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Vollständige Version anzeigen : Zhaobao Taijiquan



Huangshan
15-12-2014, 09:39
Habe eine Frage an die Taijiquan/Tai chi chuan Experten.

Der Zhaobao Stil soll wie von einigen Leuten geschrieben,behauptet der älteste und der Ursprungstil sein?

Wie ist eure Meinung zu dieser These?



Danke im Vorraus.
Huangshan

Gawan
15-12-2014, 11:05
Soweit ich weiß, gibt es recht große Ähnlichkeiten zwischen dem Zhaobao-Stil und dem Xiaojia-Chen-Stil (kleiner Rahmen). Eine These ist, dass das Chen-TC nach Zhaobao exportiert wurde und dort weiter gepflegt (und evtl. nur wenig verändert) wurde, während sich das Chen-TC in Chenjiagou weiter entwickelt (verändert) hat. Insofern wäre das Zhabao-TC ein älteres/ursprünglicheres Chen-TC.

Meine Meinung ist, dass es den Ursprungsstil überhaupt nicht mehr gibt (wenn es überhaupt jemals einen einheitlichen Stil gab); alles ist in ständiger Änderung.

Huangshan
15-12-2014, 12:07
Zhaobao
https://www.youtube.com/watch?v=XiVy6vmuT7g


https://www.youtube.com/watch?v=FOMCuRVG0P8

https://www.youtube.com/watch?v=LP5IzhZUfaY


Chen xiaojia

https://www.youtube.com/watch?v=PCEwEjE2hS0

https://www.youtube.com/watch?v=_jZeajdU7VQ

Huangshan
15-12-2014, 15:23
Gawan:

Von den Zhaobao Vertretern wird erwähnt das Jiang Fa (蒋法, 1574-1655) der Gründer des Zhaobao Stils die Entwicklung des Chen Taijiquan zusammen mit Chen Wangting (1580–1660) vorangetrieben hat.


Jiang Fa sought refuge at Chen village where one of his followers/rebel soldiers was from. It is there that Jiang Fa in his late remaining years worked with Chen Wangting to integrate the Chen Family boxing with Jiang's boxing methods.


The first ancestor of the Chen Famiily, Chen Bu originally heralded from Shanxi province. The Chen family were known for the martial skills (external in nature), especially their Paochui (Shaolin Canon Boxing) being often nicknamed "Paochui Chen Family". Chen Wangting was the 9th generation of the Chen Family. His father, Chen Fumin was a scholar, holding an official position through imperial decree. Chen Wangting in his young years also is thought to have worked as an escort for merchants, using his boxing skills to defeat bandits and thieves. In 1641 he was listed as a military officer, commander of the Garrison force of Wen county (according to the Annals of Huaiqing prefecture, Wen county annals). During an examination within the imperial government, Chen had an incident and combined with the corruption and social issues at the time, joined the Li Jiyu rebellion. After that rebellion, Chen Wanting returned to Chen Village to lead a quite life. Jiang Fa an elder from the rebellion had sought refuge within Chen Village, where he imparted his skills to Chen Wangting and together researched various methods of the time and integrated the various boxing methods to develop Chen family boxing further.

Quelle:
http://taipinginstitute.com/menu-styles/njqx/taiji-quan

D.h. der Zhaobao Stil von Jiang Fa soll älter sein und der Chen Taijiquan Stil soll eine spätere Entwicklung sein ?
Die Chen Familie soll vorher Shaolin Gong Fu praktiziert haben ?

T. Stoeppler
15-12-2014, 15:43
Also historisch gesehen ist da einfach eine gewisse Unschärfe. Zwischen beiden Stilen gab es jedenfalls viel Austausch und viele der Bewegungen sind sehr ähnlich. Es ist jetzt natürlich etwas knifflig, das Zhaobao-Taiji mit dem "modernen" Chen-Stil zu vergleichen; der Zhaobao Stil wurde nicht so, sagen wir mal, gefördert wie der Chenstil. Es gibt sicherlich starke Übereinstimmungen.

Gruss, Thomas

kanken
15-12-2014, 15:49
Sal Conzonieri hat in seinem Buch einiges zu dem Thema geschrieben, lohnt sich auf alle Fälle:

The Hidden History of the Chinese Internal Martial Arts (English Edition) eBook: Sal Canzonieri: Amazon.de: Kindle-Shop (http://www.amazon.de/History-Chinese-Internal-Martial-English-ebook/dp/B00KE8EOVE)

Als eBook für 7,48 € ein absoluter Knaller mit einer Fülle an Informationen zu den sog. IMA, außerdem beleuchtet er in absolut logischer und faszinierender Weise die Entwicklung bestimmter Formen auf der Grundlage ursprünglicher Bewegungssets.

Das Buch ist eigentlich ein "Must have" für jeden der sich für die Geschichte der CMA interessiert, nach Peter Lorge das Beste was ich zu dem Thema gelesen habe, finde ich sogar noch besser als das Buch von Meir Shahar über die Shaolingeschichte.

Grüße

Huangshan
15-12-2014, 17:10
Danke Allen für die Informationen.

kanken:
Hier interessante Artikel von S. Cazioneri:

The Origin of Shaolin Taizu Chang Quan – Grand Ancestor of all Shaolin Boxing (http://www.bgtent.com/naturalcma/CMAarticle35-TZQ.htm)


http://www.bgtent.com/naturalcma/CMAarticle30.htm


Taizu Chang Quan ---- Chen Taijiquan ?

Danke werde mir mal die Artikel durchlesen.

Huangshan

T. Stoeppler
15-12-2014, 18:51
Das das Taijiquan aus (einem) Langfaust-Stil technisch hervorgeht, ist eigentlich unstrittig. Es gab natürlich damals einige Varianten des Chang Quan und bislang war die Idee, dass das Chen/Zhaobao-System eine mehr oder weniger direkte Beeinflussung durch die Shaolin Systeme hatten.

Wenn man sich jetzt diverse Tai Zu Chang Quan Lineages ansieht, gibt es da aber auch gravierende Unterschiede. Da muss man sich fragen, welches den Zhaobaos und Chens ähnlich sieht.

Was immer noch fehlt ist die Integration des Cansigong, die stammt meines Erachtens aus dem Yijinjing und daher eben oldschool-Shaolin. Interessanterweise wird das in den Zhaobao Systemen weniger als bei den Chens in den Vordergrund gerückt. Wahrscheinlich kam der Fokus darauf erst deutlich später. Oder die Tradierungslinie ist doch nicht die gleiche.

Gruss, Thomas

gast
15-12-2014, 19:40
Was immer noch fehlt ist die Integration des Cansigong, die stammt meines Erachtens aus dem Yijinjing und daher eben oldschool-Shaolin. Interessanterweise wird das in den Zhaobao Systemen weniger als bei den Chens in den Vordergrund gerückt. Wahrscheinlich kam der Fokus darauf erst deutlich später. Oder die Tradierungslinie ist doch nicht die gleiche.

Was ist denn deiner Meinung nach die grundlegende Idee hinter den Seidenfadenübunbgen/chansigong? D.h., was wird neben der äusseren Bewegung denn versucht für eine Fähigkeit zu entwickeln? (Wenn man davon ausgeht das die Übungen nicht aus Selbstzweck geübt werden)
Ist es vielleicht möglich, dass gleiches trainiert wird aber unterschiedlich (oder auch einfach nicht) darüber gesprochen wird?

Gruss Benjamin

Huangshan
15-12-2014, 19:56
T. Stoeppler

Ja du hast recht es gibt mehrere Taizu Stile.


According to these texts Chen clan empty hand boxing techniques can be divided into two cathegories:

Long-range Boxing - thirty names in the first cathegory are same as those described in "Qi Jiguang's Boxing Canon"[4]; several sentences in the text are also identical with those in Qi's book; the techniques belonging to the first cathegory include: "Taizu[5] Xia Nan Tang", "Long-range Boxing" (Chang Quan), "Thirteen Postures" (Shi San Shi), etc.

"Sanxing Version" contains "Long-range Boxing Register" (Chang Quan Pu). At the end of the text containing classical boxing formulas (Gejue) for each posture , there is a note composed of eleven characters saying "This is Long Fist (Boxing) that can be passed only to those who are diligent at practice".

After examining the Chen clan writings and comparing them with "Qi Jiguang's Boxing Canon" and "Taizu Xia Nan Tang", Tang Hao found out that twenty nine postures of "Long-range Boxing" can be found in "Qi Jiguang's Boxing Canon" and eleven in "Taizu Xia Nan Tang"; for "Cannon Boxing" and five sets of "Thirteen Postures", twenty can be found in "Qi Jiguang's Boxing Canon" and nine in "Taizu Xia Nan Tang". Hence Tang Hao suspected that "Taizu Xia Nan Tang" was, together with "Qi Jiguang's Boxing Canon", the basis for Chen clan empty hand martial art. In Tang's opinion all other techniques were created by Chen Wangting, excluding spear and staff (which, according to "Wenxiu Version", were not original Chen techniques).



Xu Zhen believed that Chenjiagou's "Long-range Boxing" had been developed from "Taizu Long-range Boxing" (Taizu Chang Quan), while Tang Hao claimed it was based on "Qi Jiguang's Boxing Canon" (which was a compilation of sixteen styles, "Taizu Long-range Boxing" being one of them). Since twenty nine postures from Qi's manual can be found in Chen's Long-range Boxing, so if all of them came from "Taizu Long-range Boxing" (as Xu Zhen suggested), then would it be possible that remaining three postures in Qi's book are from other fifteen styles? Tang Hao found it difficult to accept.


Quelle: ChinaFromInside.com presents...Â* TAIJIQUAN - Brief Analysis of Chen Family Boxing Manuals (http://www.chinafrominside.com/ma/taiji/chenboxingmanuals.html)

T. Stoeppler
15-12-2014, 20:21
Was ist denn deiner Meinung nach die grundlegende Idee hinter den Seidenfadenübunbgen/chansigong?
Gruss Benjamin

Ich denke, da wird die Entwicklung der "Sehenkraft" + ganz gezielt mit den Bewegungen aus dem Zentrum verbunden, bzw über die Bewegung des Zentrums umgeleitet. Interessanterweise ist der einzige mir bekannte Stil, bei dem die Zentrumsarbeit ähnlich im Vordergrund steht, das Dai Xinyi (übrigens ebenfalls aus Shanxi, ausgehend von Ji Ji Ke ->Xinyi Ba)

Also rein von der Methodik passt das gut zusammen.



Ist es vielleicht möglich, dass gleiches trainiert wird aber unterschiedlich (oder auch einfach nicht) darüber gesprochen wird?


Absolut - ich gehe sogar mal davon aus. Bei den Zhaobaos kann man das bei den tiefen, "fliessenden" Positionen ganz schön sehen, gerade wenn man das mal mit dem Xin Yi Ba vergleicht.

Also hier mal eine Laojia Yilu von Du Yu Ze - (älter geht's nicht)
https://www.youtube.com/watch?v=1kl_SL19nKs

Hier mal Xin Yi Ba von Shi De Jian (ab 2:35 wird's klar sichtbar denke ich)
https://www.youtube.com/watch?v=DtFOglxbDZY

Und hier mal ein Zhaobao Documentary -> bischen lang, aber die Einleitung finde ich interessant:
https://www.youtube.com/watch?v=GqAfPJuH_WQ

Gruss, Thomas

gast
15-12-2014, 21:39
Hallo Thomas,

Ich bin jedenfalls auch sehr der Meinung, dass das Chansigong in der Chen-Tradition zwar sehr hervorgehoben wird, es aber nicht heisst, dass die Fähigkeiten die dadurch entwickelt werden in den anderen chines. KK nicht genauso entwickelt werden. Ich denke du hasst da sehr gut recherchiert und Beispiele gebracht. Vielleicht kann man ja sogar so weit gehen und sich fragen, in wieweit denn die Starke Betonung des Chansigong nicht sogar etwas sehr modernes ist?? Doch da möchte ich mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, da ich hierbei konkreten Boden verlassen würde.

Zur Sehnenkraft und Zentrum:
Z.B., bei einem gespannten Bogen muss man nicht das Zentrum kennen um ihn unter Spannung zu bringen um mit dessen Spannung zu arbeiten. Er funktioniert allein durch die Spannung. Auf den Menschen übertragen ist es eine geschmeidige aber kräftige Grundspannung im Körper, die wie eine Gitarrensaite an Spannung zunehmen kann und nachlassen kann, jedoch nicht überspannt (zu hart/brechen) und nicht zu schlaff (zu weich und kraftlos) werden darf. Um nun Sehnenkraft zu entwickeln sind es meiner Meinung nach nicht die Seidenfadenübungen die da irgendwie einen besonders großen Übungsspezifischen Vorteil haben.
Das Prinzip von den drei bzw fünf Bögen findet man jedoch in den drei klassischen IMA durchgehend. Es wäre also ein Grundlegendes Prinzip, eine Idee zum Verwirklichen bestimmter Fähigkeiten, welches "formlos" und somit Stil und Formenübergreifend ist.

Grüße Beni

Huangshan
16-12-2014, 07:55
Kanken :

zu S. Canzioneri:

Hier eine Debatte die er in einem anderen Forum vor Jahren geführt hat .

the rum soaked fist: internal martial arts forum ? View topic - Sal: Li family and Chen shi taijiquan (http://www.rumsoakedfist.org/viewtopic.php?f=3&t=7758)

Seiner Meinung nach soll Chen Taijiquan aus Elementen aus dem Tongbei Quan entwickelt worden sein?


Henan Tongbei Quan founded by Qianzhi Temple Priest Dong Cheng was developed from Shaolin Pao Chui, Hong Quan, Taizu Chang Quan, Rou Quan, (all of which has been documented by the Chen family as being part of their early development) and then added in Taoist 13 Postures material.
Hence, Tongbei Quan was already a form of Pao Chui.
The existing Chen family manuals show that Tongbei sets were used twice in their history to evolve their routines from Pao Chui to Chen Taiji Quan (first with Chen Wang Ting and second with Chen You Ben).

T. Stoeppler
16-12-2014, 08:52
@Huangshan
Das mit dem Tongbei ist... mir zu extravagant. Aber man kann über die Herkunft der Stile immer schön spekulieren. Es wurde ja überall zusammgesammelt, abgekupfert, ausgetauscht und spioniert :) Deswegen sind die ganze Namen für die Positionen auch in späteren Stilen recht bunt gemischt.

@beniwitt
Also ich denke das Cansigong ist wirklich das "Stil"Merkmal der Chens; die Übungsprinzipien, die dafür verwendet werden, finden sich natürlich sehr häufig, aber die Mechanik, die das Ganze verbindet, ist eine eigene Anpassung. Ich halte das in Verbindung mit einer Lanze oder einem langen Speer für eine ideale Mechanik. Ob das jetzt in anderen Bereichen vorteilhafter ist oder nicht würde ich mal offen lassen.

Ich gehe davon aus, dass es sich hierbei nicht um einen Zufall handelt. Wenn man mich fragt, ist das eher von der Xinyi Linie beeinflusst.

Das fällt mir zumindest rein optisch bei den Zhaobaos etwas mehr auf.

Gruss, Thomas

Huangshan
16-12-2014, 09:06
T. Stoeppler

Ja du hast recht , ich finde diese These interessant.

Es soll ja ein Manuskript aufgetaucht sein, dass diese (Tong Bei)These belegt?


In 1990, a copy was accidently found in Chen Xin's hand writing of a Chen Village quanpu that contained various Tongbei set names. One of these four sets was originally called Tai Zu Xia Nan Tang, which is one form from the Da Hong Quan system that Dong Cheng had first learned (which shows that Dong’s Tongbei Quan was keeping its Shaolin derived original roots, but changed their way of practice after Dong Cheng also exchanged information with Wang Zongyue and later Zhang Songxi.

Altogether, there have been three Chen masters that have at some point mixed Tong Bei Quan with the Taoist 13 Postures routine. The first, of course, was 9th generation member Chen Wangting, and his cousins Li Zhong and Li Xin, who learned from Dong Bingqian, etc. Another one was 17th generation member Chen Fake, who much later mixed Tongbei Quan long fist into the Er Lu Pao Chui set. Some say he softened this Pao Chui set by merging it with some Tongbei Quan ideas.

Another person was 14th generation member Chen Youben (陳有本), who did the opposite of Chen Wangting by changing the Chen family’s version of the Taoist ‘13 Posture’ routine by mixing in Long Fist material from Tongbei Quan. The first set that researcher Tang Hao saw in his visit to Chen village was the one that Chen Youben created, in which he had mixed Taizu Chang Quan -太祖长拳 set that came from Tongbei Quan into Taoist original Thirteen Postures Soft Hand; this can be seen by comparing the movement's names of Chen Yi Lu (first set) with the names of the movements from the Thirteen Postures Soft Hand that was recorded by the Li family in the early Qing dynasty. Chen family records showed that Chen Youben changed the old routines that Chen Wangting had learned from Qianzai Temple Priests Bogong and Dong Bingqian together with his uncle Li Chun Mao and Li's sons Li Zhong and Li Xing.


Mal sehen welche Erkentnisse mit der Zeit noch auftauchen?

Wenn diese These stimmt, dann ist die Zhaobao Darstellung in einem anderen Licht zu sehen.

Heping
16-12-2014, 09:13
Die aus meiner Sicht am wenigsten verlässliche Quelle, Sal Canzonieri scheint hier sehr anerkannt zu sein. Man sollte in Betracht ziehen, dass der Mann „Shaolin addicted“ ist, und in seinem Buch, welches ich zum Teil gelesen habe (die Teile zum Taijiquan, die mich interessiert haben) dies auch sehr tendenziös durchscheinen lässt. Dabei sollte man in Betracht ziehen, dass das Shaolinquan, das wir heute kennen, nicht das Alter aufweist, wie viele glauben, sondern selbst nur auf eine vier- bis fünfhundertjährige Geschichte zurückblicken kann. Also kann „Befruchtung“ auch in umgekehrter Weise erfolgt sein, es ist immer eine Frage der Perspektive. Die Ursprünge der Chen-Familie reichen nach Hongdong in der Provinz Shanxi zurück. Von dort stammt auch ein Tongbeiquan-Stil. Herr Canzonieri geht nun offensichtlich davon aus, dass Shaolin durch Tongbeiquan (Henan Tongbeiquan was developed from Shaolin Pao Chui etc.) entwickelt wurde und zieht nicht einmal in Betracht, dass die Chen-Familie das Tongbeiquan aus ihrer angestammten Heimat Hongdong mitgebracht haben könnte. Könnte ja sein, oder?

karate_Fan
16-12-2014, 09:22
@Heping Welche Quelle würdest du den als am verlässlichsten einstufen?

kanken
16-12-2014, 09:34
Ihr solltet das Buch einmal komplett lesen, ehe ihr euch über seine Thesen äußert.
Er legt sehr differenzierte Ansichten darüber vor wie die nordchinesischen KK zusammenhängen, belegt mit Quellen über alte Formensets, alten Büchern, zitierte andere, anerkannte, Wissenschaschftler auf diesem Gebiet etc.

Er sucht nach Gemeinsamkeiten und verbindet wer wann wo mit wem trainiert hat, außerdem hat er auch wohl 30 Jahre gutes Training in China hinter sich, bei diversen Lehrern.

Lest das Buch, es lohnt sich und seine Thesen sind mehr als schlüssig und sehr gut belegt.

Grüße

Kanken

Huangshan
16-12-2014, 09:40
Heping:


Die Ursprünge der Chen-Familie reichen nach Hongdong in der Provinz Shanxi zurück. Von dort stammt auch ein Tongbeiquan-Stil. Herr Canzonieri geht nun offensichtlich davon aus, dass Shaolin durch Tongbeiquan (Henan Tongbeiquan was developed from Shaolin Pao Chui etc.) entwickelt wurde und zieht nicht einmal in Betracht, dass die Chen-Familie das Tongbeiquan aus ihrer angestammten Heimat Hongdong mitgebracht haben könnte. Könnte ja sein, oder?


Wie geschrieben ich finde die Thesen von Sal Canzonieri interessant.
Welche These durch schriftliche Quellen (gefundene Manuskripte) untermauert werden kann, das wird die Zeit zeigen?



The Intriguing New Evidence on Taiji Quan Development

Although there has not been any more substantial proof that Chen Wangting created taiji quan since Tang Hao’s conclusion, the Chen camp may rejoice the very recent discovery of lishi jiapu 李氏家譜, or the Li Family Genealogy. There have been several articles, by Yuan Quanfu 原全福 in April 2005, Wang Xingya 王興亞 in July 2005, Li Xiangyi 李相宜 in September 2005, Li Bin 李濱 in October 2005, Qu Jian 蘧鑒 in February 2006, that have discussed the Li Family Genealogy. (Yuan Quanfu; Li Xiangyi; Li Bing; Qu Jian)

The Ming historian Wang Xingya 王興亞 of Zhengzhou University spent a year tracing and studying the origin and the authenticity of the Li Family Genealogy. He concludes that “the Li Family Genealogy was edited by the tenth generation Li Yuanshan 李元善 in 1716.” “Its contents are not from the repeated and extant historical sources but sources of the eye-witness.” “The Qianzai Temple 千載寺 was the birthplace of taiji quan… Li Yuanshan described in the Preface that the Li brothers Zhong 仲, Xin 信, and their cousin Chen Wangting created taiji yangshen gong 太極養生功, or ‘the art of Taiji Cultivating Life,’ shisanshi tongbei gong 十三式通臂功, or ‘the Thirteen Postures Boxing.’” (Wang Xingya) According to these articles and the attached photo copies of the Li Family Genealogy, the early patriarchs of Li, Chen (Chen Bu 陳卜), and the other three families became sworn brothers on their migration in the fourteenth century. This event took place in the Qianzai Temple of Tang Village 唐村 in Boai County 博愛縣, which is about 30 miles away from the present Chen Village.

The Li Family Genealogy states that the Qianzai Temple was a synthesized Temple of Buddhism, Taoism, and Confucianism. The sworn brothers and their families had come from different ways and gathered at the Qianzai Temple every New Year to pray for blessings from the Sages of Three Teachings, and to return their gratitude to the priests for the charities of food and the transmissions of quan that the families received to keep their health and posterity. There had been several Li and Chen two-family inter-marriages. By the time of the ninth generation, the Li patriarchs Zhong and Xin, and their inter-marriage cousin Chen Wangting again became sworn brothers like their forefathers, and took the abbot Bogong Wudao 博公武道 as their master at the Taiji Gate 太極門 of Qianzai Temple. The three sworn brothers resolved to follow the civil-martial tradition, and strive for great achievements. They created taiji yangshen gong 太極養生功, or “the art of Taiji Cultivating Life,” and practiced and transmitted wuji yangshen gong 無極養生功, or “the art of Wuji Cultivating Life,” shisanshi tongbei gong 十三式通臂功, or “the Thirteen Postures Boxing.” (Qu Jian)




http://www.literati-tradition.com/chen_camp.html

Kamenraida
16-12-2014, 10:10
Was ist denn deiner Meinung nach die grundlegende Idee hinter den Seidenfadenübunbgen/chansigong? D.h., was wird neben der äusseren Bewegung denn versucht für eine Fähigkeit zu entwickeln? (Wenn man davon ausgeht das die Übungen nicht aus Selbstzweck geübt werden)
Ist es vielleicht möglich, dass gleiches trainiert wird aber unterschiedlich (oder auch einfach nicht) darüber gesprochen wird?
Gruss Benjamin

Die Seidenübungen (jedenfalls im Chenstil nach CXW) sind mWn eine recht neue Übung, die erst von CXW selbst entwickelt, zumindest aber in der jetzigen Form systematisiert wurden. Letztlich bilden sie eine Art Destilat aus den Formen, anhand derer man die wichtigsten energetischen Bewegungen bzw. deren Zusammenhang zur Körperausrichtung üben kann. Darum: Sehr einfach und zugleich sehr kompliziert. Sehr grundlegend, und doch essentiell.

Es gibt natürlich auch in anderen Systemen/Stilen ähnliche Übungen, allerdings müssen die immer passend zum System sein. Imho passen die Seidenübungen nach CXW nicht einmal wirklich zu den anderen Taichi-Stilen, weil die Körperarbeit und mitunter auch die energetischen Vorstellungen zu anders sind.

gast
16-12-2014, 10:24
Also ich denke das Cansigong ist wirklich das "Stil"Merkmal der Chens; die Übungsprinzipien, die dafür verwendet werden, finden sich natürlich sehr häufig, aber die Mechanik, die das Ganze verbindet, ist eine eigene Anpassung. Ich halte das in Verbindung mit einer Lanze oder einem langen Speer für eine ideale Mechanik. Ob das jetzt in anderen Bereichen vorteilhafter ist oder nicht würde ich mal offen lassen.

Hallo Thomas,

Von außen betrachtet geb ich dir natürlich völlig recht was das die Sache Stil Merkmal Chen angeht. Doch könntest du vielleicht noch etwas konkreter auf die Mechanik und auch das Zentrum, von dem du davor sprachst eingehen, weil ich mir nicht ganz sicher bin ob ich dich auch richtig verstanden habe. Dann verstehe ich vielleicht auch, wie das mit der Lanze/Speer zusammenhängt. Hast du links zu den Seidenfadenübungen von denen du sprichst?
Schreibst du bewußt Cansigong anstatt Chansigong? Denn das würde auch im chinesischen eine vielleicht nicht ganz unbedeutende Bedeutungsverschiebung nach sich ziehen.

Auch wenn es vielleicht so aussieht dass wir uns vom Thema wegbewegen, ich habe nicht vor hier jetzt die Seidenfadenübungen des Chen-Stils zu diskutieren. Dafür bin auch auch gar nicht kompetent genug. Ich finde es aber interessant zu verstehen, was sich als Sinn und Zweck dahinter verbirgt. Denn ein Gefühl sagt mir, dass da eine starke Überbetonung in moderner Zeit daraufgelegt worden ist um sich vielleicht auch etwas zu profilieren. Denn ich denke der Chenstil von vor 70 Jahren, vor 30/35 Jahren und seit den letzten zehn Jahren ist nicht ganz derselbe geblieben.
Doch mit dieser These lehne ich mich zugegebenermaßen etwas weit aus dem Fenster. Ich wollte damit lediglich etwas Klarheit in meinen Beitrag und meine Fragestellung bringen. Also bitte auch an andere Forenleser darüber jetzt bitte keinen "shitstorm" über mich losbrechen. Ich habe da keine Vorurteile oder festen Meinungen. Möchte lediglich auf einer konkreten Basis über diese Dinge sprechen und meinen Horizont durch andere Meinungen erweitern.

Grüße

Benjamin

T. Stoeppler
16-12-2014, 10:27
@Kamenraida
@beniwitt
Die Seidenübungen von CXW sind natürlich "neu", aber - ich habe mich da falsch ausgedrückt - die Qualität ist ja bereits bei Chen Xin beschrieben. Das meine ich in dem Zusammenhang. Das transkript ist soweit ich weiss auch korrekterweise "Cansigong" bzw "Cansijin" (Nachtrag - OK Jarek transkribiert das als Chan Si Gong/Jin)

Wer sich da mal schlau machen möchte, kann sich ja mal durch Chen Xin´s riesiges Buch durchwühlen. Da wird sehr sehr genau erklärt, wie das auszusehen hat und das ist schon speziell.

Also wie man das mit Lanzen umsetzt - das kann man nur hands-on klar erklären. Die Waffe kann man nur im kleinen Kreis bewegen und am besten aus der Körpermitte; für Stösse und Rückzugsbewegungen muss man seine Kraft konservieren, sonst wird man von einem Gegner dabei verdrängt oder unterlaufen.

Hier ist noch ein Artiked von David Silver, noch ein bischem mehr infos:
Zhang, San-Feng and the Ancient Origins of Taijiquan | YMAA.COM (http://ymaa.com/articles/origin-of-taijiquan?utm_expid=1405513-2.WuymPi-ESZiQA5K9wPC3ZA.0&utm_referrer=http%3A%2F%2Fymaa.com%2Farticles%2Fta ijiquan)

Gruss, Thomas

Heping
16-12-2014, 11:02
@Heping Welche Quelle würdest du den als am verlässlichsten einstufen?

Zum Beispiel:
Die Wiege des Taijiquan: Der soziokulturelle Kontext der chinesischen Kampfkunsttheorie mitsamt einer Analyse der ältesten Bewegungsformen des Taijiquan: Amazon.de: Nabil Ranné: Bücher (http://www.amazon.de/Wiege-Taijiquan-soziokulturelle-Kampfkunsttheorie-Bewegungsformen/dp/3832524770)

Die chinesische Kampfkunst: Spiegel und Element traditioneller chinesischer Kultur: Amazon.de: Kai Filipiak: Bücher (http://www.amazon.de/Die-chinesische-Kampfkunst-traditioneller-chinesischer/dp/3935693230/ref=sr_1_1?s=books&ie=UTF8&qid=1418727249&sr=1-1&keywords=kai+filipiak)


@ Kanken: Ok, ich sag zu dem Mann nichts mehr.
https://www.youtube.com/watch?v=ZW2CjAjQw-g

Huangshan
16-12-2014, 11:15
T. Stoeppler:

Danke für den Link:

Zhang, San-Feng and the Ancient Origins of Taijiquan part 2 | YMAA.COM (http://ymaa.com/articles/origin-of-taijiquan-2)


Ich persönlich finde die Verbindung zur Langfaust Stilen interessant und wie sich Stile mit der Zeit entwickelt ..... haben.

Es ist oft schwer neutrale Bücher,Quellen... zu finden, da in den Kampfkünsten oft politische,religiöse,persönliche... Faktoren eine Rolle spielen.(mangelnde Objektivität)

karate_Fan
16-12-2014, 11:38
Heping Danke.:) für die schnelle Antwort.

Gawan
16-12-2014, 11:46
Die Seidenübungen (jedenfalls im Chenstil nach CXW) sind mWn eine recht neue Übung, die erst von CXW selbst entwickelt…

Das ist auch meine Information. Und obwohl CXW wohl eher ein Vertreter des großen Rahmens (Dajia) ist, praktizieren wir die Seidenübungen auch im kleinen Rahmen (Xiaojia).

Für mein Empfinden ist Chansigong (oder Cansigong, Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Chen-Stil#Seiden.C3.BCbungen) nennt beide Schreibweisen) ein Mittelding zwischen ZZ (ohne äußere Bewegung) und Form/Taolu (Bewegung im Raum). Chansigong dient dazu, die im ZZ geübten Ausrichtungen in Bewegung (ohne Schritte) zu übertragen, was durch die Einfachheit der Bewegungen leichter ist als dies direkt in der Form zu machen. Ebenso wie im ZZ gibt es auch verschiedene Chansigong-„Figuren“ (Mabu- oder Gongbu-Stand mit oder ohne Gewichtsverlagerung oder Hüftrotation, die Arme bewegen sich mit- oder gegenläufig, nach rechts oder links). Eine der Grundfiguren ähnelt z.B. dem Bild „Wolkenhände“ aus der Form, nur eben ohne Schritte.

Hier im Forum war glaube ich schon zu lesen, dass Chansigong möglicherweise als Ersatz für die von der chinesischen Regierung eher mit Argwohn betrachteten Qigong-Übungen eingeführt wurde. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Für mich ist Chansigong stimmig als natürliche Verbindung zwischen ZZ und Form, wobei es dann noch weiter geht in Richtung Tuishou/Pushhands, Sparring und Freikampf oder auch in die Waffenformen (wie Schwert, Säbel, Hellebarde).

Ich nehme an, in anderen TC-Stilen (oder allgemein: in anderen KK) gibt es ähnliche Sachen wie Chansigong, auch wenn man es nicht so nennt oder keine Systematik von Figuren kennt. Man kann sich ja einfach ein Bild aus der Form nehmen und das still (sozusagen als ZZ) oder im Stand (analog zu Chansigong) üben.

T. Stoeppler
16-12-2014, 12:20
Ok, ich sag zu dem Mann nichts mehr.
https://www.youtube.com/watch?v=ZW2CjAjQw-g

Ich glaube ich sehe das ähnlich.

Gruss, Thomas

gast
16-12-2014, 12:22
Das transkript ist soweit ich weiss auch korrekterweise "Cansigong" bzw "Cansijin" (Nachtrag - OK Jarek transkribiert

Da ich mich wie gesagt nicht in allen Details mit der Chen Geschichte beschäftigt habe will ich hier nicht voreilig etwas sagen. Ich habe aber gerade in Chen XIn's Buch (dem chinesischen) nachgeschaut und das Zeichen ist dort zumindest eindeutig "chansi" und nicht "cansi". Das das nun keine Haarspalterei ist, ist so:
cansi heißt ganz einfach nur Seidenfaden; chansi bedeutet etwas Fadenartiges zu wickeln (einwickeln, umwickeln). Chan hat hierbei die Bedeutung etwas um etwas herumwickeln. Während cansi also weit Bedeutungsoffener wäre ist mit chansi eindeutig eine Wickelbewegung gemeint (im übertragenen Sinne auch jemanden einwickeln, an der Nase herumführen).
Während also chansi ganz eindeutig Wickelbewegungen von der äußeren Bewegung her meint, ist cansi offener und würde auch gerade Bewegungen beinhalten.
Oft wird das Bild vom Seidenfaden genommen, der in langsamer gleichmäßiger Bewegung vom gekochten Kokon gezogen wird und nicht zu stark aber auch nicht zu weich gezogen werden darf, weil er sonst einerseits reißen würde, andererseits verkleben würde (habe das leider noch nicht in Original gesehen wie so etwas gemacht wird). Das wäre also eine gerade Bewegung bei der es um die Qualität der Kraftführung (Gleichmäßig, stetig) ankommt. Selbiges kann in jeder Form der Bewegung ausgeführt werden, egal ob gerade, spiralförmig, vor oder zurück etc.
Chansi hingegen bedeutet etwas aufwickeln, einwickeln und würde eine offenere Interpretation wie oben vom Seidenfaden ziehen nicht zulassen.

T. Stoeppler
16-12-2014, 12:38
Danke, das finde ich aber doch eine ganz interessante Haar(Faden)spalterei :) Wenn man sich in Chen Xins Buch (Ich habe nur die englische Übersetzung von 2007) aber die Diagramme ansieht, ist der "Faden" ja nun ziemlich aufgewickelt. Vielleicht ist aus Gründen der Vereinfachung später CANsigong entstanden. Eine andere Idee habe ich von Howard Wang auf einem Seminar bekommen - da meinte er, diese Art von Kraft würde man mit einem "seidigen" Gefühl assoziieren.

Gruss, Thomas

gast
16-12-2014, 13:35
@Thomas
Wo plötzlich Cansi auftaucht habe ich keine Erklärung. Bei Chen Xin ist es jedoch eindeutig Chansi. Auch die Zeichnungen lassen da keine Zweifel an wickelnden, spiralartigen Bewegungen.
Tatsächlich würde der Begriff Cansi aber eine viel offenere und Grundlegendere Idee aufmachen. Nämlich ein Seidenartiges Gefühl, eben eine Idee des Seifenfadens, von der sich zu trainierende Qualitäten ableiten lassen.
Denn so viel Bewegungsmöglichkeiten hat der Mensch ja nicht: Geradlinig und kreisend. Spiralförmig wäre ja auch schon wieder ein Zusammensetzung aus Gerade und Rund.


Um jetzt aber den Faden zum Thema nicht abreißen zu lassen:D (wo wir schon so schön beim Fadenspinnen sind), der Grund warum ich das aufbringe ist ganz einfach der, dass ich nicht verstehen kann wo hier das konkrete praktische Alleinstellungsmerkmal des Chen Stils ist (abgesehen von der äußeren Choreographie; Vielleicht magst du nochmal kurz auf das Zentrum eingehen welches du vorher mal erwähntest). Denn wickelnde Übungen um Sehnenkraft zu entwickeln als Alleinstellungsmerkmal der Chen Familie zu betrachten halte ich noch für etwas gewagt. Deswegen die Frage nach Sinn und Zweck des Chansigong zuvor.
Da Chen Xin nun aber in seinem Buch eindeutig Chansi schreibt und nicht Cansi, macht die Arbeit mit dem Seidenfadengefühl noch weniger zum Alleinstellungsmerkmal der Chen Familie.
Die Yang Linie kommt vordergründig zumindest auch ohne das Chansi aus.
Jedenfalls hatten mir Lehrer aus Yang und Sun Stil gesagt, dass sie auch Seidenfaden ziehen üben. Hier war aber eher von einer Fähigkeit die Rede die Kraft stetig und gleichmäßig zu führen ohne den Faden reißen zu lassen, welches als Teil der Form geübt wird.
Oberflächlich betrachtet sind das Chansigong des Chen Stils erstmal auch einfach nur spiralförmige Bewegungen die aus der Form herausgelöst worden sind und als Einzelübung praktiziert worden sind. Eigentlich nur eine elementare Grundbewegung, die auch im Yangstil und in anderen traditionellen chinesischen KK genauso trainiert werden.
Deswegen frage ich mich, ist das Chansigong von der Modernen Chen-Familientradition nicht vielleicht etwas überbewertet? ---- um sich vielleicht auch etwas mehr als ursprünglich und komplett zu profilieren? Den das Chen Dorf versucht auch ohne Zweifel sich als Ursprung des Taiji zu profilieren. Während es vielleicht als Ursprung der modernen Familienstile gelten kann, wäre ich da doch noch etwas vorsichtig damit gleich auf den URSPRUNG an sich zu schließen. Genausowenig würde ich mich da auf die Wudang Legenden stützen wollen. Sondern es ist vielleicht einfach eine Tatsache, dass die Ursprünge nicht greifbar sind. Und da Qualitäten etwas mehr oder weniger "Formloses"/Choreographieloses sind, macht es meiner Meinung nach auch wenig Sinn über choreographische Bewegungen nach Anhaltspunkten der Ursprünglichkeit und Komplettheit zu suchen.

T. Stoeppler
16-12-2014, 13:59
@beniwitt



Denn wickelnde Übungen um Sehnenkraft zu entwickeln als Alleinstellungsmerkmal der Chen Familie zu betrachten halte ich noch für etwas gewagt. Deswegen die Frage nach Sinn und Zweck des Chansigong zuvor.

Mir fällt sonst einfach kein System ein, dass eine ähnliche Mechanik benutzt. Wenn Du aber noch jemanden hast - immer her damit.




Die Yang Linie kommt vordergründig zumindest auch ohne das Chansi aus.
Jedenfalls hatten mir Lehrer aus Yang und Sun Stil gesagt, dass sie auch Seidenfaden ziehen üben. Hier war aber eher von einer Fähigkeit die Rede die Kraft stetig und gleichmäßig zu führen ohne den Faden reißen zu lassen, welches als Teil der Form geübt wird.

Das kenne ich auch so, aber ich glaube wirklich das ist ein etwas anderer Weg.




Deswegen frage ich mich, ist das Chansigong von der Modernen Chen-Familientradition nicht vielleicht etwas überbewertet? ---- um sich vielleicht auch etwas mehr als ursprünglich und komplett zu profilieren?

Halte ich keinesfalls für abwegig :)



Sondern es ist vielleicht einfach eine Tatsache, dass die Ursprünge nicht greifbar sind. Und da Qualitäten etwas mehr oder weniger "Formloses"/Choreographieloses sind, macht es meiner Meinung nach auch wenig Sinn über choreographische Bewegungen nach Anhaltspunkten der Ursprünglichkeit und Komplettheit zu suchen.

Dem stimme ich durchaus zu, ich glaube nur, dass man einzelne Übungspraktiken durchaus eingrenzen bzw zurückverfolgen kann. Das lohnt sich für *mich* insofern, dass man zielgerichtete Übungen daraus ableiten kann. Da fand ich z.B. Mike Sigmans Ansatz sehr nützlich.

Gruss, Thomas

gast
16-12-2014, 14:09
@beniwitt
Mir fällt sonst einfach kein System ein, dass eine ähnliche Mechanik benutzt. Wenn Du aber noch jemanden hast - immer her damit.


Mir fällt da spontan Shi Dejian ein, den ich auch schon selbst besucht habe. Du hattest ihn ja schon in einem Videolink gepostet.
Dann fällt mir sofort das Chanmi Qigong ein, welches auch mit wickelnden Übungen arbeitet, vielleicht nicht
um vordergründig Sehnenkraft zu entwickeln, aber das ganze mit einer anderen Intention geübt kommt zum selben Ergebnis.
Dann gab es von Yang Junmin (YMAA) Yangstilartige Qigongübungen die sehr viel mit Spiralförmigen "Verdrehungen"/"Verwicklungen" arbeiten.

Ich werde mich nochmal etwas auf die Suche machen. Sollte aber nicht schwer sein Material dazu zu finden. So habe ich jedenfalls noch den Eindruck von früheren Recherchen.

Grüße

kanken
16-12-2014, 14:41
Ich glaube ich sehe das ähnlich.

Gruss, Thomas

Ich denke wir sehen dann da wohl etwas unterschiedliches, denn ich finde ihn nicht schlecht...

Für mich sind seine Anwendungen (und wie dort sein Partner reagiert) sehr viel interessanter:

0e-rg2UH9EA

Die äußere Form sagt nichts über die Fähigkeiten aus, wobei ich bei seinem Solovideo schon einige sehr interessante Dinge sehen kann.

Wie gesagt, schaut euch seine Anwendungen an.

Nebenbei geht es ja auch eigentlich um seine theoretische Arbeit und nicht sein KK können...

Grüße

Kanken

gasts
16-12-2014, 15:06
Oft wird das Bild vom Seidenfaden genommen, der in langsamer gleichmäßiger Bewegung vom gekochten Kokon gezogen wird und nicht zu stark aber auch nicht zu weich gezogen werden darf, weil er sonst einerseits reißen würde, andererseits verkleben würde (habe das leider noch nicht in Original gesehen wie so etwas gemacht wird).

der Seidenfaden wird dabei nicht nur vom Kokon abgewickelt, sondern auch gleich aufgewickelt.
Bei handbetriebenen Geräten mit einer Kurbel ergibt sich dabei eine kreisförmige Bewegung der Hand:

http://ecx.images-amazon.com/images/I/81pia7HYLuL._SX425_.jpg

T. Stoeppler
16-12-2014, 15:36
Mir fällt da spontan Shi Dejian ein, den ich auch schon selbst besucht habe.

Oh das ist fein. Wie wars denn?

Ich hatte ja schon gesagt, dass das Xinyi Ba zweifellos etwas aus der Richtung enthält, wenn nicht vielleicht sogar die Ursuppe dieser Mechanik. Alle anderen haben das einfach nicht so deutlich rausgearbeitet. Wie gesagt - ob das jetzt vorteilhaft ist oder nicht, darüber will ich ganz sicher nicht urteilen.

@Kanken
Habe ich ja auch schon gesehen :) . Ich gehe da einfach mit Heping (dessen Erfahrung ich übrigens sehr schätze) konform.

Gruss, Thomas

Huangshan
16-12-2014, 17:36
Danke für eure Erläuterungen!

So wie ich es sehe ist es wie oft eine Glaubenssache.

Die Chen Vertreter sehen nach neusten Erkenntnissen die Li/Chen Familie als Gründer des Taijiquan,Gründungsort(Qianzai Temple of Tang Village 唐村 in Boai County 博愛縣)


Qianzai Temple of Tang Village 唐村 in Boai County 博愛縣 is about 30 miles away from the present Chen Village. Recent research, based on a newly-discovered Li family history, clearly documents the events around 1650. Two Li brothers had married into the Chen family. “The Qianzai Temple 千載寺 was the birthplace of Taijiquan… Li Yuanshan described in the Preface that the Li brothers Zhong 仲, Xin 信, and their cousin Chen Wang -Ting created Taiji yangshen gong 太極養生功, or ‘the art of Taiji Cultivating Life,’ shisanshi tongbei gong 十三式通臂功, ‘the Thirteen Postures Boxing.’” (Wang Xingya)

http://ymaa.com/articles/origin-of-taijiquan-2

http://www.literati-tradition.com/chen_camp.html


Die Zhaobao Leute und ihre Anhänger sagen das Taijiquan von Zhang Safeng--Wang Zongyue--Jiang Fa weitergegeben wurde.

Welches Lager hat recht?

gast
16-12-2014, 19:13
der Seidenfaden wird dabei nicht nur vom Kokon abgewickelt, sondern auch gleich aufgewickelt.
Bei handbetriebenen Geräten mit einer Kurbel ergibt sich dabei eine kreisförmige Bewegung der Hand:

http://ecx.images-amazon.com/images/I/81pia7HYLuL._SX425_.jpg


Sehr erhellendes Bild. Hatte ich so noch nicht gesehen. Werd mir mal Zeit nehmen das mit dem Seidenfaden spulen genauer anzusehen.

gast
16-12-2014, 19:34
Oh das ist fein. Wie wars denn?


Ich war zusammen mit einem Freund eine Nacht bei Ihm auf dem Berg. Hab's ohne Übertreibung nicht Geschäft mehr als ein paar Sätze zu sagen. Er hat quasi einen ganzen Nachmittag und Abend und den nächsten Vormittag Alleinunterhalter gemacht.
Üben sehr viel einzelne Bewegungen und leichte Schrittarbeit in Mabu. Wohl typische Grundbewegungen die ich gesehen hab hatten spiralförmige Drehbewegungen Kraftvoll ausgeführt.
Hatte dort auch eine deutsche junge Frau getroffen, die eine Weile bei ihm Unterricht hatte. Kann mich nur noch an ihren chinesischen Namen erinnern. Vielleicht kennt Sie ja jemand: Xingxi (行曦)
Beim ersten Besuch hatte ich ihn nicht angetroffen. Der Monolog beim zweiten Besuch hatte dann einen nicht ganz so Sympathischen Eindruck hinterlassen, so dass es dann auch dabei blieb.

T. Stoeppler
16-12-2014, 19:53
@beniwitt
Vielen Dank!

Gruss, Thomas

Heping
18-12-2014, 11:26
@Kanken
Habe ich ja auch schon gesehen :) . Ich gehe da einfach mit Heping (dessen Erfahrung ich übrigens sehr schätze) konform.

Gruss, Thomas

@Kanken:
Du schreibst hier im Forum üblicherweise viel Vernünftiges. Bei Sal Canzonieri stimmen wir halt ausnahmsweise mal nicht überein, ist ja nicht weiter schlimm. Bei seinem Buch habe ich einfach das Gefühl, dass er alle seine Forumsdiskussionen bei RSF/Kungfumagazine etc. zusammengefasst und als Buch herausgegeben hat. Klar, steckt viel Herzblut und Enthusiasmus dahinter, aber es hat halt viel Spekulation vermischt mit einigen Fakten. Ich weiss aber, aus Autorensicht, dass es nicht einfach ist, wenn man über Jahre hinweg an einem Buch schreibt. Etwas was ich vor Jahren geschrieben habe, würde ich aus heutiger Sicht, mit neuen Erkenntnissen ganz anders schreiben. Also müsste ich mein Buch dauernd umschreiben und es würde nie veröffentlicht. In meinem persönlichen Fall habe ich mich dann irgendwann zum Mut zur Lücke entschieden, im Bewusstsein, dass einiges so nicht mehr ganz richtig ist. Von daher kann ich sein Sammelsurium halbwegs nachvollziehen, mir passt es einfach nicht. Und, um noch zum Video etwas zu sagen: ein paar seiner Anwendungen kann man tatsächlich brauchen.

@Thomas:
Vielen Dank für Dein Vertrauen. Das Lob gebe ich gerne zurück: Was ich von Dir lese, hat immer Hand und Fuss.

kanken
18-12-2014, 11:39
Wäre ja auch langweilig wenn man immer übereinstimmt ;)

Ich habe mir eigentlich auch abgewöhnt Leute nur an Hand von Videos zu beurteilen. Ein Video kann Hinweise geben, mehr nicht. Letztendlich muss man die Leute spüren und sie müssen es einen auch fühlen lassen wollen...

Ich mag die Art wie Sal an die Übermittlung von Formen/Richtungen rangeht, die Art Dinge aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten, denn daraus können neue Erkenntnisse entstehen (oder verworfen werden).

Grüße

Kanken

Huangshan
18-12-2014, 13:21
Heping wie ich mitbekommen habe kennst du dich mit Shaolin und dem Zirkus drumherum bestens aus .(Teile deine Meinung über das Shaolin Kloster, siehe deine PDF)

Bei Quellen,Büchern.... muss man immer vorsichtig sein und nicht alles für Bare Münze nehmen.

Werde mir mal dein Buch bestellen, es gibt leider nur wenige Bücher in Deutsch zu diesen Themen.

http://www.amazon.de/Chen-Stil-Taijiquan-Geschichte-Grundlagen-chinesischen/dp/3735720250/ref=sr_1_3?s=books&ie=UTF8&qid=1418909157&sr=1-3&keywords=urs+krebs

Was hältst du von der neusten These, dass die Li/Chen Familie als Gründer des Taijiquan,Gründungsort(Qianzai Temple of Tang Village 唐村 in Boai County 博愛縣) beschreibt?


Grüsse
Huangshan

T. Stoeppler
18-12-2014, 21:03
@Heping
:beer:

Es gab doch mal vor ein paar Jahren einige offenbar gefälschte Dokumente in einer Stil-Historie - ich weiss grad gar nicht mehr, von wem das war. Jedenfalls ist manchmal auch da die Authentizität fraglich.

Gruss, Thomas

Heping
18-12-2014, 21:43
Huangshan, meiner Meinung nach wurden auch bei der Qianzai-Tempel Geschichte gewisse Dinge konstruiert. Gewiss ist nicht alles erfunden, die Verbindung Li-Familie/Chen-Familie dürfte es so gegeben haben. Aber bei diesen "neuen Entdeckungen" bezog man sich unter anderem auch auf eine Inschrift einer Stele eben dieses Qianzai-Tempels. Dumm nur, dass offensichtlich nur der Abdruck der Stele, nicht jedoch die Stele selbst existiert. Und der Bezug zu Li Daozi, der ursprünglich hier seine 13 Stellungen entwickelt haben soll, bedient dann auch noch elegant die Wudang-Legende. Passt für alle irgendwie?

Feedback zu meinem Buch interessiert mich natürlich, nehme ich gerne entgegen. Der Zhaobao-Teil (Thread-Thema) ist leider nicht in der Leseprobe enthalten, wohl aber die Entstehungsgeschichte allgemein und die Geschichte des Chen-Stils:

https://play.google.com/books/reader?id=ve9xAwAAQBAJ&printsec=frontcover&output=reader&hl=de&pg=GBS.PA5

karate_Fan
18-12-2014, 22:06
Da mir die Beiträge von Heping immer gut gefallen haben, werde ich mir sein Buch auch bald holen.

Die paar Seiten die Amazons Blick ins Buch Funktion gestattet lesen sich sehr vielversprechend.:D

Werde dann über die Feiertage viel zu lesen haben. Das Buch von Bruce Frantzis Die Kraft der inneren Kampfkünste ist ja schon bestellt. Wenn dann auch das Buch von Heping dazu kommt, bin ich doch recht gut ausgelastet, was das Lesen betrifft.

Huangshan
19-12-2014, 08:15
Heping:

Danke für deine Erläuterung zum Thema.


The Ming historian Wang Xingya 王興亞 of Zhengzhou University spent a year tracing and studying the origin and the authenticity of the Li Family Genealogy. He concludes that “the Li Family Genealogy was edited by the tenth generation Li Yuanshan 李元善 in 1716.” “Its contents are not from the repeated and extant historical sources but sources of the eye-witness.” “The Qianzai Temple 千載寺 was the birthplace of taiji quan… Li Yuanshan described in the Preface that the Li brothers Zhong 仲, Xin 信, and their cousin Chen Wangting created taiji yangshen gong 太極養生功, or ‘the art of Taiji Cultivating Life,’ shisanshi tongbei gong 十三式通臂功, or ‘the Thirteen Postures Boxing.’” (Wang Xingya) According to these articles and the attached photo copies of the Li Family Genealogy, the early patriarchs of Li, Chen (Chen Bu 陳卜), and the other three families became sworn brothers on their migration in the fourteenth century. This event took place in the Qianzai Temple of Tang Village 唐村 in Boai County 博愛縣, which is about 30 miles away from the present Chen Village.

LiteratiTradition: The Origins of Tai Chi (Taiji) (http://www.literati-tradition.com/chen_camp.html)


Ja die Geschichte mit der Stele,Abschrift, Augenzeugen..... ist seltsam.

Leider spielen oft in der Kampfkunst Geschichtsforschung , Politik,,Religion,geschäftliche und persönliche Interessen.... eine Rolle.
Wissenschaftliche Objektivität,Forschung...... bleiben oft auf der Strecke.

PS: Habe als ich in China gelebt,gearbeitet.... habe hinter die Kulissen der Gesellschaft in China geschaut .
Als Kampfkunsttourist, Tourist , Gast,Laowei..... bekommt man oft nur die glänzende Seite der Medaille zu sehen.


Gruss
Huangshan

martin3
19-12-2014, 08:30
Hey,

bin nicht wirklich drin in diesem Thema, aber hier ein Artikel auf Deutsch übersetzt von Dr. Herman Bohn in Taiwan, der auch etwas dazu beiträgt:

Neues zur Geschichte des Taijiquan:
Die Faustkampfkunst nach Himmlischen Mustern

http://nancl.sg1007.myweb.hinet.net/Neues%20zur%20Geschichte%20des%20Taijiquan.pdf

Gruß

Huangshan
19-12-2014, 08:32
martin 3:

Danke für deinen Beitrag.

Werde mir mal den Artikel durchlesen.

T. Stoeppler
19-12-2014, 10:59
Ich habe mir den Artikel gerade durchgelesen - sehr lesenwesrt, danke fürs verlinken!

Themenspezifisch ist dort z.B. auch die Referenz zum Chansijin bei den Zhaobaos enthalten. Zwar anders dokumentiert als von Chen Xin aber doch quasi die gleiche Begrifflichkeit.

Dank an Autor und Übersetzer!

Gruss, Thomas