.com/watch?v=_AtppvGM4XM) (Korrektheit der Bewegungen -> Struktur -> Energiearbeit). Also, es gibt von Yang Chengfu selbst (ca. 1930) die "10 Prinzipien (http://www.tai-chi-chuan-koeln.de/10-prinzipien.htm)". Das ist natürlich etwas Inneres, das schwer und nur durch viel Training umzusetzen ist.
Ich meinte aber eher, wie lange ein Anfänger braucht, bis er schonmal ganz passabel seine (Hand-)Form laufen kann, auch wenn er noch nicht alle Prinzipien umgesetzt hat.

Aber Spaß bei Seite - ich denke, ist es äußerst sinnvoll, als Kämpfer fallen zu lernen. In unserem Tai Chi heißt das paidifa. Zuerst übt man mit dicken Decken, dann auf weichem Boden, dann auf normalen Boden.
Aua, aua! Ich hab' mal als Jugendlicher etwas Judo gemacht. Dann wollte ich auch zuhause üben, auf Teppich, auf Rasen. Hat sehr wehgetan, und ich hab's sehr bald gelassen. Ich kann nur sagen, im Judo, wo es nun wirklich die ganze Zeit ums Fallen geht, ist selbst in den hohen Dan-Graden nie das Ziel, auf härteren Untergrund zu fallen als auf die (abgefederte) Matte. Also, für Falltraining wäre mein Rat definitiv Matte! Dann ist bestimmt auch das Interesse daran größer. Denn im Prinzip ist Falltraining eine tolle Sache und auch für's Kämpfen wichtig.

Mein Vater ist inzwischen alt und vor ein paar Tagen beim Aufstehen vom Stuhl gerutscht. Er hatte sich glücklicherweise nicht verletzt, aber kam nicht mehr hoch. Weil er nicht wußte, in welche Richtung er sich aus der Position bewegen mußte, um wieder aufzustehen. Da konnten ihm meine alten Judo-Kenntnisse helfen. Ich hab' eher instinktiv gesehen, in welche Richtung er sich drehen mußte, und konnte es ihm erklären. So kam er wieder hoch, ohne daß ich noch allzuviel ziehen mußte.
Fallschule ist 'ne tolle Sache und in Situationen nützlich, in denen man es gar nicht erwartet.

martin3
11-12-2014, 06:05
Hallo Eistee,

du hast mich glaube ich falsch verstanden.

Zu den Unterrichtsinhalten:

Ich habe kein Problem mit Tai Chi Chuan ganz ohne Fallschule, Fallen auf Matten oder wie auch immer. Es sollte halt zu der eigenen persönlichen Situation passen, sonst macht es ja keinen Sinn und keine Freude.

Ich wollte hier viel mehr meine Verwunderung darüber ausdrücken, dass ich oft Freunden der Tai Chi Kampfkunst begegnet bin, denen Tai Chi Chuan nur echtes Tai Chi Chuan ist, wenn man damit Kämpfen kann und dies auch so kommunizieren, dabei aber weder eine Fallschule gelernt hatten, noch beherrschten, noch sich irgendwie mit dem Thema beschäftigt haben.

Daher der Satz: Ich denke, ist es äußerst sinnvoll, als Kämpfer fallen zu lernen.
(Habe schon einen üblen Handgelenkbruch beim Pushhands gesehen - sollte nicht sein, wenn es geht - der eine ist aber halt einfach hingefallen und hat sich abgestützt)

Oder man übt halt nur und ausschließlich Kooperativ in der eigenen Komfortzone. Völlig OK, aber der Anspruch ein "echter" Kämpfer zu sein, ist damit sicherlich nicht zu realisieren.

Wie gesagt, aus meiner Sicht, jeder wie er will und kann.



Zur Didaktik und Methodik:

Yup Eistee,

du hast, aus meiner Sicht, vollkommen recht. Die Reduktion der Methode "Fallschule" auf "Fallschule auf Matten" macht für mich im Amateurkontext absoluten Sinn. Das sollte man so machen und kann dann auch so bleiben.

So erhält man die Bewegung im originalen Ablauf, man kann sich im Ernstfall damit schützen, aber sie ist an die Lebenssituation der meisten Übenden bestens angepasst.

Gruß

Martin

Luggage
11-12-2014, 13:08
Sorry für OT:
Macht ihr denn auch zusätzlich Pratzen- bzw. Schlagtraining und auch VK- Sparring

Also wir nicht, zumindest nich soweit ich es wissen kann - was in anderen Sphären abgeht kann ich nicht beurteilen, ich habe das Konzept aber auch nicht so verstanden, dass es durch Pratzen- und Leutekloppen bereichert würde.

Huangshan
11-12-2014, 13:34
Nebenbei ,Taijiquan im Wettkampf: ( CCTV 5 Wu Shu Masters)


https://www.youtube.com/watch?v=4DEGLU5WEvM

https://www.youtube.com/watch?v=PaC1gyrygms

martin3
12-12-2014, 13:20
Hey,

hier vielleicht noch etwas für die Traditionalisten oder die stärker Interessierten.

Habe gerade noch ein kleines Büchlein (6,10 Euro) veröffentlicht:

So lehrte der Meister

So lehrte der Meister: Quellen zum traditionellen chinesischen Unterricht: Amazon.de: Martin Bödicker: Bücher (http://www.amazon.de/lehrte-Meister-traditionellen-chinesischen-Unterricht/dp/1505458072/)

Hier geht es um die alten chin. Philosophen und wie sie sich Unterricht vorstellten.

Hat sicherlich viel mit traditionellen Tai Chi- und Qigong Unterricht zu tun und wer mal einen traditionellen chin. Lehrer begegnet, wird so manches Aha-Erlebnis haben.

Gruß

Martin

Kyra
18-12-2014, 08:39
Hallo Dao,

du hast wohl recht - zeigt ja auch deine Erfahrung.

Meine zeigt jedoch auch anderes.

Die analytisch-synthetische Methode muss nicht durch "zu viel Überfrachtung an Reden mit Inhalt den Unterricht stören".

Man braucht nicht viel reden - ganz im Gegenteil.

Da steht z.B. bis heute ein Bild in meinem Kopf:

Mein Lehrer Ma Jiangbao bei einem Seminar (ca. 30 Leute - keine Tai Chi-Vorerfahrung) zeigt die rechte Hand von Louxiaobu. Eine zyklische Bewegung. Er macht sie mehrere Runden - immer wieder ohne Kommentar - absolute und hoch konzentrierte Stille (man konnte eine Nadel fallen hören) - dann ein kurzer Hinweis, worauf zu achten war und dann alle gemeinsam und dann die Gruppe alleine mit persönlicher Korrektur durch ihn.

Alle waren total begeistert und vollkommen überrascht, wie spannend es sein kann, nur eine Hand bzw. Arm zu bewegen - wieviel man schon an dieser Teilbewegung arbeiten kann und wie entspannend es sein kann, sie immer wieder zu machen.

Gruß

Martin

Hallo Martin,

eine sehr interessante Diskussion.
Ich möchte gern auf einen Aspekt der Didaktik eingehen, das Reden.

Aus Schülersicht empfinde ich es immer als besonders schwierig, wenn der Trainer aufhört, seine Bewegungen verbal zu beschreiben. Gerade, wenn er mir etwas 1:1 zeigen möchte.

Ich weiß, dass viele Trainer das aus didaktischen Gründen tun.
Der Schüler soll seine gesamte Aufmerksamkeit dem Gezeigten widmen, und nicht durch das Reden abgelenkt werden. Optisch werden bei Bewegungen genauere Infos vermittelt, als das verbal möglich wäre.
Aber warum nicht beide Wege der Informationsvermittlung wählen; optisch und verbal?

Ich trainiere kein Tai Chi Chuan, muss aber auch bei meiner KK oft für Formen oder andere Übungen einen Bewegungsablauf "kopieren".
Das Problem ist: Ich sehe da oft nur wirre Bilder. Ich kann optisch nicht gut kopieren.
Erklärt der Trainer seine Bewegungen, z.B. mit den Namen der jeweiligen Bewegung, z.B. rechts mit Man, Fak, Geifen, Gan, links Jam, Jut reagieren, aus dem Körper heraus...für eine einzige Bewegung,
dann kann ich mir das viel besser merken. Und es ist ja recht genau, weil ich die Begriffe ja schon kenne und damit je eine Bewegung verbinde.

Zeigt der Trainer wortlos, muss ich als Schülerin erst alles für mich verbalisieren, um die Bewegung später, ohne Vorturner, wiederholen zu können.
Das mag an meinem Lerntyp liegen.

Deshalb halte ich den Rat, möglichst wenig zu reden, für Leute wie mich, für problematisch.
...oder Leute wie ich sind für Tai Chi einfach nicht geeignet...:o

Gruß Kyra

martin3
18-12-2014, 15:45
Hallo Kyra,

das "Erklären" ist eine mögliche Aktionsform des Unterrichts. Ich persönlich finde sie ganz entscheidend, da ich doch zu oft gesehen habe, dass durch reines Nachmachen die Bewegungen gänzlich falsch kopiert wurden.

Über das Ausmaß des Erklärens und ob "mit oder ohne" bzw. "davor, dabei, danach" Vorführen sollte der Lehrer unter Berücksichtigung der Schüler und der Inhalte entscheiden. Schüler haben ja ganz unterschiedliche Lernstile. Für den Lehrer zu bedenken ist:

- Schüler können einen anderen Lernstil bevorzugen, als man es selbst gerne würde.

- Als Lehrer muss man für die Gruppe entscheiden, heißt man muss einen Kompromiss zu den verschiedenen Lernstilen der Schüler und dem von einem selbst favorisierten Lernstil finden.

Sich als Lehrer nur auf einen Lernstil festzulegen, halte ich für recht inflexibel. Es kann allerdings manchmal auch durch den Inhalt vorgegeben sein.

Das war ja auch der Grund, warum ich das kleine Buch geschrieben habe. Es soll Möglichkeiten aufzeigen, den Unterricht vielfältiger und fundierter zu gestalten. So werden Schüler und Lehrer ihn zufriedener verlassen.

Gruß

Martin

martin3
05-02-2015, 19:46
Hey, bin noch einmal über ein Zeit vom Menzius gestolpert - aus dem Buch oben: So lehrte der Meister - Quellen zum traditionellen chinesischen Unterricht:

Menzius sprach: "Es gibt viele Wege den Menschen zu unterrichten. Wenn ich mich nicht hergebe, einen zu unterrichten, so ist dies auch schon eine Lehre für ihn."

Was denkt ihr - ist das so richtig? Ist das ein professioneller Lehrer?

Jemanden eine Lehre durch Nicht-Unterricht zu erteilen.

Oder sollte ein guter Lehrer in der Lage sein, jeden Schüler in den Unterricht zu integrieren?
Kann ein Lehrer überhaupt jeden Schüler in den Unterricht integrieren?

Ich schwanke da selbst.

Gruß

T. Stoeppler
05-02-2015, 20:16
Ich finde, das ist eine ganz interessante Frage. Was das Zitat vom Menzius betrifft - das ist eben nicht auf unsere heutige Gesellschaft zu übertragen. Das ist eben so eine typische konfuzianistische Aussage.

Praktisch niemand sucht ein höheres Ideal, also wird die Lehre des nicht-Unterrichtens (zumindest im professionellen Rahmen) ins Leere laufen ;)

Andererseits denke ich, dass man gar nicht wirklich jedem alles beibringen muss, gerade als professioneller Lehrer. Man kann schon so aufrichtig sein und sagen, wie weit man jemanden wahrscheinlich bringen kann. Manche Leute freuen sich schon, wenn sie kleine Ziele erreichen.

Gruss, Thomas

martin3
05-02-2015, 20:35
Hey Thomas,

ich sehe, du schwankst auch.

Das Zitat ist vielleicht konfuzianisch, wird aber sicherlich von vielen Tai Chi-Meistern in China so praktiziert.

Ist die Frage, soll man das übernehmen? Gehört das zum Tai Chi dazu?

Oder soll man als Lehrer manchmal dankend ablehnen und es erklären?

Was ist, wenn der Schüler mit kleinen Zielen nicht zufrieden ist?

Wie sehen das die Schüler hier?

Gruß

martin3
05-02-2015, 20:44
Vielleicht kann man hier auch zwei Aspekte untersuchen:

Sollte ein Lehrer einen jeden Schüler unterrichten?

Lernt der "Schüler" etwas, wenn der Lehrer den Unterricht kommentarlos verweigert? Regt das zum Denken an? Oder entsteht eher Verständnislosigkeit?

Glückskind
05-02-2015, 21:05
Hallo,

hm, habt Ihr einmal einen Kampfkunst-Lehrer kennengelernt, der
tatsächlich jeden Schüler annimmt und bestmöglich unterrichtet?

Ist es, auch den anderen Schülern gegenüber, überhaupt wünschenswert,
jeden zu unterrichten, also z.B. auch jemanden, der den Unterricht immer
wieder stört?

(Schüler die weniger begabt sind, langsamer vorankommen
o.ä. sehe ich wiederum als integrierbar an.)

Oder könntet Ihr bitte mal ein Fallbeispiel konstruieren, was Ihr
überhaupt im Sinn habt; denn mir ist das so etwas zu abstrakt
und "ungreifbar". :)

Schöne Grüße

Glückskind

T. Stoeppler
05-02-2015, 21:12
Tja Martin... die Frage taucht halt immer wieder auf. Hierzulande ist Tai Chi Unterricht eben eine Dienstleistung. Da geht ein Schüler hin, wo er das kriegt, was er will. Und wenns nur schöne Versprechen sind.

Vielleicht bei einem sehr ausgeprägten Lehrer-Schüler Verhältnis und bei Schülern mit einem gewissen Hang zu Introspektive könnte sowas zeitweise nützlich sein...

Gruss, Thomas

martin3
05-02-2015, 21:24
Hallo Glückskind,

guter Einwurf.

Klar, ich weiß nicht, was Menzius genau gemeint hat.

Also ein Beispiel aus meiner Erfahrung.

In meiner Schule habe ich immer versucht, eine Gruppe als ganzes weiterzuentwickeln. Probleme gab es manchmal, wenn es um neue, schwierige Trainingsinhalte ging.

Es gab manchmal Schüler, die eigentlich ganz begabt waren, dies auch wussten - sich selbst auch so einschätzten und trotzdem nicht so fleißig waren, wie es notwendig gewesen wäre, um im Inhalt weiterzuschreiten. Dies wurde auch oft nicht selbst erkannt.

Soll man diese Schüler mitziehen, oder a la Menzius ihnen mitteilen, es reicht nicht, um am Training teilzunehmen.

Die Alternativen:

- Was soll's, wenn er eigentlich für schwierigeren Stoff nicht geeignet ist - es würde die Gruppe doch sehr stören, ihn zu verlieren - auch der Schüler wäre sicherlich sehr enttäuscht nicht dabei zu sein. Ist das Wir-Erlbeniss nicht wichtiger als die Sache? Sind wir denn beim Tai Chi im Leistungssport?

- Wirklich weiter kommt die Gruppe nur, wenn auch alle Mitglieder voll dabei sind, die etwas fleißigeren wollen halt nicht durch einem Fauleren gebremst werden und auch als Lehrer will man im Inhalt vorwärtskommen, also besser einen zurücklassen. Soll man Faulheit auch noch belohnen? Was sollen da die anderen denken?

War immer eine schwierige Situation.

Gruß

Glückskind
05-02-2015, 22:00
Hallo Martin,

danke für Deine Erläuterungen. Ach so, diese Situation also.

Die Problematik kenne ich jetzt in der Intensität auch erst
seit einer Weile, genauer: seit ich intensiver Tai Chi lerne.

Darüber möchte ich noch in Ruhe nachdenken und
das klappt besser wenn ich ausgeschlafen bin.

Aus meiner viel langjährigeren *ing *un Erfahrung her
kenne ich das Problem so gut wie gar nicht: in der
EWTO wird fleißig geprüft und graduiert, was dank
der hochwertigen Qualitätskontrolle sicherstellt das
jeder genau das passende Programm lernt.
(Bisl Ironie hier.)

Im VT nach PhB wiederum wird fleißig trainiert
und da der Scherpunkt auf Partnertraining liegt
und man sich untereinander abwechselt findet
für alle ein gegenseitiges fordern und fördern
statt. Übungen werden einfach auf dem gerade
noch umsetzbaren Leistungsniveau trainiert.
(In der Regel wird die Latte bewusst eine
Stufe höhergelegt damit man sich Mühe
geben muss; es ist dann gerade die Kunst
eines guten Lehrers da die richtige Dosis
zu finden.)

Ich hoffe ich kann damit ein wenig rüberbringen
das dieses Problem meiner Ansicht nach einerseits
durch den allgemeinen Unterrichtsaufbau, andererseits
durch die üblichen Gruppenzusammensetzung überhaupt
erst zustande kommt; es ist also quasi hausgemacht.

So, jetzt habe ich doch viel geschrieben. Mist. :D
Richtig und in Ruhe darüber nachdenken werde ich
sicher noch öfter. :)

Gute Nacht alleseits.

Glückskind

Hundertzehn
05-02-2015, 22:06
Ich meine, bei Cheng Man Ching gäb's auch so eine Geschichte von wegen: "Es ist zwar als Schüler nicht ganz so einfach, einen guten Lehrer zu finden. Aber viel schwerer ist es für den Lehrer, einen guten Schüler zu finden."

martin3
05-02-2015, 22:20
Hallo Glückskind,

ja du sprichst es direkt an - im Tai Chi Chuan sind die Gruppen oft extrem inhomogen - sowohl, was das Können, den Hintergrund, die Motivation, das Alter und auch die Selbsteinschätzung betrifft.

Ist manchmal wirklich schwierig, einen Kompromiss für alle zu finden und manchmal finden dann alle den Kompromiss doof.

Bei stärkere Kampfkunstorientierung und klarem inhaltlichen Profil ist es sicherlich einfacher. Es gibt einen Maßstab und an dem können sich die Teilnehmer messe und dadurch Feedback auf das eigene Können erfahren.

Hab aber auch schon mal gehört, dass es auch hier nicht so ganz einfach sein soll, den Leistungsstand zu bestimmen. Kenn mich da aber nicht so aus.

Gruß

Klaus
06-02-2015, 16:49
Bei den echten Daoisten hat man immer das Problem der drei Möglichkeiten. Die offensichtliche Bedeutung, die gegenteilige, und eine dritte die keiner kennt. Daoisten haben nicht selten das Gegenteil von dem gesagt was sie meinen, oder was andere erwarten. Es geht um den Effekt.

Jemanden mit falschen Absichten nicht zu unterrichten ist allerdings auch offensichtlich eine Möglichkeit. Möchte jemand mit aller Macht in die falsche Richtung rennen, kann es sein dass man es ihm gar nicht ausreden kann. Lässt man ihn laufen bis er erschöpft ist, fällt das leichter. Ich begegne immer mal Thesen über "daoistische Weltanschauung" die von meinem Empfinden her fragwürdige Interpretationen sind. Was aber auch daran liegt, dass früher sehr viele Leute sehr viel Zeit hatten sehr viel Kram zu schreiben, darunter auch welche mit sehr viel Geld oder Einfluss. Es gibt jetzt zwei Möglichkeiten damit umzugehen. Erstens, man streitet sich, bis in Details wo man kaum beweisen kann warum das was man empfindet eigentlich richtig ist. Jemand der entweder gar keinen Zugang zu diesen Empfindungen aus dem Dao hat, oder der gar nicht daran interessiert ist, wird sich dem bis in alle Ewigkeit widersetzen, bis der Sand in der Sahara knapp wird. Die Alternative ist, man widerspricht nicht, sondern unterrichtet nur die Leute die zuhören.

Kyra
06-02-2015, 19:59
Hallo Martin,


Vielleicht kann man hier auch zwei Aspekte untersuchen:

Sollte ein Lehrer einen jeden Schüler unterrichten?
Nein, meiner Ansicht nach nicht.
Beider Ziele sollten übereinstimmen. Den Weg dorthin kann nur der Lehrer vorgeben. Der Schüler muß innerlich bereit sein, den Weg des Lehrers zu mitzugehen, so, wie ihn der Lehrer vorgibt.
Nur eine Gruppe von Schülern mit denselben Zielen, kann ein Lehrer optimal führen.
Der Lehrer sollte deshalb schon dem potentiellen Schüler bestmöglich erklären, wie und wohin er die Gruppe führen möchte. Dann kann der potentielle Schüler entscheiden, ob er diesen Weg gehen möchte und auch der Lehrer, ob er diesen Schüler dauerhaft bestmöglich unterrichten möchte.
Als Schülerin würde ich mir also ein ganz offenes Gespräch am Anfang wünschen.


Lernt der "Schüler" etwas, wenn der Lehrer den Unterricht kommentarlos verweigert? Regt das zum Denken an? Oder entsteht eher Verständnislosigkeit?
Letzteres, würde ich sagen.




Klar, ich weiß nicht, was Menzius genau gemeint hat.

Also ein Beispiel aus meiner Erfahrung.

In meiner Schule habe ich immer versucht, eine Gruppe als ganzes weiterzuentwickeln. Probleme gab es manchmal, wenn es um neue, schwierige Trainingsinhalte ging.

Es gab manchmal Schüler, die eigentlich ganz begabt waren, dies auch wussten - sich selbst auch so einschätzten und trotzdem nicht so fleißig waren, wie es notwendig gewesen wäre, um im Inhalt weiterzuschreiten. Dies wurde auch oft nicht selbst erkannt.

Soll man diese Schüler mitziehen, oder a la Menzius ihnen mitteilen, es reicht nicht, um am Training teilzunehmen.
Mitziehen, weil Du sie als deine Schüler akzeptiert hast!


Die Alternativen:

- Was soll's, wenn er eigentlich für schwierigeren Stoff nicht geeignet ist - es würde die Gruppe doch sehr stören, ihn zu verlieren - auch der Schüler wäre sicherlich sehr enttäuscht nicht dabei zu sein. Ist das Wir-Erlbeniss nicht wichtiger als die Sache? Sind wir denn beim Tai Chi im Leistungssport?

- Wirklich weiter kommt die Gruppe nur, wenn auch alle Mitglieder voll dabei sind, die etwas fleißigeren wollen halt nicht durch einem Fauleren gebremst werden und auch als Lehrer will man im Inhalt vorwärtskommen, also besser einen zurücklassen. Soll man Faulheit auch noch belohnen? Was sollen da die anderen denken?

War immer eine schwierige Situation.

Gruß

Wenn es wirklich nur der mangelnde Fleiß einer Person ist, was spricht dagegen, mit ihr das offene Gespräch zu suchen?
Kann ja sein, dass die Person vorübergehend sehr eingespannt ist (Abi steht vor der Tür o.ä.)
Dann wäre eine Rücksichtnahme deinerseits - und der Gruppe - angebracht.
Sind die Gründe nicht vorübergehend, oder die Person ist nicht zu motivieren, ihr Bestes zu geben, sollten die Interessen der Gruppe - die deine Lehrerart ausgesucht haben - Vorrang haben.
Du kannst dich und deine Art ja nicht jedem Schüler anpassen.

Schwieriger wäre es, wenn die Person ihr Bestes gibt und trotzdem nicht mitkommt.
Dann müsste man sehen, wie man sie bestmöglich fördern kann...
z.B. individuelle "Hausaufgaben"...


Gruß Kyra

martin3
07-12-2015, 14:15
Hat schon jemand dieses Buch gelesen?
Lohnt sich das?

Complete Tai Chi Tutor
Dan Docherty

Complete Tai Chi Tutor: Amazon.de: Dan Docherty: Fremdsprachige Bücher (http://www.amazon.de/Complete-Tai-Chi-Tutor-Docherty/dp/1856753522/)

Gruß

Martin

martin3
19-01-2016, 08:30
Hier noch ein kleiner engl. Beitrag zum Thema:

The Student | Slanted Flying (http://slantedflying.com/the-student/)

Gruß

SMAi
17-03-2016, 10:31
Ich unterrichte in der Hauptsache nach Methode 2 und analysiere dabei die Bewegungen nach Methode 1. Funktioniert die Bewegung aufgrund eines systematischen Fehlers nicht, gebe ich dann den Hinweis entsprechend Methode 1und lasse den Schüler nach Methode 2 weiter üben. Das ist für meinen Unterricht wichtig, da es noch eine 3. Methode gibt, die den Unterricht des Taijiquan wohl am autentischsten bewerkstelligen lässt. Und da möchte ich meine Schüler schnellstmöglich hin bringen. Weil's mehr Spaß macht und sich so viele Probleme beim Unterrichten, und alleine Üben, von selbst korrigieren. (Methode 1 birgt in meinen Augen die Gefahr, eine Lehrer Schülerabhängigkeit zu schaffen. Aber der Schüler soll ja auf eigenen Beinen stehen lernen und es soll ihm vermittelt werden das Taijiquan zu verstehen. Das ist aber alles nicht einfach.)

Methode 3 ist in den Schriften Chen Changxings beschrieben und basiert darauf, die Bewegungen durch Simulation der Energie des Gegners von allein entstehen zu lassen. Is nich so ganz einfach, aber lohnt sich nach dieser Methode zu lernen. Ich habe das teilweise beschrieben und erklärt irgendwo. Schau mal bei Etwas zum Taiji-Prinzip, von Yin und von Yang, das Leiten von Energie und (http://www.chen-fra.de/Taijiprinzip1.html) Taijiprinzip (irgendwo bei Theorieund Grundlagen oder so) 🙂 (hab den Link nich im Kopf😁 ). Aber das muss man sich eh praktisch zeigen lassen.

Joo, das ist denn mal so meine Methode 😏

LG

PS, da ich das ganze hier gerade vom Handy aus schreibe und poste, und nur zufällig hier im Forum bin und ständig netzbedingt rausfliege, weiß ich nicht, ob die Antwort auch bei dir landet Martin 😀😆 Sollte die irgendwo sonst landen werden wohl viele hier etwas verwundert sein 😂😆😂

martin3
19-03-2016, 08:01
Hallo SMAi,

habe deinen Post mit großem Interesse gelesen. Wahrlich ein wichtiger Punkt:

„Übe als ob du einen Gegner vor dir hast. Im Angesicht des Feindes aber kämpfe als ob da niemand ist.“

Ich habe es zwar anders gelernt:

Form mit leerem Geist - Pushhands als Auseinandersetzung mit den Energien des Partners.

aber ich sehe doch die gleiche Idee dahinter, man darf nur von Anfang an des Lernens beides nicht getrennt gesehen, sondern wie yin und yang immer als komplementäre Idee und in Verbindung zu einander und man kommt ganz natürlich dazu, auch in den Formbewegungen den Gegner vor sich zusehen."

Ich denke, man kann dann auch erkennen, wie der sich so Übende tatsächlich anders mit Bewegungen auseinandersetzt, als wenn er "nur" Form und kein Pushhands lernt.

Ein Nachteil der Trennung ist, dass es für Schüler manchmal schwerfällt, nicht ständig an eine bestimmte konkrete Anwendungen bei der Form zu denken. Es ist doch, wie du schreib:

"Ich weiß ja vorher nicht, wie und wo die Energie genau auf mich wirken wird."

Und daher soll man sich bei dieser Form des Lernens ja gerade nicht auf eine Anwendung konzentrieren, sondern sich für dem allgemeinen Energiefluss und damit aller Möglichkeiten öffnen.

In dem Ansatz von Chen Changxing wird das schön beschrieben - danke für den Tipp - gefällt mir sehr gut - werde mit meinen alten Tai Chi-Freunden dran arbeiten.

Gruß

Martin

SMAi
19-03-2016, 10:05
Das ist alles richtig was du schreibst Martin.

Nur auf einen Punkt muss ich immer wieder dringend hinweisen:

Es geht nicht darum sich einen imaginären Gegner vorzustellen und gegen diesen gar zu kämpfen! Das ist ja gerade das was wir in Form und Anwendung nicht wollen! Wir wollen unbedingt und immer - also in Form, wie im Kampf, mit "Leeren Geist" agieren! Darauf zielt die Leere ja ab! Und das aus gutem Grund.

Es heißt: Starte jede Bewegung mit einer Gegenbewegung. Das gilt aber nur wenn ich die Bewegung, also die eigentliche zu übende Bewegung bzw. die Kraft dazu selbst erzeugen muß - also in der Form (auch in einigen wenigen Anwendunssituationen, in der Regel macht dort ja der Gegner die Gegenbewegung für mich). Das wirft den Motor dann sozusagen an. Der Motor selbst, braucht dann aber natürlich kein Geist und keine Vorstellung - lediglich die Energie die ihn startet - also die Bewegungsabsicht!

Ich weiß, das macht es jetzt sehr abstrakt. Das muss man sich einmal zeigen lassen. In dem Moment des Zeigenlassens wird es kurz vergeistigt. Aber dann läufst du deine Form wieder "Absichtslos" und doch mit Absicht ☺ also nicht leer oder inhaltslos.

Kurz gesagt: Keine Kampfgedanken oder ein Gegner in Person vorstellen. Es geht nur um die Reaktion auf deinen eigenen Energiefluss! Der ja die Ursache für deine Bewegung darstellt!

Wenn man das erstmal drin hat, läuft die Form wieder von ganz alleine und korrigiert sich selbst!

... Das wollte ich aber nicht alles auf der Webseite schreiben, weil der normale User sich das wohl eh nicht bis zum ende durchlesen würde. Ich unterrichte das auch nur den Fortgeschrittenen - die Grundlagen dazu auch den Anfängern aber ohne sie mit Worten in der Art wie eben zu verwirren. Das Ergebnis wäre: Ich würde 2Stunden lang erklären und zeigen und am Ende hätte keiner Trainiert 😅

LG

scarabe
19-03-2016, 11:10
Ich habe jetzt nicht alles gelesen, meine Erfahrung jedoch ist, daß beides ausgewogen erforderlich ist, sozusagen wie die Yin-Yang-Balance.

Die einzelnen Abschnitte detailliert und konsequent zu üben ist notwendig, um sie zu verstehen und deren Qualität zu erarbeiten bzw. zu verbessern.

Ebenso notwendig ist das große Ganze, also die Form im Ganzen zu trainieren und so den Fluß zu entwickeln, die Übergänge zu fühlen, die Energie mal längere Zeit durch den ganzen Körper fließen zu lassen (was bei Abschnitten kaum möglich ist) und natürlich zu lernen, die Qualität der einzelnen Abschnitte auch zu erhalten, wenn sie aus dem Fluß heraus nur einer von vielen Formebestandteilen sind.

Nicht zuletzt ist es auch extrem wichtig, die Formen auch in verschiedenen Geschwindigkeiten zu üben, von Zeitlupen- langsam bis sehr schnell und flüssig.

Beim Laufen in Gruppe werden ja außerdem die Spiegelneuronen angesprochen, was auch sehr wohltuend sein kann.

Da aus Zeitgründen nicht immer alles möglich ist, wechseln wir in den Kursen zwischen beiden Methoden ab und ich biete zusätzliche freie Trainings an, wo die Leute nach ihren Bedürfnissen trainieren können, ich aber für Korrektur und Hilfestellung dabei bin.

Allerdings ist es in D auch manchmal nicht ganz leicht, wirklich engagierte Schüler zu finden, die die Zeit und das Interesse haben, sich wirklich etwas tiefgreifender mit der Kampfkunst auseinanderzusetzen.

Das bedeutet, die Leute üben zuhause nicht oder nicht genug und vergessen von einer Stunde auf die nächste vieles wieder, das natürlich eine Herausforderung für den Lehrer darstellt, weil ja jeder was anderes vergißt und man eigentlich alles wiederholen müßte, aber ja auch weitermachen müßte mit der Form..... (Letzteres ist kein Jammern, sondern ein Appell an bequeme Schüler!!!! ;) )

martin3
13-08-2016, 12:06
Hier noch ein Artikel auf Englisch zum Thema:

The “Text and Context” of How to Teach Tai Chi for Health for Health Effectively

In this paper we examine both the yin and yang of the question: How to Teach Tai Chi for Health Effectively. On the one
hand, the technology, or the “how” of teaching represents the ”Text”, a script, a theory, a set of guidelines or prescriptions of what is needed to explain what is meant by “teaching effectively”. On the other hand, different cultural, historical, social and legal frameworks provide multiple contexts within which “effective teaching” could be evaluated, judged, compared and contrasted. Any meaningful analysis on what is the "how of effective teaching" needs to consider this relationship between the "text and "context"

https://www.academia.edu/16311632/The_Text_and_Context_of_How_to_Teach_Tai_Chi_Effec tively