Vollständige Version anzeigen : Zivilcourage
jkdberlin
08-12-2014, 10:22
Nach den Fällen der letzten Zeit und denen, die schon länger zurück liegen, mal ein Artikel zu dem Konzept der Zivilcourage und was man aktiv in einer Situation machen kann/soll/sollte:
Grundsätze der Zivilcourage: So helfen Sie richtig - Stern TV | STERN.DE (http://www.stern.de/tv/sterntv/grundsaetze-der-zivilcourage-so-helfen-sie-richtig-2157264.html)
wie seht ihr das?
Little Green Dragon
08-12-2014, 10:31
Nun ja ist ja sehr allgemein gehalten und wirklich "neues" steht da ja nicht drin - im Endeffekt das was von Seiten der Polizei/Behörde schon seit ewigen Zeiten so proklamiert wird.
Grds. steht das aus meiner Sicht nichts "falsches" - aber wirklich hilfreich ist es auch nicht, denn ich glaube nicht unbedingt das jemand den Artikel liest und sich deshalb in so einer Situation dann auch wirklich entsprechend verhält.
Vielmehr habe ich die Befürchtung, dass aufgrund der medialen Berichterstattung und den negativen Auswirkungen für Helfer (egal ob jetzt im aktuellen Fall oder auch "nur" als Zeuge) die Bereitschaft im Fall eines Falles einzugreifen eher noch sinken wird - da kann so ein Artikel relativ wenig bewirken.
Kusagras
08-12-2014, 12:06
Nach den Fällen der letzten Zeit und denen, die schon länger zurück liegen, mal ein Artikel zu dem Konzept der Zivilcourage und was man aktiv in einer Situation machen kann/soll/sollte:
Grundsätze der Zivilcourage: So helfen Sie richtig - Stern TV | STERN.DE (http://www.stern.de/tv/sterntv/grundsaetze-der-zivilcourage-so-helfen-sie-richtig-2157264.html)
wie seht ihr das?
Ich finde die Übersicht gar nicht schlecht. Ja sie ist allgemein gehalten, weil man kaum alle möglichen situativen Verhältniss in so einem Text abdecken kann. Und obwohl vieles einem bekannt vorkommt, ich denke von der Bevölkerung werden die meisten nur den Hinweis a la 110/112 wiedergeben können.
Ich hab mir schon lange mal vorgenommen so ein Seminar zu besuchen. Wird hier von der Volkshochschule angeboten und ist kostenlos. Ich denke der persönliche Kontakt wo auch Fragen und Austausch möglich sind, bringt noch mehr. Zumindest wenn es halbwegs gut gemacht ist. Und irgendwas lernt man da eigentlich immer.
Viel verhalten sich doch auch ungünstig, wenn sie helfen wollen: eine Bekannte berichtete wie eine Frau in der U-Bahn von Jugendichen bedrängt und provoziert wurde. Meine Bekannt war - verständlich verunsichert und ggf. wohl auch ängstlich. Sie hat die Täter dann wohl versucht böse bzw. missbilligend "anzuschauen".
Da ist eben nicht immer das Mittel der Wahl. Viel handeln instinktiv/intuitiv. Es ist schon gut wenn man sich mit einem Repertoire von Möglichkeiten auseinandergesetzt hat: da gehts eben nicht nur oder eigentlich gar nicht in erster Linie darum , erfolgreich "Kloppen" zu können. Angesichts von Übermacht, Bereitschaft zu exzessiver Gewalt (heutzutage noch mehr vorhanden, auch wenn andere das bestreiten) und/oder Waffen in vielen Situationen sowieso nicht zu empfehlen.
Hau.drauf.wie.nix
08-12-2014, 14:54
0815-Tipps für 0815-Menschen
Die meisten haben kein gutes und gesundes Selbstbewusstsein, vor allem nicht, wenn´s um Gewalt geht. Entweder man hat schlichtweg Angst, selber reingezogen zu werden oder man denkt, man ist "Superman" und wenn man erscheint und arrogant was sagt, ist die Situation gelöst - das sind zumindest die beiden Fälle, die ich persönlich am Meisten beobachten kann.
Da bringen einem solche Tipps auch nicht, sind viel zu allgemein.
Mein persönlicher Favorit für den "Realitätsverweigerer-Preis" ist der Tipp mit dem Notruf :D :D :D
TigerEvolution
08-12-2014, 15:20
Zivilcourage hat meiner Meinung nach eher etwas mit der allgemeinen gesellschaftlichen Einstellung zu tun als mit dem bloßen Wissen, wie man "richtig" hilft. Deshalb finde ich diesen Artikel unbedeutend.
Etwas krass ausgedrückt, genau wie der reiche Mensch nicht unbedingt sein Vermögen auf dem Spiel setzt, um Hartz 4 Leuten zu helfen, warum soll der starke Bodybuilder sein Körper auf dem Spiel setzen, um einen gemobbten Schwächling zu helfen? Und die Retour Kutsche Frage hilft da auch nicht weiter: Wenn ich selbst der gemobbte Schwächling wäre, würde ich wollen, dass mich der starke Bodybuilder hilft? Ja, natürlich! Aber der Hartz 4er wünscht sich ja auch Hilfe von den Reichen, funktioniert in der Realität aber nicht. Und warum gibt es da nicht Skandale im Fernsehen von wegen Zivilcourage? Für mich ist es eine Doppelmoral.
Ich persönlich würde in solch einer Situation definitiv die Polizei rufen und bei Fremden niemals selbst mein Körper in Gefahr bringen, bei Freunden und Familie schon.
Zivilcourage hat meiner Meinung nach eher etwas mit der allgemeinen gesellschaftlichen Einstellung zu tun als mit dem bloßen Wissen, wie man "richtig" hilft.
Der Satz ist richtig, der Rest ist totaler Blödsinn.
Dazu empfehle ich diesen Artikel:
http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/die-psyche-von-lebensrettern-o-je-war-das-wirklich-ich-13268274.html
brandenburger
08-12-2014, 15:31
So schön verschwurbelt:
"Margarete Boos, Professorin für Sozialpsychologie an der Uni Göttingen, meint:
Menschen, die sich selbst in Gefahr begeben, um anderen zu helfen, haben keine Scheu davor, sich öffentlich zu exponieren, sie fühlen sich zuständig, sie handeln ihren inneren Überzeugungen zufolge und treten für humanitäre oder demokratische Werte ein. Zudem sind sie in der Lage, Ungerechtigkeit zu empfinden und sich darüber zu empören, sie sind meist empathisch und selbstbewusst. Außerdem nehmen sie in Kauf, dass sie beim Helfen vielleicht sogar gegen andere Normen verstoßen müssen. Etwa, indem sie in die häusliche Privatsphäre eindringen oder in der Öffentlichkeit laut werden."
zeitvertreibi
08-12-2014, 15:33
Halte das Konzept weitgehend für blabla. Ihmo muss man sich, wenn man unmittelbar helfen will, u.U. auch kontrolliert in Gefahr begeben.
Eskrima-Düsseldorf
08-12-2014, 15:36
Zu dem Punkt: "Informieren sie Opfer und Täter das Hilfe unterwegs ist."
So blöd war ich tatsächlich mal ... sind dann beide auf mich los :D
Mr.Fister
08-12-2014, 15:53
wie seht ihr das?
das da vieles drinsteht, was zwar "an sich" gut oder "richtig" sein mag, aber in einer realen situation aufgrund der begleitumstände (stress, angst, überforderung) von den meisten leuten so gar nicht leistbar wäre.
beispiel gefällig?
Greifen Sie ein, wenn jemand Ihre Hilfe braucht. Dabei sollte man gelassen und selbstbewusst auftreten, rät etwa die Cottbuser Polizei.
oder
Versuchen Sie, entspannt zu wirken. Schnelle, hektische Bewegungen könnten bei den Tätern unkontrollierte Reaktionen hervorrufen. Suchen Sie das Gespräch mit dem Angreifer und blicken Sie ihn dabei ruhig und bestimmt an. Sprechen Sie dabei mit deutlicher und fester Stimme und hören Sie dem Täter konzentriert zu. Denn wenn Sie Unterwürfigkeit signalisieren, ermutigen Sie den Angreifer bloß.
klingt prima und hat sicher was für sich. ich glaube jedoch nicht, dass es für otto-normalverbraucher so einfach leistbar wäre. zumindest nicht in/nach einer situation, wo wirklich die fäkalien den ventilator getroffen haben. da is bei den meisten nix mehr mit ruhig und locker und entspannt und mit fester stimme sprechen und so - da kann man froh sein, wenn die leute nicht zu stammeln anfangen, mit kieksstimme sprechen oder einfach nur aus überforderung ein dummes grinsen aufsetzen...
TigerEvolution
08-12-2014, 16:26
Der Satz ist richtig, der Rest ist totaler Blödsinn.
Dazu empfehle ich diesen Artikel:
Die Psyche von Lebensrettern: ?O je, war das wirklich ich?? (http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/die-psyche-von-lebensrettern-o-je-war-das-wirklich-ich-13268274.html)
Und warum genau soll der Rest deiner Meinung nach Blödsinn sein?
Die Frau redet von innere Überzeugungen und Empathie. Wenn der reiche Mensch aus meinem Beispiel das hätte, würde er bestimmt auch den Armen helfen. Hat er aber wie ein Großteil der Gesellschaft nicht ausreichend. Wenn der Reiche zum Armen nicht empathisch ist, warum soll der körperlich Starke dem körperlich Schwachen gegenüber plötzlich empathisch sein? Warum sollen Außenstehenden dem Bedrohten gegenüber plötzlich empathisch sein?
Gut, dann hat sie noch Selbstbewusstsein erwähnt. Aber nur weil man selbstbewusst ist, heisst es noch lange nicht, dass man heldenhaft handelt.
Weil es passt bin ich mal so frei und kopiere von meiner Webseite. ;)
Zivilcourage
Leider schrecken viele Menschen davor zurück, mutig gegen den Strom zu schwimmen, insbesondere sich öffentlich für Andere einzusetzen, sich gegen Unrecht zu wehren oder Schaden von anderen abzuhalten. Es fällt ihnen schwer, sich aus der Masse der Schweigenden, Mitläufer oder auch Desinteressierten abzuheben und so den Schutz und die Geborgenheit dieser Gruppe zu verlieren. Aber es gilt zum Glück Folgendes:
Zivilcourage ist nicht angeboren, sondern kann von jeder/m erlernt werden!
Zivilcourage lässt sich in jedem Lebensalter entfalten. Sie trägt zur Entwicklung und Festigung Ihrer eigenen Persönlichkeit bei, klärt und festigt Ihre inneren Überzeugungen. Menschen mit Zivilcourage haben sehr oft eine besondere Ausstrahlung. Zivilcourage hilft, man selbst zu werden. Allerdings verliert man oft die Geborgenheit, die durch Anpassung erkauft werden kann. Ändern Sie die Verhältnisse, indem Sie sich selbst ändern. Zivilcourage heißt nicht immer, mit körperlichen Einsatz große Heldentaten zu vollbringen. Kleine Taten sind oftmals ausreichend!
Vermeiden Sie "Einflüsterungen" ihres "Ichs"!
Innere – meist abwertende - Stimmen der folgenden Art bremsen oft die Zivilcourage: „Misch dich lieber nicht ein.“ „Weshalb solltest ausgerechnet du den Kopf hinhalten?“ „Da kannst du ja doch nichts ausrichten.“ Es sind immer die gleichen Fragen und Einwände, mit denen sich man sich versucht zu rechtfertigen, falls man - untätig - Zeuge einer Straftat wird. Lernen Sie, solche Stimmen zu erkennen und ihnen zu widerstehen.
Mischen Sie sich ein:
Zögern Sie nicht, Täter direkt anzusprechen, laut um Hilfe zu schreien, eine Notbremse zu ziehen, die Polizei zu rufen, verbal einem Angegriffenen beizustehen, Provokateure zum Aufhören aufzufordern und sich demonstrativ auf die Seite der Angegriffenen zu stellen. Ein Angriff erfolgt nur dort, wo es ein wehrloses Opfer gibt. Zeigen Sie, dass Sie nicht alles wehrlos hinnehmen, dann werden den Tätern die Grundlage für ihre Aktion genommen. Zwei Worte kollektiv gesprochen "Hör auf!" bedeuten schon Mut in einfachster Form.
Helfer suchen !
Suchen Sie Mitstreiter und verständigen Sie umgehend die Polizei. Oft müssen andere Passanten aus ihrer Rolle als "Gaffer" oder "Weggucker" gerissen werden, in dem man sie direkt anspricht. "Sie in der gelben Jacke. Kommen Sie bitte her und helfen Sie" Zusammen ist man stark. Stellen Sie sich zwischen Täter und Opfer und bieten Sie Ihre Hilfe an. Greifen Sie ein und machen Sie klar, dass Gewalt keine Privatangelegenheit ist. Oft reichte es schon, dass man darauf hinweist man habe die Polizei verständigt. Sie sollten allerdings Vermeiden, den Täter zu provozieren oder sich selbst provozieren zu lassen! Behalten Sie einen kühlen Kopf.
Die Polizei hat sechs praktische Regeln für mehr Sicherheit zusammengestellt, die jeder anwenden kann:
Ich helfe, ohne mich selbst in Gefahr zu bringen.
Ich fordere andere aktiv und direkt zur Mithilfe auf.
Ich beobachte genau und präge mir Tätermerkmale ein.
Ich organisiere Hilfe unter Notruf 110.
Ich kümmere mich um Opfer.
Ich stelle mich als Zeuge zur Verfügung.
Wenn wir selbst in solch eine Lage geraten, wünschen wir uns doch auch, dass uns jemand hilft. Was wir für uns erwarten, müssen wir auch bereit sein, anderen zu geben.
LITERATUR:
Gerd Meyer: Lebendige Demokratie. Zivilcourage und Mut im Alltag. Forschungsergebnisse und Praxisperspektiven. Baden-Baden 2004.
Johannes Czwalina: Wer mutig ist, der kennt die Angst. Verlag: Brendow. ISBN: 978-3865062123
Ulrich Kühne (Hrsg.): "Mutige Menschen. Frauen und Männer mit Zivilcourage". Vorwort von Ulrich
Wickert. Elisabeth Sandmann Verlag, München 2006. ISBN 3-938045-13-2
Wolfgang Heuer: Couragiertes Handeln. Lüneburg 2002.
Weblinks:
Aktion Tu Was - Zivilcourage zeigen bei Belästigung, Misshandlung etc. (http://www.aktion-tu-was.de/) Aktion der Polizei
Zivilcourage / Themen / Home - Institut für Friedenspädagogik Tübingen e.V. (http://www.friedenspaedagogik.de/themen/zivilcourage?/ift/themen/zivilcourage)
Helmut Jaskolski: Zivilcourage - was ist das? (http://www.jaskolski.de/ziv_was.htm)
TigerEvolution
08-12-2014, 17:18
Menschen mit Zivilcourage haben sehr oft eine besondere Ausstrahlung. Zivilcourage hilft, man selbst zu werden. Allerdings verliert man oft die Geborgenheit, die durch Anpassung erkauft werden kann.
Ich finde diese Aussage sehr schön, weil es sehr gut das Positive wie auch das Negative darstellt! Ich finde es auch gut, dass du "allerdings" statt "aber" benutzt hast.:D
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