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Vollständige Version anzeigen : Issai Chozan - Zen und Schwert in der Kunst des Kampfes



ErSunWukong
06-12-2014, 09:18
Tengu geijutruron & Neko no myôjutsu
Angkor Verlag (Kindle/2011)
Übersetzer: Guido Keller & Taro Yamada
ASIN B0058EWX8K


Das vorliegende Buch vereinigt zwei wichtige Schriften der japanischen Philosophie und Schwert-kampfkunst zusammen, nämlich das „Tengu geijutruron“ (Die Kampfkunst der Bergkobolde) und das etwas bekanntere „Neko no myôjutsu“ (Die wundersame Technik der Katze). Issai Chozan (oder auch Niwa Jurozaemon Tadaaki) lebte im ausgehenden 17. Und beginnenden 18. Jahrhundert und war Samurai in einer Zeit, in der sich das Leben dieser Kriegerkaste gegenüber der Überlieferung bereits stark verändert hatte. Die beiden vorliegenden Bücher fassen seine Beobachtungen und Überlegungen zum Schwertkampf und zur Philosophie zusammen, wobei er sich – aus einer gewissen Bescheidenheit heraus – des Mittels der Fabel bedient, um so seine eher individuelle Auslegung zu verdeutlichen – und auch um zu verdeutlichen, dass es sich eben um eine individuelle Auslegung handelt.

Im „Tengu geijutruron“ berichtet er von einer Reise in die Berge, auf der er einer Gruppe von Tengu begegnet, den schintoistischen Berggeistern, die böse und scheinheilige Menschen abstrafen und gute und lernbegierige Menschen unterweisen. Sie werden in einigen Chroniken traditioneller Kampfsysteme oft als letzte und wichtigste Lehrer genannt und geben so eiinen Anstrich göttlicher Inspiration für die Lehren einer Schule. Speziell gelten sie auch als die Schutzgeister und Lehrer der Ninja.

Unter den Tengu findet der Erzähler einen, der über die rein animistisch-shintoistische Lehre hinaus denkt und dabei speziell die chinesischen Denksystem des Daoismus und des Konfuzianismus mit in seine Überlegungen einbezieht und so seine Mittengu unterrichtet in Strategie, Mediation und allgemeiner Lebensführung. Der Buddhismus – speziell die Zen-Ausrichtung – wird dabei immer wieder auch kritisch betrachtet, weswegen der deutsche Titel der Sammlung hier eigentlich ein wenig irreführend ist. Mönche werden als eher weltfremd dargestellt – eine Eigenschaft, die ein Schwertkämpfer, oder ein umfänglich gelehrter und geformter Mensch eigentlich nicht haben sollte. So entsteht vor den Augen und Ohren des dem Unterricht lauschenden Menschen eine umfassende Lehre der Lebensführung – eher undogmatisch und unter ständiger Aufforderung zur individuellen Entwicklung und Vervollkommnung in allen Dingen. Sehr amüsant und auch sehr lehrreich.

„Neko no myôjutsu“ erzählt die Geschichte eines Haushalts in dem eine zunächst scheinbar unbe-siegbare Ratte eingedrungen ist, die alle zur Hilfe geholten Katzen, die sonst auch als unbesiegbar gegolten haben, bezwingt, bis eine sehr alte und erfahrene Ratte ihr auf ganz unerwartete Art und Weise beikommt. Danach belauscht der Hausherr ein Gespräch unter den Katzen über die verschiedenen Arten, wie sie ihre Kunst der Rattenjagd geübt haben und die alte Ratte zeigt dabei auf, welche Probleme sich mit bestimmten Wegen des Lernens ergeben können – und welche Beschränkungen diese erzeugen können. Auch hier werden in erster Linie daoistische und konfuzianische Prinzipien in den Vordergrund gestellt – und die Verknüpfung mit der Schwertkunst am Ende durch eine Nachfrage des lauschenden Menschen an die „Meisterkatze“ geklärt.

Eine in dieser kurzen Form sehr umfassende und sehr anschauliche – und auch angenehm zu lesende – Mediation über verschiedene Prinzipien chinesischer und japansicher Denksysteme und ihrer Verknüpfungen untereinander und ihrer Bezüge zum „wirklichen“ Leben. Sehr zu empfehlen.


K.-G. Beck-Ewerhardy